13.07.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 120Die Natur ist sozusagen das Mittel, um den Geist zur Wirklichkeit werden zu lassen und sichselbst zu erblicken und zu erkennen. Deshalb ist ihre Krönung der Mensch – mit ihm endetihre schöpferische Tätigkeit und kommt bei ihm zum Stehen. Die bürgerliche Gesellschaft istdas Mittel zur Entwicklung der menschlichen Persönlichkeiten, die alles sind und in denensowohl die Natur als auch die Gesellschaft und die Geschichte leben, in denen alle Prozessedes Weltlebens, das heißt der Natur und der Geschichte, sich noch einmal wiederholen. Wiegeht das nun vor sich? Durch das Denken, mit dessen Hilfe der Mensch alles durch sich hindurchläßt,was außerhalb seiner existiert – sowohl die Natur als auch die Geschichte undschließlich seine eigene Persönlichkeit, als sei auch sie ein fremdes und außerhalb seiner befindlichesDing.Im Menschen hat der Geist sich selbst gewonnen, hat seinen vollen, unmittelbaren Ausdruckgefunden, ist sich in ihm seiner selbst als Subjekt oder Persönlichkeit bewußt geworden. DerMensch ist die fleischgewordene Vernunft, ist das denkende Wesen – ein Titel, durch den ersich auch von allen übrigen Wesen unterscheidet und sich als König über die gesamte Schöpfungerhebt. Gleich allem, was in der Natur existiert, ist er Denken bereits durch die bloßeunmittelbare Existenz als Tatsache; aber noch mehr ist er Denken durch die Tätigkeit seinerVernunft, in der sich, wie in einem Spiegel, alles Sein, die gesamte Welt wiederholt mit allenihren physischen und geistigen Erscheinungen. Zentrum und Brennpunkt dieses Denkens istsein Ich – jeden von ihm gedachten Gegenstand, sich selbst nicht ausgeschlossen, stellt erihm oder stellt ihm es gegenüber, reflektiert (widerspiegelt) ihn im Ich. Ohne noch irgendwelcheIdeen erworben zu haben, wird er bereits denkend geboren, denn seine Natur selbsteröffnet ihm unmittelbar die Geheimnisse des Seins – und alle Urmythen im Kindesalter lebender[200] Völker sind nicht ausgedacht, nicht erfunden, sondern sind unmittelbare Offenbarungder Wahrheit von Gott, von der Welt und ihren Beziehungen, Offenbarungen, die inihrer Bildhaftigkeit auf den kindlichen Geist nicht direkt einwirkten, sondern durch die Phantasiezuerst dem Gefühl übermittelt wurden. Da haben wir die Religion in ihrer philosophischenDefinition: unmittelbare Vorstellung der Wahrheit.Bei jedem im Kindesalter stehenden Volke läßt sich ein starker Hang feststellen, den Kreisseiner Begriffe durch ein sichtbares, sinnliches Bild auszudrücken und, mit dem Symbol beginnend,zu poetischen Bildern zu gelangen. Das ist der zweite Weg, die zweite Form desDenkens – die Kunst, deren philosophische Definition – unmittelbare Schau der Wahrheit ist.Wir werden bald zu ihr zurückkehren, da sie den Hauptgegenstand unsres Buches bildet.Schließlich tritt der voll entfaltete und reif gewordene Mensch in die höchste und letzte Sphäredes Denkens ein – in das reine Denken, das von jeder Unmittelbarkeit befreit ist, alles zumreinen Begriff erhebt und sich auf sich selbst stützt.Es ist klar, daß dies alles nur drei verschiedene Wege, drei verschiedene Formen ein und desselbenInhaltes sind, der – das Sein ist. Wie auch immer, sind diese drei Arten des Denkens,wenn man sich so ausdrücken soll, doch durchaus nicht das, was wir als das Denken vor demMenschen, als die Welt der Natur und der Geschichte bezeichnet haben. Tatsächlich ist dasnicht ein und dasselbe, obwohl doch wieder ein und dasselbe, genau so, wie der Mensch alsKind und der Mensch als Mann nicht ein und dasselbe Wesen sind, obwohl der letztere dennochnichts anderes ist als eine neue, höhere Form des ersteren.Der Leser wird nicht vergessen haben, daß wir in unserer Definition der Kunst das Wort„unmittelbar“ verwandten; ebenso wird er wahrscheinlich bemerkt haben, daß wir es auchspäter oft gebrauchten. Die Bedeutung dieses Wortes ist so wichtig, es ersetzt so viele Worte,und seine häufige Verwendung ist deshalb so notwendig, daß wir es für unsere Pflicht halten,von unserem Gegenstand abzuschweifen, um es zu erklären.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!