13.07.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 214Die Geheimnisse von ParisRoman von Eugène SueÜbersetzt von W. Strojew. St. Petersburg, 1844Zwei Bände, acht Teile 1Die Geschichte der europäischen Literatur liefert besonders in der letzten Zeit viele Beispieleblendenden Erfolgs einiger Schriftsteller oder einiger Werke. Wer erinnert sich nicht der Zeit,wo zum Beispiel ganz England sich um die Poeme Byrons und die Romane Walter Scotts riß,so daß die Ausgabe eines neuen Werkes jedes dieser Schriftsteller in einigen Tagen in mehrerentausend Exemplaren Absatz fand. Derartige Erfolge sind durchaus verständlich; Byron undWalter Scott waren nicht nur große Dichter, sie bahnten der Kunst auch völlig neue Wege,schufen neue Kunstgattungen und gaben der Kunst einen neuen Inhalt; jeder von ihnen war imBereich der Kunst ein Kolumbus, und das staunende Europa fuhr mit vollen Segeln zu denvon ihnen neu entdeckten Erdteilen der Welt des Schaffens hinüber, die nicht weniger reichund voller Wunder waren als Amerika. Das hatte also nichts Verwunderliches an sich. NichtsVerwunderliches lag auch darin, daß ähnliche, wenn auch vorübergehende Erfolge gewöhnlichenTalenten beschieden waren: auch die Menge braucht ihre Genies, wie die Menschheit dieihren hat. So trat in Frankreich gegen Ende der Restauration unter dem Banner der Romantikeine ganze Phalanx von Schriftstellern mittleren Formats auf die literarische Bühne, Schriftstellern,in denen die Menge ihre Genies erblickte. Sie las und bewunderte ganz Frankreichund nach ihm, wie das so üblich ist, auch ganz Europa. Hugos Roman „Notre-Dame de Paris“hatte einen Erfolg, wie er nur den größten Werken der größten Genies zukommt, die die Weltmit dem lebenspendenden Wort der Erneuerung und Wiedergeburt betreten. Doch was geschah?Kaum an die vierzehn Jahre sind vergangen, und alle Welt betrachtet diesen Romanbereits als tour de force * eines zwar be-[361]merkenswerten, aber auf rein äußerlichen Effekteingestellten Talents, als Frucht einer zwar kraftvollen und glühenden, aber nicht mit schöpferischerVernunft gepaarten Phantasie, als ein Werk, das wohl blendet, aber gekünstelt ist, ganzaus Übertreibungen besteht, lauter Bilder nicht der Wirklichkeit, sondern von Ausnahmeerscheinungenenthält, ungeheuer ist, ohne groß zu sein, riesig, aber weder wohlgebaut nochharmonisch, krankhaft und läppisch. Viele denken heute überhaupt nicht mehr an dieses Werk,und niemand will sich die Mühe machen, es dem Lethestrom zu entreißen, auf dessen tiefemGrunde es in süßem, ungestörtem Schlafe ruht. Und dieses Geschick ereilte das beste WerkVictor Hugos, dieses ci-devant [ehemalige] Weltgenies: über das Schicksal aller anderen, insbesondereauch der letzten seiner Werke, ist also kein Wort zu verlieren. Der ganze, noch vorkurzem so laut durch die ganze Welt klingende hohe Ruhm dieses Schriftstellers geht jetztleicht in eine Nußschale. Wie lange ist es her, daß die Romane Balzacs, diese Bilder aus demAlltag der Pariser Salons mit ihren Frauen von dreißig Jahren, allgemeine Begeisterung erregtenund in aller Munde waren? Wie lange, daß unsere russischen Zeitschriften mit ihnen paradierten?Dreimal hintereinander hat die ganze Leserwelt die „Geschichte der Dreizehn“ gieriggelesen oder, besser gesagt, verschlungen, weil sie in ihr die „Ilias“ des modernen Gesellschaftslebenssah. Und heute? Wer hat heute noch den Mut und die Geduld, diese drei langenMärchen noch einmal von Anfang bis zu Ende zu lesen? Wir wollen damit nicht sagen, daßsich heute in den Werken Balzacs nichts Gutes finden ließe oder daß er kein Talent gehabthabe: im Gegenteil, auch heute kann man in seinen Romanen viel Schönes finden, aber es istzeitgebunden und relativ; er war begabt, sogar hochbegabt, aber nur für eine gewisse Zeit.Diese Zeit ist vorüber, und sein Talent ist vergessen – und heute ist es der gleichen Menge, die1 Zum erstennal abgedruckt im Jahre 1844 in den „Otetschestwennyje Sapiski“.* Gewaltaktion; mit Mühe, Anstrengung verbundenes HandelnOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!