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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 185In diesen Verszeilen ist laut und vernehmlich ein banges Beben um den guten Namen in dergroßen Welt zu hören, während die folgenden dann den unwiderleglichen Beweis für die tiefsteVerachtung der großen Welt erbringen... Was für ein Widerspruch! Und das allertraurigstehieran ist, daß das eine wie das andere sich wahrhaftig in Tatjana vorfindet...„Und mir, Onegin, was bedeutenMir Glanz und Reichtum, Prunk und Schein,Die Gunst des Hofs, die Festlichkeiten,Der Fürstenrang, das Vornehmsein,Dies ganze Maskeradenleben?Wie wär’ ich froh, es hinzugebenFür meine liebe Bücherschar,Den Garten, der mein Obdach war,Das Elternhaus, so lang gemieden,Für jenes stille Heimattal,Wo ich Sie sah zum erstenmal,Ja für des Kirchhofs ernsten Frieden,Wo unterm Kreuz in Gottes HutDie alte treue Amme ruht...“[308] Wir wiederholen: Diese Worte sind ebenso ungekünstelt und ehrlich wie die ihnen unmittelbarvorausgehenden. Tatjana liebt die große Welt nicht und würde sich glücklich schätzen,wenn sie sie für immer verlassen und gegen das Landleben eintauschen könnte; abersolange sie in der großen Welt lebt, wird deren Meinung stets ihr Idol sein und die Angst vorihrem Urteil stets ihre Tugend bestimmen...„Und ach, wir konnten glücklich werden,Das Glück war uns so nah gebracht!Mir fiel ein andres Los auf Erden.Ich tat auch selbst wohl unbedacht,Doch Mutters Tränen, Mutters Bitten –Da blieb, wie schwer sie auch gelitten,Der armen Tanja keine Wahl...Ich ward vermählt. Zum letztenmal,Eugen: Sie müssen mir entsagen;Ich weiß auch, daß Ihr Edelmut,Ihr Stolz von selbst das Rechte tut.Ich liebe Sie – heut darf ich’s klagen –Doch hat ein andrer mich gefreit:Ihm bleib’ ich treu in Ewigkeit!“Diese letzten Verszeilen sind bewundernswert – sie sind wahrhaft die Krönung des Werks.Diese Antwort könnte als Beispiel für das klassische „Erhabene“ (sublime) stehen, neben derAntwort Medeas: moi! [Ich] und dem: qu’il mourût [er starb] des Horace. Das ist wahrhafterStolz weiblicher Tugend! Doch mich hat ein andrer gefreit– eben dies: er hat mich gefreit,nicht: ich habe ihn zum Mann genommen! Treu in Ewigkeit – wem und worin? Einer Beziehungtreu, die nichts anderes ist als eine Profanation weiblicher Gefühle und weiblicher Sauberkeit,weil gewisse Beziehungen, wenn sie nicht durch Liebe geheiligt werden, in höchstemGrade unsittlich sind... 9 Bei uns jedoch geht das alles so irgendwie in einem hin: Poesie – undLeben, Liebe – und Ehe aus Berechnung, seelenvolles Leben – und strenge Einhaltung äußerlicherVerpflichtungen, die innerlich jeden Augenblick durchbrochen werden... Das Lebender Frau konzentriert sich vorwiegend auf das Leben des Herzens: Lieben bedeutet für sieleben, und opfern bedeutet lieben. Für diese Rolle hatte die Natur Tatjana geschaffen; aber9 Derartige Gedanken über Frauen, Liebe und Ehe äußerte Belinski in seinen Aufsätzen und Briefen seit demJahre 1841, als er sich für die Ideen der utopistischen Sozialisten zu begeistern begonnen hatte. Ebenso wie W.P. Botkin verurteilte Belinski Tatjana deswegen, weil sie das hohe Gefühl der Liebe dadurch profaniert habe,daß sie es „den Gesetzen der gemeinen, geistlosen und von ihr verachteten Menge“ zum Opfer brachte.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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