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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 15ohne Despotismus. Er merkte als erster, daß die Deutschen keine „Bassurmany“ * waren, sonderndaß sie vieles besaßen, was auch seine Untertanen gut gebrauchen konnten, und vieles,was für seine Untertanen ganz und gar nicht taugte. Und so ging er daran, die Deutschen mitFreundlichkeit an sich heranzuziehen, sie mit dem Brot und Salz seiner Gastfreundschaft zupäppeln, und wies dabei seine Leute an, ihnen ihre raffinierten Kunstfertigkeiten abzugucken.Er baute ein kleines Schiff und wollte das Meer befahren, das seinem Volk bis dahin als etwasschreckensvoll Unbekanntes erschienen war; er hieß überseeische Komödianten seine KaiserlicheHoheit ergötzen und verbot gleichzeitig dem rechtgläubigen Russen, auf die Gefahr desVerlusts der Nase, mit aller Strenge, Tabak zu schnupfen, dieses abscheuliche, gottverfluchteKraut. Man kann sagen, daß Rußland zu seiner Zeit zum erstenmal einen Hauch überseeischenGeistes verspürte, von dem vorher nichts zu sehen und zu hören war. Und dann starb [26] diesergute Zar, und den Thron bestieg sein jugendlicher Sohn 19 , der gleich den Recken der Wladimirzeitschon im Kindesalter hundert Pud schwere Keulen bis in die Wolken schleuderte, siemit seinen Händen krumm bog und auf seinen Knien zerbrach. Er war die verkörperte Macht,das verkörperte Ideal des russischen Volkes in den tätigen Momenten seines Lebens; er wareiner jener Riesen, die den Erdball auf ihre Schultern nahmen. Sein eiserner Wille, der keinHindernis kannte, hatte nur ein Ziel – das Wohl des Volkes. Er faßte einen festen Entschluß,und einen Entschluß fassen hieß für ihn – ihn verwirklichen. Er hatte die Wunderdinge fremderVölker gesehen und wollte sie auf seinen Heimatboden verpflanzen, ohne daran zu denken, daßdieser Boden für ausländische Pflanzen noch zu hart und auch der russische Winter nicht für siegeeignet war. Er hatte die Früchte jahrhundertelanger Aufklärung kennengelernt und wollte sieim Handumdrehen seinem Volke zuführen. Gedacht – gesagt, gesagt– getan; der Russe liebtdas Warten nicht. Jetzt hieß es für den Russen, „rüste dich nach Zarengeheiß, nach Bojarenweis,nach deutscher Art und Sitte“ ... Weg mit den ehrwürdigen Rauschebärten! Auch du, lebwohl, du einfacher, edler Haarschnitt rund um den Kopf, der du so schön zu den ehrwürdigenBärten paßtest! Riesige mehlbestäubte Perücken lösten dich ab. Lebt wohl, ihr langschößigen,pelzgefütterten Bojarenröcke mit euren Gold- und Silberstickereien! Euch verdrängten breitschößigeRöcke, Kamisole ** mit Hosen und Röhrenstiefeln! Auch dir ein Lebewohl, du reizenderpoetischer Sarafan unserer Bojarenfrauen und -töchter, und auch du, leichtes Mullhemd mitden weiten Ärmeln, du hoher, perlenübersäter Kopfputz – du schlichte, bezaubernde Tracht, diedu einen so hübschen Rahmen zu den hohen Brüsten und dem leuchtenden Wangenrot unsererhellgesichtigen und blauäugigen Schönen abgabst! Ihr mußtet Roben mit Spitzenfichus, Reifröckenund meterlangen Schleppen weichen! Puder und Schminke, macht den schwarzenSchönheitspflästerchen Platz! Auch ihr, lebt wohl, ihr schwermütigen, russischen Lieder unddu, wohledler, anmutiger Rundtanz – nimmer werden unsere Schönen mehr wie Tauben gurren,wie Nachtigallen schluchzen und pfauengleich über den Boden dahinschweben! Nein!Arien und Romanzen mit tremolierenden hohen Noten kamen auf:„... Du Himmelssproß!Komm mit mir in mein goldnes Schloß!“[27] die pittoreske Geziertheit des Menuetts, das wollüstige Dahinfliegen im Walzer ...Und alles kreiste, wirbelte und jagte kopfüber dahin. Es schien, als wollte sich Rußland innerhalbvon dreißig Jahren für ganze Jahrhunderte Stillstand schadlos halten. Wie auf denWink eines Zauberstabs verwandelte sich das kleine Schiffchen des Zaren Alexej in die dräuendeFlotte des Imperators Peter, die aufsässigen Strelitzenhaufen in wohlgeordnete Regi-* Während der Tatarenherrschaft entstand in der Volkssprache offenbar verballhornt aus Musulman“, die Bezeichnung„Bassurman“ für Tatar, Fremder; diese Bezeichnung wurde später auf alle Fremdvölker ausgedehnt.– Die Red.19 Mit dem „jugendlichen Sohn“ ist Peter I. gemeint, der schon mit 10 Jahren den Zarenthron bestieg.** eng anliegende JackeOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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