13.07.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 28sicht voraus, zu der es wiederum eines Willens bedarf, der Wille aber läuft oft den Umständenzuwider und steht im Gegensatz zu den Gesetzen des gesunden Menschenverstands. Esgab viele Talente, aber kein einziges Genie, und alle literarischen Erscheinungen entsprangennicht innerer Notwendigkeit, entstanden nicht spontan und unbewußt, gingen nicht aus denEreignissen und dem Volksgeist hervor. Man fragte nicht: was und wie müssen wir schaffen?Man sagte: macht es den Ausländern nach, und ihr werdet es gut machen. Ist es danach verwunderlich,daß wir bei allen Bemühungen, eine Literatur und eine Sprache zu schaffen,nicht nur damals, sondern auch heute weder das eine noch das andere erreicht haben. Ist esverwunderlich, daß wir gleich zu Beginn einer literarischen Bewegung so viele literarischeSchulen und dennoch keine einzige wirkliche und fundamentale besaßen; daß sie wie diePilze nach einem Sommerregen aus dem Boden sprossen und sich wie Seifenblasen in Nichtsauflösten; und daß wir es, ohne überhaupt eine Literatur im vollen Sinne des Wortes zu haben,bereits zu Klassikern, Romantikern, Griechen, Römern, Franzosen, Italienern, Deutschenund. Engländern gebracht haben? ...Zwei Schriftsteller leiteten die Zeit Alexanders ein und galten mit Recht als die schönste Zierihrer ersten Anfänge: Karamsin und Dmitrijew. Karamsin – da haben wir den großen Mimenunserer Literatur, der schon bei seinem ersten Auftreten, seinem Debüt, mit lautem Händeklatschenund lautem Zischen empfangen wurde! Das ist der Name, um den so viele blutigeSchlachten geliefert, so viele heiße Kämpfe ausgefochten und so viele Lanzen gebrochenwurden! [48] Ist dieses Kampfgeschrei, dieses Waffengeklirr nicht eben erst verstummt, habendie feindlichen Parteien nicht eben erst das Schwert in die Scheide gesteckt und bemühensich nun herauszufinden, worum sie eigentlich gestritten haben? Wer von den Lesern dieserZeilen entsinnt sich nicht jener literarischen Schlachten und hätte nicht das ohrenbetäubende,sinnlos übertriebene Lobgebrüll ebenso wie die oft gerechten, oft unsinnigen Schmähungenmit angehört? Und ist jetzt am Grabe des unvergeßlichen Mannes der Streit etwa schon entschieden,hat die eine oder die andere Seite den Sieg davongetragen? O nein, noch nicht! Vonder einen Seite werden wir als treue Söhne des Vaterlands aufgefordert, am Grabe Karamsinszu beten und seinen heiligen Namen flüsternd auszusprechen; auf der anderen wird dieseAufforderung mit einem skeptischen und spöttischen Lächeln hingenommen. Ein interessantesSchauspiel! Der Kampf zwischen zwei Generationen, die einander nicht verstehen. Undwäre es nicht tatsächlich zum Lachen, wenn man sich die Herren Iwantschin-Pissarew, Somowund Konsorten als die endlichen Sieger vorstellt? Noch widersinniger allerdings, sichauszumalen, daß Herr Arzybaschew samt seiner Kumpanei den Sieg davontrüge.Karamsin... mais je reviens toujours à mes moutons * ...Wissen Sie, was der Verbreitunggründlicher Literaturbegriffe und einer Verbesserung des Geschmacks in Rußland bisher ammeisten geschadet hat, schadet und, wie mir scheint, noch lange schaden wird? Die literarischeGötzendienerei! Als Kinder, die wir sind, beten wir immer noch zu den zahlreichen Götternunseres übervölkerten Olymps und geben uns nicht die geringste Mühe, öfters einmal inden Geburtsregistern nachzusehen, ob besagte Gegenstände unserer Anbetung wirklichhimmlischer Abstammung sind. Was tun? Blinder Fanatismus ist immer das Los einer Gesellschaftin ihrem Säuglingsstadium. Entsinnt man sich noch, wie teuer Mersljakow seinekritischen Bemerkungen über Cheraskow zu stehen kamen? Erinnert man sich noch, wasHerr Katschenowski wegen seiner Bemerkungen zur „Geschichte des russischen Staates“auszustehen hatte? Wegen dieser Aussprüche eines Greises, in denen fast alles gesagt war,was die Jungen später über Karamsins Geschichte vorzubringen hatten? Ja, viel, allzuvieluneigennützige Wahrheitsliebe und Charakterstärke ist bei uns nötig, um auch nur eine kleinePseudoautorität, geschweige denn eine wirkliche Autorität anzutasten: ist es etwa angenehm,* aber meine Schafe bekommen mich immer wiederOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!