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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 168[281] Wenn unsere Braut aber keinen reichen Mann bekommt, sondern einen, der zwar nichtgerade arm ist, aber ein bißchen über seine Verhältnisse lebt und mit Geschick in strengerOrdnung so grade eben auskommt: dann wehe ihrem Mann. Bei sich auf dem Lande hat sienie irgend etwas getan (denn ein gnädiges Fräulein ist doch nicht irgendeine Magd, daß sieirgend etwas tun sollte), hat sich um nichts gekümmert, versteht nichts von der Wirtschaft,und was Ordnung, Reinlichkeit, Sauberkeit im Hause sind – das hat sie nie zu sehen bekommen,davon hat sie nie von jemandem etwas gehört. Heiraten bedeutet für sie soviel wie gnädigeFrau werden; Hausfrau sein bedeutet, im ganzen Hause herumzukommandieren und absoluteHerrin ihrer Handlungen zu sein. Ihre Sache ist, nicht zu sparen, nicht zu berechnen,sondern einzukaufen und auszugeben, sich zu putzen und Staat zu machen.Und könnt ihr ihr wirklich aus alledem einen Vorwurf machen? Welches Recht habt ihr, vonihr zu fordern, etwas anderes zu sein, als was ihr selber aus ihr gemacht habt? Könnt ihrselbst den Eltern einen Vorwurf machen? Habt ihr sie nicht selber aus einer Frau zur bloßenBraut und Gattin und zu nichts weiter gemacht? Habt ihr sie je uneigennützig, einfach, ohnealle Absichten behandelt, nur um Freude zu haben an jenem Aroma, jener Harmonie fraulichenWesens, jenem poetischen Zauber der Anwesenheit und des Umgangs mit einer Frau,die so besänftigend, beruhigend und wohltuend auf die harte Natur des Mannes einwirkt?Habt ihr jemals den Wunsch gehabt, in einer Frau, in die ihr durchaus nicht verliebt wart,einen Freund zu finden, eine Schwester in einer Frau, die nicht zur Familie gehört? Nein!Wenn ihr in einen Kreis von Frauen tretet, so nur dazu, um den Gebräuchen des Anstands,dem Herkommen Genüge zu leisten; wenn ihr mit einer Frau tanzt, dann nur deshalb, weil einMann nicht mit Männern zu tanzen pflegt. Wenn ihr einer Frau besondere Aufmerksamkeitschenkt, so stets nur mit positiven Absichten – um sie zu heiraten oder sich ihr zu nähern. Ihrbetrachtet die Frau von einem rein utilitaristischen, fast kaufmännischen Standpunkt aus: sieist ein profitbringendes Kapital, ein Dorf, ein Zinshaus; wenn sie das nicht ist, dann ist sieKöchin, Waschfrau, Haushälterin, Kindermädchen, und wenn’s hochkommt, Odaliske. *Es gibt natürlich auch Ausnahmen; aber die Gesellschaft wird von den allgemeinen Regeln bestimmt,nicht von den Ausnahmen, [282] die meist krankhafte Auswüchse am Körper der Gesellschaftsind. Diese bittere Wahrheit wird am besten durch unsere sogenannten „idealischen Jungfrauen“bestätigt. Sie sind gewöhnlich leidenschaftliche Leserinnen und lesen viel und schnell, siefressen Bücher. Aber wie und was lesen sie, du großer Gott! ... Das Liebenswerteste an den idealischenJungfrauen ist ihre Überzeugung, daß sie alles verstehen, was sie lesen, und daß die Lektüreihnen großen Nutzen bringt. Sie sind alle große Verehrerinnen Puschkins – was sie jedochnicht daran hindert, auch dem Talent des Herrn Benediktow Gerechtigkeit angedeihen zu lassen;einige von ihnen lesen sogar mit Vergnügen Gogol – was sie jedoch nicht im geringsten daranhindert, sich für die Romane der Herren Marlinski und Polewoi zu begeistern. Alles, was geradeMode ist, worüber man im Augenblick schreibt und spricht, bringt sie um den Verstand. Aber inallem sehen sie nur ihre Lieblingsgedanken, nur die Bestätigung ihrer Stimmungen, d. h. ihr Ideal– sehen es selbst da, wo es gar nicht ist oder wo es verspottet wird. Sie alle haben im geheimenein Album, in das sie die Verse eintragen, die ihnen gefallen, und die Gedanken, die sie in dembetreffenden Buch frappieren. Sie gehen gern im Mondschein spazieren, blicken zu den Sternenauf, betrachten das Fließen des Bächleins. Sie neigen sehr zur Freundschaft, und jede führt einegeschäftige Korrespondenz mit einer Freundin, die im gleichen Dorf und manchmal im gleichenHaus, nur in verschiedenen Zimmern, wohnt. In dieser Korrespondenz teilen sie (in riesigen Heften)einander ihre Gefühle, Gedanken und Eindrücke mit. Außerdem führt jede von ihnen ihrTagebuch, ganz angefüllt mit „abgeschriebenen Gefühlen“, in denen es (wie in allen Tagebüchernidealer und nach innen gekehrter Naturen männlichen und weiblichen Geschlechts) keine* HaremsdienerinOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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