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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 217den. Durch einen königlichen Erlaß wurde im Jahre 1830 die französische Verfassung abgeändert;in Paris wurde die Arbeiterklasse durch die Partei des Mittelstands (der „Bourgeoisie“)geschickt in Aufruhr versetzt. Zwischen dem Volk und den Truppen des Königs kam eszum Kampf. In blinder, wahnwitziger Selbstverleugnung schlug sich das Volk, ohne sich zuschonen, wegen der Verletzung von Rechten, die es nicht im geringsten glücklicher gemachthatten und die es also ebensowenig etwas angingen wie die Gesundheit des Kaisers von China.Während das Volk so in einzelnen Haufen, auf Barrikaden, ohne einheitlichen Plan, ohnegemeinsame Parolen, ohne Führer kämpfte, ohne recht zu wissen gegen wen und ohne jedeVorstellung für wen und für was, rief es vergebens nach den Repräsentanten der Nation, diekurz zuvor noch in ihrem Chambre séparée * getagt hatten: diese Repräsentanten hatten andereszu tun; sie hatten sich bleich und schlotternd bis beinahe in die Keller verkrochen. Als derFeuereifer des blinden Volkes der Sache ein Ende gemacht hatte, krochen die Repräsentantennach und nach aus ihren Schlupflöchern hervor und balancierten über die Leichen hinweggeschickt bis zu den Machtpositionen vor, verdrängten alle ehrlichen Leute aus ihnen undvergnügten sich, von Sittlichkeit faselnd, an den Kastanien, die fremde Hände für sie aus demFeuer geholt hatten. Das Volk aber, das in wahnwitzigem Eifer sein Blut für ein Wort vergossenhatte, für einen leeren Klang, dessen Sinn es selbst nicht verstand – was hatte dabei diesesVolk gewonnen? ... – O weh! Unmittelbar nach den Juli-Ereignissen mußte dieses arme Volkmit Schrecken erkennen, daß sich seine Lage gegen früher nicht nur nicht verbessert, sondernwesentlich verschlechtert hatte. Und dabei hatte sich die ganze historische Komödie im Namendes Volkes und seines Wohls abgespielt! Die Aristokratie stürzte endgültig; das Bürgertumtrat festen Tritts an ihre Stelle, wobei es ihre Privilegien erbte, aber nicht ihre Bildung,ihre verfeinerten Lebensformen, nicht die angeborene Verachtung, die hochmütige Großzügigkeitund die eitle Freigebigkeit, mit der die Aristokratie das Volk behandelt hatte. Vor demGesetz hat der französische Proletarier die gleichen Rechte wie der reichste Eigentümer (propriètaire)und Kapitalist; der eine wie der andere hat sich vor dem gleichen [366] Gericht zuverantworten und wird, wenn er schuldig ist, von der gleichen Strafe betroffen; das Unglückdabei ist nur, daß es dem Proletarier bei dieser Gleichheit durchaus nicht besser geht. Alsewiger Arbeiter des Eigentümers und Kapitalisten ist der Proletarier ganz in dessen Hand, istganz sein Sklave, denn jener gibt ihm die Arbeit und setzt willkürlich ihre Bezahlung fest.Diese Bezahlung reicht dem armen Arbeiter nicht immer für das tägliche Brot und die Lumpen,die er für sich und seine Familie braucht; der reiche Eigentümer aber behält 99 Prozentdieser Bezahlung für sich... Eine hübsche Gleichheit! Als ob es leichter wäre, zur Winterszeitim kalten Keller oder auf dem kalten Dachboden zu sterben, samt Frau und Kindern, die vorKälte zittern und seit drei Tagen nichts gegessen haben; als ob es leichter wäre, so zu sterbenmit einer Verfassung, für die so viel Blut geflossen ist, als ohne diese Verfassung, aber auchohne die Opfer, die sie verlangt? ... Der Eigentümer betrachtet, wie jeder Emporkömmling,den Arbeiter in Bluse und Holzpantinen, wie der Pflanzer den Neger betrachtet. Gewiß kanner ihn nicht mit Gewalt zur Arbeit zwingen; aber er kann ihm die Arbeit verweigern und ihnzum Hungertod verdammen. Die bürgerlichen Eigentümer sind prosaisch-praktische Leute.Ihre Lieblingsregel ist: jeder für sich. Sie wollen vor dem bürgerlichen Gesetzbuch recht habenund wollen nichts wissen von den Gesetzen der Menschlichkeit und der Sittlichkeit. Siezahlen dem Arbeiter pünktlich den von ihnen festgesetzten Lohn, und wenn dieser Lohn nichtdazu ausreicht, ihn und seine Familie vor dem Hungertod zu retten und er aus Verzweiflungzum Dieb oder Mörder wird – dann bleibt ihr Gewissen ruhig: vor dem Gesetz sind sie ja imRecht! Die Aristokratie denkt anders: sie ist großzügig, und sei es nur aus Eitelkeit, aus hergebrachterGewohnheit. Aus dem gleichen Grunde hat sie stets etwas für Geist, Talent, Wissenschaftund Kunst übrig gehabt und sich damit gebrüstet, sie zu begönnern. Das Bürgertum* Separater RaumOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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