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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 110be eine Beschäftigung, Arbeit, Mühe und Sorge. Dabei standen unsre Naturen immer höherals unser Bewußtsein, und deshalb wurde es für uns ebenso langweilig wie trivial, voneinanderimmer ein und dasselbe zu hören, und wir wurden einander tödlich überdrüssig. Langeweileging in Ärger über, der Ärger in Feindseligkeit, die Feindseligkeit in Zwietracht. DieZwietracht war stets wie ein Regen für den trocknen Boden unserer Beziehungen und ließeine neue, stärkere Liebe aufsprießen. Wirklich war es nach einem Zank immer, als seien wirneuer und frischer geworden, als hätten wir neuen Inhalt aufgenommen, seien klüger geworden,und die Zwietracht brachte uns, statt uns zu entzweien, einander noch näher. Aber derVorrat an neuem Inhalt erschöpfte sich rasch, und wir glitten wieder auf das Alte ab, auf unserpersönliches Interesse, und verlangten dabei doch, wie nach himmlischem Manna * , nachobjektiven Interessen; aber sie gab es nicht, und wir blieben auch weiterhin Gespenster, unserLeben aber blieb ein schöner Inhalt ohne jede Bestimmung. Das ist, was ich Dir sagen wollteund was Du nicht verstanden hast. Ich habe die Erinnerung an das Alte nicht aus Verärgerungund nicht, um mich zu beklagen, heraufbeschworen, sondern um einen alten Stoff neu bewußtzu machen. Ich wollte nicht den Schatten der Unzufriedenheit auf unsre früheren Beziehungenfallen lassen, sondern sie in das versöhnliche Licht des Bewußtseins rücken: nichtanklagen wollte ich Dich oder mich, sondern rechtfertigen. Auf der Suche nach einem Ausweghatten wir uns gierig in die anziehende Sphäre der deutschen Beschaulichkeit gestürztund geglaubt, uns außerhalb der uns umgebenden Wirklichkeit eine bezaubernde, von Wärmeund Licht erfüllte Welt des Innenlebens zu schaffen. Wir hatten nicht verstanden, daß dieseinnerliche, beschauliche Subjektivität das objektive Interesse des deutschen Nationalgeistsbildet, daß sie für die Deutschen das gleiche ist wie die Sozialität, der Sozialgeist für dieFranzosen. Die Wirklichkeit hat uns aufgeweckt und uns die Augen geöffnet, aber wozu? ...Sie hätte sie uns besser für immer geschlossen, um den erregenden Drang des nach Lebendürstenden Herzens mit dem Schlaf des Nichtseins zu stillen... [184]„Der letzte Quell ist kalt und heißt Vergessen –Er löscht am süßesten des Herzens Brand ...“ 5Wir lieben einander, Botkin; aber unsre Liebe ist ein Feuer, das nur in sich selbst Nahrungfindet, ohne Zufuhr von außen. Oh, wenn es das Öl äußerer gesellschaftlicher Interessen fände!Ja, meine Gefühle für Dich sind oft kühler geworden, oft und für lange habe ich DeineExistenz vergessen, aber das deshalb, weil ich mich an meine eigene nur aus Apathie erinnere,nur wenn mich hungert oder friert, wenn ich mich ärgere und mit den Zähnen knirsche.Du wirst zugeben, daß wir, so sehr wir den anderen lieben mögen, uns selbst doch am meistenlieben: kann man da von jemandem, der sich selbst nicht liebt, fordern, daß er den anderenliebe? ... Aber im ersten hellen Augenblick von Liebe und Trauer bist Du als erster hierbei mir – ich sehe Dein bezauberndes Lächeln, höre Deine weiche Stimme, sehe Deine einschmeichelnden,weichen, fraulichen Bewegungen –‚ und Du teilst mir den Inhalt der „Pfadfinder“mit, erklärst griechische Mythen oder berichtest vom Prozeß Bankals, und ich höre zuund kann mich nicht satt hören, das Herz drängt Dir entgegen, und in den Augen zittern Tränender Ekstase ... 6 Wenn mir ein neuer Gedanke aufblitzt, die Saiten des Herzens von einerneuen Empfindung erzittern – ich würde es Dir mitteilen – und wenn Du wüßtest, wie vieleGedanken und Gefühle für immer unmitgeteilt bleiben, nur deshalb, weil Du nicht bei mirbist, damit ich sie Dir in all ihrer Frische mitteilen könnte... Ich bin nicht allein, das ist wahr;ich habe einen Kreis der edelsten Menschen um mich, die ich von ganzer Seele liebe und* (biblisch) durch ein Wunder vom Himmel gefallene Nahrung für die Israeliten in der Wüste nach ihrem Auszugaus Ägypten; Himmelsbrot (nach 2. Mose 16, 11 ff.)5 Aus dem Gedicht „Die drei Quellen“ von Puschkin.6 „Die Pfadfinder“ – Roman J. F. Coopers. Jean-Henri Bancal (1750-1826) – hervorragender Politiker der französischenbürgerlichen Revolution, Mitglied des Konvents, Girondist.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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