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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 212gen der Päpste und den Widerstand Spaniens ausgefüllt: hinter diesen äußeren Vorgängen, dieüberhaupt wenig interessant sind und die keinen irgendwie merkbaren Einfluß auf die folgendenEreignisse ausgeübt haben, verbarg sich eine andere Aktion des Geistes, die äußerlichweniger sichtbar hervortrat, weil sie weniger blendend, dafür aber hinsichtlich ihrer Bedeutungund ihrer Folgen [357] wesentlicher und großartiger war. Die Erfindung des Buchdrucks,die den Erfolg der Reformation vorbereitete, fand schnelle Verbreitung und gab der geistigenElite die Möglichkeit, auf die Massen einzuwirken. Dem Auftreten Luthers, der am 31. Oktober1517 in seinen 95 Thesen gegen den Verkauf von Ablaßzetteln protestierte, ging ein unterirdischer,aber nichtsdestoweniger heftiger und dramatischer Kampf voraus, der in der Reformationnur offen zum Ausbruch kam. Außerdem war dieses Ereignis nicht die Tat Luthersallein, sondern geschah unter Mitwirkung anderer bedeutender Männer. Der Beginn der Reformationfiel mit einem anderen großen moralischen Ereignis im Leben Europas zusammen –mit der Wiedergeburt der Wissenschaft. Infolge der Einnahme Konstantinopels durch die Türken(1453) verließ eine große Anzahl byzantinischer Gelehrter ihr Vaterland und fand einAsyl in Italien; sie brachten die Schätze der antiken Literatur in dieses Land mit, das bereitsseit langem mit der lateinischen Literatur bekannt war. Dieser Umstand gab der Aufklärung inEuropa einen kräftigen Anstoß: die klassische Gelehrsamkeit nahm den Kampf gegen dieScholastik des Mittelalters auf. Deutschland, der Hauptsitz dieser Scholastik, setzte sich in derPerson seiner Universitäten fanatisch gegen den Geist der neuen Bewegung zur Wehr. DieProfessoren der griechischen und der lateinischen Sprache wurden als Ketzer und Atheistenverfolgt. Sie flohen von Stadt zu Stadt, fielen als Opfer von Schwert und Gift. Trotz alledemvollbrachte der Geist sein Werk – und die wilde Ignoranz mußte Schritt für Schritt zurückweichen.Die enthusiastische Begeisterung für die neue Wissenschaft nahm so sehr Besitz von derneuen Generation, daß die jungen Leute einesteils, wenn sie nicht imstande waren, die Professorenzu bezahlen, bei ihnen in Dienst traten, andernteils unter Mißachtung der Polizeiaufsicht,ohne Furcht vor der Kälte nachts auf irgendeinem abgelegenen Feld oder im Wald zusammenkamen,um Cicero zu erläutern oder Homer zu übersetzen. Die Universitäten sindaußer sich: der Papst erläßt eine Bulle, die das Studium der hebräischen Sprache und die Lektürehebräischer Bücher verbietet; ein bedeutender, edler Gelehrter jener Zeit, Reuchlin, gerätdafür, daß er die alten Sprachen und das Hebräische kennt, beinahe auf den Scheiterhaufen.Damals erscheint das geistreiche Pamphlet Huttens – „Litterae Obscurorum Virorum“ * , indem die wilde Ignoranz und der Fanatismus ihren eigenen, mit giftiger Kunst geführten Waffenerliegen. Das begründete den [358] Triumph der Aufklärung in Europa. Herder hat gesagt,daß weder der Hudibras der Engländer noch der Gargantua der Franzosen, noch der DonQuichotte der Spanier einen so großen Einfluß auf die Vervollkommnung der Menschheitausgeübt haben wie die Briefe Huttens, die den letzten Schutzwall der Barbarei, die Scholastikder Lehrkörper der Universitäten, zum Einsturz brachten. Wir sind der Meinung, daß die Tatenund die Verdienste selbst solcher Männer wie Konrad Celtes, Hermann Buschius, JohannesRegius, Esticampianus, Hegius (bei dem Erasmus von Rotterdam in die Lehre ging),Drinagerberg (dem Melanchthon seine Bildung verdankte), Agricola u. a. an hervorragenderStelle in einem Geschichtslehrbuch erwähnt zu werden verdienen, wenn sie auch nicht zu denFeldherren gehören. Um so mehr natürlich solche Männer wie Reuchlin, Erasmus von Rotterdamund Hutten; ihre Bedeutung, ihr Kampf auf Leben und Tod gegen die Barbarei und ihrschließlicher Sieg verdienten, in einem Geschichtslehrbuch ausführlicher dargestellt zu werden,als wir es in diesen Zeilen getan haben; denn dies alles ist tausendmal interessanter undwichtiger als die inhaltslosen Details der inhaltslosen italienischen Kriege. Bei Herrn Smaragdowfinden wir jedoch über dies alles kein Wort: er beschreibt lediglich das, was bereitsKaidanow beschrieben hat. Wir sagen nicht, daß die italienischen Kriege mit Schweigen über-* DunkelmännerbriefeOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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