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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 319Es bleiben uns noch die „Aufzeichnungen eines Menschen“ von Sto-odin („OtetschestwennyjeSapiski“), „Kirjuscha“, die Erzählung eines unbekannten Autors 28 , und „Der Jude“des Herrn Turgenjew zu erwähnen, um unsere Aufzählung aller einigermaßen bemerkenswertenErscheinungen des vergangenen Jahrs auf dem Gebiet des Romans und der Erzählungabzuschließen. Aber wir müssen noch ein paar Worte über die „Hausfrau“, eine Erzählungdes Herrn Dostojewski, sagen, die höchst bemerkenswert ist, jedoch nur nicht im gleichenSinn wie die, von denen bisher die Rede war. Trüge sie die Unterschrift irgendeines Unbekannten,würden wir sie mit keinem Wort erwähnen. Der Held der Erzählung ist ein gewisserOrdynow; er ist ganz in wissenschaftliche Arbeit vergraben; von welcher Art diese ist, davonhat der Autor seinen Lesern nichts gesagt, obwohl ihre Neugier diesmal sehr begründet ist.Die Wissenschaft drückt nicht nur den Meinungen, sondern auch den Handlungen des Menschenihren Stempel auf; man erinnere sich an Doktor Krupow. Aus den Worten und denHandlungen Ordynows läßt sich nicht im geringsten erkennen, daß er sich mit irgendeinerWissenschaft beschäftigt; aber man kann erraten, daß er sich lebhaft mit Kabbalistik, mit derSchwarzen Kunst beschäftigt, kurz, mit „Tscharomutije“ ... Aber das ist doch nicht Wissenschaft,sondern purer Unfug; dennoch hat auch diese Beschäftigung Ordynow ihren Stempelaufgedrückt, d. h. ihn einem geistigen Krüppel und Irren ähnlich gemacht. Ordynow begegnetirgendwo einer hübschen Kaufmannsfrau; wir entsinnen uns nicht, ob der Autor irgend etwasüber die Farbe ihrer Zähne gesagt hat, aber sie müssen wohl weiß gewesen sein, der Ausnahmewegen, um die Erzählung poetischer zu machen. Sie ging am Arm eines bejahrtenKaufmanns in Kaufmannstracht und mit Bart. Des Kaufmanns Augen verfügten über so vielElektrizität, Galvanismus und Magnetismus, daß manch ein Physiologe ihm einen guten Preisgeboten haben würde, wenn er ihn zeitweise, wenn nicht mit [539] seinen Augen, so dochwenigstens mit seinen blitzgeladenen, funkensprühenden Blicken beliefert hätte, um wissenschaftlicheBeobachtungen und Versuche mit ihnen anzustellen. Unser Held verliebte sich aufder Stelle in die Kaufmannsfrau; ungeachtet der magnetischen Blicke und des giftigen Lächelnsdes phantastischen Kaufmanns bekam Ordynow nicht nur heraus, wo sie wohnen,sondern drängte sich ihnen sogar dank irgendeiner Schicksalsfügung als Untermieter auf undbezog ein eignes Zimmer. Hier kam es zu interessanten Szenen: die Kaufmannsfrau redeteirgendein wildes Zeug daher, von dem wir kein einziges Wort verstanden haben, Ordynowaber fiel, wenn er ihr zuhörte, von einer Ohnmacht in die andere. Oft mischte sich hier derKaufmann ein mit seinen feurigen Blicken und seinem sardonischen * Lächeln. Was sie zueinandersagten, warum sie so mit den Händen fuchtelten, sich zierten und wandten, erstarrten,in Ohnmacht fielen und wieder zu sich kamen – davon wissen wir entschieden nichts,weil wir von all diesen langen pathetischen Monologen nicht ein Wort verstanden haben.Nicht nur der Grundgedanke, sondern auch der Sinn dieser offenbar sehr interessanten Erzählungist und bleibt für unser Verständnis ein Geheimnis, bis der Autor die nötigen Erklärungenund Kommentare zu diesem wundervollen Rätsel seiner wunderlichen Phantasie veröffentlicht.Was hat das zu bedeuten – ist das Mißbrauch oder ein Armutszeugnis eines Talents,das sich über sein Vermögen aufschwingen will und sich deshalb scheut, einen gewöhnlichenWeg zu gehen, und sich irgendeinen nie dagewesenen Pfad ausgesucht hat? Wir wissen esnicht; wir hatten nur den Eindruck, daß der Autor versuchen wollte, Marlinski mit Hoffmannzu versöhnen, wobei er noch etwas Humor neuester Fasson hineingequirlt und das Ganzedick mit dem Lack russischen Volksgeistes überzogen hat. Soll man sich wundern, daß dabeietwas Ungeheuerliches herausgekommen ist, was jetzt an die phantastischen Erzählungen TitKosmokratows erinnert, mit denen dieser das Publikum der zwanziger Jahre unseres Jahr-28 Unter dem Pseudonym „Sto-odin schrieb A. D. Galachow; der Autor der Erzählung „Kirjuscha“ ist P. W.Annenkow.* boshaft, hämisch und fratzenhaft verzerrtOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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