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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 252Geschmacks. Jetzt bedarf es eines neuen Puschkin, eines neuen Lermontow, wenn ein Gedichtbanddas Publikum in Begeisterung und die ganze Literatur in Bewegung bringen soll.Aber heute bereits ist es für die Herren Dichter entschieden unmöglich geworden, mehr Aufmerksamkeitauf sich zu lenken oder um ein Titelchen mehr Ruhm oder Berühmtheit zu erlangen,als sie wirklich mit ihrem Talent verdienen. Das Talent wird heute stets Schätzungfinden, und sein Erfolg hängt nunmehr weder von irgendeinem Gönner noch davon ab, ob esvon den Zeitschriften verfolgt wird (wenn sie ihm noch Schaden zufügen können, dann höchstensdurch Schweigen, aber nicht durch Lob oder Tadel); es wird Beachtung und Schätzungfinden, aber nur entsprechend seinem wahren Wert – nicht mehr und nicht weniger.In dem abgelaufenen Jahr 1846 sind Gedichte der Herren Grigorjew, Polonski, Lisander,Pleschtschejew, der Frau Julia Shadowskaja sowie Herrn Weltmans „Trojan und Angeliza“erschienen – das letztere eine Art Kindermärchen halb in Versen, halb in gebundener Prosa;weiter das „Igorlied“, von Herrn Minajew bearbeitet zu einem Poem im Geschmack wederder ältesten noch der alten Zeit, sondern der jüngst vergangenen Zeiten, als Poeme in Modewaren. Es ist eigentlich nicht mehr als eine in recht flotte Verse gefaßte Auswalzung oderVerdünnung des recht kurzen, kompakten Igorlieds. Es wird uns nur recht sein, wenn HerrnMinajews Versuch dem Publikum gefällt; aber was uns selber angeht, so gefällt uns das Igorliedin seiner ursprünglichen Form so sehr, daß seine Bearbeitung stets ein peinliches Gefühlin uns auslöst. Uns scheint, daß man es überhaupt weder verändern noch übersetzen, nochumdichten sollte; es genügt vielmehr, die gar zu veralteten und unverständlichen Wörterdurch neuere, verständlichere, etwa der Volkssprache entnommene, zu ersetzen. Wir habenHerrn Minajews Verse flott genannt; wir fügen hinzu, daß sie außerdem ebenso phrasenhaftwie exaltiert sind und mehr Rhetorik [426] als Poesie enthalten. Herr Minajew hat eine enthusiastischeVorliebe für das Igorlied. In seinen Augen steht es beinahe höher als die gesamterussische Poesie von Lomonossow bis Lermontow einschließlich. Das legt er in einemNachwort zu seinem Verswerk dar, das den naiv-oberlehrerhaften Titel trägt: „Für wißbegierigejunge Mädchen und Jünglinge“.Die Gedichte der Frau Julia Shadowskaja sind fast von allen unseren Zeitschriften hoch gefeiertworden. Tatsächlich kann man in ihnen eine Art poetischen Talents feststellen. Es istnur schade, daß dieses Talent seine Begeisterung nicht aus dem Leben schöpft, sondern ausTräumen, und deshalb keine Beziehung zum Leben hat und arm an Poesie ist. Das ergibt sichübrigens aus der Einstellung der Frau Shadowskaja als Frau zur Gesellschaft. Das folgendeGedicht erklärt diese Feststellung zur Genüge:„Des Lebens Freud’ ist mir vergällt,Mich langweilt, Freunde, diese Welt;Mich ekelt all der dumme Klatsch –Der Männer nichtig-leerer Tratsch,Der Frauen läppisch eitler TandMit Samt und Seid’ aus fremdem Land,Ihr leeres Herz, ihr hohler Kopf,Die Schminke und der falsche Zopf.Der Erdenwahn ist mir ein Graus,In Gottes Welt zieh’s mich hinaus,Und ewig stillt des Herzens WehDer Sterne Funkeln in der Höh’,Der Bäume Pracht, der Blumen Blühn,Der samtnen Wiesen frisches Grün,Des klaren Baches Silberschein,Der Nachtigallen Lied im Hain.“Für eine Frau, die so außerhalb der Gesellschaft steht oder sich so aus ihr herausgestellt hat,gehört gar zu viel Mut und Heroismus dazu, sich nicht in den beschränkten Zirkel derOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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