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Bud apester <strong>Zeitung</strong>13. Jahrgang / Nr. 41 Budapest, 11. - 17. Oktober 2013 www.bzt.hu 750 Forint – D: 5,70 EuroGestanden:Der regierungskritische Tavares-Berichtbekommt Schlagseite, vierAbgeorndete der MSZP schriebentatkräftig mit. 02Gelernt:Veterinärmedizin ist ein hartumkämpfter Studiengang. Gut,dass Budapest eine Aus weichmöglichkeitdarstellt.08Gehört:Bruce Marshall ist MusicSommelier. Was genau sichdahinter verbirgt,erklärt er im Gespräch.15SteigbügelhalterWenn sich die linken und liberalen Fidesz-Herausfordererweiterhin vor allem darin einig sind, dass sie sichin den wichtigsten Punkten uneins sind, kann sichOrbán bald zur dritten Amtszeit gratulieren.Auf der Seite 3 bringen wir eine Übersichtüber die neun linken und liberalen Parteien,die zum jetzigen Zeitpunkt bei den nächstenParlamentswahlen antreten wollen.András Wekler1222 Bp. Nagytétényi út 48-50 • Tel: (+36-1) 382-9000Fax: (+36-1) 382-9003 • e-mail: fox@fox-autorent.comwww.fox-autorent.com • open: 8am-8pm 7 days a weekTip of the Week Tipp der Woche - 3. OktoberfestAm 12. Oktober lädt der Deutsche Wirtschaftsclub Budapest zu seinem3. Oktoberfest. Anzeige auf Seite 9.9 771785 110000 13041Ihr lokaler Partner für Industrielackewww.cargo-lakk.hu


2 P o l i t i k<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>11. – 17. Oktober 2013KompaktHochwasserhilfen:EU lehnt ungarischen Antrag abWie MTI vorvergangenen Donnerstag berichtete,hat die EU den Antrag Ungarns zur Bewilligung von Hilfsgeldern für im Juni entstandeneHochwasserschäden ab. Ungarn hätte, heißt eszur Begründung, ungefähr das 20fache anSchäden haben müssen, um sich für eine Nothilfeaus dem EU-Solidaritätsfonds zu qualifizieren.Die von Ungarn eingereichten 27 Mio. Eurotrafen nicht die Anforderungen der EU, da sieweder eine außerordentliche Belastung für dasStaatsbudget, noch eine schwere Behinderungder Wirtschaftsleistung bedeuteten. Formalhandelt es sich bei dieser Entscheidung vonRe gionalkommissar Johannes Hahn um eineEmpfehlung, der die Kommission noch zustimmenmuss.Fidesz-Sprecher:Rückzug in LokalpolitikWie Fidesz-Sprecher Máté Kocsis amMontag auf ATV verkündete, wird er sich nachden Wahlen 2014 nur noch seines Amtes alsBürgermeister des <strong>Budapester</strong> VIII. Bezirkswid men. Dies bedeutet, dass er nicht mehr Abgeodrneter im Parlament sein wird. Beide Po sitionen zur selben Zeit sind unvereinbar, so Ko csis.Sein Rückzug lag laut index.hu bereits länger inder Luft, Kocsis folgt damit dem Bei spiel andererFidesz-Kollegen wie Zsolt Láng und ZoltánPokorni. Mit den Wahlen 2014 werden aufgrundder neu aufgeteilten Wahlbezirke nur noch 106direkt gewählte Abgeordnete ins Parlament einziehen,die Kräfteverteilung zwischen LandesundLokalpolitik ist noch nicht ganz klar, so Index.Dienstreise: Orbán in LondonPremier Viktor Orbán stattete der britischenHauptstadt am Mittwoch einen offiziellenBesuch ab. Morgens hielt er am ChathamHouse einen Vortrag auf Englisch über dieRolle traditioneller Werte in Europas Zukunft,wobei Ungarn als „Laboratorium“ dienen könne.Dabei sagte er, dass diese Werte „von Grünenund Roten systematisch angegriffen“ würden.Die EU-Mitgliedsstaaten müssten institutionelleReformen durchführen, um die Kontrolle überdie Regierungsfinanzen wieder zurück zu erhaltenund eine Umgebung zu schaffen, die wirtschaftlichesWachstum ermöglicht. Auf eineFrage nach den rechtsextremen Kräften undder Jobbik-Partei antwortend, sagte Orbán:Nicht die 16% Unterstützer der Rechtsextremenin Ungarn seien bedeutend, sondern die anderen84%. Am Nachmittag traf er seinen britischenAmtskollegen David Cameron.<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>ISSN 1419-8770Verlag: BZT Media Kft.1073 Budapest, Erzsébet krt. 43.Chefredakteur & Herausgeber: Jan MainkaTel: 453-0752, 453-0753 Fax: 240-7583E-Mail: verlag@bzt.hu – redaktion@bzt.huInternet: www.bzt.huStellv. Chefredakteurin: Elisabeth Katalin GrabowPolitik: Peter BognarWirtschaft: Daniel HirschLayout: Zsuzsa UrbánMarketing & Sales: Jan MainkaAbo & Distribution: Ildikó VargaKioskvertrieb: Hungaropress Kft.Im Auftrag der MAGPRINT KFT. gedruckt von:Magyar Közlöny Lap- és könyvkiadó Kft., LajosmizseVerantwortlicher Leiter /Druck/:Majláth Zsolt, GeneraldirektorPreis In Forint In Euro6 Monate 16.000 1201 Jahr 30.000 210Pdf-Abo /1 Jahr/ 12.000 50<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong> ist Partner der:The Budapest TimesNeues vom Tavares-BerichtMSZP-Politiker als Co-AutorenEU-Abgeordnete in denFarben der MSZP. WieHerczog auf ihrer Webseiteaußerdem schreibt,ist der Tavares-Berichtgleichsam als „Zeugnis”der vier MSZP-Politiker(Zita Gurmai ist die vierteMSZP-Abgeordnete inStraßburg) im EuropäischenParlament zu betrachten.„Der Fidesz hat unserLand in Europa nichtnur der Lächerlichkeitund dem Mitleid der anderenStaaten preisgegeben,sondern fallweiseauch salonunfähig gemacht.Dieses Bild versuchendie Sozialisten inallen erdenklichen europäischenForen zurechtzurücken.Wir lassen esnicht zu, dass die ungarischenMenschen und dieungarische Wirtschaftwegen der eigenwilligenDie oppositionellen Sozialisten (MSZP)haben offenbar tatkräftig mitgeholfen,die nationalkonservative Regierung vonViktor Orbán in der Europäischen Unionin ein schiefes Licht zu rücken. DieMSZP-Abgeordnete des EuropäischenParlaments, Edit Herczog, gestand Anfangdieser Woche gegenüber dem öffentlich-rechtlichenFernsehen M1 ein,dass alle vier Vertreter der ungarischenSozialisten in Straßburg beziehungsweiseBrüssel an der Ausarbeitung dessogenannten Tavares-Berichtes beteiligtgewesen seien.Zur Erinnerung: Im Juli dieses Jahreswurde der vom portugiesischen Grünen-PolitikerRui Tavares vorgelegte Ungarn-Berichtvom Europäischen Parlamentangenommen. Darin ist unter anderem zulesen, dass es Ungarn unter der RegierungOrbán nicht nur an der Demokratie, sondernauch an der Rechtsstaatlichkeit gebricht.Herczog fügte gegenüber M1 aber auchhinzu, dass sie und die anderen drei sozialistischenEU-Abgeordneten allesdafür getan hätten, um finanzielle undpolitische Sanktionen gegen Ungarn zuvermeiden. „Alle EU-Abgeordneten warendazu verpflichtet, an der Erstellung desBerichts teilzunehmen, dem sind wir auchnachgekommen. Wir für unseren Teil warenbestrebt, sowohl die ungarischen Interessenals auch die europäischen Werte indiesen Bericht einfließen zu lassen”, sagteHerczog.Herczog zeigt sich aufeigener Webseite offenherzigDas öffentlich-rechtliche Fernsehen warauf die Webseite von Edit Herczog aufmerksamgeworden, wo es heißt, dass die Zusammenstellungdes Tavares-Berichts dasVerdienst von Kinga Göncz (ehemalige Außenministerinund Tochter von Ex-StaatsoberhauptÁrpád Göncz [1990-2000]) undCsaba Tabajdi sei. Beide Politiker sindDoch nicht nur, dass bestimmteKleidungsstückeverboten sind, andere sindstrikt vorgeschrieben. In derseit beinahe zwei Wochen aktivenVorschrift ist genau festgehalten,wer was wann zu tragenhat.und europafeindlichenRegierung Schaden leiden”,so Herczog weiter.Der Direktor für Öffentlichkeitsarbeitbeider RegierungsparteiFidesz, Máté Kocsis, reagierteauf all das ungehalten:Für die Sozialisten sei der eigenepolitische Nutzen wichtiger als die InteressenUngarns. Laut Kocsis haben die sozialistischenEU-Abgeordneten „mit diesemportugiesischen Kommunisten” (Tavareswar ehemals bekennender Kommunist)einen „politisch motivierten, konzeptionellen,verlogenen und diffamierenden Bericht“schreiben lassen.Der Sprecher des Fidesz, Péter Hoppál,wies darauf hin, dass die Brüsseler Bürokratenvon selbst niemals auf die Ideegekommen wären, gegen Ungarn eineRektor in Kaposvár verhängt KleiderordnungHandtücher für die FreiheitDie Studenten halten den Dresscode für unzeitgemäß und zu streng.Regulierungswut treibt oft die absurdesten Blüten. Diesmal istes die Universität in der südungarischen Stadt Kaposvár, diemit einer neuen Verordnung auf sich aufmerksam gemachthat. Dort sind seit dem 1. Oktober Strandlatschen, kurze Hosen,trägerlose Sommerkleidchen und „zu auffällige Accessoires“strengstens untersagt.Wie das Portal Kaposvarmost.hu nur einen Tag nach Bekanntwerdender Verordnung berichtete,ist die Kleiderordnungsowohl für die Lehrkräfte alsauch die Studenten verpflichtend.Denn dort heißt es unteranderem im Teil für männlicheMTI / György VargaEdit Herczog steht offen zu ihrer Mitarbeit am Tavares-Bericht.Lehrkräfte: „Arbeitskleidung imAlltag: Lange Hose, Hemd oderPolohemd, zur Kleidung passendegeschlossene Schuhe“. Nochstrenger sind die Regeln fürStudenten, die zur Prüfung antretenwollen: „Dunkler Anzug,helles Hemd, klassische Krawatte,dunkle Socken, brauner oderschwarzer Gürtel, zur Kleidungpassende geschlossene, dunkleSchuhe“.Schulterfreinicht erwünschtDoch auch der Spielraumfür die Damen wird enorm eingeschränkt.Lediglich Röckeoder Hosen, Blusen und „solideOberteile“ sind in Zukunftauf dem Campus erlaubt. DieListe der „verbotenen Stücke“indes ist lang. Neben zu kurzenRöcken und kurzen Hosen,zu tief ausgeschnittenen oderträgerlosen Kleidern sind auchübertriebenes Parfum und Make-upnicht länger erwünscht.Da aber auch der Rektor nurein Mensch ist, sind die Regelnwährend der heißen Tage nichtganz so streng: „Im Sommerkann natürlich bei den Herrenvom Sakko und der Krawatteabgesehen werden, bei den Damenvon der Strumpfhose undden geschlossenen Schuhen.“Verleumdungskampagne zu lancieren.Die Sozialisten hätten den Bericht RuiTavares praktisch diktiert. Und als obdas nicht genug wäre, seien Edit Herczogund ihre Parteifreunde auch noch stolzdarauf, dass das Europäische Parlamentdas verlogene und verleumderische Dokument(Tavares-Bericht) angenommenhabe, bemerkte Hoppál. Die Annahme desTavares-Berichtes durch das EuropäischeParlament ist mit keinerlei Sanktionenverbunden.▶▶PBWas im ersten Moment wieein verspäteter Aprilscherzklingt, ist indes bitterer Ernst.Trotzdem protestierten Studentender Universität gegendie neue Kleiderordnung – aufunorthodoxe Weise. Am vergangenenFreitag etwa drücktenSchauspielstudentinnengemeinsam mit ihrer Lehrerinihren Unmut über die neueVerordnung aus und legtenim Seminar kurzerhand ihreKleider ab - komplett! AndereKommilitonen waren wenigerwagemutig, aber nicht minderkreativ und kamen am Montagin Badeschlappen, Hausmäntelnund ähnlichem zu Vorlesungen.Es darf wohl als sicher gelten,dass die Universitätsleitungnicht mit dem medialenEcho gerechnet hat, denn nebendeutschen Medien berichtetenauch britische und sogaraustralische Medien über denDresscode. Ein Einlenken istindes nicht abzusehen. Mehrnoch, die Universitätsleitungbesteht weiterhin ausdrücklichdarauf, dass Lehrkräfte undStudenten sowohl im Alltag alsauch zu besonderen Anlässenin entsprechender Kleidung erscheinen.Aber man sei für Gesprächeoffen.▶▶EKG


