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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 135Und reiche goldne Bänder,Brokatene Gewänder.Grad gestern fuhr er hierheraufUnd sah am Tor sie stehen;Wie wär’s, die Hand drauf, um daraufGleich zum Altar zu gehen?‘So saß sie da und sprach und sprach,Ein Umschweif zog den andern nach,Das Bräutchen doch, das arme,Sitzt da in seinem Harme.‚Schon gut‘, so spricht der Vater drauf:‚Die Antwort soll kein Nein sein;Natascha, setz den Brautkranz auf:Es ist nicht gut, allein sein,Du kannst nicht ewig Mädchen sein,Das Schwälbchen singt nicht immer fein,Es muß ein Nestchen bauen,Um Kinderchen zu schauen.‘“Und so ist diese ganze Ballade vom ersten bis zum letzten Wort! In allen russischen Volksliedernzusammengenommen liegt nicht mehr russischer Volksgeist, als diese Ballade enthält!Doch nicht in solchen Werken soll man Musterbeispiele poetischer Schöpfungen sehen,die von nationalem Geist durchdrungen sind – und das Publikum hat dieser prächtigen Balladenicht ohne Grund keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die in ihr so getreu undanschaulich dargestellte Welt ist schon wegen ihrer allzu ausgesprochenen Besonderheit allzuzugänglich für jedes Talent. Darüber hinaus ist sie so eng, klein und wenig mannigfaltig, daßein echtes Talent nicht lange bei ihrer Wiedergabe verweilen wird, wenn es nicht will, daßseine Schöpfungen, so viele Vorzüge sie auch haben mögen, einseitig, eintönig, langweiligund schließlich trivial werden. Deswegen unternimmt ein Mann von Talent gewöhnlich nichtmehr als einen Versuch oder, wenn es hoch kommt, zwei Versuche dieser Art: für ihn ist dasim übrigen eine Angelegenheit, die mehr deshalb unternommen wird, um die eigenen Kräfteauch auf diesem Feld zu er-[229]proben, als aus besonderer Hochachtung für dieses Feld.Lermontows „Lied vom Zaren Iwan Wassiljewitsch, seinem jungen Leibwächter und demkühnen Kaufmann Kalaschnikow“ geht zwar der Form nach nicht über Puschkins „Bräutigam“hinaus, überragt ihn jedoch weitaus durch seinen Inhalt. Das ist ein Poem, im Vergleichmit dem alle russischen Heldendichtungen, die Kirscha Danilow gesammelt hat, nichts sind.Und dabei war das „Lied“ Lermontows nicht mehr als eine Talent und Federprobe, und es istklar, daß Lermontow nie wieder irgend etwas in dieser Art geschrieben haben würde. In diesemLied hat Lermontow alles verwendet, was ihm der Sammelband Kirscha Danilows bietenkonnte – und ein neuer Versuch in dieser Art würde notwendig zur Wiederholung ein unddesselben geworden sein – alte Weisen in neuer Tonart. Die Gefühle und die Leidenschaftender Menschen dieser Welt sind so eintönig in ihren Äußerungen; die gesellschaftlichen Beziehungender Menschen dieser Welt sind so einfach und unkompliziert, daß das alles sichdurch ein einziges Werk eines starken Talents bis zum Grunde ausschöpfen läßt. Alle möglichenLeidenschaften, unendlich verfeinerte Gefühlsnuancen, zahllos-vielfältige menschlicheBeziehungen, gesellschaftliche wie private – das ist es, was den reichen Boden für die Blütender Poesie ausmacht, und diesen Boden kann nur eine Zivilisation vorbereiten, die sich kraftvollentwickelt oder entwickelt hat. Werke in der Art von George Sands „Jeanne“ sind nur inFrankreich möglich, weil dort die Zivilisation, in der Vielfältigkeit ihrer Elemente, alle Ständein enge, elektrisierend-wechselwirkende Beziehungen zueinander gesetzt hat. Unsre Poesiedagegen muß sich ihr Material fast ausschließlich in jener Klasse suchen, die, dank ihrerLebensweise und ihren Sitten, mehr Entwicklung und geistige Bewegung darbietet. Undwenn der Nationalgeist einen der größten Vorzüge eines poetischen Werkes ausmacht – dannOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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