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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 230men kann. Puschkins Stücke: „Mozart und Salieri“, „Der geizige Ritter“ und „Der steinerneGast“ sind so gelungen, daß man ohne Übertreibung sagen kann, sie sind sogar des GeniesShakespeares würdig. Daraus folgt jedoch durchaus nicht, daß Puschkin Shakespeare gleichist. Ganz abgesehen schon davon, daß sich Shakespeares Genie nach Kraft und Umfang bedeutendvom Genie Puschkins unterscheidet – selbst wenn Puschkin ebenso viele und imgleichen Maße ausgezeichnete Werke geschrieben hätte wie Shakespeare, auch dann wäre eseine zu kühne Annahme, ihn Shakespeare gleichzusetzen. Das gilt um so mehr jetzt, wo wirWissen, daß Zahl und Umfang seiner besten Werke im Vergleich mit Zahl und Umfang derbesten Werke Shakespeares so gering [389] fügig sind. Überhaupt können wir eher sagen,daß unsere Literatur einige Werke besitzt, die wir hinsichtlich ihres künstlerischen Werts einigengenialen Werken der europäischen Literatur gegenüberstellen können; aber wir könnennicht sagen, daß wir Dichter besitzen, die wir den europäischen Dichtern erster Ordnung gegenüberstellenkönnten. Es liegt ein tiefer Sinn darin, daß wir es nötig haben, die großenDichter der Auslandsliteratur kennenzulernen, während es die Ausländer nicht nötig haben,unsere großen Dichter kennenzulernen. Das Verhältnis unserer großen Dichter zu den großenDichtern Europas kann man so ausdrücken: von einigen Stücken Puschkins läßt sich sagen,daß Shakespeare selbst sich nicht geschämt haben würde, sie als seine Werke zu bezeichnen,ebenso wie Byron selbst sich nicht geschämt haben würde, einige Stücke Lermontows seineeigenen zu nennen; umgekehrt dagegen würde man Gefahr laufen, einen Unsinn zu sagen,wenn man behaupten wollte, daß Puschkin und Lermontow sich nicht geschämt haben würden,ihren Namen unter einige Werke Shakespeares und Byrons zu setzen. Wir können unsereDichter nur zu dem Zweck als Shakespeares, Byrons, Walter Scotts, Goethes, Schillersusw. bezeichnen, um ihre Kraft oder ihre Richtung kenntlich zu machen, nicht aber die Bedeutung,die sie in den Augen der ganzen gebildeten Welt besitzen. Wen man nicht bei seinemeigenen Namen nennt, der kann dem nicht gleich sein, dessen Namen man ihm beilegt.Byron trat nach Goethe und Schiller auf – aber er blieb Byron und erhielt nicht den Beinameneines englischen Goethe oder eines englischen Schiller. Wenn einmal für Rußland die Zeitkommt, Dichter von Weltbedeutung hervorzubringen – so wird man diese Dichter bei ihreneigenen Namen nennen, und jeder Name eines solchen Dichters wird ein Eigenname bleiben,zugleich aber auch zum Gattungsnamen werden, wird auch in der Mehrzahl verwendet werden,weil er der Name eines Typus sein wird.Wenn wir sagen, daß ein großer russischer Dichter, auch wenn er von Natur hochbegabt undan Talent einem großen europäischen Dichter ebenbürtig ist, gegenwärtig dennoch nicht diegleiche Bedeutung erlangen kann – dann wollen wir damit sagen, daß er mit ihm nur hinsichtlichder Form, nicht aber des Inhalts seiner Dichtung wetteifern kann. Den Inhalt gibt demDichter das Leben seines Volkes – der Wert, die Tiefe, der Umfang und die Bedeutung diesesInhalts hängen also direkt und unmittelbar nicht von dem Dichter [390] selbst und nicht vonseinem Talent ab, sondern von der historischen Bedeutung des Lebens seines Volkes. Erst136 Jahre sind vergangen seit jenem ewig denkwürdigen Tag, da Rußland im Donner derSchlacht von Poltawa die Welt von seiner Vereinigung mit dem europäischen Leben, vonseinem Einzug in die Arena welthistorischer Existenz in Kenntnis setzte – und welch glänzendenWeg von Erfolg und Ruhm hat es in dieser kurzen Zeitspanne zurückgelegt! Geradezufabelhaft gewaltig, beispiellos, nie dagewesen ist, was es vollbracht hat! Rußland entschieddas Schicksal der modernen Welt, „den Götzen, der die Reiche drückte, in den Abgrundstürzend“, und hält jetzt, nachdem es den ihm zukommenden Platz unter den erstrangigenGroßmächten Europas eingenommen hat, zusammen mit ihnen das Schicksal der Weltauf den Waagschalen seiner Macht ... 3 Das beweist aber, daß wir hinter niemandem zurück-3 Natürlich waren es nicht „patriotische“ Gefühle, was Belinski hier über die militärische Macht des zaristischenRußlands unter Nikolaus I. zum Reden bewog, sondern der Wunsch, den „Bierbankpatrioten“ die Waffen ausOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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