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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 209gleichermaßen dem Geiste dienen – eine Tatsache, in der die Skeptiker nur einen unwiderleglichenBeweis dafür sehen, daß die Menschheit vom blinden Zufall regiert wird. Wie könntees sonst eine Garantie des Fortschritts geben, ein Unterpfand für das hohe Ziel, dem dieMenschheit entgegenstrebt, wenn die Geschicke der Völker oder der Menschheit nur vomAuftreten ehrgeiziger Persönlichkeiten abhingen, die dem Tod und allen möglichen Zufällenausgeliefert sind? Da die Quelle des Fortschritts gerade im menschlichen Geist selbst liegt,der ohne Unterbrechung lebendig ist, d. h. sich ohne Unterbrechung fortbewegt, findet, ganzim Gegenteil, der Fortschritt selbst in jenen Epochen keine Unterbrechung, wo die Gesellschaftverfault und stirbt, denn dieses Verfaulen ist notwendig als Vorbereitung des Bodensfür das Aufblühen neuen Lebens, und selbst der Tod ist in der Geschichte ebenso wie in derNatur nur der Wiedergebärer des neuen Lebens. Die Sittenverderbnis im WeströmischenReich kündete, als sie ihren Höhepunkt erreicht hatte, das Ende der antiken Welt an und bereiteteden [352] Triumph des neuen Glaubens vor, unter dessen Schutz sich alles neigte, wasnach Erneuerung und Wiedergeburt dürstete – und Rom, die Hauptstadt der heidnischenWelt, wurde zur Hauptstadt der christlichen Welt. Die großen geschichtlichen Persönlichkeitensind nur Werkzeuge in den Händen des Geistes: sie haben ihren eigenen Willen, aber dieserist, ohne daß es ihnen bewußt wird, beschränkt durch den Geist der Zeit und des Landesund durch die Bedürfnisse des gegenwärtigen Augenblicks und geht über diesen magischenZirkel nicht hinaus. Wenn aber ihr Wille diesen Zirkel durchbricht und sich mit dem höherenWillen entzweit, dann wiederholt sich vor den Augen der staunenden Menschheit das Wortder Schrift von Israel, der sich im Ringen mit dem unsichtbaren Kämpfer die Hüfte verrenkte...Der Menschenwille, der sich eigenmächtig vom Willen des Geistes losreißt, zerbrichtund vergeht wie das Blatt, das vom Baum fällt – mag er Gutes oder Böses wirken. Noch heuteleben Menschen der Generationen, die Zeugen waren, wie der große Sohn des Schicksalszu Fall kam: er hatte seine Mission erfüllt, hörte nicht auf den Ruf des Geistes und fiel durchden Sturm, den er selbst entfesselt hatte, fiel nicht aus Schwäche, nicht am Ende seiner Kräfte,nicht vor Ermüdung, sondern im Vollbesitz seiner Kräfte, auf dem Höhepunkt seinerMacht – und sein Fall setzte die Welt ebenso in Erstaunen wie ihn selbst. So deutlich ließ sichdie für leibliche Augen unsichtbare, aber für die Vernunft faßbare unsichtbare Hand erkennen,die ihn fällte... Es gibt in der Geschichte Epochen, wo es scheint, als wollte in den Gesellschaftender letzte Funke der lebenspendenden Idee verlöschen, wo Nichtswürdigkeit undEgoismus die Welt beherrschen und es scheinbar keine Rettung mehr gibt – aber dann geradeist sie nahe –‚ und der Lebensfunke, der eben schon verlöschen wollte, flammt plötzlich zueinem Feuermeer auf – und die von seinem Schein erhellte Welt wundert sich, woher ihr dieRettung gekommen ist...Es ist um so leichter, alle diese Ideen in einem Geschichtslehrbuch zu entwickeln, als es ganzaus Tatsachen besteht, die nichts anderes sind als die Äußerung eben dieser Ideen. Manbraucht also nur die Tatsachen vom richtigen Standpunkt aus darzulegen, um die Idee selbstfür sich sprechen zu lassen. Leider müssen wir sagen, daß das neue Geschichtsbuch des HerrnSmaragdow die Forderungen, die wir von unserer Auffassung aus an ein gutes Lehrbuch stellen,bei weitem nicht erfüllt.[353] Vor allem ist zu sagen, daß schon der Umfang des Lehrbuchs beim Autor einen Mangelan Kenntnis der modernen Auffassung von der Geschichte der Neuzeit erkennen läßt. Wie alleunsere Autoren von Geschichtslehrbüchern, auch Herr Kaidanow nicht ausgenommen, teiltHerr Smaragdow die Geschichte der Neuzeit in drei Perioden ein – eine religiöse, eine merkantileund eine revolutionäre. Er hat durchaus das Recht, diese Einteilung von seinem Standpunktaus für begründet zu halten; aber wir müssen uns wundern, wie er nicht bemerkt hat,daß bei einer solchen Einteilung die Geschichte der Neuzeit, wenn man sie entsprechend derBedeutung und der Kompliziertheit der Tatsachen darstellt, zu einem Menschlein mit winzi-OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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