11. – 17. Oktober 2013<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>P o l i t i k3Neun Linke und Liberale gegen einen KonservativenOrb án im Kampf mit einer linken HydraBei der bevorstehenden Parlamentswahlim Frühjahr 2014 muss sich MinisterpräsidentViktor Orbán Mühe geben, angesichtsder großen Zahl der Herausforderernicht den Überblick zu verlieren.Nach bisherigem Stand wird er es alleinmit neun linken und liberalen Herausforderernzu tun haben. Dazu kommt nochder Chef der rechtsradikalen Partei Jobbik,Gábor Vona, und Ex-FinanzministerLajos Bokros (1995-1996), der an derSpitze der liberal-konservativen Partei„Bewegung für ein modernes Ungarn”steht. Im Folgenden stellen wir die neunlinken Aspiranten auf den Stuhl des Regierungschefsvor.Leichtgewicht trifft Schwergewicht: MSZP-Vorsitzender Attila Mesterházy am letztenSonnabend in Marcali bei der Enthüllung einer Büste des im Juni verstorbenenehemaligen Premierministers Gyula Horn.Der wohl gewichtigste Herausforderervon Orbán ist der Vorsitzendeder Ungarischen SozialistischenPartei (MSZP), Attila Mesterházy.Dieser ist seit Juli 2010 Chef seiner Partei.In dieser Funktion vermochte er sich nichtnur als Organisationstalent bei der Verjüngungund Neuausrichtung seiner Partei inSzene zu setzen, sondern sich auch als Strategeund Machttechniker zu profilieren.Mesterházy gelang es niemand Geringerenaus dem Feld zu schlagen als Ex-PremierFerenc Gyurcsány, der sich 2011 genötigtsah, mit einigen Mitstreitern die MSZP zuverlassen und die Demokratische Koalition(DK) zu gründen (mehr dazu weiter unten).Gleichwohl nimmt er sich im direkten Vergleichzu Orbán als Leichtgewicht aus, demes an Durchschlagvermögen, Charismaund Esprit mangelt.Mit diesen Tugenden ist auch Ex-RegierungschefGordon Bajnai (2009-2010)nicht gesegnet, indes wird ihm von vielenWählern gutgeschrieben, das 2008 inSeenot geratene ungarische Schiff als Premierwieder auf Kurs gebracht zu haben.Bajnai ist vor einem Jahr als großer Hoffnungsträgerder Linken auf die politischeBühne zurückgekehrt (23. Oktober 2013).Allerdings vermochte der Ex-Premier diein ihn gesetzten Hoffnungen seither nichtzu erfüllen. Irrigerweise glaubte er beiseiner Rückkehr in die Politik, als Spitzenkandidateiner breiten linken Wahlallianzin die Wahlen gehen zu können. Weitgefehlt! Gereicht hat es letztlich zu einemlosen Wahlbündnis mit den Sozialisten.Seine Retortenpartei „Gemeinsam-Dialogfür Ungarn” würde derzeit gerade mal denSprung über die Fünfprozenthürde insParlament schaffen.Woran es Mesterházy und Bajnai gebricht,nämlich Ausstrahlung und Dynamik,ist bei Ex-Premier Ferenc Gyurcsány(2004-2009) üppig vorhanden. Allerdingsgilt Gyurcsány heute als politische Leiche.Die Wähler haben ihm die sogenannteLügenrede von Balatonőszöd bis heutenicht verziehen (2006). Seinerzeit hatteGyurcsány vor der Fraktion der damaligenRegierungspartei MSZP eingestanden,die Ungarn hinsichtlich des Zustandsder ungarischen Wirtschaft jahrelang ander Nase herumgeführt zu haben. Gyurcsány,der sich angesichts seiner eigenenUnpopularität und der niederschmetterndenWirtschaftszahlen Anfang 2009gezwungen sah, als Premier zurückzutreten,musste zwei Jahre später eine weitereNiederlage hinnehmen: Er verlor denMSZP-internen Machtkampf gegen AttilaMesterházy. Seither ist er Chef der linksliberalenDemokratischen Koalition (DK),die in den Umfragen bei einigen Prozentherumdümpelt.Viele Herausforder,aber keine KontrahentenHerausforderer Nummer vier im Lagerder Linken ist der Fraktionsvorsitzendeder Ökopartei „Politik kann anders sein”(LMP), András Schiffer. 2010 galt die LMPnoch als juvenile, erfrischende Kraft in derungarischen Politik, der der Stallgeruchdes politischen Etablissements noch nichtMTI / György Vargaanhaftete. Prompt erlangte sie bei den Parlamentswahlen2010 denn auch 7,44 Prozentder Wählerstimmen. Mit dem Einzugins Parlament nutzte sich der Glanz derÖkopartei jedoch nach und nach ab. DerLMP gelang es nur in Maßen, sich auf dermehr oder minder grauen politischen PaletteUngarns als neuer belebender Farbtupferhervorzutun. Rasch wurde die LMPvon Richtungskämpfen und Querelen verschlungen,die 2012 schließlich in die Spaltungder Partei mündeten, wobei ein Teilder LMP – „Dialog für Ungarn” – ins LagerGordon Bajnais abwanderte. Schiffer unddie LMP haben zurzeit kaum Aussichten,ins Parlament zu gelangen.Unter den neun linken Kontrahenten Orbánsbefindet sich auch ein ehemaliger Weggefährteund Freund des heutigen Regierungschefs:der Chef der Liberalen, GáborFodor. Dieser führte bis 1993 gemeinsammit Orbán die heutige RegierungsparteiFidesz. Weil Orbán damals daran ging,den seit seinen Anfängen (1988) liberalenFidesz zu einer konservativen Kraft umzuformen,wechselte Fodor zum Bund derFreien Demokraten (SZDSZ). Nach der Bekleidungvon diversen Ministerämtern inden linksliberalen Regierungen von GyulaHorn (1994-1995) und Ferenc Gyurcsány(2007-2008) war er Ende der Nullerjahresogar Vorsitzender des SZDSZ. Im Aprildieses Jahres gründete Fodor nach mehrjährigerPolit-Abwesenheit die Partei „DieLiberalen”, die eine liberale Politik mit„menschlichem Antlitz” verfolgt. Für Fodorgilt aber dasselbe wie für Schiffer: SeinePartei dürfte den Sprung ins Parlamentwohl nicht schaffen.Die Herausforderer Nummer sechs, siebenund acht heißen Katalin Szili, AndorSchmuck und András Istvánffy. Was diedrei verbindet, ist ihre sozialdemokratischeAusrichtung. Ebenso wie Gyurcsány istauch die langjährige ParlamentspräsidentinSzili (2002-2010) eine Abtrünnige derMSZP. 2010 gründete sie die Partei SozialeUnion. Seither ist es um Szili aber weitgehendstill geworden. Andor Schmucks Parteispiegelt die sozialdemokratische Ideologieauch in ihrem Namen wider: Parteider Ungarischen Sozialdemokraten (Szocdemek),die eine Nachfolgeorganisation derUngarischen Sozialdemokratischen Partei(MSZDP) sein möchte. Auch Schmuck wareinst lange Zeit Mitglied der MSZP. AndrásIstvánffy wiederum steht an der Spitze derPartei 4K! (Für eine Vierte Republik!). 4K!hat in den vergangenen Jahren eng mit derLMP kooperiert, indes konnten sich die beidenParteien nicht darauf einigen, für dieParlamentswahl 2014 ein Wahlbündnis zubilden. Istvánffy und seine Partei reden vorallem der aktiven Mitsprache der Bürger inder Politik das Wort. Was die Soziale Union,die Sozialdemokraten und 4K! noch gemeinhaben: Sie werden mit an Sicherheitgrenzender Wahrscheinlichkeit nicht insParlament einziehen.Urgestein ohneAnhängerschaftDer neunte Herausforderer von Orbánist Gyula Thürmer, seines Zeichens Kommunist.Thürmer ist zwar ein Urgesteinder ungarischen Politik (so war er noch zuZeiten des real existierenden Sozialismusaußenpolitischer Berater des letzten Generalsekretärsder Ungarischen SozialistischenArbeiterpartei [MSZMP], KárolyGrósz), allerdings gilt er seit der Wendenur noch als bizarre Randerscheinungdes hiesigen politischen Lebens, sozusagenals Relikt der verblichenen VolksrepublikUngarn. Das politische GewichtThürmers ist am Ergebnis seiner UngarischenArbeiterpartei bei den letztenParlamentswahlen (2010) besonders gutabzulesen. Die Partei erhielt insgesamt5.606 Wählerstimmen, was einem ViertelProzent entspricht.▶▶Peter BognarHiermit möchten wir Sie herzlich zu unserer Oktober-Veranstaltung amDonnerstag, den 17. Oktober 2013 um 18:00im Continental Hotel Zara(1074 Budapest, Dohány 42-44.)einladen.Mit freundlicher Unterstützung von:Dr. Tibor NavracsicsStellv. Ministerpräsident und Minister für Verwaltung und Justiz wird Ihnen zum Thema:„Die Ergebnisse der Regierungspolitikund die zukünftigen Schritte“einen Vortrag halten.Der Vortrag wird auf Englisch mit Simultanübersetzung ins Deutsche gehalten.Mehr Informationen und Anmeldung unter: +36-1-312 1123, mail@dwc.hu www.dwc.hu


4 M e i n u n gZitate„Ich hoffe, dass sich Jahrfür Jahr etwas an der Lageder Sinti und Roma verbessertund die Not auszuwanderngeringer wird.“László Andor, EU-Kommissarfür Beschäftigung, Soziales undIntegration vergangenen Freitag imSpiegel Online-Interview auf die Frage,ob nicht die Heimatländer der Sinti undRoma etwas gegen deren dortigeDiskriminierung tun müssten.„Wenn sie [die kroatischeRegierung] meinen,bestimmte Tätigkeiten alsstaatliche Tätigkeiten fortführenzu müssen, akzeptierenwir das, aber das kannman auch auf zivilisierteWeise tun, dafür mussman niemanden verhaftenund mit zweifelhaftenVorwürfen diffamieren.“Premier Vikor Orbán vergangenenFreitag auf Kossuth-Rádió zum INA-Konflikt.„Die Regierung respektiertauch keinen Privatbesitz,sie überzieht Diebstahl miteiner nationalen Glasurund hält lieber das BeispielWeißrusslands fürnachahmenswert,als das Deutschlands.“MSZP-Vorsitzender Attila Mesterházyauf einer Konferenz der Fraktion derSozialisten und Demokraten desEuropäischen Parlaments vergangenenFreitag in Budapest.„Beide Nationen habenoft gemeinsam – manchmalim Guten, manchmal imSchlechten – an der europäischenGeschichte mitgeschrieben– ich hoffe, wirhaben daraus etwas gelernt.“Aus einer Rede von HR-Minister ZoltánBalog in Ingolstadt anlässlichdes Tags der Deutschen Einheitam vorvergangenen Donnerstag.„Mit leerem Magen kannman kein Fußball spielen.“Gemeinsam-Dialog für Ungarn-Abgeordnete Timea Szabó auf einerPressekonferenz am Samstag, zu ihremVorschlag, statt Stadien zu bauen,sich lieber für hungernde Kinder,Armuts- und Arbeitslosigkeitsbekämpfungeinzusetzen.„Es scheint, dass ich denDevisenkredit-Vertraggestürzt habe.“György Léhmann, Anwalt derDevisengeschädigten am Montaggegenüber Somogyi Hírlap nach derVerkündung seines Sieges gegen dieOTP Bank in einem entsprechenden Fall.Controlling IT-UnterstützungSteuerberatung BuchführungFirmengründung in UngarnZweisprachigPräziseZuverlässig!Journal Finanzdienstleistungen GmbHE-Mail: info@journal.huTel: (36-1) 391-8080Fax: (36-1) 275-8424Fordern Sie ein Probeexemplar unsereskostenlosen Mandantenbriefes an!www.journal.hu<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>Standpunkt der Regierung zum neuen ObdachlosengesetzDie „Kriminalisierung”der Obdachlosen• Von Ferenc KuminIm Kreis der internationalen Medien gab es zuletzt wieder helle Aufregung. Grunddafür ist ein neues Gesetz zur Regelung der Situation der Obdachlosen, das vomParlament (Anfang der Vorwoche; Anm.) verabschiedet worden war. Das neue Gesetzberuht auf einem Passus im Grundgesetz, wonach Lokalverwaltungen aufgrundvon klaren und gerechtfertigten Kriterien, etwa die Gewährleistung der öffentlichenOrdnung, Sicherheit und Gesundheit sowie der Schutz des Kulturerbes,es Obdachlosen verbieten können, in bestimmten städtischen Zonen Quartier zubeziehen.„Bekloppteste Nationder Woche“Beim zdf scheinen die auch vom stellv. Staatssekretär FerencKumin vorgebrachten Argumente zur Ehrenrettung und Rechtfertigungdes neuen Obdachlosengesetzes irgendwie nicht sorecht anzukommen: In der Satiresendung heute show vom 4.Oktober wurde Ungarn auf Grund dieses Gesetzes vor den USAund Österreich „mit weitem Abstand und völlig zurecht“ zur„beklopptesten Nation der Woche“ gekürt. „Ungarn hat dieseWoche wirklich den Vogel abgeschossen (…) das kann mannicht mehr toppen.“Liest man die internationalen <strong>Zeitung</strong>en, ist dort von einer brutalen Maßregelungund Kriminalisierung die Rede. Die Berichte über das neue Gesetz wurden folgendermaßenbetitelt: „Ungarn kriminalisiert die Obdachlosen”, „Ungarn greift gegen Obdachlosehart durch”, „Ungarisches Obdachlosengesetz verbietet das Leben auf der Straße”,ein UNO-Experte wiederum fordert, dass Ungarn jenes Gesetz rückgängig machenmüsse, das die Obdachlosigkeit mit Kriminalität gleichsetzt.Viele Leser werden sich jetzt wohl die Augen reiben und sich fragen, ob das tatsächlichwahr ist. Ist das ungarische Parlament wirklich bestrebt, Obdachlose in Haft zunehmen, weil sie kein Zuhause haben, wo sie leben können? Sollte dies so klingen, als seies an den Haaren herbeigezogen, dann deshalb, weil es wirklich an den Haaren herbeigezogenist. Wer sich die Mühe nimmt, den Gesetzestext zu lesen, wird zu dem Schlusskommen, dass von den oben genannten Dingen keineswegs die Rede ist. Stellt sich imUmkehrschluss die Frage: Wie unmenschlich ist es, ein Gesetz zu verabschieden, dassdie Obdachlosen davon abhält, auf der Straße zu leben und sie dazu ermutigt, in HeimenUnterschlupf zu finden, die vom Staat gewährleistet werden?Um die Situation zu verdeutlichen, ist es sinnvoll, einige Zahlen in Betracht zu ziehen.In der Hauptstadt Budapest ist seit dem Jahr 2010 ein ähnliches Gesetz in Kraft. VorInkrafttreten des Gesetzes starben im Zeitraum 2006 bis 2010 131 Obdachlose den Erfrierungstod.Seit das Gesetz 2010 in Kraft getreten ist und die Behörden die Befugnishaben, Obdachlose, die auf der Straße leben, in Heime zu bringen. hat sich die Zahl derKältetoten auf eine Person reduziert. Die „inhumane” Maßnahme der Hauptstadt hatalso offenbar Menschenleben gerettet.Laut den Statistiken gibt es in Budapest 5.975 Plätze in den Obdachlosenheimen, außerhalbder Hauptstadt sind es 11.102 Plätze. Während in Budapest die Auslastung bei77,1 Prozent liegt, beläuft sie sich außerhalb der Hauptstadt auf 79,4 Prozent. Darausist eindeutig herauszulesen,dass der Staat für unsereObdachlosen Heimegewährleistet.Kommen wir nun zumrechtlichen Teil der Geschichte:Das Gesetzschreibt fest, dass dieStadt- und Bezirksverwaltungennach