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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 153selbstzufriedene Mittelmäßigkeit so zufrieden, so glücklich ist, nicht fehlt, daß er dies nichtwill. Und ebendeshalb hat die selbstzufriedene Mittelmäßigkeit ihn nicht nur als „amoralischen“Menschen ausgegeben, sondern ihm auch ein leidenschaftliches Herz, ein warmesGemüt, die Zugänglichkeit für alles Schöne und Gute abgesprochen. Man erinnere sich, wieOnegin erzogen wurde, und man wird zugeben, daß seine Natur gar zu gut war, wenn einesolche Erziehung sie nicht ganz umbringen konnte. Als blendend veranlagten jungen Mannbezauberte ihn gleich vielen die große Welt; er wurde ihrer bald überdrüssig und kehrte ihrden Rücken, wie das nur allzu wenige tun. In seiner Seele glomm ein Hoffnungsfunken – inder Stille der Einsamkeit, am Busen der Natur wieder aufzuleben und sich zu erfrischen; ersah jedoch bald, daß ein Ortswechsel nichts am Wesen einiger unvermeidlicher und nicht vonunserm Willen abhängiger Umstände ändert.„Zwei Tage lang gefiel die Stille,Das freie Land ihm wirklich gut,Der dunkle Wald, die Saatenfülle,Des Bächleins leise Murmelflut;Am dritten schien der Fluren SegenIhn freilich kaum noch anzuregen!Und endlich ließ ihn alles kalt.Ihn drückte nun auch hier sehr baldDieselbe Langeweile nieder,Wie dort bei Prunk und Stadtgewühl, [258]Theater, Ball und Kartenspiel.Der alte Trübsinn kehrte wiederUnd hing ihm wie sein Schatten an,Wie Weiber am geliebten Mann.“Wir haben nachgewiesen, daß Onegin kein kalter, kein trockner, kein herzloser Mensch ist,aber wir haben bis jetzt das Wort Egoist vermieden – und da Gefühlsüberschuß und das Bedürfnisnach Schönheit Egoismus nicht ausschließen, so sagen wir jetzt, daß Onegin ein leidenderEgoist ist. Es gibt zwei Sorten von Egoisten. Die Egoisten der ersten Gruppe sindMenschen ohne alle hochfliegende oder schwärmerische Prätension; sie verstehen nicht, wieder Mensch irgend jemanden außer sich selbst lieben kann, und geben sich nicht die geringsteMühe, ihre glühende Liebe zu der eignen Person zu verbergen; wenn ihre Geschäfte schlechtstehen, sind sie hager, blaß, bösartig, niedrig, gemein, Verräter, Verleumder; wenn ihre Geschäftegut stehen, sind sie dick, fett, rotwangig, vergnügt, gutmütig, und zwar nicht geneigt,ihren Gewinn mit irgend jemandem zu teilen, aber bereit, nicht nur ihnen nützende, sondernselbst völlig unnütze Menschen zu bewirten. Das sind die Egoisten von Natur oder dank einerüblen Erziehung. Die Egoisten der zweiten Gruppe sind fast nie dick und rotwangig; sie sindeine größtenteils kränkliche, stets sich langweilende Gesellschaft. Sie wenden sich hierhinund dahin, suchen überall bald Glück, bald Zerstreuung, finden jedoch von dem Augenblickan, wo die Verführungen der Jugend von ihnen abfallen, weder das eine noch das andere.Diese Menschen bringen es oft bis zu Leidenschaft in guten Taten, bis zu Selbstaufopferungzum Wohl des Nächsten; das Unglück ist nur, daß sie auch im Guten bald Glück, bald Zerstreuungsuchen, während man im Guten nichts anderes suchen soll als nur das Gute. Wennsolche Menschen in einer Gesellschaft leben, die jedem ihrer Mitglieder die Möglichkeit gibt,seine Tätigkeit auf die Verwirklichung des Ideals der Wahrheit und des Wohls zu richten – sokann man von ihnen ohne Zaudern sagen, daß sie durch Geschäftigkeit und kleinliche Eigenliebe,die die guten Elemente in ihnen unterdrückt haben, zu Egoisten geworden sind. Aberunser Onegin gehört weder zur einen noch zur anderen Gruppe von Egoisten. Man kann ihneinen Egoisten wider Willen nennen; sein Egoismus ist als das zu betrachten, was die Alten„Fatum“ nannten. Nutzbringende, wohltätige, fruchtbare Tätigkeit! Warum hat sich Onegin[259] nicht ihr ergeben? Warum hat er nicht in ihr seine Befriedigung gesucht? Warum? Wa-OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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