13.07.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 308Freunden Kontrakte abschließen. Sie brauchen die Freundschaft, um die Welt in Staunen zuversetzen und ihr zu zeigen, wie sich große Naturen in der Freundschaft von den gewöhnlichenMenschen, von der Menge unterscheiden. Was sie bei der Freundschaft anzieht, ist nichtso sehr das in jungen Jahren so starke Bedürfnis nach Sympathie, als das Bedürfnis, einenMenschen neben sich zu haben, zu dem sie unaufhörlich von ihrer werten Person reden können.Um in ihrem hohen Stil zu sprechen, ist der Freund für sie das wertvolle Gefäß, in dassie ihre heiligsten und intimsten Gefühle, Gedanken, Hoffnungen, Träume usw. ergießen;während [520] in Wirklichkeit der Freund für sie bloß der Kübel ist, in den sie den Spülicht[Spülwasser] ihrer Eigenliebe gießen. Dafür kennen sie auch keine Freundschaft, weil ihreFreunde sich bald als undankbare, treu brüchige Scheusale erweisen, und dann werden sienoch böser auf die Menschen, die nicht fähig und nicht gewillt sind, sie zu verstehen und zuschätzen...Die Liebe kommt ihnen noch teurer zu stehen, weil dieses Gefühl an sich lebendiger und stärkerist als andere. Gewöhnlich wird die Liebe in viele Gattungen und Arten eingeteilt; allediese Einteilungen sind größtenteils töricht, weil sie von Leuten stammen, die mehr über dieLiebe zu schwärmen und zu räsonieren fähig sind, als zu lieben. Vor allem pflegt man die Liebein eine materielle oder sinnliche und eine platonische oder ideale einzuteilen, jene zu verachtenund sich für diese zu begeistern. Es gibt wirklich Menschen, die so roh sind, daß siesich nur den tierischen Genüssen der Liebe hingeben können und dabei nicht einmal aufSchönheit und Jugend Wert legen; aber selbst diese Liebe ist, mag sie noch so roh sein, dennochbesser als die platonische, weil sie natürlicher ist: die letztere taugt nur für die Haremswächterdes Orients... Der Mensch ist kein wildes Tier und kein Engel; er soll nicht tierischund nicht platonisch lieben, sondern menschlich. Soviel man die Liebe auch idealisieren mag,muß man doch sehen, daß die Natur die Menschen mit diesem schönen Gefühl ebensosehrzum Zweck der Vermehrung und der Erhaltung des Menschengeschlechts beschenkt hat, wieum sie glücklich zu machen. Die Liebe kennt ebenso viele Gattungen, wie es Menschen aufder Erde gibt, denn jeder liebt entsprechend seinem Temperament und seinem Charakter, seinenBegriffen usw. Und jede Liebe ist auf ihre Weise echt und schön, wenn sie nur aus demHerzen und nicht aus dem Kopf kommt. Die Romantiker jedoch haben es besonders auf dieKopfliebe abgesehen. Zuerst stellen sie ein Programm der Liebe auf, dann sehen sie sich nacheinem ihrer würdigen weiblichen Wesen um, lieben aber in Ermanglung eines solchen einstweilendas erste beste; es kostet sie nichts, sich Liebe zu befehlen, bei ihnen wird ja alles vomKopf und nicht vom Herzen besorgt. Sie brauchen die Liebe nicht, um glücklich zu sein, umzu genießen, sondern um ihre erhabene Theorie der Liebe durch Taten zu rechtfertigen. Undsie lieben nach dem Notizbuch und fürchten nichts so sehr, wie auch nur um einen Paragraphenvon ihrem Programm abzuweichen. Ihre Hauptsorge ist, in der Liebe groß zu erscheinen[521] und sich in nichts bis zu einer Ähnlichkeit mit den gewöhnlichen Menschen herabzulassen.Und doch lag in der Liebe des jungen Adujew zu Nadjenka so viel echtes und lebendigesGefühl: die Natur brachte für eine Weile seine Romantik zum Schweigen, siegte aber nichtüber sie. Er hätte für lange glücklich sein können, war es aber nur für einen Augenblick, weiler alles selber verdarb. Nadjenka war klüger, vor allem aber einfacher und natürlicher als er.Als launisches und verwöhntes Kind, das sie war, liebte sie ihn mit dem Herzen und nicht mitdem Kopf, ohne Theorien und ohne Anspruch auf Genialität; sie sah an der Liebe nur derenhelle und fröhliche Seite und liebte deshalb wie im Scherz: – sie war ausgelassen, kokett undneckte Adujew mit ihren Launen Er aber liebte „traurig und schweren Herzens“, ganz außerAtem, ganz schweißbedeckt, genau wie ein Pferd, das einen schweren Karren bergan zieht.Als Romantiker war er auch Pedant: scherzende Leichtigkeit war in seinen Augen eine Beleidigungdes heiligen und erhabenen Gefühls der Liebe. Er wollte in seiner Liebe einem Heldender Bühne gleichen. Er hatte Nadjenka bald alle seine Gefühle vorgeplappert und sah sich gezwungen,Altes zu wiederholen, aber Nadjenka wollte, daß er nicht nur ihrem Herzen, sondernOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!