eigenemGutdünken (und nichtaufgrund irgendeiner Forderungvon oben) die Möglichkeithaben, bestimmtestädtische Zonen zu markieren,wo es verboten ist,ein Quartier aufzuschlagenbeziehungsweise zu campen. Das geht einerseits mit jener Verordnung konform,die in Budapest seit 2010 in Kraft ist, andererseits ähnelt es jenem Verbot, das auch inanderen Städten Europas und in den USA in Bezug auf das Leben auf der Straße gilt.Läuft jemand dieser Regelung zuwider, macht er sich einer Ordnungswidrigkeit schuldigund muss rechtliche Konsequenzen gewärtigen. Diese bedeuten aber mitnichten,dass er sofort in Haft genommen wird. Zunächst haben die zuständigen Amtspersonendie Befugnis, jene Obdachlosen, die die Regeln miss achten, dazu aufzufordern, den Ortzu verlassen, an dem sie widerrechtlich Quartier bezogen haben. Kommt ein Obdachloserdiesem Aufruf nicht nach, haben die Amtspersonen die Befugnis, die Verrichtungvon gemeinnütziger Arbeit über ihn zu verhängen. Bei weiteren Überschreitungen desGesetzes oder der Weigerung, gemeinnützige Arbeit zu verrichten, können auch Geldstrafenverhängt werden. Erst das allerletzte Mittel ist die Haftstrafe, also wenn gemeinnützigeArbeit und Geldstrafen nichts fruchten.Ich gebe zu, das klingt hart. Fakt ist jedoch, dass seit dem Inkrafttreten der Verordnungin Budapest niemand aus den genannten Gründen dazu gezwungen wurde, gemeinnützigeArbeit zu leisten, es wurde bisher auch niemand in Haft genommen. Stattdessenmussten sich die Obdachlosen in lokalen Heimen registrieren lassen, wo sie inbeheizten Räumen schlafen konnten.Die Obdachlosenheime mögen nicht immer ideal sein. Es gibt welche wie jenes neueHeim, das im Vorjahr mit staatlicher Unterstützung in Höhe von 500 Millionen Forint(rund 1,68 Millionen Euro) in Budapest errichtet wurde und den höchsten Standardsentspricht. Es gibt aber natürlich auch welche, die viel schlichter sind. Dies sollte unshier aber nicht davon ablenken, dass die Regierung tatsächlich bestrebt ist, die Situationder Obdachlosen zu verbessern.Wie ich bereits erwähnt habe, besteht das Ziel der neuen Regelung darin, die Obdachlosenvon der Straße in die Heime zu bekommen, wo sie Nahrung und eine schlichteUnterkunft bekommen. Blieben sie auf der Straße, müssten sie mit Hilfe von Pappschachtelnund in Unterführungen der Winterkälte trotzen. Manche behaupten, dassdas neue Gesetz drakonisch und gefühllos sei. Doch ist nicht gerade jene Haltung gefühllos,welche die Obdachlosen in der klirrenden Kälte sich selbst überlässt und sie demErfrierungstod ausliefert?Der Autor ist stellvertretender Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten, wo er in ersterLinie für die internationalen Medienbeziehungen zuständig ist. Der hier abgedruckte Text erschienam 3. Oktober 2013 auf seinem Blog ferenckumin.tumblr.comAus dem Englischenvon Peter BognarBei anderen gelesen11. – 17. Oktober 2013Orbán beharrt auf Senkungder WohnnebenkostenDie EU-Kommission erwägt, gegen Ungarn einVertragsverletzungsverfahren einzuleiten, weil dieSenkung der Wohnnebenkosten (insgesamt 21,1Prozent) durch die Regierung von Viktor Orbán nurden ungarischen Privathaushalten zu Gute kommt,nicht aber den Unternehmen. Die konservative TageszeitungMagyar Nemzet prognostiziert, dass dieRegierung die Senkung der Nebenkosten um jedenPreis verteidigen wird: „Die Regierungspartei Fideszund das Kabinett sind fest entschlossen, die imInteresse der ungarischen Bürger getroffenen Maßnahmenin den nächsten Monaten mit Klauen undZähnen zu verteidigen. Wie der Premier jüngst sagte,wird die Zeit bis zur Parlamentswahl [Frühjahr2014] im Zeichen des ‚Kampfes um die Nebenkosten‘stehen. Wir können davon ausgehen, dass die ausländischenEnergieversorger in Ungarn, die durchdie Senkung der Nebenkosten große Einbußen erleiden,in der EU-Hauptstadt Beschwerde einreichenwerden. Deshalb ist eine neue Frontlinie zwischenBrüssel und Budapest zu erwarten.“ (9. Oktober2013)Sturz von Papp-Orbántrifft ins SchwarzeAuf einer Kundgebung der ungarischen Oppositionist Ende September eine Pappstatue von PremierViktor Orbán symbolisch gestürzt und geköpftworden. Für den Blog der linksliberalen WochenzeitungMagyar Narancs ist der symbolische Sturz derOrbán-Statue ein Protest gegen den Personenkult,der den Regierungschef umgibt: „Welch eine Unverfrorenheitwar es doch, die Statue von Viktor Orbánzu stürzen! ‚Pfui, pfui‘, schreit die Rechte, ‚Ej, ej‘,tönt es von Seiten der Linken. Selbst die sich alsunabhängig bezeichnende Presse macht ein pikiertesGesicht und verwahrt sich gegen die GeschmackundGeistlosigkeit der Aktion. Na gut, es mag schonsein, dass die Aktion nicht geistreich war, sie hataber dennoch ins Schwarze getroffen, richtete siesich doch gegen den Personenkult Orbáns. ... Undwie wir wissen, wird die Verherrlichung von Politikernstets von oben gesteuert, in diesem Fall vonOrbán selbst.“ (5. Oktober 2013)Orbán erklärt KroatiensJustiz den KriegKroatische Justizbehörden haben den Geschäftsführerder ungarischen Mineralölgesellschaft Mol,Zsolt Hernádi, am vorletzten Mittwoch internationalzur Fahndung ausgeschrieben. Er soll 2009 den damaligenkroatischen Premier Ivo Sanader mit zehnMillionen Euro bestochen haben, um Kroatiens MineralölkonzernIna zu übernehmen. Nun droht PremierOrbán Kroatien und will seinen Gefolgsmannnicht ausliefern, kritisiert die linksliberale kroatischeTageszeitung Novi List: „Budapest hat Zagrebden ‚Krieg erklärt‘ und damit ein beispielloses Verhaltenan den Tag gelegt. Orbáns Regierung hat sichoffen und unzulässig in die Arbeit der Justiz eingemischt.Das bestätigt Ungarns schlechten Ruf inganz Europa, weil die Unabhängigkeit der Gerichteständig in Gefahr ist. So hat auch die EuropäischeKommission darauf hingewiesen, dass der europäischeHaftbefehl gegen den Mol-Direktor eine reineRechtsangelegenheit ist, auf die man nicht politischEinfluss nehmen kann.“ (4. Oktober 2013)


11. – 17. Oktober 2013<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>W i r t s c h a f t5Anmerkungen zu den Energietarifen: Europäische Hauptstädte im VergleichBud apester Strom war am teuerstenvon Kopenhagen und Berlin mit Abstanddas meiste Geld, Erdgas hingegen die Stockholmer.Die Wiener befinden sich in beidenStatistiken im vorderen Mittelfeld. Budapestbefindet sich beim Strom im hinteren Teil einesbreiten Teilnehmerfeldes, denn von Luxemburgbis Bukarest zeigen die absolutenStromtarife keine gravierenden Unterschiede.Platz 18 knapp hinter Athen ist dabeischon als Erfolg der Politik der sinkendenWohnnebenkosten zu verbuchen, davor rangierteBudapest noch nahezu auf Augenhöhemit Stockholm und vor Ljubljana, Paris undAthen auf dem 15. Platz.Viel krasser zeigt sich die Tabelle der Kaufkraftparität:War eben noch die Rede von Augenhöhemit den Schweden, zahlen die Bürgerder ungarischen Hauptstadt gemessenan den sonstigen Gütern ihres Warenkorbsin Wirklichkeit doppelt so viel für die Elektroenergie!Das bedeutete im Sommer einenDas Ungarische Amt für Energie undStadtwerksregulierung (MEKH) folgt demBeispiel von E-Control, dem behördlichenRegulator auf dem österreichischenStrommarkt, die Energiepreise in eineninternationalen Kontext zu heben. Wurdenin die Untersuchung beim Schwager15 Hauptstädte von EU-Mitgliedsstaateneinbezogen, sind es bei den Ungarn gleichnoch acht mehr, mit denen nun auch derOstteil des alten Kontinents gebührend repräsentiertwird.Beginnend mit statistischen Daten ausdem Sommer wird uns das MEKH fortanmonatlich mit einer aktualisierten Zahlenleistebeglücken, aus der sich ablesen lässt,wie sehr die ungarischen Verbraucher beiihrer Strom- und Gasrechnung tatsächlichin die Pflicht genommen werden. Dazu wirdneben den absoluten, in Euro umgerechnetenTarif auch eine Grafik aus dem relativiertenBlickwinkel der Kaufkraftparität gestellt.Schauen wir uns die erhaltenen Daten einmalder Reihe nach an!Die Politik der sinkenden Wohnnebenkostenhat die Frage „Wie viel zahle icheigentlich für meine Energie?“ seit Weihnachtenvorigen Jahres in den Mittelpunktder öffentlichen Debatte im Ungarnland gerückt.Wenngleich sich MinisterpräsidentViktor Orbán bislang nicht mit dem Ruhmschmückt, Ende 2012 persönlich für die schöneBescherung gesorgt zu haben, ist ihm irgendwannunterwegs (während die Versorgungsunternehmenum Vernunft betteltenund die hungrig gewordenen Verbraucher zuMillionen immer noch mehr Tarifsenkungenforderten) ein Licht aufgegangen, dass sichmit diesem einen Thema mindestens eineWahl gewinnen lässt. Wenn wir uns nachfolgenddie MEKH-Statistik zu Gemüte führen,dürfen wir also nicht die erste Runde der imJanuar um 10 Prozent gesenkten Energiekostenvergessen.Was die Durchschnittspreise eines Standardhaushaltsin den europäischen Hauptstädtenanbelangt, kostet Strom die BürgerWHO-Preis an Viktor Orbán verliehenPar odie oder Wirklichkeit?Das politische Kabarett lebt von der Überspitzung der Wirklichkeit.In Ungarn stehen die Komödianten mittlerweile voreinem Problem, denn immer öfter scheint die Realität so absurd,dass eine Überspitzung schlicht unmöglich ist. JüngstesBeispiel ist die Preisverleihung durch die WeltgesundheitsorganisationWHO an Viktor Orbán.Zu Recht stellt sich dieFrage: Wofür eigentlich?Und da scheint es in der Pressestelleder WHO arge Versäumnissegegeben zu haben,wurde Orbán doch für seine„Bemühungen um die Zurückdrängungdes Rauchens undden Schutz der Nichtraucher“ausgezeichnet, so auch für dasals „Trafikgemauschel“ (“trafikmutyi”)bekannte Gesetz.Mit allerBescheidenheitZur Erinnerung: Am Dienstagüberreichte die Generaldirektorinder WHO, MargaretEnergietarifein europäischen Hauptstädten(Angaben vom August in Eurocent/kWh, in Klammernjeweilige Platzierung innerhalb Europas)STROMReale Preise KaufkraftparitätKopenhagen 30,09 (1.) 21,99 (9.)Berlin 29,65 (2.) 28,49 (1.)Dublin 22,61 (3.) 20,97 (11.)Wien 20,53 (7.) 18,74 (14.)Budapest 15,23 (18.) 26,48 (5.)Belgrad 6,34 (23.) 13,75 (20.)Helsinki 14,27 (19.) 11,65 (23.)ERDGAS*Reale Preise KaufkraftparitätStockholm 20,22 (1.) 15,29 (1.)Kopenhagen 11,00 (2.) 8,02 (12.)Rom 9,06 (3.) 8,85 (4.)Wien 7,92 (5.) 7,23 (14.)Berlin 7,20 (8.) 6,92 (15.)Budapest 4,22 (21.) 7,34 (13.)Bukarest 3,07 (22.) 6,17 (19.)Luxembourg 6,60 (14.) 5,48 (22.)* Vergleich ohne HelsinkiChan, im Parlament PremierministerViktor Orbán eineAuszeichnung. Grund derAuszeichnung war unter anderemdas seit dem Sommergültige und heftig umstritteneGesetz, wonach Tabakproduktenur noch in staatlichkonzessionierten Geschäftenverkauft werden dürfen. Dabeisorgte insbesondere dieVergabe dieser Konzessionenfür viel Kritik, da diese undurchsichtigund nach kaumnachvollziehbaren Kriterienverlief.Orbán selbst sagte, die Anerkennunggelte nicht ihm,sondern „all denen, die frühereine Zigarette nach deranderen angezündet haben,aber aufhören konnten“.Zwar sei der Anteil der Raucher– etwa 29 Prozent derBevölkerung – immer nochsehr hoch, aber immer mehrUngarn würden den Glimmstängelendgültig niederlegen.Die Regierung hättedeswegen in den vergangenendrei Jahren zahlreicheBemühungen unternommen,um die Bevölkerung vor denschweren gesundheitlichenKonsequenzen des Tabakkonsumszu bewahren. Sosei beispielsweise das Rauchenin geschlossenen Gastronomiebetriebenseit 2012verboten, seit diesem Jahrdürfen Zigarettenpackungennur noch mit schockierendenBildern aufgedrucktverkauft werden. Natürlichdurfte bei dieser Gelegenheit5. Platz (übrigens knapp hinter den noch ärmerenRumänen). Was aber Viktor Orbángesehen und schockiert haben muss, ist eineStatistik von der Jahreswende, die uns imeuropäischen Vergleich leider nicht vorliegt.Denn sobald wir den ab Januar geltendenKostenschnitt unberücksichtigt ließen, wäreBudapest ausgehend von der Kaufkraft jeneeuropäische Hauptstadt, deren Bürger ihrenStrom am teuersten beziehen! Berlin hat Budapestan der Spitze der Kaufkraft-Tabellealso erst dank eines administrativen Eingriffsin die hiesige Preisbildung abzulösenvermocht.Die Statistik des MEKH erlaubt hinsichtlichder Erdgaspreise aber noch ganz andereSchlüsse in Bezug auf die Politik der sinkendenWohnnebenkosten. Eigentlich jammerndie Magyaren weitaus mehr über hohe Gaspreise,denn in diesem rohstoffarmen Landheizt beinahe jeder Haushalt mit dem Erdgasvom „großen Bruder“ – als Folge einer völligverfehlten Entwicklungspolitik im Zeitalterder sozialistischen Arbeitsteilung. EineHeizkostenrechnung ist logischerweise umeiniges größer dimensioniert als eine Stromrechnung,was ebenfalls zum subjektiven Unbehagenbeitragen kann.Dabei zeigt die Statistik der europäischenGaspreise einwandfrei, dass die <strong>Budapester</strong>Bürger kaum mehr als die Hälfte jener Tarifebezahlen, die in Westeuropa gängig sind.Allein in Bukarest ist das Erdgas nochmalsein ganzes Stück billiger, nicht zuletzt dankeigener Vorkommen. Im Vorfeld der amtlichenTarifsenkung vom Januar zahlten dieUngarn ungefähr so viel wie die Polen; seitherhat Budapest seinen Platz nur mit Belgradgetauscht. Und auch beim Vergleich derKaufkraftparität wird Orbán nicht in Ohnmachtgefallen sein. Denn heute rangiert Budapestan 13. Stelle der europäischen Hauptstädte,vor dem Eingriff war man 9. hinterZagreb, aber noch knapp vor Ljubljana, Bratislava,Athen und Kopenhagen, deren Bürgerin Energiepreisfragen offenbar wenigertatkräftige Regierungschefs haben.