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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 309auch ihrem Verstand Beschäftigung gab, denn sie war feurig, aufnahmefähig und dürstetenach Neuem; alles Gewohnte und Eintönige wurde ihr schnell über. Hierzu aber war Adujewam allerwenigsten befähigt, denn sein Geist schlief eigentlich tief und fest: er, der sich füreinen großen Philosophen hielt, dachte nicht, sondern träumte, redete wachend aus demSchlaf. Angesichts solcher Beziehungen zu dem Gegenstand seiner Liebe war ihm jeder Nebenbuhlergefährlich – mochte er auch schlechter sein als er, wenn er nur ihm nicht glich undfür Nadjenka den Reiz des Neuen haben konnte, und grade da tritt ein Graf in Erscheinung, einMann mit blendender weltmännischer Bildung. In der Absicht, sich ihm gegenüber als echterHeld aufzuführen, benahm sich Adujew eben damit wie ein schlecht erzogener dummer Jungeund verdarb dadurch alles. Der Onkel machte ihm klar, allerdings zu spät und ohne daß es ihmnoch nützte, daß an der ganzen Geschichte nur er allein schuld war. Wie kläglich ist dieserunselige Märtyrer seiner verdorbenen, bornierten Natur in seiner letzten Aussprache mit Nadjenkaund dann in dem Gespräch mit dem Onkel! Er leidet unerträglich: er muß die Argumentedes Onkels anerkennen und kann dabei die Dinge dennoch nicht im richtigen [522] Lichterkennen. Wie? er sollte sich zu sogenannten Listen erniedrigen, er, der doch nur deshalb liebte,um sich und die Welt mit seiner gewaltigen Leidenschaft in Staunen zu versetzen, obwohldie Welt gar nicht daran dachte, sich um ihn oder um seine Liebe zu kümmern! Nach seinerTheorie hätte das Schicksal ihm eine ebenso große Heroine [Heldin] schicken müssen, wie erein Heros war, und statt dessen hat es ihm ein leichtsinniges Mädel, eine herzlose Kokettegesandt! Nadjenka, die noch kurz zuvor in seinen Augen hoch über allen Frauen gestandenhatte, stand jetzt plötzlich tief unter ihnen. Das alles wäre sehr amüsant, wenn es nicht so traurigwäre. Eingebildete Ursachen rufen ebenso quälende wie echte Leiden hervor. Aber dannging seine düstere Verzweiflung nach und nach in eine kühle Depression über, und nun beganner, als echter Romantiker, „mit seiner Parade-Trauer“ Staat zu machen und zu kokettieren.Ein Jahr späten verachtet er Nadjenka bereits, indem er sagt, ihre Liebe habe überhauptkeinen Heroismus, keine Selbstaufopferung gekannt. Auf die Frage der Tante, was für eineLiebe er von einer Frau erwarte, antwortet er: „Ich würde Anspruch auf den ersten Platz inihrem Herzen erheben; die von mir geliebte Frau darf neben mir keine anderen Männer beachtenoder sehen; alle müssen ihr unerträglich vorkommen; ich allein bin größer, schöner (hierrichtete er sich auf), besser, edler als alle. Jede nicht mit mir verbrachte Minute ist für sie eineverlorne Minute; in meinen Augen, aus den Gesprächen mit mir soll sie Seligkeit schöpfenund nichts anderes kennen; mir muß sie alles opfern: alle verächtlichen Vorteile und Berechnungen;sie muß das despotische Joch der Mutter, des Gatten abschütteln, muß, wenn es nötigwird, bis ans Ende der Welt fliehen, mit Energie alle Entbehrungen ertragen, schließlich selbstden Tod verachten – das nenn’ ich Liebe!“Wie gleicht dieser Galimathias * doch dem Wort des orientalischen Despoten, der zu seinemObereunuchen sagt: „Wenn eine meiner Odalisken ** im Schlaf einen Männernamen fallenläßt, der nicht der meine ist – sofort in den Sack und ins Meer mit ihr!“ Der arme Schwärmerist überzeugt, mit diesen Worten eine Leidenschaft geäußert zu haben, wie sie nur Halbgötter,nicht aber gewöhnliche Sterbliche aufbringen können; dabei äußert sich hier nur die allerzügellosesteEigenliebe, der widerwärtigste Egoismus. Was er braucht, ist keine Geliebte, sonderneine Sklavin, die er ungestraft mit den Launen seines Egoismus, seiner Eigenliebe quälenkann. [523] Ehe er solche Liebe von einer Frau fordert, sollte er sich fragen, ob er selberfähig sei, mit gleicher Liebe zu zahlen; das Gefühl wollte ihm einreden, er sei dazu fähig,während man doch in diesem Fall weder dem Gefühl noch dem Verstand, sondern nur derErfahrung trauen darf; für den Romantiker aber ist das Gefühl die einzige, unfehlbare Autoritätbei der Entscheidung über alle Fragen des Lebens. Aber selbst wenn er einer solchen Lie-* sinnloses, verworrenes Gerede** HaremsdienerinOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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