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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 29wenn man sich in aller Öffentlichkeit einen Hasser des [49] Vaterlands, einen Neider desTalents, einen herzlosen Zoilus und galligen Bösewicht 29 nennen lassen muß? Und von wem?Von halben Analphabeten, von Nichtswissern, die wütend über jeden Fortschritt des Geistesherfallen und sich störrisch an ihr Schneckenhaus klammern, wenn alles ringsum läuft, renntund fliegt! Und haben diese Leute in diesem Fall nicht sogar recht? Was bleibt beispielsweiseeinem Herrn Iwantschin-Pissarew, einem Herrn Wojejkow oder einem Fürsten Schalikow fürsich zu hoffen übrig, wenn sie hören, daß Karamsin kein Künstler, kein Genie ist, und wasdergleichen ketzerischer Ansichten mehr sind? Sie, die sich von den Brosamen vom Tischdieses Mannes nährten und auf ihnen das Gebäude ihrer Unsterblichkeit gründeten? Tritt daein Herr Arzybaschew mit kritischen Artikelchen auf, in denen er nachweist, daß Karamsinoft, und dabei ohne zwingenden Grund, von den ihm als Unterlage dienenden Chroniken abgewichenist und häufig willkürlich oder einer Laune folgend ihren Sinn entstellt hat. Undwas geschieht? Man sollte meinen, die Verehrer Karamsins hätten sich sofort an die Textvergleichunggemacht und Herrn Arzybaschew der Verleumdung überführt. Nichts dergleichen.Wunderliche Leute! Warum denn von Neid und Bosheit, von Steinmetzen und Bildhauernreden, warum sich auf nichtssagende kurze Sätze in den Anmerkungen stürzen, mit Schattenfechten und viel Lärm um nichts schlagen? Soll Herr Arzybaschew Karamsin ruhig um seinenRuhm beneiden; glaubt mir, damit wird er Karamsin nicht umbringen, wenn sein Ruhmverdient ist. Soll er mit wichtigem Gebaren nachweisen, daß Karamsins Sprache mißtönendsei – du lieber Gott –‚ das ist nur lächerlich, aber kein Grund zum Ärgern. Wäre es nicht besser,die Chroniken zur Hand zu nehmen und nachzuweisen, daß entweder Herr Arzybaschewein Verleumder ist oder daß die Schnitzer des Geschichtsforschers belanglos und geringfügigsind – oder am Ende gar einfach den Mund zu halten? Aber nein, das geht den Armen überihre Kraft; die Chroniken haben sie nie mit eigenen Augen gesehen, und in der Geschichtesind sie schlecht bewandert.„So sagt, warum ihr so in Wut geratet?“ 30Doch kann man sagen, was man will, solche Leute gibt es leider gar zu viele.„Das fabriziert die große Meinung,Das ist der Angelpunkt der Welt.“ 31[50] Der Name Karamsin bezeichnet eine Epoche in unserem Schrifttum; sein Einfluß auf dieZeitgenossen war so groß und mächtig, daß eine ganze Periode unserer Literatur von denneunziger Jahren bis in die zwanziger Jahre hinein mit Recht die Karamsinsche Periode genanntwird. Schon dies allein beweist zur Genüge, daß Karamsin, was seine Bildung anbelangt,seine Zeitgenossen um Haupteslänge überragte. Er bewahrt auch heute noch außer demRuf eines Geschichtsforschers den eines Schriftstellers, Poeten, Künstlers und Reimers, wennauch nicht fest und unbestritten. Untersuchen wir, ob er ein Recht auf diese Titel besitzt. FürKaramsin gibt es noch keine Nachwelt. Wer von uns hätte sich als Kind nicht an seinen Erzählungenerbaut, wer über seinen Werken nicht geträumt und geweint. Und die Kindheitserinnerungensind doch so süß und betörend: kann man da Objektivität wahren? Versuchen wires dennoch.Man stelle sich eine Gesellschaft von verschiedenartigem Charakter vor, uneinheitlich, mehrstämmigkönnte man sagen; der eine Teil las, sprach, dachte und betete französisch; der anderekannte Dershawin auswendig, stellte ihn auf eine Stufe nicht nur mit Lomonossow, sondernauch mit Petrow, Sumarokow, Cheraskow; jener beherrschte das Russische sehr mangelhaft,dieser war an die schwülstige, scholastische Redeweise des Verfassers der „Rossia-29 Bezieht sich auf M. T. Katschenowski, wegen seiner bösartigen Angriffe gegen N. M. Karamsin.30 Aus „Verstand schafft Leiden“ von A. S. Gribojedow.31 Aus „Eugen Onegin“.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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