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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 19aus törichten und schädlichen Anstandsbedenken oder aus Furcht, als Emporkömmling, alsRomantiker betrachtet zu werden. Man sehe sich einmal an, wie es die Ausländer in solchenFällen halten: dort wird jeder Schriftsteller nach seinen wirklichen Verdiensten gewertet.Dort begnügt man sich nicht mit der Behauptung, daß die Schauspiele des Herrn X. Y. vieleherrliche Stellen aufweisen, wenn sie auch einige holprige Verse und ein paar Schnitzer enthalten,daß die Oden des Herrn X. Y. vorzüglich, seine Elegien aber schwach sind. Nein, mannimmt dort den ganzen Wirkungskreis dieses oder jenes Schriftstellers, bestimmt den Gradseines Einflusses auf die Zeitgenossen und die späteren Generationen, analysiert den Geistseines ganzen Werkes und nicht partielle Schönheiten oder Mängel, berücksichtigt seine Lebensverhältnisse,um festzustellen, ob er mehr hätte leisten können, als er geleistet hat, undum zu ergründen, warum er so und nicht anders verfuhr; und erst dann, nach allen diesen Erwägungen,entscheidet man, welcher Platz in der Literatur ihm gebührt und welcher Ruhmihm zukommt. Den Lesern des „Teleskop“ sind gewiß viele solche kritische Lebensbeschreibungenberühmter Schriftsteller bekannt. Und wo finden wir sie bei uns? O weh! ... Wie ofthörten wir z. B., daß Lomonossows „Abend- und Morgengedanken über Gottes Größe“ herrlich,daß die Strophen seiner Oden klangvoll und erhaben, daß die Perioden seiner Prosareich, rund und farbig seien; aber ist das Maß seiner Verdienste richtig abgewogen, sind nebenseinen lichten Seiten auch die dunkeln Stellen gezeigt worden? Nicht doch – wie kannman nur! Das wäre sündhaft, dreist und undankbar! ... Aber wo bleibt dann die Kritik, die denGeschmack bildet, wo die Wahrheit, die höher als alle Autoritäten der Welt stehen sollte? ...Große Kenntnisse und Erfahrungen, viel Mähe und Zeit sind erforderlich, um einen Menschen,wie Lomonossow es war, nach Gebühr zu würdigen. Mangel an Zeit und an Raum,vielleicht auch an [33] Können, verbieten es mir, mich in allzu eingehende Untersuchungeneinzulassen; ich will mich auf allgemeine Betrachtungen beschränken. Lomonossow ist derPeter unserer Literatur: das ist, scheint mir, die richtigste Auffassung von ihm. In der Tat, läßtsich nicht eine auffallende Ähnlichkeit im Wirken dieser beiden großen Männer ebenso wie inden Folgen dieses Wirkens feststellen? An der Küste des Nördlichen Eismeers, im Reich desWinters und des Todes, wird einem armen Fischer ein Sohn geboren. Ein unbegreiflicher Dämonquält das Kind, läßt ihm weder bei Tag noch bei Nacht Ruhe, flüstert ihm wundersameReden ein, die sein Herz erbeben und sein Blut heißer pulsen lassen. Worauf immer der Blickdieses Kindes fällt, es will wissen: woher, warum und wie; endlose Fragen quälen und bedrückensein junges Gemüt – und nirgends eine Antwort! Der Knabe lernt notdürftig lesen undschreiben, die heimlichen Einflüsterungen seines zudringlichen Dämons erklingen in seinerSeele wie die süßen Klänge des Zauberglöckchens und locken ihn in nebelverhüllte Fernen... 23Und so verläßt er den Vater und eilt nach der weißen Steinstadt Moskau. Eile nur, Jüngling,eile! Dort wirst du alles erfahren, wirst am Quell des Wissens deinen brennenden Durst stillen!Aber nein, die Hoffnung trog: dein Durst ist noch brennender geworden – du hast ihn nur stärkernoch gereizt. Weiter, immer weiter, kühner Jüngling! Dorthin, in das gelehrte Deutschland,dort liegt der Garten Eden, und in diesem Garten steht der Baum des Lebens, der Baumder Erkenntnis, der Baum des Guten und Bösen... Süß sind seine Früchte – eile, von ihnen zukosten... Und er eilt, er betritt den Zaubergarten, er sieht den verführerischen Baum und verschlingtgierig seine Früchte. Wie viele Wunder, wie viele Wonnen! Wie bedauert er, daß ernicht alles zugleich mitnehmen und in das teure Vaterland, die heilige Heimat, verpflanzenkann! ... Aber wie? ... Sollte er es nicht dennoch versuchen? ... Er ist doch Russe, also vermager alles, gibt es nichts Unmögliches für ihn; auf ihn wartet Schuwalow, also braucht er keineVorurteile, keine Feinde und keine Neider zu fürchten! ... Und nun hallt Rußland von Odenwider, führt Tragödien auf, begeistert sich an der Epopöe, lacht über lustige Possen, lauscht23 In Shukowskis Poem „Die zwölf schlafenden Jungfrauen“ wird Wadim, der Held, vom Klang eines Glöckchensfortgelockt.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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