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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 138Anglomane, dazu noch reich, dann sind seine Pferde anglisiert und der Jockei und seineGrooms * , als wären sie eben erst aus London importiert, und sein Park ist von englischemGeschmack, und Porter trinkt er, wie es sich gehört, liebt Roastbeef und Pudding, ist verrücktauf Komfort und versteht sich sogar nicht schlechter als irgendein englischer Kutscher aufsBoxen. Ist er Gallomane, dann geht er gekleidet wie eine Modenzeichnung, spricht Französischnicht schlechter als ein Pariser, sieht alles mit gleichgültiger Verachtung an, hält es imgegebenen Fall für seine Pflicht, sowohl höflich als auch geistreich zu sein. Ist er Germanomane,dann liebt er über alles die Kunst als Kunst, die Wissenschaft als Wissenschaft, gibtsich romantisch, verachtet die Menge, verlangt nicht nach äußerem Glück und stellt über allesdie beschauliche Seligkeit seiner Innenwelt... Aber man schicke einmal alle diese Herren –die Anglomanen nach England, die Gallomanen nach Frankreich, die Germanomanen nachDeutschland – um dort zu leben, und sehe dann zu, ob die Engländer, die Franzosen und dieDeutschen unsere Anglomanen, Gallomanen und Germanomanen ebenso gern als ihre Landsleutebetrachten wie wir... Nein, sie werden diesen Völkern nicht zu Landsleuten, kommenhöchstens in den Ruf von Wundertieren, ziehen beleidigende allgemeine Aufmerksamkeitund Verwunderung auf sich. Und dies, sagen wir noch einmal, deshalb, weil sich eine fremdeForm zu eigen zu machen durchaus nicht dasselbe ist, wie das eigne Wesen aufzugeben. DerRusse im Ausland kann deshalb leicht für einen Einheimischen des Landes gehalten werden,in dem er zeitweilig lebt, weil man auf der Straße, im Restaurant, auf dem Ball, in der Diligence** den Menschen nach seinem Aussehen beurteilt; aber im bürgerlichen und im Familienleben,in ungewöhnlichen Lebenslagen, liegen [234] die Dinge anders: hier kommt ungewolltjede Nationalität zum Vorschein, und jedermann wird ungewollt zum Sohn seines eignenund zum Stiefsohn des fremden Landes. Und unter diesem Gesichtspunkt kann der Russeviel leichter in Rußland als Engländer gelten als in England. Aber hinsichtlich einzelner Persönlichkeitenkann es noch sonderbare Ausnahmen geben, hinsichtlich ganzer Völker dagegennie. Als Beweis können jene slawischen Stämme dienen, deren historische Geschicke engmit den Geschicken Westeuropas verbunden waren: das Land der Tschechen ist ringsum vonteutonischen Stämmen umgeben; während ganzer Jahrhunderte waren seine BeherrscherDeutsche; zusammen mit ihnen hat es sich auf dem Boden des Katholizismus entwickelt undist ihnen durch Wort und Tat der religiösen Erneuerung zuvorgekommen – und was ist geschehen?Die Tschechen sind bis heute Slawen, sind bis heute nicht nur keine Deutschen,sondern auch nicht ganz Europäer...Alles, was wir gesagt haben, war eine notwendige Abschweifung zur Widerlegung der unbegründetenMeinung, als sei in der Literatur der rein russische Volksgeist nur in Werken zusuchen, deren Inhalt dem Leben der unteren und ungebildeten Klassen entnommen ist. Nachdieser sonderbaren Meinung, die als „nichtrussisch“ alles bezeichnet, was in Rußland besondersgut und besonders gebildet ist – nach dieser Bastschuh- und Kittelmeinung ist irgendeinegrobe Farce mit Bauern und Bauernweibern ein nationalrussisches Werk, Gribojedows „Verstandschafft Leiden“ dagegen ein zwar auch russisches, aber auf keinen Fall nationalesWerk. Irgendein Boulevardroman wie etwa „Das lose Treiben der Kaufmannssöhnchen in derMarjina Roschtscha“ ist danach ein zwar schlechtes, jedoch nichtsdestoweniger nationalrussischesWerk, Lermontows „Ein Held unserer Zeit“ dagegen ein zwar hervorragendes,jedoch nichtsdestoweniger russisches, aber kein nationales Werk... Nein, und tausendmalnein! Es ist endlich an der Zeit, gegen diese Meinung mit der ganzen Kraft des gesundenMenschenverstandes, mit der ganzen Energie unbeugsamer Logik zu Felde zu ziehen! Wirhaben schon lange die seligen Zeiten hinter uns gelassen, wo die pseudoklassische Richtungunserer Literatur nur Menschen der höchsten Kreise und der gebildeten Stände Eintritt in die* Beifahrer auf der Pferdekutsche** SorgfaltOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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