▶▶RAauch nicht der Verweis aufdie „Multis“ fehlen, die hinterder Kritik am Gesetz zumTabakverkauf zu suchen seien.An Chan gerichtet sagteOrbán, schon lange habe erauf jemanden gewartet, „dermir nicht sagt, das ist zu viel,zu radikal, vorsichtiger, sondernder sagt, mehr, noch radikaler,nur weiter so“.Margaret Chan lobte denMut des Premiers, sich gegendas Rauchen zu stemmen undfür die Gesundheit der Bevölkerungzu kämpfen.Beobachter blicken indesverwundert auf die Preisübergabe.Denn Zahlen belegen,dass lediglich die Zahl der inUngarn versteuerten Zigarettenzurück gegangen ist, dieZahl der gerauchten Zigaretten,die über den Schwarzmarktimportiert werden, isthingegen gestiegen. Dies wirdals unmittelbare Folge des„Trafikgemauschels“ gewertet(die <strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong> berichtete).▶▶EKGKompaktIWF: Prognoseauf überholter BasisDer Internationale Währungsfonds (IWF)schätzt die Leistungsfähigkeit der ungarischenWirtschaft falsch ein, reagierte das Volkswirtschaftsministeriumauf den aktuellen IWF-Bericht. Darin wurde die Prognose für das Wirtschaftswachstummit 0,2% für dieses und 1,3%für das kommende Jahr angesetzt, geringfügigunter den für Deutschland und ganz Europaerwarteten Zahlen. Die vermutlich veraltete Datenbasis des IWF zeigt sich auch hinsichtlichInflation und Arbeitslosigkeit: Diese Indikatorenwerden für 2013 mit 2,3% bzw. 11,3% angegeben.Fremdwährungskredite:OTP verliert gegen SchuldnerDas Tafelgericht Pécs hat einem Devisen kreditnehmer im Streit mit der OTP Bank rechtskräftigbestätigt, dass die Praxis einseitigerZins erhöhungen durch die Bank im Vertragsverlauf rechtswidrig gewesen sei. Wie derAnwalt György Léhmann erklärte, habe dieBank den Kreditnehmer bewusst im Unklarendarüber gehalten, wie hoch eventuelle spätereKorrekturen bei Zinsen und Gebühren ausfallenkönnten. Das Gericht sah es nun als erwiesenan, dass die Bank die unsichere Lage desSchuldners missbrauchte. Die OTP Bank wirdRevisionsantrag bei der Kurie stellen.Energiemarkt: Brüsselstellt unbequeme FragenDie Europäische Kommission verlangt eineErklärung, warum Ungarn hinsichtlich des Energiemarktes gegen Gemeinschaftsrecht verstoße.Dabei dreht es sich um die vermutete Sonderstellungvon MVM bei Erdgaslieferungen viaÖsterreich sowie um Quersubventionen imGroßhandel, um Strom- und Gastarife für dieBe völkerung künstlich niedrig zu halten. Budapestsieht die neue Kritik aus Brüssel als Angriffauf ihre Politik der sinkenden Wohnnebenkosten.Geldverkehr: Transaktionssteuerwird „halbiert“Die Transaktionssteuer auf Zahlungen mitBankkarten wird wieder gestrichen, zwei Bargeldaufnahmenin Höhe des durchschnittlichenNettolohns (derzeit rund 150.000 Forint) monatlichmüssen die Banken gebührenfrei sicherstellen.Diese Neuregelungen im Geldverkehrwird der Fidesz vermutlich schon kommendeWoche im Parlament durchdrücken.Gewerkschaften: Mindestlohnüber 100.000 Forint!Der Gewerkschaftsverband MSZOSZ forderteine Anhebung des Mindestlohns vonheute 98.000 auf 104.000 Forint bzw. desMindestlohns für Fachkräfte von 114.000auf 121.000 Forint, also um 4,5% bzw. 6%.Die Gewerkschaften wün schen zudem einenraschen Beginn der Tarifgespräche undneben dem Mindestlohn auch Tarif em p f ehlungenfür einzelne Branchen. Mittelfristigmüsse der Nettolohn das Existenz minimumerreichen.


6 W i r t s c h a f t<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>11. – 17. Oktober 2013KompaktStadler: Peter SpuhlerEhrenbürger von SzolnokDie Stadt Szolnok hat den Inhaberder Stadler Rail-Gruppe, PeterSpuh ler, zum Ehrenbürger ernannt.Damit werden die überaus positivenAuswirkungen der durch den Schienenfahrzeughersteller getätigtenInvestitionen auf die Entwicklung derStadt an der Theiß gewürdigt. DieStadler Fahrzeuge AG hat seit 2009bereits 13 Mrd. Forint in Ungarn investiert.Der 1959 in Sevilla geborenePeter Spuhler hatte den kleinenFamilienbetrieb 1987 übernommenund seither zu einem Konzern mitüber 5.000 Mitarbeitern weltweit undUmsatzerlösen von 2,4 Mrd. CHFausgebaut.Donauchem: Für sauberesWasser in OsteuropaDie österreichische DonauchemKft. hat im Beisein von Entwicklungsministerin Frau Németh aufdem Gelände der Wanhua-Bor sod-Chem im nordostungarischen Kazincbarcika ein neues Werk eingeweiht.Der Investor Donau ChemieAG wandte dafür 6,4 Mio. Euro auf.In dem Betrieb sollen aus Salzsäure,einem Nebenprodukt der TDI-An la gevon Wanhua, Chemikalien zur Wasseraufbereitungproduziert werden.Bosch: Rundtischfür BehinderteBei einem Rundtisch mit demMinis terium für Humanressourcendrängte die Robert Bosch Elek tronikaiKft. in Hatvan auf Änderungenin den Rechtsnormen, um mehrbe hinderte Personen als Ar beitnehmerbeschäftigen zu können.Werksdirektor Volker Schilling betontedie Notwendigkeit einerhochgradigen Flexibilität für dieUnternehmen der Automobil in dustrie.Staatssekretär Miklós Solteszunterstrich die Verantwortung derGroßunternehmen, denen er vielfältigeUnterstützung bei der Beschäftigungbehinderter Personenzusagte.Infineon: Großprojektin CeglédDer Hersteller von Halbleitern,Infineon Technologies, hat eineInvestition im Wert von 65,6 Mio.Euro im zentralungarischen Ceglédangekündigt. Im Zuge des Projektswerde die Mitarbeiterzahldank 530 neuer Stellen bis 2018verdoppelt, informierte Infineon-Vizepräsident Jörg Spiegel. VolkswirtschaftsministerMihály Vargaer klärte dem zur Unterstützungdes Großinvestors erlassenen individuellenRegierungsbeschlussmit den Spitzentechnologien desUnternehmens.Strabag: Autobahnbauan der TheißDie Strabag Kft. hat die Ausschreibungum den dritten Bau abschnittder Autobahn M4 für dieUm gehung von Szolnok zwischenAbo ny und Fegyvernek gewonnen.Strabag baut den gut 13 km langenAbschnitt östlich der Theiß fürnetto 31,5 Mrd. Forint (105 Mio.Euro), der einzige MitbewerberSwietelsky-Colas kalkulierte dreiMilliarden Forint mehr. Die bislangnur in Fragmenten existierendeM4 wird künftig Budapest undOradea in Rumänien als moderneSchnellstraße verbinden.Neues Hungarikum: GänsestopfleberEin Gütesiegel als FreibriefWas bereits seit Jahrzehnten, wenn nicht garlänger als ungarische Spezialität gilt, erfuhrerst Ende September seine Aufwertung durchdie Aufnahme in die Liste der Hungarika: DieRede ist neben der Kolbász aus Békéscsabaund dem Tokajer Aszú-Wein von der ungarischenGänsestopfleber. Die Entscheidungfällt zu einem bedeutenden Zeitpunkt, liegtdas Ministerium für Ländliche Entwicklungdoch noch immer im Clinch mit den Tierschützernvon „Négy Mancs“/„Vier Pfoten“, die bereitsfür immensen wirtschaftlichen Schadenbei Ungarns größtem GeflügelverarbeitungsbetriebHungerit sorgten – die <strong>Budapester</strong><strong>Zeitung</strong> berichtete Anfang August davon.Soviel vorab: Der Hungarikum-Club, derdas Hungarikum-Siegel einführte, istnicht etwa eine folkloristische Vereinigungvon romantisch veranlagten Ungarn-Liebhabern,sondern ein unternehmerischer Interessenverband,der mit der Auszeichnung dasnationale und internationale Ansehen von ungarischenProdukten, Regionen, Erfindungenund Traditionen stärken will. Im Jahre 2000von den wohl berühmtesten Unternehmen desLandes, der Herendi Porcelánmanufaktúra Rt.(Herender Porzellanwerke), Pick Szeged Rt., TokajKereskedőház Rt. (Tokajer Weinhaus) undZwack Unicum Rt. gegründet, sollten laut Satzungnur Produkte mit dem Hungarikum-Siegelausgezeichnet werden, die typisch ungarisch,international bekannt sowie gefragt sind undderen Herkunft den Menschen bekannt ist.Das wirtschaftliche Interesse der Unternehmenan einem höheren Absatz ihrer eigenenDie Integrierung des Gesellschaftsrechtsin das BGBwar keine einfache Aufgabe,unter anderem deshalb nicht,da die Regeln des jetzigen Gesellschaftsgesetzeszwingendsind. Das heißt, dass sich die Geschäftspartnereiner Gesellschaftzurzeit strikt an die Vorschriftendieses Gesetzes halten müssen,und die eventuelle individuelleAbweichung nur in vom Gesetzkonkret bestimmten Fällen erlaubtist. Die neuen diesbezüglichenParagraphen des BGB sindhingegen so wie die meisten Regelungendes BGB hauptsächlichdispositiv verfasst.Daraus ergibt sich unter anderembeispielsweise, dass dieGesellschafter vornehmlich freiüber die Form ihrer Zusammenarbeitin einer Gesellschaft verfügenkönnen. Die frei bestimmtenRegeln dürfen nur nichtgegen die Rechte und Interessenvon Dritten sowie von Minderheitsgesellschafterverstoßen.Weiterhin darf keine gesetzlicheKontrolle der Tätigkeit derGesellschaft verhindert werden.Für internationale Firmen wirdsich aus der neuen Rechtslageunter anderem ein wesentlicherVorteil ergeben: bei ungarischen(Hungarikum-)Produkte dürfte dabei eine nichtunbedeutende Rolle spielen. 2012 wurde aufVorschlag des Ministeriums für Ländliche Entwicklungdas Hungarikum-Siegel als nationalesGütesiegel, das nicht missbraucht werden darf,im Grundgesetz verankert und der Hungarikum-Rat– natürlich mit dem Agrarministeriuman der Spitze –, der über die Neuaufnahmenentscheidet, gegründet.Neuer Feind:Verein Vier PfotenBereits während des Streits zwischen Hungeritund dem in Österreich gegründetenTierschutzverband „Vier Pfoten“ beziehungsweisedessen mittlerweile beinahe komplettaufgegebener ungarischer Filiale „Négy Mancs“,bei denen im Jahre 2008 die Tierschützerdas Unternehmen auf ihre „Schwarze Liste“nahmen und mit einer Negativkampagne denkompletten Absatz auf dem deutschsprachigenMarkt zum Einsturz gebracht haben sollen,hatte sich das Ministerium lautstark auf dieSeite des ungarischen Unternehmens gestellt.Schließlich sah man einen ganzen Industriezweigdurch die Kampagne der Tierschützer,bei der mitunter grausame Bilder der Zwangsernährungvon Gänsen auf Zuchthöfen gezeigtwurden, bedroht. Nur einen Tag nach derVerleihung des Hungarikum-Siegels an dieungarische Gänsestopfleber ging es bei demKonflikt in die nächste Runde: Das Ministeriumrief die ungarischen Züchter zu einem Boykottder Zusammenarbeit mit Vier Pfoten auf,man habe „keinerlei Mitteilungspflicht“ ihnenTochtergesellschaften könnenbald deutlich einfacher im Auslandgut funktionierenden Strukturenund Vorschriften übernommenwerden.Die Gesellschaftsformen sindvon den neuen Freiheiten allerdingsnicht betroffen, Wirtschaftsgesellschaftenkönnen weiterhinnur in bestimmtenRechtsformenwie Kommanditgesellschaften,offene Handelsgesellschaften,Gesellschaftenmitbeschränkter Haftungoder Aktiengesellschaftentätigsein. Neu wirdhier aber sein,dass auch dieKommanditgesellschaftenundoffene Handelsgesellschaftenals juristischePersonendeklariert werden.Der Begriffder unbeschränktenHaftung istjedoch geblieben,auch die Vorschriftenbezüglich derHaftung der GesellschafterbeiKommanditgesellschaften und offenenHandelsgesellschaften wurdennicht angetastet.Die Mehrheit der Paragraphendes neuen Gesetzes klingtbekannt. Wo Änderungen vorgenommenwurden, dienten siehauptsächlich der Vereinfachungund Verbesserung der Eindeutigkeit.Letzterem dient etwa dieRegelung, die ermöglicht, dassbei nicht vorschriftsgemäß einberufenenbeziehungsweise abgehaltenenHauptversammlungenverfasste, und dadurch ungültigeBeschlüsse nachträglich Rechtsgültigkeiterlangen können, fallsdem alle Gesellschafter einstimmigzustimmen.Eine der wichtigsten Änderungenbei der Gründung vonGesellschaften ist, dass dasStammkapitalvon GmbHs vonderzeit 500.000auf 3 Millionengegenüber, diese belästigen die Züchter undbedienen sich eines Qualitätssicherungs- undInformationssystems, „das weder den gesetzlichenRegelungen Ungarns noch der EuropäischenUnion entspricht“. Außerdem wiederholteman die früheren Vorwürfe, dass VierPfoten der ungarischen Geflügelverarbeitungbereits einen Schaden von über 10 Mrd. Forintverursacht habe und nur deutsch-österreichischenLobbyinteressen diene.Die Organisation reagierte vorvergangenenDonnerstag: „In Wirklichkeit belästigt das Ministeriumuns und die Landwirte, die keineZwangsernährung mehr durchführen“, erklärteGabriel Paun, Kampagnendirektor bei VierPfoten gegenüber dem Schweizer Nachrichtenportalnews.ch. Es handele sich bei der Zusammenarbeitmit ungarischen Züchtern um einProjekt, an dem diese freiwillig teilnehmen, dasMinisterium solle sich dabei nicht einmischen.