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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 43Puschkin herrschte zehn Jahre lang. „Boris Godunow“ war seine letzte große Tat; im drittenTeil der Gesamtausgabe seiner Gedichte erstarb seine tönende Leier. Heute erkennen wirPuschkin nicht wieder: ist er tot oder vielleicht nur vorübergehend ohne Leben? Vielleichtexistiert er nicht mehr, aber vielleicht wird er wieder auferstehen; diese Frage, dieses HamletscheSein oder Nichtsein verliert sich im Dunkel der Zukunft. Nach seinen Märchen, seinemPoem „Angelo“ und anderen Werken zu schließen, die im „Nowosselje“ und in der „Lesebibliothek“aufgetaucht sind, können wir jedenfalls einen bitteren, unwiederbringlichenVerlust beweinen. Wo sind heute die Klänge, in denen wir einst bald wilde Ausgelassenheit,bald Sehnsucht des Herzens vernahmen, wo ist das helle Aufglühen eines feurigen, tiefenGefühls, welches das Herz erbeben ließ und die Brust erregend beklemmte, wo das Auffunkelndieses feinen, ätzenden Witzes, dieser zugleich mokanten und melancholischen Ironie,deren spielende Leichtigkeit so stark auf die Gemüter wirkte; wo sind sie nun, diese LebensundNaturbilder, vor denen das Leben und die Natur verblassen? ... O weh! Statt ihrer lesenwir heute Gedichte mit einwandfreier Zäsur, mit vollen und mageren Reimen, mit poetischenLizenzen, über die sich der Archimandrit Apollos und Herr Ostolopow so umständlich, sobefriedigend und tiefsinnig ausgelassen haben... Ein seltsam und unbegreiflich Ding! Sollwirklich diesem Puschkin, den weder die verzückten Lobeshymnen der Enthusiasten noch dieAnpreisungen der Krämer, noch auch die heftigen, nicht selten berechtigten Angriffe undRügen seiner Widersacher umzubringen vermochten, soll wirklich diesen Puschkin, sage ich,die „Nowosselje“ des Herrn Smirdin umgebracht haben? Doch wollen wir nicht übereilt undleichtfertig urteilen und es der Zeit überlassen, diese verwickelte Frage zu entscheiden. ÜberPuschkin ein Urteil zu fällen, ist nicht leicht. Man hat gewiß seine „Elegie“ im Oktoberheftder „Lesebibliothek“ gelesen. Man war gewiß erschüttert von dem tiefen Empfinden, dasdieses Werk atmet. Außer den tröstlichen Hoffnungen, die sie im Hinblick auf Puschkin gewährt,ist die erwähnte [72] Elegie auch noch dadurch bemerkenswert, daß sie eine sehr getreueCharakteristik von Puschkin als Künstler enthält:„Mich werden wieder Harmonien stillen,Mir werden beim Gedichte Tränen quillen.“Ja, ich glaube aus tiefstem Herzen, daß er die bittre Qual der verschmähten Liebe mit derjungen schwarzäugigen Tscherkessin oder mit seiner bezaubernden Tatjana, diesem schönstenund geliebtesten Ideal seiner Phantasie, vollauf geteilt hat; daß er mit seinem finsterenGirej an der nagenden Sehnsucht der Seele krankte, die, von Genüssen übersättigt, dennochnimmer den wahren Genuß gekostet hat; daß er mit Sarema und Aleko in den rasendenFlammen der Eifersucht glühte und sich an der wilden Liebe der Semphira berauschte, daß ermit seinen Idealen Trauer und Freude erlebte und das Säuseln seiner Verse immer seineminneren Lachen und Weinen entsprach... Möge man mir Voreingenommenheit, Götzendienst,Kinderei und Dummheit vorwerfen, aber ich will lieber glauben, daß Puschkin die „Lesebibliothek“zum Narren hält, als daß sein Talent erloschen sei. Ich glaube und denke, und esmacht mir Freude, zu glauben und zu denken, daß Puschkin uns neue Schöpfungen schenkenwird, die noch höher stehen werden als die bisherigen...Gleichzeitig mit Puschkin trat eine Menge von Talenten auf, die heute größtenteils vergessensind oder vergessen zu werden im Begriff stehen, die aber einst Altäre und Anbeter besaßen.Heute kann man von ihnen sagen:„Sie sind, wie Saadi spricht, verschwunden,Weithin zerstreut und manche tot.“ 51Herr Baratynski und Puschkin wurden auf eine Ebene gestellt; sie wurden stets zusammengenannt, und einmal erschienen sogar zwei Werke der beiden Dichter in einem Bändchen,51 Aus „Eugen Onegin“ (Achtes Buch, Strophe LI).OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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