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W. G. Belinski – Ausgewählte philosophische Schriften – 101schon mal gelingen sollte, die höchste Stufe auf der Leiter der Entwicklung zu erklimmen,auch dort bitten würde, mir Rechenschaft zu geben über alle Opfer der Lebensumstände undder Geschichte, über alle Opfer des Zufalls, des Aberglaubens, der Inquisition, Philipps II.usw. usw.: anders stürz’ ich mich von der obersten Stufe kopfüber in die Tiefe. Ich will dasGlück auch nicht geschenkt haben, wenn ich nicht beruhigt sein kann über jeden meinerBlutsbrüder – über das Fleisch von meinem Fleisch und das Bein von meinem Bein. Mansagt, die Disharmonie sei eine Bedingung der Harmonie: das mag vielleicht sehr vorteilhaftund erquickend für Melomanen * sein, aber ganz gewiß nicht für diejenigen, die dazu verurteiltsind, durch ihr Geschick die Idee der Disharmonie zum Ausdruck zu bringen. Übrigens,wenn man alles schreiben wollte, was hierüber zu sagen ist, gäb’ es kein Ende. Der Auszugaus Echtermeyer hat mich gefreut als ein energischer Klaps auf die PhilosophenschlafmützeHegels, als Tatsache, die beweist, daß auch den Deutschen die Möglichkeit gegeben ist, zurichtigen Leuten, zu Menschen zu werden und aufzuhören, Deutsche zu sein. Aber für michpersönlich ist hier nicht alles tröstlich. Ich gehöre zu den Leuten, die in allen Dingen denPferdefuß des Teufels sehen – das ist wahrscheinlich meine letzte Weltanschauung, [171] mitder ich auch sterben werde. Übrigens, ich leide darunter, aber ich schäme mich dessen nicht.Der Mensch an sich weiß nichts – alles kommt auf die Brille an, die seine von seinem Willenunabhängige Geistesverfassung, die Laune seiner Natur, ihm aufsetzt. Vor einem Jahr gingenmeine Gedanken in diametral entgegengesetzter Richtung, als wie sie heute gehen – und ichweiß wirklich nicht, ist es ein Glück für mich oder ein Unglück, daß Denken und Fühlen,Verstehen und Leiden für mich ein und dasselbe sind. Da heißt es, vor dem Fanatismus aufder Hut sein. Weißt Du, daß mein heutiges Ich mein vergangenes gradezu krankhaft haßt, undwenn ich die Kraft und die Macht hätte, dann wehe dem, der heute das ist, was ich vor einemJahre war. Da kommst Du schon drauf, überall des Teufels Pferdefuß zu sehen, wenn DuDich bei lebendigem Leibe mit auf dem Rücken gebundenen Händen im Totenhemd und imSarge liegen siehst. Was habe ich von der Überzeugung, daß die Vernünftigkeit triumphierenund daß es in Zukunft gut und schön sein wird, wenn das Schicksal mich dazu verurteilt hat,Zeuge des Triumphs der Zufälligkeit, des Unverstands, der tierischen Kraft zu sein? Washabe ich davon, daß es meine und Deine Kinder gut haben werden, wenn ich es schlecht habeund wenn es nicht meine Schuld ist, daß es mir schlecht geht? Soll ich nach Deiner Meinungetwa in mich gehen? Nein, lieber sterben, lieber ein lebender Leichnam sein! Genesung! Ja,worin besteht sie denn? Worte! Worte! Du schreibst mir, Du habest Deine Liebe ausgeliebtund die Fähigkeit zu lieben verloren; Krassow schreibt mir dasselbe; in mir selbst fühle ichdas gleiche; die Philister, die Leute der gemeinen, unmittelbaren Wirklichkeit, lachen uns ausund feiern ihren Sieg... o Jammer, Jammer, Jammer! Aber darüber später. Ich fürchte, daß Dumich nicht wirst trösten können, aber ich mach’ Dir Kummer.Schön steht die preußische Regierung da, in der wir uns einbildeten das Ideal einer vernünftigenRegierung zu sehen! Was gibt’s da weiter zu sagen – Halunken, Tyrannen der Menschheit!Ein Mitglied des Dreibunds der Henker der Freiheit und der Vernunft. Da haben wirHegel! In dieser Hinsicht ist Menzel gescheiter als Hegel, von Heine ganz zu schweigen!(Nebenbei: Annenkow schreibt, daß die acht Bände Heine in Hamburg sieben Tscherwonzenkosten.) Die vernünftigste Regierung ist in den Vereinigten Staaten von Nordamerika undnach ihnen in England und Frankreich.[172] Was die Geschichte Katkows 4 betrifft, so sehe ich jetzt, scheint mir, den Grund, warumwir nicht einverstanden sein können: ich weiß sogar von ihm selber wenig über sie und habefolglich kein Tatsachenmaterial für ein Urteil. Was Polewoi angeht, so stimme ich mit Dir* Musikbesessener4 Mit der „Geschichte Katkows“ ist dessen Neigung zu der Frau N. P. Ogarjows gemeint.OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.12.2013

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