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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 129grobe Bauernkittel und gerblederne Pelzröcke kleidet; sie kennt den verfeinerten Komfort desLebens und will um jeden Preis in der Equipage fahren, in Klubsesseln sitzen, Champagnertrinken und um hohen Einsatz Préférence * spielen. Und so hat sie sich an das reichere, splendide** Publikum herangemacht – ein sonderbares, buntscheckiges, manchmal sehr gescheites,manchmal etwas blödes, aber stets höchst vertrauensseliges, gutmütiges und nachsichtigesPublikum. Und wehe [215] ihm, dem armen, vertrauensseligen Publikum! Die Geschäftemacher-Literaturverstrickt es von allen Seiten in ihre Netze, die, das muß man zugeben, sehr ofthöchst kunstvoll gesponnen sind. Mit welch unnachahmlichem Geschick versteht sie es, dieseGeschäftemacher-Literatur, sich, wenn nötig, den Anschein zu geben, als sei sie selbstlos,bange sich um die Erfolge des heimatlichen Schrifttums und leide bitter unter dessen Unpäßlichkeiten!Wie gut versteht sie es, unzweifelhafte Anzeichen ihrer guten Absichten und ihrerGewissenhaftigkeit zur Schau zu stellen! Mit welcher Kunst verbirgt sie, die nicht selten biszum Zynismus grob ist, sich im Notfall hinter der Maske einer bis zur Prüderie gehendenWohlanständigkeit! ... Aber besonders unerschöpflich ist sie in der Liebedienerei vor demPublikum, in der Anpassung an seinen unentwickelten, wegen des Fehlens jeder Überzeugungwankelmütigen Geschmack, in der Bereitschaft, es womit auch immer zu amüsieren, wenn essich nur amüsierte und ordentlich bezahlt! Heute ein Roman, morgen eine Erzählung, übermorgenein ekstatisches Drama, über eine Woche einen ganzen Band Kritiken, über einenMonat ein Geschichtswerk in zehn Bänden! Es kommt nicht darauf an, daß der Romanschlecht ist, das ekstatische Drama die allerhartnäckigsten Theaterbesucher einschläfert, dieKritiken durch die Borniertheit der Anschauungen, die Inhaltsleere und die Trivialität der Urteilelachen machen; es kommt nicht darauf an, daß die aus fremden Brocken und völlig unnützenSpekulationen zusammengeflickte Geschichte die Gebeine der zu Unrecht von ihr bemüßigtenHelden erbeben läßt; es kommt nicht darauf an – wenn nur Geld hereinkommt! FürGeld ist die Geschäftemacher-Literatur zu allem bereit. Sie wird vor der Talentlosigkeit aufdie Knie fallen und ein erstrangiges Talent, das den Absatz ihrer kläglichen Machwerke bedroht,mit Schmutz bewerfen; sie wird die tollsten Geschichten erfinden; sie wird einem Menschen,der die ruinöse Rolle ihres „Ernährers“ auf sich nimmt, gedruckt die Hand küssen undihn in allem Ernst, vor allem Publikum einen Förderer der Literatur nennen, obwohl er seinLeben lang nicht eine Zeile geschrieben und ebensoviel Vergnügen daran gefunden hat, dieLiteratur zu fördern, wie eine Fliege, eine Equipage zu ziehen 2 sie, diese Geschäftemacher-Literatur, wagt sich in ihrer eigennützigen Verblendung an die Unantastbarkeit großer, berühmterNamen heran, auf welche die Menschheit stolz ist, um nur der unwissenden Menge zuschmeicheln, die natürlich an der Herabsetzung [216] derer, deren Überlegenheit ihr schonlange in die Augen gestochen hat, nur Freude haben kann; sie wird die Narrenkappe aufsetzenund mit herausgestreckter Zunge und clownhaft bemaltem Gesicht vor dem Publikum Purzelbäumeschlagen, schuhplatteln und wilde Schreie ausstoßen – nur her mit dem Geld! ... Undwer weiß, was sie sonst noch unternehmen wird und unternimmt zur Erreichung des Ziels, dasihre Handlungen ungeteilt bestimmt? ... Und wie ergötzlich, wie unbezahlbar komisch undzugleich wie empörend ist ihr ständiges Gezänk, geboren aus kleinlichem, schändlichem Neid,der nicht sehen kann, daß ein Rubel zuviel in die Tasche des Konkurrenten gelangt, ohne daßjemand: „Räuber! Diebe!“ schreit. Das Gezänk, das sich ständig zwischen den Vertretern derGeschäftemacher-Literatur wiederholt, läßt sich nicht literarisch nennen, verdient überhauptgar nicht, zur Literatur gerechnet zu werden. Und das ist, bis zu einem gewissen Grade, wasbei dem unvorsichtigen Gezänk der Geschäftemacher-Literatur herauskommt: niemand hat ihrso empfindlichen Schaden zugefügt wie sie selbst. Ihre Vertreter haben in ihren ständigen, nie* französisches Kartenspiel** bildungssprachlich veraltend: freigebig, großzügig; kostbar und prächtig2 Mit „Ernährer“ und „Förderer der Literatur“ ist der Buchhändler und Verleger M. D. Olchin gemeint, dem F.W. Bulgarin aus eigennützigen Motiven in der Presse Lobeshymnen sang.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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