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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 242von Dauer: mehr als irgend jemand anders müssen wir uns diese Wahrheit zu eigen machen.Der Franzose, der Engländer und der Deutsche sind bekanntlich, jeder auf seine Weise, sonational, daß sie nicht imstande sind, einander zu verstehen – während dem Russen sowohlder Sozialgeist des Franzosen wie auch die praktische Aktivität des Engländers und die nebelhaftePhilosophie des Deutschen gleichermaßen zugänglich sind. Die einen sehen hierinunsere Überlegenheit über alle anderen Völker; die anderen schließen daraus auf eine betrüblicheCharakterschwäche, zu der uns die Reform Peters erzogen haben soll: denn, sagen sie,wer kein eigenes Leben hat, dem fällt es leicht, sich nachahmend an fremdes Leben anzupassen,wer keine eigenen Interessen besitzt, dem fällt es leicht, fremde Interessen zu verstehen.Aber sich an fremdes Leben anpassen, bedeutet nicht leben, fremde Interessen verstehen,bedeutet nicht, sie sich aneignen. Diese Auffassung enthält viel Richtiges, aber auch jeneentbehrt, so anmaßend sie ist, nicht ganz der Wahrheit. Zunächst müssen wir sagen, daß wirVölkern, die keinen eigenen Nationalgeist besitzen und mithin ein rein äußerliches Lebenführen, entschieden die Möglichkeit einer kräftigen politischen und staatlichen Existenz absprechenmüssen. Es gibt in Europa ein solches künstliches Staatengebilde, das aus vielenNationalitäten zusammengeleimt ist – aber wer wüßte nicht, daß seine Festigkeit und seineStärke etwas Zeitweiliges sind? ... 2 Wir Russen haben keine Ursache, an unserer politischenund staatlichen Berufung zu zweifeln: von allen slawischen Stämmen haben nur wir uns zueinem starken, mächtigen Staat geformt und [409] sowohl vor Peter als auch nach ihm, biszur heutigen Zeit, in Ehren mehr als einer rauhen Schicksalsprüfung standgehalten, sind mehrals einmal nahe daran gewesen, unterzugehen, und haben uns stets retten können, um dannmit neuer, größerer Kraft und Festigkeit wieder auf den Plan zu treten. In einem Volk, das derinneren Entwicklung bar ist, kann es keine solche Festigkeit, keine solche Kraft geben. Ja,wir haben ein nationales Leben, wir sind dazu berufen, der Welt unser eigenes Wort, unsereneigenen Gedanken zu sagen; was für ein Wort und was für ein Gedanke das sein wird – darumbrauchen wir uns jetzt noch nicht zu sorgen. Unsere Enkel oder unsere Urenkel werden esohne alles angestrengte Rätselraten erfahren, weil sie es sein werden, die dieses Wort, diesenGedanken aussprechen... Da unser Aufsatz in der Hauptsache von der russischen Literaturhandelt, so ist es nur natürlich, wenn wir uns in diesem Falle auf ihr Zeugnis berufen. Siebesteht alles in allem gerade eben hundertsieben Jahre, dabei hat sie aber bereits einige Werkeaufzuweisen, die für die Ausländer nur darum interessant sind, weil sie ihnen als ganz verschiedenvon den Werken ihrer eigenen Literatur, also als originell und urwüchsig, d. h. nationalrussisch, erscheinen. Worin jedoch diese russische Nationaleigentümlichkeit besteht –das läßt sich vorläufig noch nicht bestimmen; uns genügt es einstweilen, daß ihre Elementebereits durch die farblose Nachahmerei, zu der uns die Reform Peters des Großen gebrachthatte, hindurchzubrechen und sich zu offenbaren beginnen...Was weiterhin die Vielseitigkeit betrifft, mit der der russische Mensch den Geist ihm fremderNationalitäten versteht – so liegt hier gleichermaßen seine schwache wie seine starke Seite.Schwach deshalb, weil diese Vielseitigkeit wirklich starke Unterstützung darin findet, daß derRusse heute nicht an einseitige eigene nationale Interessen gebunden ist. Es läßt sich jedochmit Sicherheit sagen, daß diese Ungebundenheit nur eine Stütze dieser Vielseitigkeit ist, aberes läßt sich schwerlich mit einiger Sicherheit sagen, daß sie sie hervorbringt. Jedenfalls erscheintes uns zu kühn, einer Situation zuzuschreiben, was vielmehr natürlicher Begabungzuzuschreiben ist. Da wir uns ungern aufs Raten und Träumen einlassen und mehr als alleswillkürliche Schlußfolgerungen fürchten, die lediglich subjektive Bedeutung haben, wollenwir nicht unbedingt behaupten, daß es dem russischen Volk vorbestimmt ist, in seinem Nationalgeistden reichsten und vielseitigsten Inhalt zum Ausdruck zu bringen, und daß [410] hierdie Ursache für die erstaunliche Fähigkeit des russischen Volkes liegt, alles ihm Fremde in2 Es handelt sich natürlich um das „Flicken-Reich“ Österreich.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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