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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 320hunderts amüsiert hat. In dieser ganzen Erzählung ist kein einziges Wort, kein Ausdruck einfachund lebendig: alles ist gesucht, gekünstelt, geht auf Stelzen, ist imitiert und verlogen.Was für Wortgebilde: Ordynow geißelt sich mit irgendeinem unerhört süßen und hartnäckigenGefühl; er geht an der geistreichen Werkstatt eines Sargmachers vorbei; er nennt seineGeliebte Turteltäubchen und erkundigt sich, aus welchem Himmel sie in seine Himmelsbreiten[540] hereingeflogen ist; aber genug – wir könnten sonst gar zu viele von den wunderlichenWortgebilden aus dieser Erzählung zitieren und kein Ende finden. Was soll das bedeuten?Sonderbare Geschichte! Unbegreifliche Geschichte!Unter den im vergangenen Jahr auf dem Gebiet des belletristischen Schrifttums in Einzelausgabenerschienenen Büchern verdienen nur die „Reisenotizen“ von T. Tsch. 29 Beachtung.Das ist ein kleines, hübsch gedrucktes Büchlein, das in Odessa herausgekommen ist; der Verfasserist eine Frau; das läßt sich an vielem erkennen, besonders an der Einstellung zu denDingen. Viel Herzenswärme viel Gefühl, ein Stück Leben, nicht immer verstanden oder allzuweiblich verstanden, aber nie weiß oder rot geschminkt, nicht übertrieben, nicht entstellt, einefesselnde Erzählungsweise, eine schöne Sprache – das macht den Wert der zwei Erzählungenvon Frau T. Tsch. aus. Besonders interessant ist die erste Erzählung – „Drei Variationen überein altes Thema“. Ein erwachsenes Mädchen hatte sich in einen Knaben verliebt. Später verlorsie ihn aus den Augen und heiratete einen guten, anständigen Mann, für den sie jedochkein besonderes Gefühl empfand. Plötzlich begegnet sie dem kleinen Lex wieder, aus deminzwischen schon ein Alexis geworden ist. Es entspinnt sich zwischen ihnen eine Art vonbesonderen Beziehungen, die mit einem leidenschaftlichen Kuß von beiden Seiten und offnenLiebesgeständnissen endeten und auf inständiges Drängen der Heldin, in der die Liebe dasPflichtgefühl nicht besiegte, zur Abreise von Alexis führten. Danach fuhr sie mit ihrem krankenGatten in einen Badeort ins Ausland. Dort erhielt sie einen Brief von einer ihrer Freundinnen,aus dem sie erfuhr, daß Alexis sie leidenschaftlich liebe. Dieser Brief versetzte sie intiefe Erregung. Einmal, als sie ihn wieder las und von Alexis träumte, hörte sie plötzlich imNebenzimmer, wo sich ihr Mann befand, ein sonderbares Geräusch. Sie läuft hinüber undfindet ihren Mann einer Ohnmacht nahe; der Lungenkranke hatte einen schweren Anfall gehabt.Wieder etwas zu sich gekommen, begann er ein Gespräch mit ihr über seinen bald bevorstehendenTod, dankte ihr für die Aufmerksamkeit und Pflege, die sie ihm hatte angedeihenlassen, gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß er sie nicht unvermögend zurücklasse,und riet ihr, sich wieder zu verheiraten, da sie jung und schön sei und keine Kinder habe. Wiealle exaltierten Frauen zu tun pflegen, wies sie diesen letzteren Vorschlag entsetzt zurück.Dann begannen Gewissensbisse [541] sie zu plagen. Und wie auch anders: ihr Gatte lag imSterben und dankte ihr für ihre Liebe und Aufmerksamkeit, sie aber dachte zur gleichen Zeitan einen anderen, liebte einen anderen. Fast hätte die arme Frau ihrem sterbenden Mann ihrGeheimnis erzählt: glücklicherweise verhinderte eine Ohnmacht, die sie überfiel, dieses unnötigeund törichte Geständnis, das nur die letzten Augenblicke eines guten, edlen Menschenvergiftet hätte. Das ist die Logik einer exaltierten Frau ... Der Gatte der Heldin starb, sie war35 Jahre alt, als sie Alexej Petrowitsch wiedersah; er war verheiratet und lebte ganz dem Ehrgeiz.Als sie ihn zu sehen bekam, konnte unsere Heldin kaum ihre Erregung unterdrücken;aber er behandelte sie mit kalter Höflichkeit. Das machte ihre Enttäuschung über die Scheusalevon Männern vollkommen, und sie weinte bitterlich. Wie! er hatte alles vergessen! Ja,aber woran sollte er sich auch erinnern? An die Küsse? An eine Liebesgeschichte, die zunichts geführt hatte und gleich zu Anfang abbrach, eine jener Geschichten, wie sie vieleMänner mehr als einmal im Leben mitmachen? Ein Mann hat viele Interessen im Leben, unddeshalb bewahrt sein Gedächtnis nur solche Geschichten auf, die etwas ernsthafter sind als29 Unter den Initialen „T. Tsch.“ und dem Pseudonym A. Temrisowa veröffentlichte Anastasija JakowlewnaMartschenko in verschiedenen Zeitschriften ihre Gedichte, Erzählungen und Romane.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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