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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 300den Erfolg der Überraschung so auskostete, daß es „kein so hartes Herz auf der Welt gibt, dases über sich bringen könnte, ihm aus diesem Scherz einen Vorwurf zu machen, und ihm nichteinen kleinen Imbiß anbieten würde“. Dabei bleibt aber der Autor selbst in dieser durchausnicht [506] empörenden, sondern nur amüsanten Episode seiner Lieblingsidee treu. Alles, wasin dem Roman „Wer ist schuld?“ zu dieser Idee in Beziehung steht, zeichnet sich durch Wirklichkeitstreueund eine über jedes Lob erhabene Meisterschaft der Darstellung aus. Hier, nichtaber in der Liebe zwischen Beltow und Kruziferskaja, liegt die starke Seite des Romans undtriumphiert das Talent des Autors. Wir haben weiter oben gesagt, daß dieser Roman aus einerReihe von Biographien besteht, die miteinander durch einen Gedanken verbunden, aber unendlichmannigfaltig, tief wahr und von hoher philosophischer Bedeutung sind. Hier ist der Autorvollends in seinem Element. Gibt es etwas Besseres in jenem selben Teil des Romans, der ganzder tragischen Liebe zwischen Beltow und Kruziferskaja gewidmet ist, als die Biographie desehrenwerten Karp Kondratitsch, seiner draufgängerischen Gattin Maria Stepanowna und ihrerarmen Tochter Warwara Karpowna, zu Hause Wawa genannt – diese Biographie, die hier nureine Episode bildet? Wann sind Kruziferski und die junge Ljuba in dem Roman interessant? Zuder Zeit, wo sie im Hause Negrow wohnen und unter allem leiden, was um sie herum geschieht.Derartige Situationen gehen dem Autor gut von der Hand, und er versteht sie ungewöhnlichmeisterhaft zu zeichnen. Wann ist Beltow selbst interessant? Wenn wir die Geschichteseiner verkehrten, falschen Erziehung und dann die Geschichte seiner mißlungenen Versuchelesen, seinen eigenen Weg im Leben zu finden. Auch das liegt in der Sphäre des Talents desAutors. Er ist vorwiegend Philosoph und dabei auch ein bißchen Dichter, und er hat das ausgenutzt,um seine Auffassung vom Leben in Gleichnissen darzulegen. Das wird am besten bewiesendurch die ausgezeichnete Erzählung: „Aus der Schrift Doktor Krupows – über die Gemütskrankheitenim allgemeinen und die epidemische Ausbreitung derselben im besonderen“. Hierhat der Autor mit keinem Federstrich, mit keinem Wort die Sphäre seines Talents verlassen,und deshalb äußert sich sein Talent hier mit größerer Bestimmtheit als in seinen anderen Werken.Der Gedanke ist auch hier der gleiche, aber er hat diesmal ausschließlich den Ton der Ironieangenommen, der für die einen sehr vergnüglich und amüsant, für die anderen traurig undquälend ist, und nur bei der Darstellung des scheelen Ljowka – einer Figur, die jedem KünstlerEhre machen würde – wird der Autor ernst. Seinem Gedanken und seiner Ausführung nach istdas entschieden das beste Werk des vergangenen [507] Jahres, obwohl es keinen besonderenEindruck auf das Publikum gemacht hat. Aber das Publikum hat in diesem Fall recht: in demRoman „Wer ist schuld ?“ und in einigen Werken anderer Schriftsteller fand es Wahrheiten, dieihm näher lagen und deswegen nötiger und nützlicher waren, dabei herrscht aber in dem letzterenWerk der gleiche Geist, steckt der gleiche Inhalt wie im ersteren. Dem Autor im allgemeinenEinseitigkeit vorwerfen, hieße ihn überhaupt nicht verstehen. Er kann getreu nur jene Weltdarstellen, die im Wirkungsbereich seines Lieblingsgedankens liegt; seine meisterhafte Schilderungstützt sich auf eine angeborene Beobachtungsgabe und das Studium einer bestimmtenSeite der Wirklichkeit. Als empfängliche, eindrucksfähige Natur hat der Autor in seinem Gedächtnisviele Gestalten und Bilder aufbewahrt, die ihn schon in der Kindheit frappiert haben.Es ist leicht einzusehen, daß die von ihm ins Leben gerufenen Figuren nicht reine Phantasieproduktesind, sondern eher ein meisterhaft bearbeitetes und manchmal auch völlig umgearbeitetesRohmaterial, das ganz der Wirklichkeit entnommen ist. Wir haben ja bereits gesagt,daß der Autor mehr Philosoph und nur ein bißchen Dichter ist 22 ...Den genauen Gegensatz zu ihm bildet in dieser Hinsicht der Autor der „Alltäglichen Geschichte“.Er ist Dichter, Künstler, und weiter nichts. Er empfindet weder Liebe noch Feindschaft fürdie von ihm geschaffenen Figuren, sie machen ihm kein Vergnügen und keinen Ärger, er gibt22 Im vorliegenden Aufsatz gibt Belinski eine blendende Charakteristik A. I. Herzens, die im übrigen bereits inseinen etwa zwei Jahre vorher geschriebenen Briefen im wesentlichen skizziert war.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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