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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 124hauptsächlich beteiligt am Akte seiner Erfindung waren Überlegung, Berechnung, Kalkulationder Wahrscheinlichkeiten. Vorsichtig, wie im Finstern, tat er, mit dem Kopf arbeitendund an den Fingern abzählend, Schritt auf Schritt. Deshalb konnte seine Erfindung auch nichtgleich vollkommen sein, sondern es bedurfte der Erfolge der exakten Wissenschaften vonJahrhunderten, um sie zur Vollkommenheit gelangen zu lassen. Wenn das Handwerk einmaldie Natur nachahmen will, so zeigt sich hier noch schlagender die Macht der einen und dieOhnmacht der anderen. Ein Mensch will eine Blume machen, eine Rose. Zu diesem Zwecknimmt er eine natürliche Rose, studiert sie lange und aufmerksam in allen kleinsten Details –jedes Blütenblatt, jede Fältelung, die Übergänge und Nuancen der Farbe, die allgemeineForm, und wird erst nach vielen Überlegungen und Berechnungen seine Blume aus Stoffen,die entsprechend den natürlichen Farben gefärbt sind, zuschneiden und zusammennähen. Undwie groß ist wirklich seine Kunst: auf zehn Schritt Entfernung werden wir seine künstlicheRose nicht von einer natürlichen unterscheiden; aber wir treten näher, und dann sehen wireine kalte, unbewegliche Leiche neben der schönen lebensvollen Schöpfung der Natur – undunser Gefühl ist gekränkt durch die tote Imitation. Mit freudigem Gefühl und bewegt greifenwir nach der bezaubernden Blume – betrachten sie und riechen an ihr. Ihre Kelch und Blütenblättersind so symmetrisch, so wohlproportioniert angeordnet, daß ihre Regelmäßigkeitnur durch unsern Geist erfaßt werden kann, sich aber nicht durch unsre Instrumente feststellenläßt, die hierfür nicht genügend exakt sind, und dazu ist jedes dieser Blätter so genau, mitsolcher Sorgfalt, mit so unendlicher Vollkommenheit gearbeitet und bis in die kleinsten Detailsgetönt... Wie üppig schön ist der Blütenkelch, wie viele Äderchen hat er, wie viele Nuancen,wie zart und leuchtend ist der Blütenstaub... Oh, selbst König Salomo in all seinerHerrlichkeit hat sich nicht prächtiger gekleidet! ... Und wie berauschend ist schließlich [207]der Duft! ... Aber solange wir diese Rose von außen betrachten, uns über ihr Aussehen, ihreFarbe, ihren Duft freuen und sie bewundern, kann die künstliche Blume noch mit ihr verglichenwerden, wenigstens noch gewissermaßen als ihre Parodie, die auf ihre Art die Kraft undMacht des menschlichen Verstandes beweist; aber ist allein damit bei der Rose alles getan? Onein! das ist nur die äußere Form, der Ausdruck ihres Inneren: diese herrlichen Farben sindvon innen aus der Pflanze hervorgekommen, dieses berückende Aroma ist ihr balsamischerOdem... Blickt dorthin, ins Innere dieser Blume – und jeder Vergleich der künstlichen Rosemit ihr zerstört sich selbst als törichter, den gesunden Sinn beleidigender Gedanke. Dort, imInnern des grünen Stengelchens, auf dem diese prächtige Blume so graziös schwebt, dort isteine ganze neue Welt: dort ist ein selbständiges Laboratorium des Lebens, dort fließt durchfeinste Äderchen von göttlich-regelrechter Arbeit der Saft des Lebens, strömt der unsichtbareÄther des Dufts... Und dabei hat die Natur auf diese göttliche Blume sowohl weniger Zeit alsauch ein einfacheres und billigeres Material verwandt und überhaupt keine Arbeit, Überlegungoder Berechnung: ein kleines Samenkorn ist auf die Erde gefallen – und aus der Erde istdie Pflanze hervorgekommen, hat sich in Blätter gekleidet und mit Blüten geschmückt für dasHochzeitsgelage des Frühlings... Bereits in dem Samenkorn lagen sowohl die Wurzel alsauch der Stengel beschlossen, die schönen Blättchen und die üppige, aromatische Blüte unddie ganze Architektur der Pflanze mit all ihren Formen und Proportionen! Aber was hat denndabei die Natur getan? Womit hat sie bei der Erschaffung dieser Blume ihren Anteil kundgegeben?Wir wiederholen: es hat sie nichts gekostet. Ruhig, ohne jede Anstrengung wiederholtsie jetzt die einst ein für allemal von ihr erschaffenen Erscheinungen. Aber es gab einen Augenblick,wo sie furchtbar gearbeitet hat, mit Anstrengungen und im Kampfe all ihrer Kräfte...Als das allgewaltige „Es werde“ das vorzeitliche Chaos zum Erwachen brachte, dasNichtsein zum Sein, die Möglichkeit zur Wirklichkeit, die Idee zur Erscheinung aufrief – datrat der körperlose, in Vorzeiten existierende göttliche Gedanke aus dem Nichts in Erscheinungals unser Planet – und lange Zeit drehte sich dieser Planet in einem Ozean bald vonWasser, bald von Feuer – und heute noch geben hohe Gebirgskämme an Stelle einstigenOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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