13.07.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 200seine Partei beseelte protestantische Schriftsteller bei. Was an solchen Werken falsch ist, istallein schon dadurch, daß es offen zutage tritt, außerstande, die Wahrheit zu entstellen. Lügenhaben kurze Beine, sie tragen vom Augenblick ihrer Geburt an den Tod in sich – die Wahrheitdagegen bleibt bestehen. Daraus folgt jedoch nicht, daß alle Geschichtswerke einseitigund parteiisch geschrieben sind: wir wollten nur sagen, daß selbst die einseitigsten und parteiischstenWerke oft die Wahrheit zum Triumph führen. Manchmal, wenn auch nicht geradeoft, treten klare, hochgesinnte Geister auf den Plan – Geister, die fähig sind, ihre Überzeugungstreuenicht nur mit Unparteilichkeit, sondern auch mit Achtung ihrer Gegner zu verbinden– die es, kurz gesagt, zwar verstehen, Anhänger einer bestimmten Partei und Bürger diesesoder jenes Landes zu sein, zugleich aber doch die Fähigkeit haben, auch Menschen –Glieder der großen Familie des Menschengeschlechts – zu sein. Wenn diese edle, weltoffeneUnparteilichkeit des Geistes, die von einer großen Seele kündet, sich mit großem Talent undmit Genialität verbindet, dann gewinnt die Geschichte in den Werken solcher Männer alleVorzüge einer Wissenschaft, die ebenso wichtig in ihrer Bestimmung wie unerschütterlich inihren unabänderlichen Prinzipien ist, auf die die Willkür menschlicher Leidenschaft und Beschränktheitkeinen Einfluß hat. Der menschliche Geist kann nichts Vollkommenes hervorbringen,und oft gehen gerade aus den Vorzügen seiner Arbeit, als Kehrseite, notwendig auchihre Mängel hervor. Aber mehr oder weniger nahe an die Vollkommenheit heranzukommen,ist zweifellos eins der unbestreitbaren Rechte des menschlichen Geistes. Und wozu sind dennauf ein und demselben Tätigkeitsfeld viele Menschen mit verschiedenen Charakteren undFähigkeiten am Werke, wenn nicht dazu, daß die Fehler und Mängel des einen durch anderekorrigiert und ergänzt werden, und dazu, daß das Wahre und das Schöne jeder Persönlichkeitauf dem Altar der Menschheit dargebracht, das Falsche oder Unzulängliche jedoch im reinigendenFeuer der Opferstätte zu Asche verbrannt wird. Unparteilichkeit ist ebensogut eineEigenschaft des menschlichen Geistes wie Parteilichkeit; daran können nur niedrige Charakterezweifeln, die alles auf der Welt an der eigenen Niedrigkeit messen. Hierin zeichnen sichbesonders die Skeptiker auf Bestellung aus, die sich damit brüsten, daß sie an nichts Wahresund Großes glauben, wie die alten Zyniker sich mit ihrer tierischen Schmuddeligkeit brüste-[337]ten. In ihren Augen ist jedes Streben des Geistes, zur Wahrheit zu kommen, nichts anderesals ein neuer Versuch, aus eigennütziger Berechnung oder kleinlicher Eigenliebe eineneue Lüge als Wahrheit aufzuputzen. In ihren Augen ist die Geschichte ein Geflecht von Lügen,die die menschlichen Leidenschaften erfinden zur eigenen Rechtfertigung oder zumZweck einer einträglichen Spekulation. Mit solchen Leuten läßt sich nicht streiten, und eslohnt auch nicht die Mühe. Weniger schuldbeladen, aber noch kläglicher als sie sind jeneschwachen Geister, die Wunderzeichen brauchen, um glauben zu können, und die Wahrheiterst dann begeistert anerkennen, wenn bereits die äußeren Umstände ihren Triumph sichernund sogar das Recht der materiellen Gewalt auf ihrer Seite steht; aber es brauchen nur Zeitendes Bösen und der Lüge zu kommen, Zeiten, in denen die Wirklichkeit das Zepter der Machtan die Feinde der Wahrheit und des Guten übergibt – und diese braven Enthusiasten gehenzwar nicht gerade auf die Seite der Finsternis über, verzweifeln aber nichtsdestoweniger ander Wahrheit und der Wirklichkeit dessen, was sie nicht lange zuvor noch für ihre tiefstenÜberzeugungen hielten. In ihrer Kleinmütigkeit sind sie bereit, jede Wahrheit für ein Hirngespinstihrer Phantasie, für ein Trugbild ihrer Seele, für eine Verirrung ihres Geistes zu halten;unfähig, auf die eine oder die andere Seite zu treten, stimmen sie klägliche Jeremiaden anüber ihre bittere Enttäuschung, über die Schwäche des menschlichen Geistes über die Seligkeitdes Glaubens an irgendeine süße, kleine Phantasie eigener Fabrikation, die sie treuherzigjedermann als Rettungsanker auf dem stürmischen Meer des Lebens anbieten.Der Glaube an die Idee bildet die einzige Grundlage jeden Wissens. In der Wissenschaft mußman nach der Idee suchen. Wo es keine Idee gibt, gibt es auch keine Wissenschaft! Kenntnisder Tatsachen ist nur deshalb wertvoll, weil in den Tatsachen Ideen verborgen liegen; Tatsa-OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!