„Wir haben Verträge mit den größten Unternehmenin Ungarn, die uns freien Zugang zu allihren Betrieben ohne vorherige Anmeldung garantieren.Unangekündigte Kontrollen sind beihöheren Tierschutzstandards wie auch bei derbiologischen Landwirtschaft üblich“, so Paun.Mit der Erhebung der Gänsestopfleber zumHungarikum sitzt das Ministerium zwar amlängeren Hebel, doch dies könnte auch verheerendeFolgen haben: Durch das Gütesiegel, dasquasi den ganzen Industriezweig – mitsamt denschwarzen Schafen – schützt, scheint nun denTierschützern (und nicht nur ihnen) endgültigjegliches rechtliche Vorgehen gegen eventuelleTierquälerei verwehrt.Forint erhöhtwird. Zurzeitkann man eineGmbH also nochmit 500.000Forint Stammkapitalgründen,nach Inkrafttretendes neuenBGB muss dasStammkapitalder so eingetragenenGmbHaber voraussichtlichbei derersten Gesellschaftsvertragsänderung,oderspätestens biszum 15. März2016 auf 3 MillionenForint angehobenwerden.Die Gesellschaftsverträge undGründungurkunden der eingetragenenGesellschaften müssenebenfalls dem neuen BGB angepasstwerden, voraussichtlich bei▶▶Daniel HirschNeues Recht: Wirtschaftsgesellschaften im neuen BGBEin fachere und eindeutigere Regelungen• Dr. Jelena K r a nkovicsAm 15. März 2014 wird in Ungarn das neue, aus acht Büchern und1.598 Paragraphen bestehende Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) inKraft treten und das aus dem Jahr 1959 stammende, derzeit nochgültige BGB ablösen. Eine der wichtigsten Neuheiten ist, dass dasGesellschaftsrecht im neuen BGB integriert sein wird und damiteinhergehend das bisherige, aus dem Jahr 2006 stammende Gesetzüber Wirtschaftsgesellschaften außer Kraft tritt.„Es lohnt sich auf jedenFall, sich vor eineranstehenden Gesellschaftsvertragsänderunggenau überdie neuen Regelungenzu informieren,um einerseitseventuell notwendigeÄnderungen vornehmenzu könnenund andererseits vonsich neu eröffnenden,möglichen Vereinfachungenunverzüglichzu profitieren.“der ersten notwendigen Änderungoder entsprechende der Gesellschaftsformbis zum 15. März2015 beziehungsweise 15. März2016. Das diesbezügliche Gesetzliegt den Abgeordneten bereitsvor, wurde aber noch nicht verabschiedet,die Übergangsvorschriftensind also noch nichtendgültig festgelegt.Es lohnt sich auf jeden Fall,sich vor einer anstehenden Gesellschaftsvertragsänderunggenauüber die neuen Regelungenzu informieren, um einerseitseventuell notwendige Änderungenvornehmen zu können undandererseits von sich neu eröffnenden,möglichen Vereinfachungenunverzüglich zu profitieren.Im neuen BGB wurden auchdie Vorschriften hinsichtlichder Haftung von Geschäftsführerndrastisch verschärft. Überdie wichtigsten diesbezüglichenÄnderungen werden wir in dernächsten Ausgabe der <strong>Budapester</strong><strong>Zeitung</strong> an dieser Stelle berichten.Die Autorin ist Rechtsanwältinund Inhaberin der gleichnamigenAnwaltskanzlei, die unteranderem auf Gesellschafts- undImmobilienrecht spezialisiert ist.Der Artikel beinhaltet allgemeineInformation, und ist in konkretenFällen nicht als Rechtberatung zubetrachten. Mit konkreten Fragenwenden Sie sich bitte vertrauensvollan unsere deutschsprachigenRechtsanwälte unter Tel.: +36-1-200-1468 oder drkrankovics@kkplaw.K RANKOVICSÜGYVÉDI IRODARECHTSANWÄLTEATTORNEYS AT LAWAABOKATCKOE BIOPO


11. – 17. Oktober 2013<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>W i r t s c h a f t7Vodafone: Modifizierung der RED-Tarife„Ki ll the Bill“Vor einem Jahr hatte Vodafone mit den RED-Tarifen die ersteAll-Net-Flatrate Ungarns, also unbegrenzt Telefonieren, Simsenund im Internet surfen für einen Pauschalbetrag eingeführt. AmTag der Deutschen Einheit wurde nun eine Modifikation dieser Tarifeverkündet, die als Reduktion auf das Wesentliche zu verstehenist. Im Anschluss wurde unter dem Motto „Kill the Bill“ im WestendCity Center unter Mitwirkung von einigen ungarischen Stars einekleine Vodafone-Party inklusive einer Preisverlosung veranstaltet.or einem Jahr haben wir„V eine Revolution gestartet:Die RED-Tarife. Sie haben sichsehr erfolgreich verkauft, heutestarten wir in deren neue Phase“,begann Vodafone Hungary-VorstandDiego Massida die Pressekonferenzam vorvergangenenDonnerstag. Mit dem heutigenBeginn des neuen RED Basic-Tarifssei die All-Net-Flat für unter10.000 Forint erhältlich – „eine Revolution,die den ungarischen Mobilfunk-Marktverändern wird“, soMassida. Zeitgleich mit dem neuenTarif sind ältere verschwunden,man habe die Angebotspalette bereinigt,da es zu viele Beschränkungenund Paragraphen gab:„Wir haben die populärsten Kundenprofileidentifiziert, aus denendie aktuellen vier verschiedenenTarife RED Basic, RED Plus, Gound Go+ hervorgingen“, sagte derItaliener. Stellvertretend für dievielen Kunden, die zu hohe Rechnungenhaben, rief er den ungarischenSchauspieler und RegisseurGyőző Szabó auf die Bühne, derals einer der ersten zu einem derneuen Tarife gewechselt habe undsich der Pauschalkosten erfreue.Dieser bedankte sich kurz, mussteaber gleich wieder weg, da er nocheinen Bühnenauftritt absolvierenmusste. Danach folgte die Premieredes offiziellen neuen Werbeclipszur neuen RED-Kampagne.Alexandre Froment-Curtil,stell ver tre tender Vorstand Privatkundenservicesbei Vodafoneerläuterte dessen Botschaft: „WirShow-Stars Győző Szabó, Zoltán Szujóund Vodafone-CEO Diego Massida (v.l.).wollen das Schweigen der Menschenbrechen und dem ungarischenMarkt Freiheit bringen.Unser Mittel dafür ist die Vereinfachungder Tarifangebote unddie Streichung von Kleingedrucktem.“Vor allem Familien könntennun aufatmen und unbegrenztmiteinander sprechen. „Was habenKunden bisher für 5, 10 oder16.000 Forint monatlich bekommen?“,fragte Froment-Curtilund hielt als Antwort eine 10.000Forint-Note hoch, „das hier istein ganzer Monat unbegrenzt telefonieren,texten und surfen.“Daneben erhielten Kunden beimRED Plus-Tarif ganze 50 GigabyteCloud-Speicher dazu, bei REDBasic immerhin 2 Gigabyte. DerWechsel sei leichter als jemalszuvor, Kunden könnten einfachmit ihrem Personalausweis sowieihrer alten Nummer zu Vodafonekommen und hätten diesen bereitsnach 24 Stunden vollzogen0.Auf die Frage eines Journalisten„Eine Revolution!“: Stellv.Privatkunden-VorstandAlexandre Froment-Curtil.nach den Absatzerwartungen derneuen Tarife bestätigte Massida:„Mit 10.000 Forint monatlich füreine All-Net-Flat wird der REDBasic-Tarif zu einem echten Massenartikel.“Vodafone-Managerauf der Bühne„In Ungarn sind die Menschenetwas misstrauisch und schwerzum Wechseln zu bringen, dahermuss man ihnen gute Gründedafür liefern“, erklärte der Vorstandsvorsitzendeauf Nachfrageder <strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong> nach denEigenheiten des ungarischen Mobilfunkmarktes,„Ich denke, mitder Reduktion der Tarifpaletteauf das Wesentliche ist uns dasaber gelungen.“ Danach mussteauch er sich auf eine Bühnenperformancevorbereiten – dennwie sich herausstellte, hatte Vodafonebeim Haupteingang desWestend City Centers mitten imCEO Diego Massida:Misstrauen überwinden.Plaza eine Bühne aufgebaut, aufder Szabó, Moderator Zoltán Szujóund der Vodafone-Manager zusammendie neuen Tarifangeboteeinem breiten Publikum präsentierten.Der feierlichen Veranstaltungverliehen einige ungarischeStars zusätzlichen Glanz,darunter etwa Szabós Schauspiel-KollegenSándor Csányiund Iván Fenyő, aber auch Modelund Schauspielerin Zita Görög.Diese waren eigens erschienen,um den Gewinnern der Vodafone-Auslosung„Kill the Bill“ihre Gewinnurkunden zu überreichen:An dem Gewinnspielkonnten ausschließlich Kundenteilnehmen, die eine Monatsrechnungvon über 10.000 Forint beiegal welchem Mobilfunkanbietervorlegen konnten; der britischeKonzern übernahm bei den dreiGewinnern ein Jahr lang die Mobilfunkkosten,zumindest bis zu20.000 Forint monatlich.▶▶Daniel HirschDer verlässliche Partnerin allen FinanzangelegenheitenPeter SzenkurökCEO Oberbank HungaryDie Oberbank steht in Ungarn seit 2007 für Vertrauen,Verlässlichkeit, Stabilität und Sicherheit.Von diesen Grundprinzipien hat sich die Oberbankseit ihrer Gründung vor 144 Jahren in Linz/ Österreich nie abgewendet.Peter Szenkurök, Leiter der Niederlassung Ungarnbestätigt: „Wir haben immer auf die Werte Stabilität,Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit gesetzt, wirhaben uns nie der kurzfristigen Gewinnmaximierungverschrieben und wir haben immer unsereVerantwortung als Hausbank ernst genommen undunsere Industrie-, Mittelstands- und Privatkundenverlässlich begleitet! Diese Art, das Bankgeschäftzu betreiben, wurde oft als altmodisch belächelt,sie hat sich aber in den letzten Jahren als besonderskrisenfest erwiesen!“Während der Finanzkrise gewann die Oberbank beiKrediten und Einlagen weitere Marktanteile. LautSzenkurök, unter anderem „weil uns unsere Kundengut kennen, vertrauen sie uns ihre Einlagen an, unddeshalb können wir unserer Hausbankfunktion gerechtwerden und unsere Kunden mit Finanzierungenversorgen.“Mit ihrem traditionellen und bewährten Geschäftsmodellentwickelte sich die Oberbank – ohneStaatshilfe in Anspruch zu nehmen – konstantbesser als der Markt. So erzielte die Oberbank im1. Halbjahr 2013 das Beste in der Geschichte. Alsälteste selbständige Aktienbank Österreichs ist siemit 150 Filialen in Bayern, Österreich, Tschechien,Ungarn und der Slowakei vertreten und beschäftigtca. 2.000 MitarbeiterInnen. Mit einer Bilanzsummevon mehr als 17 Mrd. Euro gehört die Oberbank zuden zehn größten Banken Österreichs, gemessenan der Ertragsstärke liegt sie unter den „Top 5“.Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme!Testen Sie uns!Telefon: + 36 1 298 2900


