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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 280Beamten oder zu dem Neuadel, dessen ganzer Reichtum in plebejischen Überlieferungen vondem Großvater-Gutsverwalter, dem Onkel-Steuerpächter, der Großmutter-Hostienbäckerinund der Tante-Marktfrau besteht. Der Verfasser dieses Aufsatzes hält es dabei für seinePflicht, seine Leser davon in Kenntnis zu setzen, daß es gar nicht seine Gewohnheit ist undentschieden allen seinen Überzeugungen widerspricht, den lieben Nächsten etwa nichtvornehmeHerkunft vorzuwerfen, und daß er selbst sich durchaus nichtvornehmer Herkunft rühmenkann und sich durchaus nicht schämt, dies einzugestehen. Aber er ist der Meinung – undwahrscheinlich werden seine Leser ihm zustimmen –‚ daß es nichts Angenehmeres gibt, alsder Krähe die Pfauenfedern auszureißen und ihr zu beweisen, daß sie zu eben der Sorte gehört,die zu verachten sie sich erdreistete. Ein Mensch niederen Standes ist deshalb noch keineKrähe, weil er niederen Standes ist; zur Krähe macht nicht der Stand, sondern die Natur,und Krähen gibt es ebenso in allen Ständen, wie es in allen Ständen auch Adler gibt; aber nurdie Krähe hat natürlich die Eigenschaft, sich mit Pfauenfedern zu putzen und sich mit ihnenzu brüsten. Warum soll man da nicht der Krähe sagen, daß sie eine Krähe ist? Die Verachtungder unteren Stände ist heutzutage durchaus kein Laster der oberen Stände; im Gegenteil,sie ist eine Krankheit der Emporkömmlinge, eine Ausgeburt der Unbildung, eine Folge roherGefühle und Begriffe. Ein kluger, gebildeter Mensch wird, selbst wenn er von dieser Krankheitbefallen ist, sie niemals sehen lassen, weil sie nicht im Geist der Zeit liegt, weil sie zuerkennen geben soviel bedeutet, wie aus vollem Krähenhals zu [473] krächzen. So zuwideruns auch Heuchelei ist, so ist sie, will uns scheinen, in diesem Falle doch besser als Krähenehrlichkeit,weil sie von einigem Geist zeugt. Der Pfau, der stolz sein prächtiges Rad vorden anderen Vögeln schlägt, gilt als schönes Tier, aber nicht als klug. Was soll man da vonder Krähe sagen, die hochmütig ihren geborgten Putz zur Schau trägt? Ein solcher Hochmuthat nie etwas mit Geist zu tun und ist ein vorwiegend plebejisches Laster. Wo ist man gezierterund prätentiöser als in jenen Schichten der Gesellschaft, die gleich über den allerunterstenliegen? Und das kommt daher, weil sie die allerungebildetsten sind. Man sehe nur, was füreine tiefe Verachtung der Lakai für den Bauern hat, der in jeder Hinsicht besser, edler undmenschlicher ist als er! Woher kommt diese Überheblichkeit beim Lakaien? – Er hat die Lasterseines gnädigen Herrn übernommen und hält sich deshalb für weit gebildeter als derBauer. Rohen Naturen erscheint äußerlicher Glanz stets als Bildung.„Was ist das für eine Manier, die Literatur mit Bauern zu überschwemmen?“ – rufen die Aristokrateneiner gewissen Kategorie aus. In ihren Augen ist der Schriftsteller ein Handwerker,der einfach das macht, was man bei ihm bestellt. Ihnen kommt es nicht in den Sinn, daß derSchriftsteller sich bei der Wahl der Stoffe seiner Werke nicht nach einem fremden Willenrichten, ja nicht einmal der eignen Willkür folgen kann; denn die Kunst hat ihre eigenen Gesetze,die man achten muß, wenn man gut schreiben will. Sie fordert vor allem, daß derSchriftsteller seiner eigenen Natur, seinem Talent, seiner Phantasie treu bleibt. Und wie willman erklären, daß der eine fröhliche Stoffe darzustellen liebt, der andere düstere, wenn nichtaus der Natur, dem Charakter und dem Talent des Dichters? Was man liebt, wofür man sichinteressiert, das kennt man auch besser, und was man besser kennt, das kann man auch besserdarstellen. Das ist die allerbündigste Rechtfertigung eines Dichters, dem man aus der Wahlseines Stoffes einen Vorwurf macht; sie wird nur solchen Leuten nicht genügen, die keineAhnung von der Kunst haben und sie grob mit einem Handwerk verwechseln. Die Natur istdas ewige Vorbild der Kunst, aber der erhabenste und edelste Stoff in der Natur ist derMensch. Und ist der Bauer etwa kein Mensch? – aber was kann es an einem rohen, ungebildetenMenschen Interessantes geben? – Wieso: was? – die Seele, den Geist, das Herz, dieLeidenschaften, die Neigungen, die er hat – mit einem Wort, dasselbe, was uns auch beimgebildeten Menschen interessiert. Nehmen [474] wir einmal an, dieser stehe höher als jener;interessiert sich der Botaniker etwa nur für die künstlich verbesserten Gartenpflanzen undverachtet dabei ihre wild auf dem Felde wachsenden Urformen? Ist für den Anatomen undOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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