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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 47und dann in seinen Schöpfungen die erhabenen Geheimnisse wiederzugeben, die er an diesemhehren Altar erlauscht hatte. Wenewitinow ist unser einziger Dichter, der sogar von seinenZeitgenossen verstanden und nach Gebühr gewürdigt worden ist. Er war die schöne Morgenröte,die einen schönen Tag verhieß; darin sind sich alle Parteien einig. Aus Gründen derGerechtigkeit muß ich hier auch Poleshajew erwähnen, ein zwar einseitiges, aber dennochbemerkenswertes Talent. Wer wüßte nicht, daß dieser Mensch ein trauriges Opfer seiner Jugendirrungen,ein unglückliches Opfer des Geistes jener Zeit ist, als die begabte Jugend mitExtrapost über die Straßen des Lebens dahinjagte, im Leben nur den Rausch suchte, statt eszu erforschen, und es als unbändige Orgie und nicht als mühselige Tat ansah. Man lese nichtseine Übersetzungen (ausgenommen [78] „L’homme à Lord Byron“ von Lamartine), die irgendwiekalt lassen; man lese nicht seine Scherzgedichte, die allzu stark nach Kneipe riechen,auch nicht seine auf Bestellung gemachten Gedichte; aber man lese diejenigen seinerWerke, die mehr oder weniger mit seinem eigenen Leben verknüpft sind; man lese seine„Gedanken am Meeresstrand“, seine „Abendröte“, seine „Vorsehung“, und man wird bei PoleshajewTalent und Gefühl finden! ...Jetzt bleibt mir noch ein Dichter, der keinem der von mir erwähnten ähnelt, ein originellerund selbständiger Schriftsteller, der Puschkins Einfluß für sich ablehnte und ihm vielleichtsogar ebenbürtig war; ich meine Gribojedow. Dieser Mann hat allzu viele Hoffnungen mit insGrab genommen; er war ausersehen, der Schöpfer der russischen Komödie, des russischenTheaters zu werden.Das Theater! ... Lieben Sie das Theater so, wie ich es liebe, mit allen Fasern Ihres Herzens, mitall der Begeisterung und der Selbstvergessenheit, deren ein junges, glühendes, leidenschaftlichnach Schönem dürstendes Gemüt fähig ist? Oder besser, bringen Sie es über sich, das Theaternicht mehr als alles auf der Welt zu heben, ausgenommen das Wahre und das Gute? In der Tat,ist nicht im Theater alles vereinigt, was die schönen Künste Lockendes, Betörendes, Bestrikkendeshaben? Ist es nicht der unumschränkte Beherrscher unserer Gefühle, die es jederzeit undunter allen Umständen zu bewegen und aufzuwühlen vermag, gleich dem Sturmwind, der inden Wüsten Arabiens den Sand aufwirbelt? ... Welche der Künste besäße gleich machtvolleMittel, die Seele mit Eindrücken zu bestürmen und nach Gefallen mit ihr zu spielen? ... Lyrik,Epos, Drama, geben Sie einer dieser Gattungen bedenkenlos den Vorzug, oder lieben Sie siealle gleichermaßen? Die Wahl ist schwer, nicht wahr? Wird doch in den wuchtigen Strophendes Riesen Dershawin und in den so mannigfaltigen Melodien des Proteus Puschkin dieselbeNatur gestaltet wie in den Poemen Byrons oder in den Romanen Walter Scotts, und in den letzterendie gleiche Natur wie in den Dramen Shakespeares und Schillers? Und doch liebe ich dasDrama über alles, und das entspricht, scheint’s, dem allgemeinen Geschmack. Die Lyrik drücktdie Natur unbestimmt, ich möchte sagen, musikalisch aus; ihr Gegenstand ist die gesamte Naturin all ihrer Unendlichkeit; Gegenstand des Dramas hingegen ist ausschließlich der Mensch undsein Leben, in dem sich die höhere geistige [79] Seite des allgemeinen Lebens des Weltallsmanifestiert. Unter den Künsten nimmt das Drama den gleichen Rang ein wie die Geschichteunter den Wissenschaften. Der Mensch war und bleibt die interessanteste aller Erscheinungenfür den Menschen, und das Drama zeigt diesen Menschen in seinem ewigen Kampf mit seinemIch und mit seiner Bestimmung, zeigt ihn in seiner ewigen Tätigkeit, die aus dem Drang nacheinem dunkeln Ideal der Seligkeit entspringt, das er selten klar erkennt und noch seltener erreicht.Sogar das Epos bedient sich der Vorzüge des Dramas; ein Roman ohne dramatischeHandlung ist fade und uninteressant. In gewissem Sinne stellt das Epos nur eine besondereForm des Dramas dar. Nehmen wir also als feststehend an, daß das Drama, wenn nicht die beste,so doch die uns am nächsten stehende Gattung der Dichtkunst ist. Was ist dann erst dasTheater, wo dieses machtvolle Drama von Kopf bis Fuß mit neuer Macht ausgestattet wird, woes sich mit allen Künsten verbündet, sie zu Hilfe ruft und sich aller ihrer Mittel und RüstzeugeOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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