13.07.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 134als Vertreter eines zum erstenmal erwachten gesellschaftlichen Selbstbewußtseins: ein unermeßlichesVerdienst! Vor Puschkin war die russische Dichtung nicht mehr als eine verständigeund gelehrige Schülerin der europäischen Muse – und deshalb sind alle Werke der russischenPoesie vor Puschkin gewissermaßen mehr Etüden und Kopien ähnlich als freien Schöpfungenorigineller Inspiration. Selbst Krylow – dieses ebenso starke und strahlende wie auchnationalrussische Talent – fand lange nicht den Mut, sich der wenig beneidenswerten Ehre zuentschlagen, bald Übersetzer, bald Nachahmer La Fontaines zu sein. In der Poesie Dershawinsblitzen hin und wieder hell sowohl russische Rede als auch russischer Geist auf, aber sieblitzen eben nur auf und gehen im übrigen im Wasser rhetorisch verstandener ausländischerFormen und Begriffe unter. Oserow hat eine russische, sogar historische Tragödie geschrieben– „Dmitri Donskoi“, aber „russisch“ und „historisch“ sind in ihr einzig die Namen: allesübrige ist ebenso russisch und historisch wie französisch oder tatarisch. Shukowski hat zwei„russische“ Balladen geschrieben – „Ludmilla“ und „Swetlana“; doch die erste dieser beidenist die Bearbeitung einer deutschen (und dabei ziemlich mittelmäßigen) Bal-[227]lade, unddie zweite ist, wenn sie sich auch durch wirklich poetische Bilder der russischen Brautwerbungsbräucheund der russischen Winterlandschaft auszeichnet, zugleich ganz von deutscherSentimentalität und deutscher Phantastik durchdrungen. Die Muse Batjuschkows schweiftewig unter fremden Himmeln umher und hat keine einzige Blume auf russischem Boden gepflückt.Alle diese Tatsachen würden genügen, um zu dem Schluß zu kommen, daß es imrussischen Leben keinerlei Poesie gibt, und nicht geben kann, und daß die russischen Poeten,um sich Begeisterung zu holen, auf dem Pegasus in fremde Länder, sogar nach dem Osten,nicht nur nach dem Westen, sprengen müssen. Mit Puschkin jedoch ist die russische Dichtungaus einer schüchternen Schülerin zum begabten, erfahrenen Meister geworden. Es verstehtsich, daß das nicht auf einmal geschah, weil nichts auf einmal geschieht. In den Poemen„Russlan und Ludmilla“ und „Die Räuberbrüder“ war Puschkin gleich seinen Vorgängernnicht mehr als ein Schüler – aber nicht allein wie jene in der Poesie, sondern auch noch indem Versuch der poetischen Darstellung der russischen Wirklichkeit. Diese Schülerschafterklärt auch, warum „Russlan und Ludmilla“ so wenig Russisches und so viel Italienisches ansich hat und die „Räuber“ so sehr einem geräuschvollen Melodrama gleichen. Es gibt beiPuschkin eine russische Ballade, „Der Bräutigam“, die er im gleichen Jahr, 1825, schrieb, indem auch das erste Kapitel des „Onegin“ erschien. Diese Ballade ist sowohl hinsichtlich derForm als auch hinsichtlich des Inhalts durch und durch von russischem Geist durchtränkt, undvon ihr läßt sich tausendmal mehr als von „Russlan und Ludmilla“ sagen:„Geist Rußlands weht hier, Rußlands Atem.“Da diese Ballade schon damals nicht besondere Aufmerksamkeit gefunden hat und heute fastvon jedermann vergessen ist, wollen wir hier aus ihr die Szene der Brautwerbung wiedergeben:„Frühmorgens kam die WerberinIns Kaufmannshaus gelaufen,Tritt vor Nataschas Vater hin:‚Hier gibt’s was zu verkaufen.Die War’ hast du, den Käufer ich:Ein junger Mann, sehr ansehnlich,Gewandt und wohlgewachsen,Der macht euch keine Faxen. [228]Und reich ist er! der braucht fürwahrVor keinem sich zu neigen;Wie einer aus der Herren ScharVerlebt er, was sein eigen;Der schenkt wohl seinem Bräutchen flugsEin Kettchen und den Pelz vom FuchsOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!