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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 113hen wirst: was bürgt uns dafür – doch nicht die Polizei und die Gesetze? – nein, in unserenBeziehungen sind sie nicht nötig – [188] unsre Bürgschaft ist ein vernünftiges Bewußtsein, dieErziehung im Sozialgeist. Du sagst – die Natur? Nein, ich jedenfalls weiß, daß ich mit meinerNatur vor fünfzig Jahren, wenn ich mich durch Dich gekränkt gefühlt hätte, fähig gewesenwäre, Dich im Schlafe umzubringen, ebendeshalb, weil ich Dich mehr als andre geliebt hätte.Aber in unseren Zeiten würde auch Othello Desdemona sogar dann nicht erwürgen, wenn sieselbst ihm einen Fehltritt gestände. Doch warum haben wir uns denn in solchem Grade vermenschlicht,während um uns herum ganze Millionen im Tierzustand herumkriechen? – Istdas auch Natur? – Ja? Also ist für die niedrigen Naturen die Menschwerdung unmöglich? –Unsinn – Schmähung des Geistes! Ein hohler Weltmann opfert sein Leben für die Ehre, wirdim Duell aus einem Feigling zum Helden, macht sich, indem er einem Handwerker sein mitblutigem Schweiße erarbeitetes Geld nicht bezahlt hat, zum Bettler und bezahlt eine Spielschuld:was veranlaßt ihn dazu? – Die öffentliche Meinung? Was wird dann die öffentlicheMeinung aus ihm machen, wenn sie einmal völlig vernünftig geworden ist? – Zudem machtdie Erziehung uns stets entweder größer oder kleiner, als wir von Natur sind, ja, darüber hinausmuß mit der moralischen Verbesserung auch eine physische Verbesserung des Menscheneintreten. Auch das geschieht durch den Sozialgeist. Und deshalb gibt es nichts Höheres undEdleres, als seine Entwicklung und seinen Fortgang zu fördern. Es ist jedoch lächerlich, auchnur daran zu denken, daß das von selbst geschehen könnte, mit der Zeit, ohne gewaltsameUmwälzung, ohne Blutvergießen. Die Menschen sind so dumm, daß man sie mit Gewalt zumGlücke führen muß. Und was bedeutet auch das Blut von Tausenden im Vergleiche zu denErniedrigungen und den Leiden von Millionen. Zudem: fiat justitia – pereat mundus! * Ich leseThiers – wie, wirst Du von Chanenko erfahren. Eine neue Welt hat sich vor mir aufgetan. Ichhatte immer geglaubt, daß ich die Revolution verstehe –Unsinn –‚ ich beginne sie erst zu verstehen.10 Es ist das Beste, was die Menschen vollbringen werden. Eine große Nation sind dieFranzosen. Polen geht zugrunde, es wird niedergebrannt, gerädert – in Europa kräht kein Hahndanach, alles schweigt, nur die Menge des französischen Pöbels umringt auf den Straßen diewiderliche Ausgeburt der Hölle Louis Philippe mit den Rufen: la Pologne [Polen], la Pologne!Ein wunderbares Volk! – was ist ihm Hekuba? 11 Botkin, auf Deinen Rat hin hab’ ich den ganzenPlutarch gelesen: mach mir [189] eine Freude, einen Spaß: widme drei Tage Béranger – erist ein großer Dichter von Weltrang, ein französischer Schiller, der des deutschen wert ist, derallerchristlichste Poet, ein Lieblingsjünger Christi! Vernunft und Bewußtsein – das macht dieWürde und die Seligkeit des Menschen aus; einen Menschen im schmählichen Glück der Unmittelbarkeitzu sehen, ist für mich dasselbe, wie für den Teufel die betende Unschuld zu sehen:ohne Reflexion, ohne Reue reiße ich, wo und wie ich nur kann, die Unmittelbarkeit nieder–und es macht mir wenig aus, wenn dieser Mensch in der ihm fremden Sphäre der Reflexionzugrunde gehen muß, mag er zugrunde gehen... Ich habe Dich wegen Kultschizki ausgeschimpft,daß Du ihn in dem wärmenden Glauben an den Bauersmann mit dem Bart gelassenhast, der, von Seraphim- und Cherubimschwärmen ** umgeben, auf einem weichen Wölkchenhockt und f...., seine Kraft für Recht hält und seinen Blitz und Donner für vernünftige Beweise.Es machte mir Vergnügen, ihm vor den Augen Kultschizkis auf seinen scheußlichen Bartzu spucken.Apropos Kultschizki. Ob es mir schwer oder leicht fiel, ihn bei mir aufzunehmen – ich hättees allein schon deshalb für eine Gemeinheit gehalten, ihn nicht zu mir einzuladen, weil ich* Das Recht muß seinen Gang gehen, und sollte die Welt darüber zugrunde gehen.10 Es handelt sich offenbar um „Die Geschichte der Französischen Revolution“ von Thiers.11 „Was ist ihm Hekuba?“ – die Worte, die Hamlet von dem Schauspieler sagt, der schluchzend über die Leidender gefangenen Hekuba berichtet. („Hamlet“, 2. Akt, 2. Szene.)** Seraphim: sechsflügelige Engel; Cherubim: geflügeltes Mischwesen, zumeist mit Tierleib und MenschengesichtOCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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