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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 258nicht einer Inspiration, nicht reinen, naiven Schaffens, sondern einer Art von ... wie soll mansagen? – halb überkluger, halb prätentiöser Absicht... vielleicht irren wir uns, aber warumwäre sie sonst so geschraubt, so manieriert, so unverständlich, als handle es sich um einemöglicherweise wahre, aber sonderbare und verworrene Begebenheit und nicht um eineSchöpfung der Poesie? In der Kunst darf es nichts Dunkles und Unverständliches geben; ihreWerke stehen gerade dadurch über den sogenannten „wahren Begebenheiten“, daß der Dichtermit der Fackel seiner Phantasie in alle Winkel des Herzens seiner Helden, in alle geheimenGründe ihrer Handlungen hineinleuchtet, dem erzählten Ereignis alles Zufällige nimmtund uns nur das Notwendige als das unvermeidliche Resultat zureichender Gründe vor Augenführt. Wir wollen nicht einmal von der ärgerlichen Gewohnheit des Autors reden, irgendeineihm besonders gelungene Redewendung (wie z.B.: „Wie weise, Prochartschin!“) häufig zuwiederholen und damit ihren Eindruck abzuschwächen, das ist nur ein sekundärer und, wasdie Hauptsache ist, leicht zu verbessernder Mangel. Nebenbei sei gesagt, daß es bei Gogolkeine solche Wiederholungen gibt. Gewiß haben wir nicht das Recht, von den Werken Dostojewskisdie Vollkommenheit der Werke Gogols zu verlangen; dennoch glauben wir, daßein großes Talent gut daran tut, am Beispiel eines noch größeren zu lernen.Zu den bemerkenswerten Werken der leichten Literatur des vergangenen Jahres gehören diein den „Otetschestwennyje Sapiski“ abgedruckten Erzählungen: „Phantastische Wirklichkeitoder wirkliche Phantasie“ von Luganski und „Ein Dorf“ von Herrn Grigorowitsch. Diesebeiden Werke haben das gemeinsam, daß sie nicht als Erzählungen interessant sind, sondernals meisterhafte physiologische Skizzen aus dem Alltagsleben. Wir wollen nicht sagen, daßdie eigentliche Erzählung Luganskis keinerlei Interesse verdient. Wir wollen nur sagen, daßsie bedeutend mehr durch ihre Abschweifungen und ihr Beiwerk als durch die romanhafteFabel interessant ist. [436] So ist z. B. das ausgezeichnete Bild des Bauernhauses mit dengeschnitzten Fenstern, verglichen mit der kleinrussischen Hütte, besser als die ganze Erzählung,obgleich diese Schilderung in ihr nur eine Episode und innerlich durch nichts mit ihremwesentlichen Inhalt verbunden ist. Überhaupt sind das Interessanteste an den ErzählungenLuganskis die Einzelheiten, und die „Phantastische Wirklichkeit oder wirkliche Phantasie“ist besonders reich an interessanten Details, abgesehen von dem allgemeinen Interesse derErzählung, die hier nur als Rahmen und nicht als Bild, nur als Mittel und nicht als Zweckdient. Hierüber ließe sich mehr sagen, aber da wir bald Gelegenheit haben werden, unsreMeinung über das gesamte literarische Schaffen dieses Schriftstellers zu sagen, beschränkenwir uns einstweilen auf diese wenigen Zeilen.Von Herrn Grigorowitsch wollen wir gleich sagen, daß er nicht das geringste erzählerischeTalent hat, jedoch eine bemerkenswerte Begabung für jene Art von Skizzen aus dem Alltagslebender Gesellschaft, die man heute in der Literatur physiologische zu nennen pflegt. Erwollte jedoch aus seinem „Dorf“ eine Erzählung machen, und daraus sind alle Mängel seinesWerks entstanden, Mängel, die er leicht hätte vermeiden können, wenn er sich auf äußerlichzusammenhanglose, aber von einem einzigen Gedanken beseelte Bilder aus dem bäuerlichenAlltagsleben beschränkt hätte. Mißglückt ist ebenfalls sein Versuch, einen Blick in die Innenweltder Heldin seiner Erzählung zu werfen, und überhaupt ist seine Akulina ebendeshalb,weil er eine besonders interessante Figur aus ihr machen wollte, zu einer reichlich farblosenund unbestimmten Figur geraten. Zu den Mängeln der Erzählung gehören auch die gekünstelten,gesuchten und stellenweise verschrobenen Naturschilderungen. Was jedoch die eigentlichenSkizzen aus dem bäuerlichen Alltag betrifft, so machen sie die blendende Seite derWerke des Herrn Grigorowitsch aus. Hier legt er große Beobachtungsgabe und Sachkenntnisan den Tag und versteht, diese wie jene mit bemerkenswertem Talent in einfachen, echten,lebenswahren Bildern und Gestalten zu offenbaren. Sein „Dorf“ ist eines der besten belletristischenWerke des vergangenen Jahres.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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