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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 112Stücker sechs Kinder geboren, und es bedrückte mich immer, ihr zu begegnen und ihr blasses,ausgemergeltes Gesicht zu sehen, das mit dem Stempel des Leidens unter der Tyrannei gezeichnetist. Als ich diese Geschichte gehört hatte, knirschte ich mit den Zähnen – selbst aufkleinem Feuer langsam verbrannt zu werden, erschien mir als zu leichte Strafe für den Bösewicht,und ich verfluchte meine Ohnmacht, daß ich nicht hingehen und ihn wie einen Hundumbringen konnte. Und diese auf vernünftigen Prinzipien bestehende Gesellschaft ist eineErscheinung der Wirklichkeit! Und wie viele solcher Ehemänner, solcher Familien gibt es!Wie viele prächtiger weiblicher Geschöpfe, die die Hand der hochverehrten Eltern aus Berechnungoder mangelndem Verantwortungsgefühl einem Vieh zur Schändung hinwirft! Undhat danach der Mensch das Recht, sich in der Kunst, im Wissen zu vergessen! Ich bin vollerIngrimm gegen alle substantiellen Prinzipien, die als Glauben die Freiheit des Menschen fesseln!Die Negation ist mein Gott. In der Geschichte sind meine Helden die Zerstörer des Alten– Luther, Voltaire, die Enzyklopädisten, die Terroristen, Byron („Kam“) und andere mehr. Dergesunde Verstand steht für mich heute höher als die Vernünftigkeit (natürlich die unmittelbare),und deshalb finde ich mehr Gefallen an der Gotteslästerung Voltaires als an der Anerkennungder Autorität der Religion, der Gesellschaft, irgendeiner Person, wer es auch sein möge.Ich weiß, daß das Mittelalter eine gewaltige Epoche war, ich verstehe das Heilige, das Poetische,das Grandiose der Religiosität des Mittelalters; aber das 18. Jahrhundert, die Epoche desSturzes der Religion – ist mir lieber: im Mittelalter hat man Ketzer, Freigeister, Hexen aufdem Scheiterhaufen verbrannt; im 18. Jahrhundert hat man Aristokraten, Pfaffen und anderenFeinden Gottes, der Vernunft [187] und der Menschlichkeit mit dem Fallbeil den Kopf abgeschlagen.Und es wird die Zeit kommen – ich glaube glühend daran, es wird die Zeit kommen,wo es niemanden mehr zu verbrennen, niemandem mehr den Kopf abzuschlagen geben wird,wo der Verbrecher selbst um Hinrichtung wie um eine Gnade, eine Rettung flehen wird, under wird seine Hinrichtung nicht bekommen, sondern das Leben wird ihm zur Strafe bleibenwie heute der Tod; eine Zeit, wo es keine sinnlosen Formen und Riten geben wird, keine Verträgeund keine Bedingungen für das Gefühl, keine Pflichten und keine Verpflichtungen, undwo der Wille nicht einem Willen weichen wird, sondern nur der Liebe; wo es nicht Mann undFrau geben wird, sondern Liebhaber und Geliebte, und wo die Geliebte zum Liebhaber kommtund sagt: „Ich liebe einen anderen“, und der Liebhaber antwortet: „Ich kann ohne dich nichtglücklich sein, ich werde mein Leben lang leiden; aber geh hin zu dem, den du liebst“, und erihr Opfer nicht annehmen wird, wenn sie aus Großmütigkeit bei ihm bleiben will, sondern ihrsagen wird (gleich Gott): Ich will Liebestaten, aber keine Opfer... Die Frau wird nicht mehrdie Sklavin der Gesellschaft und des Mannes sein, sondern wird sich gleich dem Manne freiihrer Neigung hingeben, ohne dabei den guten Namen, dieses Ungetüm eines konventionellenBegriffs, zu verlieren. Es wird keine Reichen geben und keine Armen und auch keine Zarenund Untertanen, sondern Brüder werden sein, Menschen, und nach dem Worte des ApostelsPaulus wird Christus seine Macht an den Vater abgeben und der Vater Vernunft wird von neuemdas Regiment antreten, aber bereits in einem neuen Himmel und über einer neuen Erde.Denke nicht, daß ich räsoniere: nein, ich lehne die Vergangenheit nicht ab, lehne die Geschichtenicht ab – ich sehe in ihnen eine notwendige und vernünftige Entwicklung der Idee;ich will ein Goldenes Zeitalter, aber nicht das unbewußte, tierische Goldene Zeitalter voneinst, sondern eines, das durch die Gesellschaft, durch die Gesetze, durch die Ehe, mit einemWorte, durch alles vorbereitet ist, was zu seiner Zeit notwendig war, aber jetzt dumm und gemeinist. Botkin, Du glaubst es doch, daß ich, so übel Du auch mit mir umspringen solltest,Dir keine Ohrfeige geben werde, wie Katkow es mit Bakunin gemacht hat 9 (mit dem er sichdann wieder einigte), und auch ich glaube, daß Du ebenfalls in keinem Fall so mit mir umge-9 Diese häßliche Szene mit den „Ohrfeigen“ hatte sich zwischen M. N. Katkow und M. A. Bakunin in der WohnungBelinskis abgespielt.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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