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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 40war nicht mehr und nicht weniger als ein schwacher Widerhall des europäischen Echos, undum dies zu erklären, muß man nicht erst auf dem Dampfer „John Bull“ 42 nach Indien reisenPuschkin gab sich immer natürlich, er war in seinen Gefühlen immer wahrhaftig und aufrichtig,er schuf sich seine eigenen Formen für seine Ideen: darin besteht seine Romantik. In diesemSinne war auch Dershawin fast ebenso Romantiker wie Puschkin; der tiefere Grund dafürliegt, wie ich wiederhole, in seiner mangelnden Bildung. Wäre dieser Mann gelehrt gewesen– wir besäßen zwei schwer zu unterscheidende Cheraskows.So stand also das dritte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts im Zeichen des Einflusses von Puschkin.Was könnte ich über diesen Mann Neues sagen? Ich gestehe, ich empfinde es zum erstenmalals beschwerlich, daß ich mich unterfangen habe, ein Urteil über die russische Literaturabzugeben; zum erstenmal bedauere ich, daß mir die Natur die Dichtergabe versagt hat,denn es gibt Dinge in der Natur, über die in trockener Prosa zu sprechen sündhaft ist!So langsam und zögernd die Karamsinsche Periode vorwärtsschritt oder, richtiger gesagt,hinkte, so rasch und eilend schritt die Puschkinsche Periode voran. Man kann mit Bestimmtheitbehaupten, [67] daß erst im letzten Jahrzehnt Leben in unsere Literatur gekommen ist,und was für ein Leben! erregt, brodelnd und tatenfroh! Leben ist Tat, Tat ist Kampf, und damalskämpfte und focht man auf Tod und Leben. Man verurteilt bei uns mitunter die Polemik,vor allem die in den Zeitschriften. Das ist ganz natürlich. Können Leute, die dem geistigenLeben gleichgültig gegenüberstehen, begreifen, daß jemand die Wahrheit dem Anstandvorziehen und aus Liebe zu jener Haß und Verfolgung auf sich nehmen kann? Oh, nie werdensie begreifen, welche Seligkeit und höchste Wonne es ist, irgendeinem Genie a. D. in Zivilins Gesicht zu sagen, wie kläglich und lächerlich er ist mit seinen kindischen Ambitionen,ihm auseinanderzusetzen, daß er sein bißchen literarische Bedeutung nicht sich selbst, sonderneinem Marktschreier von Zeitungsverleger verdankt; so einem alten Veteranen zu sagen,daß er seine Autorität auf Kredit, aus Pietät oder aus alter Gewohnheit bezieht; irgendeinemLiteraturlehrer nachzuweisen, daß er kurzsichtig und hinter seinem Jahrhundert zurück istund daß er nochmals beim Abc mit dem Lernen anfangen muß; einem Herrn von dunklerAbstammung, einem Intriganten und Vidocq 43 , einem Literaturkrämer ins Gesicht sagen, daßer mit seiner Person die Literatur beleidige, mit der er sich befaßt, samt den guten Leuten, beidenen er Kredit genießt, daß er ebenso die Heiligkeit der Wahrheit wie die Heiligkeit desWissens schändet; seinem Namen das Schandmal aufbrennen, ihm die Maske vom Gesichtreißen, sei es auch die Maske eines Barons, und ihn der Welt in seiner ganzen Nacktheit zeigen... 44 Ich kann Ihnen verraten, daß darin eine unbeschreibliche Genugtuung und grenzenloseWonne liegt! Natürlich werden die Regeln des guten Tons und Anstands bei den literarischenRaufereien nicht immer streng eingehalten: aber der kluge, gebildete Leser wird geschmackloseAnspielungen wie Gelbhorn, Schnabeltier, Seminarist, Korn- und Fuselbrenner,Krämerseele und Ellenreiter 45 überhören, er wird stets die Wahrheit von der Lüge, den Menschenvon seinen Schwächen, das Talent von seinen Verirrungen zu trennen wissen, währenddie dummen Leser davon weder dümmer noch klüger werden. Würde alles immer glatt undsanft zugehen, würden bloß Komplimente und Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht werden,42 Anspielung auf A. A. Marlinski, der in einem kritischem Aufsatz über einen Roman von M. Polewoi auf dieindische Literatur einging und unter anderem schrieb: „Durchwandern wir also Indien, der Dampfer ‚John Bull‘raucht schon lange am Kai.“43 Die Ausdrücke „einem Herrn von dunkler Abstammung, einem Intriganten und Vidocq“ beziehen sich auf F.W. Bulgarin, den Puschkin in einer Glosse („Die Aufzeichnungen Vidocqs“) und in zwei Epigrammen in derGestalt eines französischen Polizeiagenten mit Namen Vidocq dargestellt hatte.44 Anspielung auf Baron Brambäus (O. I. Senkowski), der in seinen Aufsätzen „die Heiligkeit der Wahrheit unddie Heiligkeit des Wissens verhöhnte“. Siehe auch Anm. 10.45 Diese Bezeichnungen beziehen sich auf M. T. Katschenowski, N. I. Nadeshdin und N. A. Polewoi; Polewoiwar Kaufmann und Inhaber einer Schnapsbrennerei.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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