8 F e u i l l e t o n<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>11. – 17. Oktober 2013Deutsche Studenten in Budapest Teil 2Kei n rosaroter MädchentraumWer wollte nicht als kleines Mädchen Tierärztinwerden? Bei vielen verpufft derTraum schon früh, und wer ihn sich bisnach dem Abitur bewahrt, scheitert oft ander hohen Hürde des Numerus Clausus.Viele deutsche Studenten zieht es dahernach Ungarn, an die Szent István Universitätin Budapest. Hier gelten andere Auswahlkriterienals in Deutschland – das Studiumist jedoch nicht weniger hart.Claudia Eßmeyer ist zurzeit weit wegvon Gelsenkirchen, von ihrer Heimat.Wie viele andere junge Deutschestudiert die 23 Jährige Tiermedizin inBudapest – auf Deutsch. Die VeterinärmedizinischeFakultät der Szent István Universitätin Budapest bietet einen entsprechendenStudiengang an, der den in Deutschlandgeltenden Standards angepasst ist. Bis zumVorphysikum, der theoretischen Abschlussprüfungnach vier Semestern, wird alles aufDeutsch unterrichtet. Für das Physikum,das noch einmal dreieinhalb Jahre dauert,schwappt die Studentenwelle dann zurücknach Deutschland.Flucht vor demNumerus ClaususDie Studenten umgehen mit ihrem „Abstecher“nach Ungarn das zentrale Vergabeverfahrenin Deutschland, das an einenstrengen Numerus Clausus gekoppelt ist.Das Staatsexamen in Tiermedizin kann imganzen Land nur an fünf Hochschulen erworbenwerden; für die Zulassung zum Wintersemester2013 war eine Abiturnote von 1,1bis 1,7 erforderlich, je nachdem, in welchemBundesland der Abschluss erworben wurde.Wer das nicht erfüllt, muss auf einen Studienplatzwarten – bis zu zwölf Semester; dassind sechs Jahre. Und wer hat schon so langeZeit? In Ungarn erfolgt die Zulassung zumStudium nicht über eine festgelegte Abiturnote.Stattdessen schaut man hier auf dieLeistungen der Bewerber im naturwissenschaftlichenBereich.„Was bei uns zählt, ist die intensive Motivation“,erklärt Balázs Gerics, Dozent für Anatomieund Koordinator der internationalenStudiengänge an der Szent István Universität.Nur die Ziffer des Abiturdurchschnittsallein ist für ihn nicht aussagekräftig: „Esist ein großer Unterschied, ob die gute Notedurch Geschichte und Italienisch erworbenwurde, oder durch naturwissenschaftlicheLeistungsfächer.“Außerdem werden Bewerber mit Vorerfahrung,beispielsweise durch Praktika odereine Ausbildung, bevorzugt. Dadurch sollendie ausgesiebt werden, die aus den falschenGründen Tiermedizin studieren. „Das Studiumist kein rosaroter Mädchentraum. Wernur den armen, kleinen Tieren helfen möchte,ist hier falsch“, betont Gerics. „Natürlichist Tierliebe auch wichtig, aber sie hilft nichtweiter im Chemie- oder Anatomieunterricht.Wer so denkt, ist vielleichtals Tierpfleger besser aufgehobenund wird dieses Studiumsicherlich nicht schaffen.“In der Welt zu HauseClaudia Eßmeyer ist sichbei der Berufswahl absolutsicher. Nach ihrem Abiturmachte sie eine Ausbildungzur Tiermedizinischen Fachangestellten.Schon damalsging sie ins Ausland, nachWien, wo sie im TiergartenSchönbrunn arbeitete. ZurEinschreibung am 29. Augustzog sie von Gelsenkirchennach Budapest. Im ersten Semestergeht es für sie gleichrichtig los – jeder Knochenvom Skelett muss auswendigheruntergebetet werden können,dazu kommen Fächerwie Biophysik oder Zoologie.Claudia konzentriert sich aufdas Positive: „Die Uni gefälltmir, sie hat einen guten Rufund man hat hinterher einenAbschluss, der internationalanerkannt wird.“Das ist heutzutage viel wert. Eine längereZeit im Ausland verbracht zu haben, ist inzwischenkein exotisches Abenteuer mehr,sondern völlig normal. Ja, teilweise wirdes sogar vorausgesetzt. International anerkannteAbschlüsse sollen die Mobilität derMenschen erhöhen. Ein großer Schritt indiese Richtung ist die Bologna-Reform, mitder seit 1999 europaweit die einheitlichenHochschulabschlüsse Bachelor und Mastereingeführt werden.Die Szent István Universität war diesemTrend sogar zehn Jahre voraus: Bereits 1989wurde der deutschsprachige Studiengang inBudapest eingeführt. Ein Stück grenzübergreifendeBildungsfreiheit für jährlich 120deutsche Studenten.Um den Übergang ins Studium zu erleichtern,besteht sowohl für Tiermedizin, alsauch Human- und Zahnmedizin die Möglichkeit,ein Vorbereitungsjahr am McDanielCollege Budapest zu machen. Unterrichtetwerden die Fächer Chemie, Biologie, Physikund Ungarisch – auf Deutsch, versteht sich.Je nachdem, wie gut man dabei abschneidet,wird die Abiturnote um ein paar Prozentpunkteangehoben. Nach eigenen Angabendes Colleges bekommen 90 Prozent der Studentennach diesem Vorbereitungsjahr ihrenWunschplatz an einer der ungarischen Universitäten.Kulturaustausch?Vor allem die während dieser Zeit erworbenenSprachkenntnisse können eine großeHilfe sein. Die Sprache ist oft der Schlüsselzum Verständnis einer anderen Kultur. Dasist schließlich auch ein wichtiger Punkt,wenn man im Ausland studiert: Der Kulturaustausch.Und der sollte nicht bloß ein leeresWort sein.„Ich selbst habe in Deutschland studiert“,erzählt Anatomie-Dozent Balázs Gerics,„und sehe daher die Deutschen mit anderenAugen, als meine Landsleute.“ Er bedauert,dass viele deutsche Studenten es währendihrer Zeit in Budapest nicht schaffen, Ungarischzu lernen, hat aber auch Verständnis.Es ist eine schwere Sprache, und denStudenten wird es leicht gemacht, ohne sieauszukommen. In der Universität und mitihren Kommilitonen sprechen sie Deutschund bleiben unter sich. Im Alltag, zum Beispielbeim Einkaufen, hilft notfalls Englischweiter. Wer kann es dem Kopf verübeln, dassWeitere Informationen unter:www.ungarnstudium.huwww.univet.hu/german/education/defaultdt.htmStudium der Tiermedizin: In Budapest begonnen, in Deutschland fortgesetzt.er neben lateinischen Begriffen keinen Platzmehr für Vokabeln hat?Claudia Eßmeyer und ihre deutschenKommilitonen wollen hier vor allem eins:Tiermedizin studieren. Trotzdem sitzen sienicht bloß ihre Zeit in Budapest ab; sie schließenFreundschaften und sammeln wertvolleAuslandserfahrung. Und der eine oder anderebleibt sogar noch hier, obwohl er einenPlatz in Deutschland bekommen hat.Eine Garantie, dass derQuereinstieg daheim möglichist, kann den Studentenohnehin niemand geben. DieSzent István Universität hatschon mehrfach versucht,eine feste Kooperation miteiner der fünf deutschenUniversitäten einzugehen,um wenigstens einer HandvollStudenten mit gutenLeistungen einen Platz zusichern. Im Bereich Humanmedizingibt es etwas in derArt bereits: Die SemmelweisUniversität, auch mit Sitz inBudapest, hat seit 2008 eine„Außenstelle“ in Hamburg,die Asklepios Medical School.Dort werden die Studentensogar nach ungarischem Studienplan unterrichtet.Für Tiermedizin konnte ein ähnlichesAbkommen jedoch noch nicht erreichtwerden.Gute Ausbildung kostetEs scheint, als wäre das Austauschsystemzwischen Ungarn und Deutschland eineWin-Win-Situation. Alle Parteien profitieren.Die Studenten bekommen ihr Traumstudium.Die deutschen Universitäten können diePlätze, die in den höheren Semestern durchAbbrüche frei werden, wieder neu besetzen.Die Anerkennung der in Ungarn erbrachtenLeistungen funktioniert reibungslos. Dazukommt die Tatsache, dass die Grundausbildungan der Szent István Universität sichsehen lassen kann. Aufgrund der geringenAnzahl an Studenten wird hier in kleinenGruppen unterrichtet, was zur Qualität derAusbildung beiträgt. Die deutschen Universitätenkönnen also generell sehr zufriedensein mit den Leistungen der Studenten, dieaus Budapest zu ihnen stoßen.Doch Qualität hat ihren Preis, und hierwird klar, was Ungarn von der ganzen Sachehat. Sowohl für das erwähnte Vorbereitungsjahr(insgesamt rund 7.500 Euro), als auchdas Studium selbst wird den Familien derStudenten ordentlich in die Tasche gegriffen.An der Szent István Universität belaufensich die Kosten pro Jahr auf stolze 10.980Euro. Das dürfte mit ein Grund sein, weshalbso viele Studenten nach Hause zurückkehren,sobald sich die Gelegenheit bietet.Vielfach wird auch kritisiert, dass sich dieKinder reicher Eltern das Studium in Ungarnschlicht „erkaufen“ könnten. Es zählenicht die Leistung, sondern der Inhalt desGeldbeutels. Dozent Balázs Gerics räumtzwar eine gewisse Selektion durch die Studiengebührenein, versichert aber: „Alleindas Geld hilft nicht!“ Durch das Auswahlverfahrenstellt die Universität sicher, dass dieStudenten das Fach aus den richtigen Gründengewählt haben. Und bestehen kann manes ohnehin nicht durch Geld, sondern alleindurch Fleiß.Kein Zuckerschlecken„Unsere Ausbildungsstruktur ist eher konservativoder traditionsbewusst – je nachdem,wie man es ausdrücken möchte – alsoeher verschult“, so Gerics. „Definitiv werdenunsere Studenten nicht sehr viel Zeit im Caféverbringen können. Bei uns gilt eine Anwesenheitspflicht,und die wird auch des Öfterenkontrolliert. Wer die Zügel locker lässt,hat Schwierigkeiten, den Stoff aufzuholen.“Dass die Studenten am Ende des Semestersalle Fächer bestanden haben, ist eher selten.Die Quote derer, die das schaffen, liegt nachSchätzung Gerics‘ bei 50 bis 60 Prozent. Alleanderen haben die Möglichkeit, die Prüfungenein Semester später nachzuholen.Wer also nicht die Leidenschaft zum Tierarztberufhat, wird das Arbeitspensum hierkaum schaffen. Mit den Kindheitsträumenhat das Tiermedizin-Studium in Budapestwenig zu tun; es ist harte Arbeit.Claudia Eßmeyer hat vor, sich durchzubeißen.▶▶Alice EchtermannAlice Echtermann (4)


11. – 17. Oktober 2013<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>F e u i l l e t o n9Fotoausstellung: „Erich Lessing: Budapest 1956“Ein e Geschichtsstunde in Schwarz-WeißEs war ein Ereignis, das sich tief ins kollektiveGedächtnis Ungarns eingebrannt hat:der Volksaufstand am 23. Oktober 1956.In knapp zwei Wochen jährt er sich zum57. Mal. Der österreichische Fotograf ErichLessing hat als Zeitzeuge das Jahr 1956mit seinen Bildern dokumentiert. Noch biszum 15. November sind seine Werke im ÖsterreichischenKulturforum Budapest ausgestellt.Betritt man den großzügigen Ausstellungsraum,fällt sofort die riesigeUngarn-Flagge zur Linken ins Auge.In ihrer Mitte klafft ein gezacktes Loch. Wersich in der Geschichte Ungarns etwas auskennt,weiß sofort, worum es geht: BeimVolksaufstand 1956 wurden die sowjetischenSymbole, Hammer und Sichel, aus den ungarischenFahnen herausgeschnitten. Befreiung,Revolution, Gewalt – der 1923 in Wiengeborene Fotograf Erich Lessing hat alles inSchwarz-Weiß festgehalten. Ein Gemälde,das ihn selbst im Jahr 2012 zeigt, hängt zurRechten des Eingangs. Es ist das einzige farbigeBild in dieser Ausstellung.Man geht am besten rechtsherum durchden Raum, dann entfaltet sich das Jahr1956 chronologisch, und man kann in denFotografien an den Wänden den Ablauf derAusstellung „Erich Lessing:Budapest 1956“02. Oktober bis 15. November 2013Osztrák Kulturális Fórum(Österreichisches Kulturforum Budapest)1068 Budapest, Benczúr utca 16 (VI. Bezirk)Geöffnet Montag bis Freitag 9-16 Uhr(Ausnahme: 11. Oktober nur bis 14 Uhr)Freier Eintrittwww.okfbudapest.huErich Lessing begleitete den Aufstand von ´56 mit seiner Kamera.Ereignisse fast wie in einem Geschichtsbuchlesen. Wir sehen den Jahresbeginn, Mai 1956:Prozessionen, Arbeiter in Fabriken, Gewerkschaftsvertreter.Ein Porträt von Mátyás Rákosi,dem stalinistischen Diktator der VolksrepublikUngarn, und die Stalin-Statue. Aufeinem späteren Bild vom 23. Oktober wirdman sie gestürzt sehen.Mit Bildern durch das JahrDie Fotografien zeigen die euphorischenTage vor der Revolution: Öffentliche Diskussionendes Petőfi-Kreises, Demonstrationen,das Verteilen der <strong>Zeitung</strong> Magyar Függetlenség(Ungarische Unabhängigkeit) in einerMenschenmenge. Unter den Bildern istauch ein Porträt des Reformers Imre Nagy,Ministerpräsident unter Parteichef Rákosivon 1953 bis 1955. Man sieht Menschen, dieBilder von Rákosi verbrennen und Löcher inFlaggen schneiden.Was dann am 23. Oktober 1956 geschah,ist Geschichte: Studenten demonstrierten inPhilipp Rank - philipprank.comBudapest für mehr Freiheit und die WiederernennungNagys zum Regierungschef;das Ganze wuchs sich zum Volksaufstandaus. Auf die Hoffnung folgte die Gewalt. DieFotografien zeigen getötete Soldaten desStaatssicherheitsdienstes ÁVH (ÁllamvédelmiHatóság) und die Panzer, mit denen dassowjetische Militär in den folgenden Tagenden Widerstand blutig niederschlug.Die letzten Bilder dokumentieren schließlichdie Zeit nach dem Volksaufstand, dieArmut und die zerstörten Gebäude. Es ist einharter, kalter Winter und Menschen wartenin langen Schlangen auf Lebensmittel. Einkleiner Junge trägt ein Stück Feuerholz undschaut mit großen Augen in die Kamera. SolcheBilder vergisst man nicht.Politisch und hautnah dabeiMenschen protestierten 1956 für die Wiedereinsetzung Nagys.xxxDie Fotoausstellung von Erich Lessing isteine Reportage über ein für Ungarn ungeheuerwichtiges Jahr und seine politischen Ereignisse.Die ästhetischen Schwarz-Weiß-Fotografienwirken sehr ernst. Teilweise zeigensie dramatische Szenen, teilweise stille Momente.Aber immer sind sie menschlich. Lessingwar mit seiner Kamera mitten im Zeitgeschehen.So verlässt man die Ausstellungmit dem Gefühl, die Ereignisse von 1956besser zu verstehen, wie nach einer guten Geschichtsstunde.Der Volksaufstand in Ungarn ist nureines der politischen Schlüsselereignisse,die Erich Lessing während seines Lebensfestgehalten hat. Als Sohn einer jüdischenFamilie emigrierte er 1939 nach Israel;seine Mutter starb in Auschwitz. 1951 warer eines der ersten Mitglieder der AgenturMagnum Photos und wurde unter anderemdurch seine Fotografien berühmter Politikerwie US-Präsident Eisenhower oderKonrad Adenauer bekannt. Am 27. August2013 erhielt der 90-Jährige das ÖsterreichischeEhrenkreuz als „einer der erfolgreichstenösterreichischen Fotografen der Nachkriegszeit.“▶▶Alice EchtermannErich Lessing - lessingimages.comDer Deutsche Wirtschaftsclub Budapest lädt ein zum3. DWC-OktoberfestSonnabend, 12. Oktober 2013, 17-23 UhrFestzelt auf dem Grundstück des Malteser Hilfsdienstes1011 Budapest, Bem rakpart 28 (bei Metro- und Bus-Station Battyány tér).Schirmherrschaft: Deutsche Botschaft BudapestNeben Original-Festtagsbier wird es eine gute Auswahl an bayerischen Spezialitäten geben.Für die musikalische Unterhaltung wird die Tiroler Oktoberfestkapelle „De Drei“ sorgen (18 bis 22 Uhr).Hauptsponsor des Abends:Eintritt: 9.500 (für DWC-Mitglieder und deren Angehörige) und 12.500 Ft.Auf Wunsch kann eine begrenzte Zahl an 8-Personen-Tischen reserviert werden.Im Preis enthalten ist ein unbegrenzter Verzehr der angebotenen Speisen und Getränke.Eindrücke vom 2. DWC- OktoberfestWeitere Informationen, Anmeldung und Tischreservierung bei DWC-Assistentin Henriette Balog unter:Tel.: +36-1-312-1123 oder mail@dwc.hu


