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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 297und dieser Vielseitigkeit war fest verankert. Er besaß viel Geist, aber einen beschaulichen,theoretischen Geist, der mehr über die Dinge hinglitt, als daß er sich in sie vertiefte. Er warfähig, vieles, beinahe alles, zu begreifen, aber eben diese Vielseitigkeit der Einfühlung und desVerstehens hindert solche Leute daran, alle ihre Kräfte auf einen Gegenstand zu konzentrieren,ihren ganzen Willen auf ihn zu richten. Derartige Menschen haben einen ewigen Drang nachBetätigung, suchen immer ihren eigenen Weg, ohne ihn natürlich je zu finden.[501] Beltow war auf diese Weise dazu verurteilt, an einem nie befriedigten Tatendurst undeiner bedrückenden Untätigkeit zu leiden. Der Autor hat uns meisterhaft seine mißglücktenVersuche gezeigt, in den Staatsdienst zu treten und dann Arzt oder Künstler zu werden. Wennman auch nicht sagen kann, daß er diesen Charakter voll umrissen und erklärt hat, so istBeltow bei ihm doch eine gut gezeichnete, verständliche und natürliche Figur. Im letzten Teildes Romans jedoch erscheint Beltow plötzlich vor uns als eine Art höhere, geniale Natur, derdie Wirklichkeit kein würdiges Betätigungsfeld bietet... Das ist bereits ein ganz andererMensch als der, den wir früher so gut kennengelernt hatten; das ist nicht mehr Beltow, sondernetwas in der Art Petschorins. Natürlich war der frühere Beltow, wie jeder Mensch, derseine eigene Rolle spielt, bedeutend besser. Die Ähnlichkeit mit Petschorin kommt ihm ganzund gar nicht zustatten. Wir können nicht verstehen, warum es der Autor nötig hatte, vonseinem eigenen Weg auf einen fremden überzugehen! ... Wollte er damit etwa Beltow zurKruziferskaja emporheben? Das war überflüssig! Für sie wäre er ebenso interessant auch inder früheren Gestalt; auch dann würde er neben dem armen Kruziferski wie ein richtiger Koloßneben einem Zwerg stehen. Er war ein erwachsener, ausgereifter richtiger Mann, jedenfallswas seinen Verstand und seine Lebensauffassung betrifft; und Kruziferski mit seineredlen Schwärmerei an Stelle einer richtigen Vorstellung von den Menschen und dem Lebenwäre auch neben dem früheren Beltow als Kind erschienen, dessen Entwicklung durch irgendeineKrankheit aufgehalten wurde.Kruziferskaja ihrerseits erscheint im ersten Teil des Romans bedeutend interessanter als imletzten. Man kann nicht sagen, daß ihr Charakter auch dort besonders scharf gezeichnet war;scharf umrissen war dafür jedoch ihre Stellung im Hause Negrows. Dort war sie gut in ihrerSchweigsamkeit, in ihrer Wort und Tatenlosigkeit. Der Leser errät sie, obwohl er fast nichtein Wort von ihr zu hören bekommt. In der Beschreibung ihrer Situation hat der Autor ungewöhnlicheMeisterschaft offenbart. Nur in den Bruchstücken aus ihrem Tagebuch kommt siebei ihm selbst zu Wort. Wir sind jedoch mit dieser Beichte nicht ganz zufrieden. Abgesehendavon, daß die Manier, den Leser mit den Heldinnen von Romanen durch ihre Aufzeichnungenbekannt zu machen, alt, abgenutzt und unnatürlich ist, haben die Aufzeichnungen derjungen Ljuba etwas künstlich Gemachtes: jedenfalls wird nicht jedermann glauben, daß eineFrau sie [502] geschrieben hat. Offensichtlich ist auch hier der Autor über die Sphäre seinesTalents hinausgegangen. Das gleiche können wir auch über die hinterlassenen Tagebuchfragmenteder Kruziferskaja am Schluß des Romans sagen. Im einen wie im anderen Fall hatder Autor geschickt eine Aufgabe umgangen, die seine Kräfte überstieg, aber nicht mehr.Überhaupt hat die junge Ljuba, als sie zur Kruziferskaja wurde, aufgehört, ein Charakter, einelebendige Person zu sein, und hat sich in einen meisterhaft und klug entwickelten Gedankenverwandelt. Sie und Beltow sind die beiden einzigen Figuren, mit denen der Autor nicht rechtfertig geworden ist. Aber auch in ihnen muß man sein Geschick und seine Kunst bewundern,das Interesse bis zum Schluß wach zu halten und die Mehrzahl der Leser da zu packen und zurühren, wo jeder andere mit seinem Talent, aber ohne seinen Verstand und seine richtige Auffassungvon den Dingen, nur amüsiert haben würde.Nicht in dem Bild der tragischen Liebe zwischen Beltow und Kruziferskaja ist also der Wertdes Romans Iskanders zu suchen. Wir haben gesehen, daß er überhaupt kein Bild, sonderneine meisterhaft auseinandergesetzte Voruntersuchungsakte ist. Überhaupt ist „Wer istOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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