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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 305andere erhabene und ferne Gegenstände Betrachtungen anzustellen, und deshalb stand er vordem Onkel als ein Provinzler vom Scheitel bis zur Sohle. Die vernünftigen und verständigenWorte des Onkels sagten ihm nichts, sondern hinterließen nur einen bedrückenden, betrüblichenEindruck und ließen ihn romantisch leiden. Er war dreifach Romantiker – von Geburt,durch Erziehung und nach seinen Lebensverhältnissen, wo doch eine dieser Ursachen genügthätte, einen anständigen Menschen die Haltung verlieren und einen Haufen Dummheiten begehenzu lassen. Manche finden, daß er mit seinen dinglichen Merkzeichen für nichtdinglicheBeziehungen und mit seinen anderen gar zu kindlichen Extravaganzen nicht ganz wahrscheinlichist, besonders in unseren Tagen. Wir wollen nicht streiten, vielleicht enthielt dieseBemerkung auch einen Teil Wahrheit; die Sache ist aber die, daß man die vollständige Darstellungdes Charakters des jungen Adujew nicht hier suchen muß, sondern in seinen Liebeserlebnissen.In ihnen haben wir ihn ganz, in ihnen ist er der Repräsentant einer Menge ihmaufs Haar ähnelnder Menschen, wie sie wirklich diese irdische Welt bevölkern. Wir wollenein paar Worte über diese nicht neue, aber immer noch interessante Sorte sagen, der dieseromantische kleine Bestie angehört.[515] Das ist jener Schlag Menschen, denen die Natur im Überfluß nervöse Empfindlichkeitverliehen hat, die oft bis zu krankhafter Reizbarkeit (susceptibilité) geht. Sie lassen früh einfeines Verständnis für vage Empfindungen und Gefühle erkennen, lieben es, diesen nachzugehen,sie zu beobachten und nennen das – ihr Innenleben genießen. Sie sind infolgedessensehr schwärmerisch und lieben entweder die Einsamkeit oder einen Kreis auserwählterFreunde, mit denen sie über ihre Empfindungen, ihre Gefühle und ihre Gedanken plaudernkönnen, obwohl sie an Gedanken ebenso arm wie an Empfindungen und Gefühlen reich sind.Überhaupt sind sie von Natur reich mit seelischen Fähigkeiten ausgestattet, betätigen dieseFähigkeiten jedoch rein passiv: manche von ihnen haben Verständnis für viele Dinge, abernicht einer ist imstande, irgend etwas zu tun oder auszuführen; er ist ein bißchen Musiker, einbißchen Maler, ein bißchen Poet, wenn’s darauf ankommt, sogar ein bißchen Kritiker undLiterat, aber all diese Talente erlauben ihm nicht, sich Ruhm zu erwerben oder einen Namenzu machen, ja nicht einmal irgend etwas von mittelmäßigem Gehalt zutage zu fördern. Vonallen geistigen Fähigkeiten sind bei ihnen besonders stark die Einbildungskraft und die Phantasieentwickelt, aber nicht jene Phantasie, mittels welcher der Dichter schafft, sondern jenePhantasie, die den Menschen mehr Vergnügen an der Schwärmerei von den Gütern des Lebensfinden läßt als an den wirklichen Gütern selber. Das nennt sich bei ihnen: ein höheresLeben leben, das der verachteten Menge verschlossen ist, hoch in den Wolken schweben,während die verachtete Menge tief unten herumkriecht. Von Natur sind sie sehr gutmütig,sympathisch, zu großzügigen Regungen fähig, aber da die Phantasie bei ihnen Verstand undHerz überwiegt, gelangen sie leicht zu einer bewußten Verachtung des „trivialen gesundenMenschenverstandes – durch den sich, nach ihrer Meinung, die materiell eingestellten, grobenund nichtigen Leute auszeichnen, für die es nichts Erhabenes und Schönes gibt“; ihr inseinen Instinkten und Bestrebungen ständig durch ihren Willen vergewaltigtes Herz wirdunter der Leitung der Phantasie bald liebearm, und sie werden zu schrecklichen Egoisten undDespoten, was sie selbst gar nicht bemerken, sie sind vielmehr ehrlich davon überzeugt, dieliebevollsten und opferfreudigsten Menschen zu sein. Da sie in ihrer Kindheit durch die frühe,schnelle Entwicklung ihrer Fähigkeiten allgemeines Erstaunen erregt und sowohl durchihre Vorzüge als auch durch ihre Mängel großen Ein-[516]fluß auf ihre Altersgenossen gewonnenhaben, von denen manche wesentlich höher standen als sie – ist es nur natürlich, daßsie von Jugend auf übermäßig gelobt wurden und eine hohe Meinung von sich selbst bekamen.Die Natur hat ihnen ohnehin bedeutend mehr Eigenliebe zugemessen, als für dasGleichgewicht im Leben eines Menschen vonnöten ist – ist es da verwunderlich, daß ihreleichten, wenig verdienten blendenden Erfolge ihre Eigenliebe in unwahrscheinlichem Gradesteigerten? Aber die Eigenliebe tritt bei ihnen stets in solcher Verkleidung auf, daß sie sieOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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