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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 102überein; aber woher hatte er bloß zu damaliger Zeit die charakterliche Energie und Willenskraft?Für die Vergangenheit schätze ich diesen Mann sehr hoch ein. Er hat große Dinge getan,er ist eine historische Persönlichkeit. Jetzt über meinen Aufsatz. Du hast nicht verstanden, wasich unter der „Schreibweise Katkows“ verstehe. Es ist eine auf Bildhaftigkeit beruhende Bestimmtheit.Ich könnte sie durch Auszüge belegen, aber ich bin zu faul dazu. Was Kudrjawzewbetrifft, so stimme ich tausendmal mit Dir hinsichtlich seiner Schreibweise überein; dennoch istRuhe nichts für mich. Ich brauche das, woran man den Geisteszustand des Menschen erkennt,wenn er vor bebender Begeisterung übersprudelt und mit ihren Wellen den Leser überflutet,ohne ihn zu sich kommen zu lassen. Verstehst Du? Aber daran grade fehlt es, und deshalb gibtes bei mir viel Rhetorik (was Du ganz richtig bemerkt hast und was mir selbst längst bewußtist). Wenn Du in meinem Aufsatz an eine rhetorische Stelle gerätst, so nimm den Bleistift undschreibe darunter: hier wäre Pathos nötig, aber da der Autor arm an diesem Artikel ist, nimm, oLeser, mit dem Wasser der Rhetorik vorlieb! Es fehlt jedoch meinen Aufsätzen einzig deshalban Einheit und Fülle, weil der zweite Bogen geschrieben wird, wenn der erste schon in der Korrekturist. Sag selber, Botkin: wer zum Teufel wird so etwas mitmachen? Manchmal muß manselbst einen Brief, damit er flüssiger ausfällt, durchsehen, drin herumstreichen und ihn abschreiben.In Nummer 3 der „Otetschestwennyje Sapiski“ findest Du einen Aufsatz von mir –ein wahres Ungeheuer! Bitte schimpf nicht – ich weiß selber, daß es Dreck ist. Ich spüre, daßich kein logischer, kein systematischer Kopf bin, habe mich aber an eine Sache gemacht, diestrengste Konsequenz, Methode und eine feste Denkarbeit fordert. Katkow hat mir seine Notizheftedagelassen – ich habe ganze Stellen aus ihnen genommen und in meinen Aufsatz eingebaut.Über die lyrische Poesie stammt fast alles von ihm, Wort für Wort. Es ist etwas Klobigesund Buntscheckiges herausgekommen. Im übrigen – was ist weiter dabei? Wenn ich keine neueTheorie der Poesie liefere, so bringe ich die alten um, bringe auf einen Schlag unsere Rhetoriker,Poesiejünger und Ästheten ums Lehen – ist [173] das etwa eine Kleinigkeit? Und dafürlasse ich gern meinen ehrlichen Namen beschimpfen. Aber etwas anderes ist ärgerlich, so ärgerlich,daß ich eine ganze Nacht schlecht geschlafen habe: das Schwein, die Sklavenseele –der Seminarist Nikitenko (besser Eselenko) hat mir zwei der besten Stellen gestrichen: die eineüber die Tragödie; ich schreib’ sie Dir ab. Nachdem ich über „Romeo und Julia“ gequatschtund meinen Quatsch mit den Worten beendet habe: „O Jammer, Jammer, Jammer!“ – danachhättest Du, wenn dieser oft von mir verfluchte Schuftenko nicht wäre, in meinem Aufsatz folgendesgelesen: „Wir sind empört über das Verbrechen Macbeths und die dämonische Naturseines Weibes, aber wenn man jenen fragen würde, wie er seine Missetat begangen hat, sowürde er wahrscheinlich antworten: ‚Das weiß ich selber nicht‘; und wenn man Lady Macbethfragen würde, warum sie so unmenschlich-scheußlich beschaffen ist, würde sie sicher antworten,daß sie darüber ebensoviel wisse wie der Frager und daß sie, wenn sie ihrer Natur gefolgtsei, es deshalb getan habe, weil sie keine andere besessen habe... Das sind Fragen, die nur jenseitsdes Grabes zu beantworten sind, das ist das Reich des Schicksals, das ist die Sphäre derTragödie! ... Richard II. erweckt in uns ein Gefühl des Abscheus durch Taten, die einen Königerniedrigen. Aber da raubt Bolingbroke ihm die Krone – und der als Herrscher unwürdige Königerscheint als großer König, sobald er die Herrschaft verloren hat. Er tritt ab im Bewußtseinder Größe seines hohen Amts, der Heiligkeit seines gesalbten Haupts, der Legitimität seinerRechte – und weise Reden voller hoher Gedanken fließen in wildem Strom von seinen Lippen,und seine Handlungen lassen eine große Seele, herrscherliche Würde erkennen. Wir achten ihnbereits nicht einfach – wir betrachten ihn voller Ehrfurcht; wir bedauern ihn bereits nicht einfach– wir haben Mitgefühl mit ihm. Nichtswürdig im Glück, groß im Unglück – ist er ein Heldin unsern Augen. Um jedoch alle Kräfte seines Geistes an die Oberfläche zu rufen, um zumHelden zu werden, mußte er den Becher des Elends bis zur Neige trinken und zugrunde gehen... Was für ein Widerspruch und was für ein reicher Stoff für eine Tragödie und folglich auchwas für eine unerschöpfliche Quelle hohen Genusses für uns! ...“OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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