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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 35Nun bleibt mir nur noch Mersljakow zu erwähnen, und ich bin am Ende der KaramsinschenPeriode unserer Literatur und beschließe die Aufzählung aller ihrer Berühmtheiten, ihrer ganzenAristokratie; was bleibt, sind die Plebejer, von denen nicht viel zu sagen ist, wenn mannicht gerade die Fadenscheinigkeit unserer vielgerühmten Autoritäten beweisen will.Mersljakow war ein Mann von außergewöhnlichen poetischen Gaben und ist eins der rührendstenOpfer des Zeitgeistes. Er hielt Vorlesungen über die Theorie des Schönen und da-[59]beiblieb ihm diese Theorie bis an sein Lebensende ein ungelöstes Rätsel; er galt bei uns als einOrakel der Kritik und wußte dabei nicht, worauf die Kritik beruht; er täuschte sich endlich seinLeben lang über sein eignes Talent, denn er, der einige unsterbliche Lieder geschrieben hat,schrieb zugleich eine Unmenge Oden, in denen zwar hie und da ein paar Funken seines starken,von der Scholastik nicht umzubringenden Talents aufblitzen, alles übrige aber pure Rhetorikist. Und dennoch wiederhole ich: er war eine kraftvolle und energische Begabung; welchtiefes Gefühl, welche grenzenlose Sehnsucht klingt aus seinen Liedern! Wie lebendig sprichtaus diesen Liedern seine Einfühlung in das russische Volk, und wie echt hat er in ihren poetischenKlängen die lyrischen Seiten des russischen Volkslebens zum Ausdruck gebracht. Dasist etwas anderes als Delwigs Liedchen, das ist keine Imitation des Volksliedrhythmus – nein,das ist ein lebendig, natürlich strömendes Gefühl, an dem alles ungekünstelt und natürlich ist.Ist man nicht wirklich nach jedem seiner Lieder unwillkürlich bereit, auszurufen:„Ach, dies Lied aus alten ZeitenGriff ans Herz so sehnsuchtsvoll,Und ich kann es nicht begreifen,Daß ihr’s nicht mehr hören sollt.“ 35Und dieser Mann, der die deutsche Sprache und Literatur kannte, dieser Mann mit einerDichterseele und einem tiefen Gemüt, schrieb zeremoniöse Oden, übersetzte Tasso, verkündetevom Katheder herab, daß nur das wundertätige Genie der Deutschen gern Galgen aufdie Bühne bringe, fand Geniales an Sumarokow, und er, der Goethe und Schiller las, warhingerissen und entzückt von der affektierten und geschminkten Poesie der Franzosen! Erwar zum Praktiker der Dichtkunst geboren, aber das Schicksal machte ihn zum Theoretiker;sein heißes Fühlen zog ihn zum Lied, das System aber nötigte ihn, Oden zu schreiben undTasso zu übersetzen!Ich komme jetzt zu den übrigen an Talent oder Geltung bemerkenswerten Literaten der KaramsinschenPeriode.Kapnist gehörte drei Regierungszeiten an. Man hielt ihn früher für einen hervorragend begabtenDichter. Herr Pletnjow behauptete sogar irgendwo und irgendwann, Kapnist habe etwasan sich, was Lamartine fehle: le bon vieux temps [die guten alten Zeiten]! Kapnist ist heutegänzlich vergessen, wahrscheinlich, weil er in seinen Gedichten streng nach den Regeln einerwohlgeordneten Chrie * weinte, noch wahrscheinlicher [60] aber, weil so winzige Talentfünkcheneinen Dichter noch nicht von den alles verschlingenden Fluten der Lethe retten können.Sein „Angeber“ erregte zwar großes Aufsehen, aber dieser berühmte „Angeber“ ist nichtmehr und nicht weniger als eine, selbst den Begriffen der damaligen Zeit nach, barbarischgeschriebene Farce. 3635 Aus I. Lashetschnikows Lied „Sang so süß die Nachtigall“; zur Zeit, als Belinski diesen Aufsatz schrieb,wurde dieses Lied noch irrtümlicherweise Mersljakow zugeschrieben, und Belinski wiederholt hier diesen Irrtum.Siehe auch Belinskis entschuldigende Bemerkung in der Fußnote auf S. 100.* schriftliche Ausarbeitung über eine Spruchweisheit nach einem festgelegten, formalen Schema36 In den 40er Jahren beurteilte Belinski die Komödie „Der Angeber“ richtiger. So schrieb er in seinem erstenAufsatz über Puschkin: „Dieses Werk ist in poetischer Hinsicht unbedeutend, gehört aber zu den historischwichtigen Erscheinungen in der russischen Literatur, denn es ist eine forsche, entschiedene Attacke der SatireOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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