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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 291dann wählen sie hierzu die neuesten, die noch läppischer und unsinniger sind als die „rasenden“.Zu Versuchen dieser Art gehört der kürzlich in einer Zeitschrift abgedruckte Roman„Die Spekulanten“, in dem es von den unwahrscheinlichsten Missetätern oder, richtiger gesagt,Halunken und den unmöglichsten Abenteuern wimmelt, aus denen jedoch schließlich amEnde die reinste Moral abgeleitet wird. Aber was hat die Naturale Schule mit dergleichenMachwerken zu tun? Sie haben zu ihr auch nicht die allergeringste Beziehung.Sehr viel zutreffender als alle diese Beschuldigungen ist die Tatsache, daß die russische Literaturin Gestalt der Schriftsteller der Naturalen Schule den wahren und richtigen Weg eingeschlagen,sich an die Urquellen der Eingebung und der Ideale gewandt hat und dadurch sowohlmodern als auch russisch geworden ist. Diesen Weg wird sie, scheint es, nunmehr nichtwieder verlassen, denn das ist der gerade Weg zu eigenwüchsiger Originalität, zur Befreiungvon allen fremden, abseitigen Einflüssen. Damit wollen wir durchaus nicht sagen, daß sieimmer in dem jetzigen Zustand verbleiben wird; nein, sie wird vorwärtsschreiten, wird sichändern, aber sie wird nie wieder aufhören, der Wirklichkeit und der Natur treu zu sein. [491]Wir sind durchaus nicht so hell begeistert über ihre Erfolge und wollen diese ganz und garnicht übertreiben. Wir sehen sehr gut, daß unsere Literatur auch heute noch mehr erstrebt alserreicht, daß sie erst noch in der Bildung begriff ist, sich aber noch nicht fertig herausgebildethat. Ihr ganzer Erfolg besteht vorläufig darin, daß sie bereits ihren richtigen Weg gefundenhat und ihn nicht mehr zu suchen braucht, sondern von Jahr zu Jahr mit festerem Schritt aufihm weiterschreitet. Sie hat heute kein führendes Haupt 20 , ihre Autoren sind Talente nichtersten Grades, dabei hat sie aber ihren eigenen Charakter und geht bereits ohne Gängelbandden richtigen Weg, den sie selbst klar erkennt. Unwillkürlich fallen uns hier die Worte ein,die der Redakteur des „Sowremennik“ im ersten Heft des vorigen Jahrgangs dieser Zeitschriftgeschrieben hat: „Anstatt großer Talente, die unserer heutigen Literatur fehlen, sind in ihrsozusagen die Lebensprinzipien ihrer weiteren Entwicklung und Wirksamkeit ausgegorenund zur Ruhe gekommen. Sie ist, wie wir bereits weiter oben bemerkt haben, eine Erscheinungvon bestimmter Prägung; sie ist sich ihrer Selbständigkeit und ihrer Bedeutung bewußt.Sie ist bereits eine richtig organisierte, tätige Kraft, deren lebendige Sprossen sich mit denverschiedenen gesellschaftlichen Bedürfnissen und Interessen verschlingen, kein Meteormehr, der zum Erstaunen der Menge aus fremden Sphären zufällig zu uns herübergeflogenist, kein bloßes Aufflammen eines einsamen genialen Gedankens, der ungewollt in den Geisternaufblitzt und sie für einen Augenblick durch neue, ungewohnte frappierende Empfindungenerschüttert. In dem Bereich unserer Literatur gibt es heute keine einzelnen besondersbemerkenswerten Stellen mehr, sondern eine einige, ganze Literatur. Vor kurzem noch ähneltesie der buntscheckigen Weite unserer Felder, wenn sie eben von der Eiskruste befreit sind:hier auf den Hügeln kommt schon ein bißchen Gras ans Licht, in den Schluchten liegt noch,mit Schmutz vermischt, grau gewordener Schnee. Heute kann man sie mit denselben Feldernin ihrer ersten Frühlingspracht vergleichen: wenn das Grün auch noch nicht besonders hellglänzt, stellenweise noch blaß und nicht sehr üppig ist, so breitet es sich doch schon überallhinaus: die schöne Jahreszeit ist angebrochen.“Hierin liegt, möchten wir glauben, der Fortschritt...Wie zutreffend die eben zitierten Worte sind, wird noch offensichtlicher, wenn man auch dieanderen Seiten der russischen Literatur ins Auge faßt. Dort erkennen wir eine Erscheinung,die dem [492] entspricht, was in der Poesie Naturalismus genannt wird, d. h. das gleicheStreben nach Wirklichkeit, Realität und Wahrheit, die gleiche Abneigung gegen Phantastikund Hirngespinste. In der Wissenschaft verlieren abstrakte Theorien, apriorische Konstruk-20 Nach dem Erscheinen der „Ausgewählten Stellen aus dem Briefwechsel mit Freunden“ hielt Belinski Gogol,den Begründer der „Naturalen Schule“, als Schriftsteller bereits für erledigt.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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