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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 274Was machte nun zu dieser Zeit der Prosaroman?Er strebte mit allen Kräften nach Annäherung an die Wirklichkeit, nach Natürlichkeit. Manerinnere sich an die Romane und die Erzählungen von Nareshny, Bulgarin, Marlinski, Sagoskin,Lashetschnikow, Uschakow, Weltman, Polewoi, Pogodin. Hier ist nicht der Ort, zu entscheiden,wer von ihnen mehr geleistet hat, wessen Talent größer war; wir reden von demihnen allen gemeinsamen Streben – den Roman der Wirklichkeit anzunähern, ihn zum getreuenSpiegel der Wirklichkeit zu machen. Unter diesen Versuchen gab es sehr bemerkenswerte,dennoch merkt man ihnen allen die Übergangsepoche an, sie strebten nach Neuem,ohne die alten Geleise zu verlassen. Der ganze Fortschritt bestand darin, daß, ohne Rücksichtauf das Gezeter der Altgläubigen, im Roman Figuren aus allen Ständen aufzutreten begannenund die Autoren sich Mühe gaben, jede ihre besondere Sprache sprechen zu lassen. Das nanntesich damals, dem Volksgeist Genüge tun. Aber dieser Volksgeist sah noch gar zu sehr nachMaskerade aus: die russischen Personen der unteren Stände glichen verkleideten gnädigenHerren, und die gnädigen Herren unterschieden sich nur durch ihren Namen von Ausländern.Es mußte da ein geniales Talent kommen, um die russische Dichtung, wo sie russische Sitten,den russischen Alltag darstellte, ein für allemal von wesensfremden Einflüssen zu befreien.Puschkin hat hierfür viel getan; aber dieses Werk zu beenden, zu vollenden, war einem anderenTalent vorbehalten. In den „Sewernyje Zwety“ für das Jahr 1829 war ein Bruchstück ausPuschkins Roman „Der Mohr Peters des Großen“ erschienen, das den Titel trug: „Das vierteKapitel eines historischen Romans“. Dieses kleine Bruchstück war ein Meisterwerk der Natürlichkeit!In solch engem Rahmen ein solch breites Sittengemälde aus der Epoche Petersdes Großen! Leider jedoch sind von diesem Roman insgesamt nur sechs Kapitel und der Anfangeines siebenten geschrieben worden (vollständig abgedruckt wurden sie erst nach demTode Puschkins).Mit dem Erscheinen von „Mirgorod“ und den „Arabesken“ (im Jahre 1835) und dem „Revisor“(1836) wird die Berühmtheit [463] Gogols allgemein und beginnt sein großer Einfluß aufdie russische Literatur. Das Beste und der Wahrheit am nächsten Kommende aller Urteile überdiesen Schriftsteller, die von Verehrern seines Talentes gefällt worden sind, stammt wohl voneinem Mann, der gar nicht zu seinen Verehrern gehört und wie in einer plötzlichen Aufwallung,ohne selber zu wissen wie, für einen Augenblick seine gewöhnliche Bahn verließ, der ersein Leben lang treu gefolgt war, um in folgende Dithyrambe über Gogol auszubrechen:„Alle Werke Gogols offenbaren seine Selbstsicherheit, sein Streben nach Originalität, eine Art absichtliche,spöttische Gleichgültigkeit gegenüber dem Wissen, der Erfahrung und den Vorbildern von früher, er liest nurdas Buch der Natur, studiert nur die wirkliche Welt; deshalb sind seine Ideale auch zu natürlich und bis zurNacktheit einfach; sie treten, um mit den Worten Iwan Nikiforowitschs, einer seiner Schöpfungen, zu reden, innatura vor den Leser hin. Die Schönheit seiner Schöpfungen ist stets neu, frisch und überraschend; seine Fehlersind fast abstoßend (?); als hätte er die Geschichte vergessen, eröffnet er, gleich den Alten, eine neue Welt derKunst, indem er sie aus dem Nichts in einen primitiv-moralischen (?)‚ chaotischen (!?) Zustand heraufbeschwört;deswegen weiß seine Kunst scheinbar auch nicht, was Scham ist; er ist ein großer Künstler, der dieGeschichte nicht kennt und keine Vorbilder der Kunst zu sehen bekommen hat.“ 7In dieser Dithyrambe voller lyrischer Unordnung ist ohne Willen und Wissen des Autors derallercharakteristischste Zug von Gogols Talent ausgesprochen – die Originalität und Urwüchsigkeit,die ihn unter allen russischen Schriftstellern auszeichnet. Daß dies unbeabsichtigt, inbegeisterter Aufwallung geschehen ist, wird bewiesen durch die Parallele, die der Autor zwischenGogol und – wem, meint ihr wohl? – Herrn Kukolnik!! zieht, und durch die sonderbaren,einander widersprechenden Wörter und Ausdrücke in der Dithyrambe selbst, die beweisen,daß es dem Menschen nicht gegeben ist, sich auch nur für einen Augenblick, selbst imSchwunge der Begeisterung, völlig aus dem gewöhnlichen Geleise seines Lebens loszureißen.7 Diese Äußerung über Gogol stammt von W. Plaksin.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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