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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 245Ludwig IX. an Demut hinter Fjodor Iwanowitsch zurück? ... Man redet auch noch viel vonder Liebe als einem nationalen Grundprinzip, das im Gegensatz zu den gallischen, den teutonischenund anderen westlichen Stämmen ausschließlich nur den slawischen Stämmen eigensei. Dieser Gedanke hat sich bei einigen Leuten in eine wahre Monomanie verwandelt, so daßeiner von diesen „einigen Leuten“ es fertiggebracht hat, sogar in der Presse zu erklären, dierussische Erde sei mit Tränen getränkt und durchaus nicht mit Blut, und mit Tränen, nichtaber mit Blut hätten wir uns nicht nur von den Tataren, sondern auch von der Invasion Napoleonsfrei gemacht... Sind diese Worte nicht wirklich das hervorragende Musterbeispiel füreinen Verstand, der mit der Vernunft durchgegangen ist, weil er sich durch ein System, eineTheorie hat hinreißen lassen, die mit der Wirklichkeit unvereinbar ist? ... Wir sind im Gegenteilder Meinung, daß die Liebe eine Eigenschaft der menschlichen Natur überhaupt ist undebensowenig ausschließlich einem einzelnen Volk und Stamm gehören kann wie das Atmen,das Sehen, der Hunger, der Durst, der Geist, das Wort... Der Fehler liegt darin, daß hier etwasRelatives für etwas Absolutes genommen wird. Das System der Eroberungen, das die europäischenStaaten begründet hat, brachte dort sofort rein juristische Lebensbeziehungen hervor,in denen die Gewalt und die Unterdrückung nicht als Willkür, sondern als Gesetz erschienen.Bei den Slawen dagegen herrschte ein Gewohnheitsrecht, das aus den sanften undfreundlichen patriarchalischen Beziehungen hervorgegangen war. Haben sich diese patriarchalischenLebensbeziehungen jedoch lange gehalten, und was wissen wir Sicheres über sie?Schon vor der Teilfürstenperiode begegnen wir in der russischen Geschichte den durchausnicht freundlichen Zügen des listenreichen Kämpen Oleg, des rauhen Kämpen Swjatoslaw,dann Swjatopolks, der Boris und Gleb ermordete, den Kindern Wladimirs, die sich gegenihren Vater empörten usw. Das haben, wird man sagen, die Waräger von draußen zu uns gebrachtund damit – fügen wir von uns aus hinzu – den Anfang mit der [414] Entartung derfreundlichen patriarchalischen Lebensbeziehungen gemacht. Wozu dann der ganze Lärm?Die Teilfürstenperiode ist ebensowenig eine Periode der Liebe wie der Demut; sie ist ehereine Periode gewohnheitsmäßiger Abschlachterei. Auf die Tatarenperiode paßt es schon garnicht: damals war eine mit verräterischer Absicht zur Schau getragene Demut nötiger als Liebeund echte Demut. Die Kriminalgesetze, die Foltern, die Hinrichtungen der Periode desMoskauer Zarenreichs und der folgenden Zeit bis zur Herrschaft Katharinas der Großen einschließlichverweisen uns bei der Suche nach Liebe wieder in die vorhistorischen Zeiten deralten Slawen. Wo ist hier Liebe als Nationalprinzip? Nationalprinzip war sie ja auch nie, sondernwar ein menschliches Prinzip, das im slawischen Stamm dank seiner historischen oder,besser gesagt, seiner unhistorischen Situation erhalten geblieben war. Mit der Situation ändertensich auch die patriarchalischen Sitten, und mit ihnen verschwand auch die Liebe alsErscheinung der alltäglichen Lebensbeziehungen. Sollen wir am Ende zu jenen alten Zeitenzurückkehren? Warum nicht gar, wenn das ebenso leicht ist, wie daß ein Greis wieder zumJüngling und ein Jüngling zum Wickelkind werde? ...Natürlich rufen derartige extreme Übertreibungen ebensolche entgegengesetzte Übertreibungenhervor. Die einen warfen sich einem phantastischen Volksgeist in die Arme; die andern –im Namen der Menschheit – einem phantastischen Kosmopolitismus. Nach der Meinung derletzteren entspringt der Nationalgeist rein äußerlichen Einflüssen, drückt alles das aus, wasdas Volk an Starrem, Grobem, Borniertem, Unvernünftigem an sich hat, und bildet den diametralenGegensatz zu allem Menschlichen. Da sie aber spüren, daß man dem Volk nichtauch das Menschliche absprechen kann, das ihrer Meinung nach den Gegensatz zum Nationalenbildet, zerteilen sie die unteilbare Persönlichkeit des Volkes in eine Mehrheit und eineMinderheit, wobei sie dieser Eigenschaften zuschreiben, die den Eigenschaften jener diametralentgegengesetzt sind. Indem sie so ständig irgendeinen Dualismus angreifen, den sieüberall sehen, auch da, wo es ihn gar nicht gibt, verfallen sie selbst in das Extrem des allerabstraktestenDualismus. Die großen Männer stehen, nach ihrer Auffassung, außerhalb des Gei-OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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