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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 37gewöhnlich auch von Leuten zu erheben pflegte, die ihm an Talent und Bildung überlegenwaren: ich spreche von Krylow. Ich wiederhole: was wurde in dieser Periode für die Unsterblichkeitgetan? Der eine machte uns ein wenig, und auch das einseitig, mit der deutschen undder englischen Literatur bekannt, ein anderer mit dem französischen Theater, ein dritter mitder französischen Kritik des 17. Jahrhunderts, der vierte... Aber wo bleibt die Literatur? Suchtsie nicht: es wäre vergebliche Mühe; verpflanzte Blumen leben nicht lange: das ist eine unbestreitbareWahrheit. Ich sagte bereits, daß zu Beginn dieser Periode zum erstenmal der Gedankean eine Literatur bei uns aufkam; in der Folge entstanden auch die ersten Zeitschriften.Aber was waren das für Zeitschriften? [62] Harmloser Zeitvertreib, Geschäftigkeit vor lauterNichtstun, bisweilen auch ein Mittel zum Geldverdienen. Keine einzige von ihnen folgteaufmerksam den Fortschritten der Aufklärung, keine einzige unterrichtete ihre Landsleuteüber die Erfolge der Menschheit auf dem Feld der Selbstvervollkommnung. Ich entsinnemich, daß in irgendeinem gefühlvollen Blatt, ich glaube im Jahr 1813, zu lesen war, in Englandsei letzthin ein neuer Dichter, namens Byron, aufgetreten, der in einer Art von romantischemGenre schreibe und sich vor allem durch seine Dichtung „Childe Harold“ einen Namengemacht habe; und das war alles. Allerdings wurde die Literatur damals nicht bloß inRußland, sondern teilweise auch in Europa statt durch die klare Glasscheibe der Vernunftdurch das trübe Ölpapier des französischen Klassizismus betrachtet; aber die Bewegung wardort schon im Gange, und die Franzosen waren, durch die Restauration zur Rute gebracht, imGegensatz zu früher um vieles gescheiter geworden und hatten sich sogar gänzlich verändert.Unterdessen dösten unsere literarischen Beobachter dahin und wachten erst auf, als der Feindbereits in ihre Behausungen eingedrungen war und dort nach eigenem Gutdünken schalteteund waltete: erst da erhoben sie ein ohrenzerreißendes Geschrei: Hilfe, Zetermordio, dieRomantik! ...An die Karamsinsche Periode in unserer Literatur schloß sich die Puschkinsche an, die fastgenau zehn Jahre dauerte. Ich sage die Puschkinsche, denn wer wollte leugnen, daß Puschkinder führende Kopf jenes Jahrzehnts war und daß damals alles von ihm aus- und zu ihm hinging?Übrigens meine ich hier nicht, daß Puschkin für seine Zeit genau dasselbe gewesenwäre wie Karamsin für die seine. Schon die eine Tatsache, daß er ganz spontan als Künstlerschuf und nicht praktisch und vorsätzlich als Schriftsteller, setzt einen großen Unterschiedzwischen ihm und Karamsin voraus. Puschkin herrschte einzig kraft seines Talents und durchdie Tatsache, daß er ein Sohn seiner Zeit war; Karamsins Herrschaft dagegen beruhte in derletzten Zeit auf einer blinden Verehrung seiner Autorität. Puschkin erklärte nicht, Poesie seidies oder dies und Wissenschaft das oder das; nein, mit seinen Schöpfungen gab er jener denMaßstab und machte bis zu einem gewissen Grade deutlich, was diese im modernen Sinnbedeutete. Zu jener Zeit, d. h. in den zwanziger Jahren (1817 bis 1824), spürte man bei unseinen dumpfen Widerhall der geistigen Umwälzung in Europa; damals begann man, wennauch noch [63] zaudernd und unbestimmt, davon zu reden, daß der trunkene Barbar Shakespearevielleicht doch turmhoch über dem steifleinenen Racine stehe, daß Schlegel vielleichtein wenig mehr von Kunst verstehe als Laharpe, daß die deutsche Literatur der französischennicht nur nicht unter-, sondern weit überlegen sei; daß die ehrenwerten Herren Boileau, Batteux,Laharpe und Marmontel die Kunst ganz schmählich verlästert haben, weil sie selbst nureine schwache Ahnung von ihr hatten. Das alles wird heute natürlich nicht mehr bezweifelt,und man würde sich vor aller Welt lächerlich machen, wollte man derartige Wahrheiten beweisen;aber damals war niemand zum Lachen zumute; denn damals drohte einem sogar inEuropa für solche Ketzergedanken das Autodafé * der Inquisition. Was riskierten dann erst inRußland Leute, die zu behaupten wagten, daß Sumarokow kein Dichter, daß Cheraskow einwenig schwerfällig sei usw.? Daraus geht klar hervor: Puschkins gewaltiger Einfluß beruhte* Vollstreckung eines Urteils der Inquisition oder eines GlaubensgerichtsOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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