10 F e u i l l e t o nStreetwear-Marke BP Clothing<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>11. – 17. Oktober 2013Von Freundschaft und FreshnessGründer mit glücklichem Gespür: Péter Jakab (l.) und Ákos Lenkey.Budapest hat mit der Streetwear-Marke “BP Clothing” und den dazugehörendenGeschäften, den “BP Shops” ein echtes Juwel in seinenGassen. Immer öfter kann man die Caps und T-Shirts des jungenModelabels in den Straßen sehen und auch Touristen sind auf denGeschmack gekommen – bei einem Budapest-Besuch ein Souveniraus dem BP Shop mitzunehmen. Mit einfachen, vokalerleichtertenAufschriften wie „BUDA FCKN PEST“ oder „BDPST“ und günstigenPreisen zieht “BP Clothing” vor allem junge Menschen an.Die Geschichte von “BP Clothing”ist eng verbundenmit der Geschichte des BesitzersÁkos Lenkey und des ChefdesignersPéter Jakab. Beide gingengemeinsam im südlich von Budapestgelegenen Dunaújvároszur Schule, machten den Schulabschlussund zogen danach gemeinsamin die Hauptstadt, umDesign zu studieren. Nach demStudium gründeten sie ihr erstesUnternehmen, dieses hielt sichallerdings nicht lange und deswegengingen die beiden eine Zeitlang getrennte Wege. WährendÁkos Lenkey in seiner Heimatstadtein Geschäft für Streetweareröffnete, versuchte sich Péter Jakobals Sänger und zog mit seinerBand „Jazzékiel“ durch die Clubsder Stadt. Irgendwann entwickelteÁkos Lenkey ein Baseballcapmit den Buchstaben „BP“ – eineHommage an das Logo der bekanntenBaseballmannschaftder New York Yankees. Die <strong>Budapester</strong>Version verbreitete sichim Freundeskreis rasend schnell,so beschloss Lenkey ein Geschäftdaraus zu machen - mit Onlineshopund gemeinsam mit seinemalten Freund Péter. 2011 eröffneteder erste BP Shop in der Wesselényiutca im IX. Bezirk, undmittlerweile gibt es noch einenShop im Einkaufszentrum Westendund einen im Árkád Pláza.Betritt man den Shop, merkt manschnell, dass die Marke eng mitdem Hip-Hop verbunden ist. Derdumpfe Bass der Beats drähntzwischen Regalen mit zahllosenBaseballcaps, T-Shirts und Hoodies.Durch Kontakte in der <strong>Budapester</strong>Hip-Hop Szene wurden diebesten Rapper der Stadt wie beispielsweiseMC Columbo und MCKemon der Reggae-DancechallCombo „Irie Maffia“ schnell zuWerbeträgern der Marke.Wu-Tang Clan in UngarnDoch “BP Clothing” auf Kleidungzu beschränken, wäre eingroßer Fehler. Denn eigentlichbildet das Team rundum die beiden Chefs einLifestyle-Unternehmenauf hohem Niveau. “BP Clothing”holte internationale Hochkaräterwie den „Wu-Tang Clan“ oder „SeanKingston“ auf ungarische Festivals,veranstaltet Sneaker-Flohmärkteund hat Kooperationen mit zahlreicheninternationalen Topmarkenwie „Starter“ oder „Strongbow“.Streetwear für Szenekenner und Modeliebhaber.Es wird deutlich, dass die beidenFreunde aus Schultagen auf dierichtige Karte gesetzt haben. ÁkosLenkey kann kaum still halten:„Wir machen immer etwas Neues,wir arbeiten hart,denn wirdürfen nichtstehen bleiben – wirmüssen uns immer weiterentwickeln.“Für die Zukunft gibt esschon jetzt verschiedene Pläne, sowird bald ein neuer Shop eröffnet,diesmal nur für Frauenmode. Außerdemwird es bald auch Sneakersvon BP Clothing geben, damit manmöglichst „fresh“ durch die Straßender Hauptstadt ziehen kann.Philipp Faßbender▶▶BZT / Philipp Faßbender (3)


11. – 17. Oktober 2013<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>F e u i l l e t o n11Interview mit dem Generaldirektor der Ungarischen Staatsoper, Szilveszter ÓkovácsNeu e Töne auf der Bühne der MusikAufgrund des baufälligen Zustandes2007 geschlossen, vor zwei Jahren fürabrissreif erklärt, im vergangenen Dezemberrenoviert und nun kurz vor derNeueröffnung: Das Erkel Theater im VIII.Bezirk, mit seiner hundertjährigen Tradition,ergänzt nach einem kurzen Probelaufim Frühling nun in dieser Saisondie großen musikalischen SpielstättenBudapests. Die Budapest Times sprach mitdem Generaldirektor der UngarischenStaatsoper und des Erkel Theaters, SzilveszterÓkovács, über seine Pläne für diezwei Institutionen.• Wenn die Menschen an die UngarischeStaatsoper denken, dann kommt ihnen meistdas Gebäude in der Andrássy út in den Sinn.Aber das wird sich ändern, wenn das ErkelTheater am 7. November neu eröffnet. Wielaufen die Vorbereitungen?Wir liegen gut in der Zeit. Die ersten Aufführungenwerden schon im Oktober stattfinden,mit einer interessanten Produktionvon Zoltán Kodálys „Háry János“, unter derRegie von Attila Vidnyánszky, dem neuenIntendanten des Nationaltheaters. UnserPremieren-Publikum wird aus knapp 3.000Schülern und Studenten bestehen, da wirvermehrt die jüngeren Generationen in unserHaus locken wollen. Die offizielle großeEröffnung wird Anfang November sein.Es ist in anderen Ländern, zum Beispielin Österreich oder Großbritannien, völligSzilvester Ókovács: „Mit Vollgas durchstarten.“normal, eine musikalische Spielstätte zuhaben, an der hauptsächlich landeseigeneStücke aufgeführt werden. Wir klammernuns in unseren Produktionen nicht an dieungarische Sprache, aber wir finden es sehrwichtig, unsere Zuschauer mit dem nationalenRepertoire vertraut zu machen. Dasist die Mission des Erkel Theaters.• Werden die Spielstätte an der Andrássyút und das Erkel Theater in Bezug auf dieZuschauer und das Programm aufeinanderabgestimmt sein?Es wird eine Mischung sein. Die UngarischeStaatsoper ist ein Ort, an dem wirunserem Publikum die großen Klassikerpräsentieren, zusammen mit neuen Produktionen,die etwas für Kenner sind.Beispielsweise werden wir in der Saison2014/15 „The Rake’s Progress“ (Der Werdegangeines Wüstlings, Anm.) von Stravinskyneu in den Spielplan aufnehmen.Das Erkel Theater hat auch ein klassischesRepertoire: „Aida“ zum Beispiel, „Don Carlos“,„Don Giovanni“ – alles Stücke, die bereitsin unserer ersten Saison im Frühlingsehr erfolgreich waren. Außerdem planenwir die Aufnahme des Stückes „CavalleriaRusticana“. Das Erkel Theater ist etwaspreisgünstiger und daher erschwinglicherfür das ungarische Publikum – sogar fürMenschen vom Land, die sich die Preise desOpernhauses eigentlich nicht leisten können.Sie wollen natürlich die großen Klassikersehen, etwas Unterhaltsames, aber zurselben Zeit wollen wir ihnen auch unserespezielleren Stücke näherbringen. Die großeEröffnung wird daher einen großen Klassikerund auch Neues beinhalten: Bartóks„Bluebeard Castle“ und János Vajdas „Mario“,inspiriert von Thomas Manns Roman„Mario und der Zauberer“.• Wie lief der Probelauf im Frühling?Er war extrem erfolgreich und hat sogarunsere Erwartungen übertroffen. 103.000Menschen haben Tickets für unsere 72 Produktionengekauft. Der April war unserbester Monat; das Haus war zu 94 Prozentausgebucht (das Erkel Theater hat eineminimale Kapazität von 1.900 Sitzen, womites das größte in Zentraleuropa ist). Ichdenke, das liegt vor allem an den nostalgischenGefühlen, die das Erkel Theater beiden Menschen weckt. Es war für Jahrzehnteein überaus beliebtes Theater. Wir sindsehr zufrieden mit diesen Zahlen, aber wirmüssen uns bewusst sein, dasswir auch Wege finden müssen,um das Publikum dauerhaft anuns zu binden. Wir müssen stetsneue Musik im Repertoire haben,sodass wir attraktiv für wiederkehrendeBesucher bleiben. DasErkel Theater befindet sich nochin der Renovierung, aber es wirdetwas Neues sein, beinahe wieein gutes Kino, etwas, das für dieälteren Generationen genausozufriedenstellend ist, wie für diejüngeren.• Was meinen Sie mit „eingutes Kino“?Die Betonung liegt auf der Atmosphäre.Der Veranstaltungsortsollte komfortabel sein. Die Atmosphäre,die Farben, die bequemenSitze – das alles wird einem Multiplex-Kinoähneln, das sehr komfortabelund gemütlich ist, in dem man sichzurücklehnen und die gute Akustik genießenkann. Daran denken wir beim verjüngtenErkel Theater.• Tickets für die Aufführungen im ErkelTheater sind sehr preisgünstig.Wir sind im Frühling mit einem Minimumvon 300 Forint gestartet, werden dieses abernun auf 500 Forint anheben. Das Maximumliegt bei 3.500 Forint. 500 Forint ist der Preisfür eine Tasse Kaffee auf der Andrássy út.Das ist für Ungarn sehr erschwinglich, ebensowie für junge Menschen, Schüler undStudenten. Aber in der ersten Saison desErkel Theaters wird das Augenmerk nichtso sehr auf die Einnahmen gelegt, sondernmehr auf die Besucherzahlen. Wir möchtenunser Publikum vergrößern, und wir möchtendie Menschen überzeugen, dass Oper,Ballett und Musiktheater etwas ist, was einenAbendbesuch und den Preis einer TasseKaffee wert ist.Zeitlose Klassiker und neue Stücke stehen im Erkel Theater auf dem Spielplan.• Wie sind die finanziellen Strukturenhinter alledem?Es ist wichtig, zu verstehen, dass die UngarischeStaatsoper die Mutterinstitutionist, und die einzige Institution in Ungarn,die sich vollständig der Oper und dem Ballettverschrieben hat. Aber wir könnenuns nicht leisten, das Erkel Theater alsLow-Budget-Projekt zu behandeln – wirmüssen Geld hineinstecken. Neben denEinnahmen durch Ticketverkäufe, erhältdie Ungarische Staatsoper derzeit von derRegierung eine jährliche Unterstützung vonsechs Milliarden Forint. Eine ausreichendeUnterstützung für beide Institutionen solltebei ungefähr 9,6 Milliarden Forint liegen.Für das Erkel Theater wäre eine Summevon 3,6 Milliarden ideal, zurzeit bekommenwir jedoch nur die Hälfte davon. Die Verhandlungendauern noch an. Ich würde dieRegierung gern davon überzeugen, dass wirRückhalt für das gesunde Tagesgeschäft desErkel Theaters brauchen. Wir haben neueMitarbeiter für das Erkel Theater angestellt.Wir sprechen da über 290 Menschen, inklusivetechnischem Personal, Bühnenarbeiter,Chor, Ballett und Mitgliedern des Orchesters,außer Solokünstlern. Und das ist nurder Teil der Mitarbeiter, die wir unbedingtbrauchen. Wir können keine Superstars aufwöchentlicher Basis anheuern, aber manchmalbrauchen wir sie für symbolische Rollen,um das Publikum anzulocken.• Welche Initiativen ergreifen Sie, um dieAnziehungskraft der Oper zu vergrößern?Haben Sie ein spezielles Publikum im Auge?Alter, sozialer Hintergrund, Ausländer versusUngarn?Das ist ein interessantes Dilemma. Esergibt keinen Sinn, uns auf eine bestimmteGeneration als Zielgruppe festzulegen. Wirsind eine symbolische kulturelle Institution,also müssen wir alle Menschen erreichen.Was die Ausländer betrifft, ist das etwas anders.Wir fokussieren uns auf Intellektuellein hohen Positionen. Die Partytouristen, dieübers Wochenende nach Budapest kommen,sind nicht wirklich unsere Zielgruppe. Wirmöchten nicht, dass die Sitze im ersten Anlaufleer bleiben. Wir hätten gern Menschen,die sich wirklich für unsere Produktioneninteressieren, und das ist der Grund, weshalbwir auch anspruchsvollere Produktionenin unseren Spielplan aufnehmen. EinBeispiel ist unser Richard Strauss Festivalim kommenden Frühling. Als internationalesFestival wird es ein Experiment sein,das zeigt, ob die Ungarische Staatsoper Intellektuelleund Musik- und Opernliebhaberaus der ganzen Welt in unser Haus lockenkann. Doch zurück zu Ungarn: Wir möchtenein Augenmerk wie gesagt auf die jüngerenGenerationen legen. Wir haben gerade einStudententicket eingeführt, das 300 Forintkostet und für zehn Prozent der Sitze in derUngarischen Staatsoper gültig ist.