13.07.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 128Betrachtungen über die hauptsächlichsten Erscheinungender russischen Literatur des Jahres 1843(Erster Aufsatz) 1Wir sagen: „Betrachtungen über die russische Literatur“, „der Zustand der russischen Literatur“und benützen andere ähnliche Wortverbindungen, bei denen „Russische Literatur“ ständigin der Einzahl gebraucht wird. Das ist eine Gewohnheit, der man endlich einmal die nötigeAufmerksamkeit schenken und die man sich abgewöhnen sollte. Es gibt bei uns mehrereLiteraturen: indem wir sie alle unter den Worten „Russische Literatur“ vermengen und diesemWort verschiedene Epitheta * hinzufügen, versündigen wir uns oft, indem wir die Merkmaleder einen Literatur der anderen zuschreiben, die sie gern los sein würde, da sie in ihnendurchaus keine Auszeichnung sieht... Wir wollen versuchen, uns deutlicher zu erklären.Es gibt bei uns eine schmutzige, eine Groschenliteratur, die sich in den schwer zugänglichenkrummen Gassen der Trödelmärkte versteckt, nach der Fäulnisluft feuchter, dunkler Kellerriecht, von den bescheidenen Tributen einer mit Lumpen bedeckten Ignoranz lebt. Sie hatvom ersten Tage ihres Bestehens an bis heute die gleichen Ideen, die gleichen Begriffe, diegleichen Anschauungen, das heißt weder Ideen noch Begriffe, noch Anschauungen. Ihre Vertretersind Dunkelmänner, die kaum schreiben können, jedoch ihr Publikum außerordentlichgut kennen und deshalb erstaunlich kühn sind: sie liefern seinem neugierigen Geist die allerverschiedenartigsteNahrung und unterhalten sich mit ihm nicht selten über Dinge, von denensich unsre Weisen nichts träumen lassen. Zu den bemerkenswerten Eigenschaften der Groschenliteraturgehört übrigens die erstaunliche Sicherheit, mit der sie auf dem einmal gewählten[214] Weg dahinschreitet, und die patriarchalische, eine Art von naiver Vertraulichkeitatmende Offenherzigkeit, mit der sie ihr Publikum behandelt. Vergebens werfen sich dieZeitschriften mit allem ihnen zur Verfügung stehenden Witz gegen die Groschenliteratur inHarnisch, vergebens wenden sie sich mit Drohungen, Ermahnungen, Beschimpfungen an sie;sie liest keine Zeitschriftenrezensionen oder liest sie mit jener stummen, stolzen Verachtung,die mit aller Klarheit beweist, daß es bereits zu spät ist, sie, die in der groben Rinde der Ignoranzerstarrte, auf den Weg der Wahrheit zurückzuführen – noch dazu mit der Geißel derKritik!... Sie hat bereits längst jenes Maß von Schamgefühl verloren, das „so manchen“ seinenicht ganz lobenswerten Handlungen hinter der Maske des Strebens nach dem Gemeinwohl,der Vorliebe für Bildung und sogenannte gute Absichten verbergen läßt – und geht direkt unddreist auf ihr Ziel los, macht sich mit unbekümmerter Unverschämtheit an die Person heran,die ihr durch ihre „Schwäche für Literatur“ bekannt ist, zieht ihr ein paar Groschen aus derTasche, in die sie statt dessen ihr schmutziges Machwerk stopft, und läuft mit lautem Lachendavon, ohne dem Käufer im geringsten zu verbergen, daß sie ihn hübsch ’reingelegt hat.Dann geht sie in die entsprechenden „Häuser“, läßt dort das verdiente Geld und versorgt sichmit Material für ein neues Machwerk.Es gibt bei uns eine andere Literatur – eine leibliche Schwester der ersteren, nur etwas sauberer,findiger und vorsichtiger. Auch ihr geht es nicht um Kunst, um Wissenschaft, sie verstehtsie nicht einmal recht, und wird sie nicht verstehen, bevor sie irgend jemand nicht anständigbezahlt. Sie verfolgt das gleiche Ziel wie die erste – Geld zu machen, jedoch in bedeutendgrößerem Ausmaß: da, wo die Groschenliteratur sich mit Groschen und Fünfzigern zufriedengibt, ist sie darauf bedacht, Tausender einzuheimsen. Ihr genügt der nach besten Kräften geleisteteTribut nicht, den so eifrig jenes Publikum auf den „Altar der Bildung“ legt, das sich in1 Erschien zum erstenmal 1844 in der „Literaturzeitung“.* Plural von Epitheton: als Attribut gebrauchtes Adjektiv oder Partizip (z. B. das große Haus)OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!