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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 44unter einem gemeinsamen Deckel. Ich vergaß, zu sagen, daß man Puschkin erst heute nachGebühr zu schätzen beginnt, denn die Reaktion ist schon verrauscht, und die Parteien habensich abgekühlt. Heute wird selbst zum Scherz niemand mehr Herrn Baratynskis Namen nebenden Puschkins setzen. Das hieße den ersten grausam verhöhnen und den Wert des zweitenvöllig verkennen. Daß Herr Baratynski dichterische Begabung besitzt, unterliegt nicht demgeringsten Zweifel. Gewiß hat [73] er das schlechte Poem „Die Gastmähler“, das schlechtePoem „Edda“ (die „Arme Lisa“ in Versen) und das schlechte Poem „Die Konkubine“ geschrieben,aber zugleich schrieb er mehrere herrliche, von echtem Gefühl getragene Elegien,von denen „Auf Goethes Tod“ vorbildlich genannt werden kann, sowie etliche Episteln, diesich durch ihren Witz auszeichnen. Früher wurde er über Verdienst gelobt, jetzt wird er,scheint es, ohne hinreichenden Grund heruntergemacht. Ich erwähne noch, daß Baratynskivormals Ansprüche auf kritisches Talent erhoben hat; inzwischen hat er, glaube ich, auchselbst den Glauben daran verloren.Koslow gehört zu den hervorragendsten Talenten der Puschkinschen Periode. Seine Werkelehnen sich in der Form stets nahe an Puschkin an, aber das beherrschende Gefühlselement inihnen ist offenbar von Shukowski beeinflußt. Koslows dichterisches Talent wurde bekanntlichdurch einen Unglücksfall geweckt, und daher bilden eine gewisse Melancholie, Schicksalsergebenheitund Jenseitshoffnung den Grundzug seiner Schöpfungen. Sein „Mönch“, überdem die schönen Leserinnen so manche Tränen vergossen und der ein Abklatsch von Byrons„Giaur“ war, trägt vor allem das Merkmal dieser Einseitigkeit; seine nachfolgenden Dichtungenwurden immer schwächer und schwächer. Koslows kleinere Dichtungen zeichnen sichdurch unverfälschtes Gefühl, malerische Pracht der Bilder und eine klangvolle, harmonischeSprache aus. Wie schade, daß er Balladen schrieb. Ohne Volksverbundenheit ist die Balladeeine verfehlte Gattung und kann keine Teilnahme erwecken. Dabei wollte Koslow mit allerMacht eine spezifische Art slawischer Balladen schaffen. Die alten Slawen lebten vor langerZeit, und wir wissen wenig von ihnen; wozu da verdeutschte Wsemils und Ostanows auf denSchauplatz ziehen? Koslow hat seinem Ruf als Künstler auch dadurch viel geschadet, daß ermitunter gewissermaßen aus Langerweile schrieb; das läßt sich vor allem von seinen gegenwärtigenErzeugnissen sagen.Jasykow und Dawydow (D. W.) haben viel Gemeinsames. Sie sind beide beachtenswerteErscheinungen in unserer Literatur. Der eine, ein von Sorgen unbeschwerter, von jugendlichemGefühlsüberschwang sprudelnder Dichter-Student, besingt die Wonnen der Jugend, dieam reichgedeckten Tisch des Lebens schwelgt, singt von den Purpurlippen, den nachtschwarzenAugen, lilienweißen Busen und [74] himmlischen Brauen der jungen Schönen, von glühendenNächten und unvergeßlichen Landen,„Wo ihm die heißen JugendtageVerflogen sind in Saus und Braus.“Der andere, ein Dichter-Krieger, berichtet uns in seinen schmissigen Versen mit der ganzenGradheit des Soldaten und dem ganzen Feuer eines von den Jahren und Mühen nicht abgekühltenEmpfindens von Jugendstreichen, Husarenstückchen, von wilden Ritten und tollenFesten und von seiner Liebe zu einer stolzen Schönen. Der eine wie der andere entlockenihrer Leier oft wuchtige, starke und feierliche Klänge; nicht selten ergreift das lebendige,feurige Gefühl, das sich in ihnen äußert. In ihrer Einseitigkeit liegt Originalität, ohne die keinwahres Talent denkbar ist.Podolinski berechtigte zu den schmeichelhaftesten Hoffnungen, hat sie aber leider nicht erfüllt.Seine Sprache war dichterisch, auch kann man ihm das dichterische Empfinden nichtabsprechen. Der Grund seines Mißerfolgs scheint mir darin zu liegen, daß er sich seiner eigentlichenBerufung nicht bewußt wurde und einen falschen Weg einschlug.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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