• Sie sind nun seit Januar Generaldirektorder Oper. Was planen Sie für die nächsten Jahre?Ich wurde für fünf Jahre ernannt, aber wirsprechen de facto über sieben Jahre, da ichbereits vorher die Position des Regierungsbeauftragtenfür die Staatsoper inne hatte.Meine Vision für die Ungarische Staatsoperist, dass sie am Ende meiner Amtszeit wieneugeboren ist, in ihrer Infrastruktur undim Spielplan. Im Moment arbeite ich an Plänenfür ein neues Probenzentrum mit einerkompletten Bühne, Einrichtungen für dasOrchester, einer Garderobe, Bühnen- undKostümabteilung – also beinahe ein zweiterSpielort, aber nicht für die Öffentlichkeit.Wir müssen das Opernhaus selbst renovieren.Gerüchte über Schließung des Hausesfür die Renovierung sind nicht wahr, da diesewährend der Sommerpause stattfindenwird. Das erfordert eine Menge Arbeit undBudget. Der Spielplan selbst ist auch einegroße Herausforderung. Um die Denkweiseund die Einstellung der Ungarischen Operzu erneuern, ändern wir mindestens 50 Prozentunseres aktuellen Repertoires. Das bedeutet,wir haben acht bis zehn Premierenjedes Jahr, kleine und große. Wir wissen,dass es an der Ungarischen Staatsoper eineNachfrage nach großen Klassikern gibt,nach großen Geschichten, aber wir würdengern auch das skandinavische oder deutscheModell aufgreifen, wo man immer etwasFrisches in den Stücken findet. Ende 2017möchten wir unseren neuen Spielplan unddie neue Infrastruktur, sowie das renovierteOpernhaus sehen. Und das Erkel Theater,wie es mit Vollgas durchstartet.▶▶Bénédicte Williams


12 B u d a p e s t<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>11. – 17. Oktober 2013KompaktHauptstadtlauf:Budapest-Marathon am SonntagAm Sonntag werden beim 28. SPAR BudapestMarathon insgesamt 19.000 Teilnehmererwartet. Alleine 4.300 Läufer werden dievolle Marathon-Distanz in Angriff nehmen.Die Strecke führt die Teilnehmer an denschönsten Orten der Stadt, neben den berühmtenGebäuden wie dem Opernhausoder dem Parlament vorbei. Die Teilnehmerlaufen auf den beiden Seiten der Stadt amUfer der Donau entlang.Bildungspolitik:MKE zahlungsunfähigWie Artportal.hu berichtete, wandte sichdie Universität für Bildende Kunst (MKE) amvergangenen Freitag mit einem Brief an ihreMitarbeiter, um anzukündigen, dass aufgrundvon fehlenden staatlichen Subven tionendie Oktobergehälter noch nicht gezahltwerden können und die Angestellten nur einenAbschlag von 50.000 Ft erhalten. Lautder Budgetplanung der Regierung für 2014erhält die Ungarische Akademie der Künste(MMA) mehr als zwei Mrd. Forint mehr als imVorjahr - für Artportal.hu ein Hinweis, dassdie MKE unter die Kontrolle der MMA geratenund so gerettet werden könnte.Naziaufmarsch:Jobbik und Garde im XXIII. BezirkDen Mord an einer jungen Mutter währenddes Joggens zum Anlass nehmend zogenetwa 400 Anhänger der rechtsradikalenJobbik-Partei und der verbotenen UngarischenGarde durch den Stadtteil Soroksár,wo der Mord verübt worden war. Für dieRechtsextremen ist klar, dass der Täter einRoma war. Der Innenminister mache nur leereVersprechen, daher gehöre endlich dieUngarische Garde legalisiert, um Ordnung zuschaffen, sagte Parteichef Gábor Vona.NEUES VOMFranz-Liszt-FlughafenAusgezeichnet 2:ERA-Award für BudapestDie European Region Airlines Asso ci a-tion (ERA) hat vergangenen Freitag inSalzburg die Gewinner ihrer diesjährigenBran chenpreise vorgestellt. Der „ERARegional Achievement Award“ wurde dabeian den Flughafen Budapest verliehen. Derungarische Airport habe es geschafft, nachdem Wegfall des Homecarriers Malév innerhalbeines Jahres wieder ein neuesNetz werk aufzubauen, hieß es zur Be gründung.Außerdem seien Passagierserviceund Pünktlichkeit verbessert worden.Ausgezeichnet 3:ACI-Award für BudapestNoch vor dem ERA-Preis hatte derBuda pester Flughafen vom Airports CouncilInternational (ACI) Ende September auf einemForum in Mailand den ersten Preis inder Kategorie „Beste Qualitätsprüfung“ erhalten.Dabei wurde bereits zum zweitenMal in Folge die professionelle Abwicklungder Erhebung der Kundenzufriedenheit honoriert.In deren Rahmen wurden quartalsweiseunter der Aufsicht des ACI Passagieremit einem Fragebogen u.a. zu Themen wieSicherheit, Höflichkeit und Sauberkeit am<strong>Budapester</strong> Flughafen befragt.Museumsviertel: Pläne bekannt gegebenGeb allte Kulturver sus ÖkologieIm Juli beschloss die Regierung die Errichtungeines sogenannten Museumsviertelsim Stadtwäldchen: Die NeueNationalgalerie, das Ludwig Museum,das Ungarische Volkskundemuseum,das Haus der Ungarischen Musik, dasUngarische Fotografiemuseum und dasUngarische Architekturmuseum sollendort geballt eine neue Heimat finden.Vorvergangenen Donnerstag wurdendie besten zwölf Vorschläge für die Platzierungder Gebäude präsentiert, die indie finale Umsetzung einfließen sollen.Mal wieder handelt es sich um einMegaprojekt der ungarischen Regierung,das angeblich „im Dienste der Gesellschaft,der Kultur und des Tourismus“durchgeführt wird, wie der Tenor der offiziellenErklärungen lautet. Auch derverantwortliche Regierungsbeauftragte,László Baán betonte bei der Verkündungder Ausschreibungsergebnisse, dass hierein „komplexes Familien-Freizeitzentrumentstehen wird, das in Europa einzigartigist.“ Doch es könnte leicht wieder passieren,dass die Verantwortlichen zu viel aufeinmal wollen: Neben dem Umzug dergenannten Museen sollen im Rahmendes großen „Liget Budapest“ („Park Budapest“)-Projektesim Stadtpark laut denprämierten Plänen auch noch der Zoo,das Verkehrsmuseum und der See erweitertsowie ein Wissenszentrum für Kinderund ein neues Zirkusgebäude inklusiveeigener Tiefgarage errichtet werden. Undall das natürlich unter Berücksichtigungaller ökologischen Aspekte. Baán erinnertedenn auch an den Regierungsbeschluss,der eine „biologische Aktivierungdes Parks“, also eine Erweiterung derGrünflächen als Ergebnis der Bauarbeitenvorsieht. Es ist also scheinbar nur derübliche Größenwahn, wie man ihn schonbeim „Trauminsel“-Projekt oder beim„Walfisch“-Gebäude am Donauufer, daszwar mittlerweile fertig gestellt, aber immernoch nicht komplett vermietet wurde,beobachten konnte (die <strong>Budapester</strong><strong>Zeitung</strong> berichtete über beide).Bei der aus Museumsvertretern undden Architekten öffentlicher Institutionenbestehenden Jury waren bis AnfangSeptember insgesamt 47 Bewerbungeneingegangen, die Ideen für die Platzierungder Gebäude im Park lieferten; nunwurden die 12 besten davon im Museumder Schönen Künste bekannt gegeben.Darunter befinden sich Entwürfe der Philaemon2003 Kft., Triskell ÉpülettervezőKft., Kollektív Műterem Kft. oder ÁdámPásztor. Das Museum der Schönen Künsteselbst hatte die Ausschreibung gestartetund ehrte die Arbeiten mit insgesamtrund 20 Mio. Forint, gestaffelt verteiltauf die aus drei Bewerbern bestehendeSiegergruppe (je 3 Mio. Forint), diedrei Zweitplatzierten (je 2 Mio. Forint),drei herausgehobene Arbeiten (je 1Mio. Forint) und drei Einzelarbeiten (je500.000 Forint). Mit inbegriffen ist auchdas Exklusivrecht des Museums auf diePläne.Finanzierung weitgehenddurch EU-GelderDas neue Herzstück im Városliget: Wo jetzt noch ein Parkplatz und ein Denkmalstehen, sollen demnächst Grünflächen zum Verweilen einladen.Das „Liget Budapest“-Projekt sieht einekomplexe Umgestaltung des über 200Jahre alten Stadtparks vor, die von 2014bis 2020 durchgeführt werden soll. Ende2013 soll die endgültige Ausschreibungder Baupläne beginnen, nachdem mit deraktuellen Ausschreibung erste Ideen fürdie richtige Platzierung der Gebäude gesammeltwurden: So sollen etwa laut denPlänen der Philaemon 2003 Kft. das Fotografie-sowie das Architekturmuseum amsüdöstlichen Rand des Parks neben demneugestalteten 56er-Platz und das Volkskundemuseumam nordwestlichen Randunweit des Szechényi-Bades ihren Sitzhaben. Zur Finanzierung des Liget-Projektes,dessen Kosten vergangene Wochenoch nicht einmal ungefähr beziffert wurden,sollen mit dem ab 2014 beginnendenneuen Budgetzyklus der EuropäischenUnion vor allem Gelder aus Brüssel beitragen.An dieser Stelle muss erwähnt werden,dass neben beziehungsweise wegen denPlänen zur Weiterentwicklung des Stadtparkses dort auch „Opfer“ geben wird:Etwa wird das Bierzelt nahe dem Széchényi-Badgeschlossen, auf den Siegerplänenhat auch die beliebte „PeCsa“ (kurzfür „Petőfi Csarnok“, die Petőfi-KonzertundVeranstaltungshalle) keine Erwähnungmehr gefunden. Die Planer werdensich neben entsprechenden Protestenauch Fragen gefallen lassen müssen, obeine dermaßen hohe Konzentration anMuseen an einem einzigen Ort – auch ausSicht der erschöpften Besucher – finanziellSinn macht, und ob der Park eine solchgeballte Ladung an Kultur ökologischüberhaupt verkraften kann.▶▶DanielHirschBudapest Retro– Die Erzsébet BrückeDie Erzsébet Brücke ist die drittjüngsteBrücke Budapests. Sieist nach Elisabeth von Bayern (Sissi)benannt, einer beliebten Königin undKaiserin von Österreich-Ungarn, die1898 ermordet wurde. Die ursprünglichedauerhafte Überführung, einedekorative Hängebrücke, wurde zwischen1897 und 1903 erbaut, inmitteneines Korruptionsskandals, und vor110 Jahren, am 16. Oktober, eröffnet.Das Budaer Ende der Erzsébet Brückeführt direkt in den massiven Fuß desGellértberges, was ein kompliziertesArrangement der Straßen erforderte,um die Brücke anzubinden. Das Designder Brücke begründete ein wohlhabenderEdelmann, ein Mitglied desStadtrats, dem der entsprechende Bereichdes Flussufers gehörte. Er wollteein Vermögen machen, indem er dasStück Land für die Brückenbau-Vorhabenverkaufte und bestach damitdie anderen Ratsmitglieder und Ingenieure.Es gelang ihm, das Land zuweit überhöhten Preisen zu verkaufen.Die ursprüngliche Erzsébet Brückewurde, wie viele andere Brückenim Land, am Ende des Zweiten Weltkriegesvon sich zurückziehendenWehrmachtspionieren gesprengt. Diesist die einzige Brücke in Budapest, dienicht in ihrer ursprünglichen Formwiederhergestellt werden konnte. DieBrückenbeleuchtung wurde von demrenommierten japanischen LichtdesignerMotoko Ishii kreiert, und Japansteuerte 120 Millionen Forint zu denGesamtkosten in Höhe von 270 MillionenForint bei. Die neue Beleuchtungwurde 2009 fertiggestellt, was gleichzeitigden 140. Jahrestag der Aufnahmediplomatischer Beziehungenzwischen der Österreichisch-UngarischenMonarchie und Japan darstellte– und den 50. Jahrestag der Wiederaufnahmediplomatischer Kontaktezwischen Japan und Ungarn.


11. – 17. Oktober 2013<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>B u d a p e s t13Simon’s Flat: Restaurant und GalerieEin e Oase der Kunst und HausmannskostWenn man vom Wiener Tor auf dem Burgberg kommend gleichrechterhand auf der Nándor utca in Richtung Hausnummer 4schlendert, kommt man an ein nicht sehr auffällig aussehendesEckgebäude. Diejenigen, die im Voraus eine Reservierungfür ein Mittag- oder Abendessen getätigt haben, werden hierjedoch von Gréta Simon in einer Welt aus Kunst und Hausmannskostwillkommen geheißen, die sich auf der ersten Etagebefindet.Obwohl Simon’s Flat(„Simons Wohnung“)erst vor drei Wocheneröffnet wurde, ist das Lokalgleich in mehrfacher Hinsichteinzigartig. Das Konzept-Restaurantkombiniert Kunstausstellungenvon ortsansässigenKünstlern und Bildhauern miterstklassiger Hausmannskostund bietet dabei jede Menge fürjemanden, der gutes Essen undschöne Künste gleichermaßenzu schätzen weiß.Doch es ist nicht nur die Zusammenführungvon Kunst undGastronomie, die Simon’s Flatherausstechen lässt: Seine einmaligeLage in Simons eigenenvier Wänden sorgt für eine kulinarischeErfahrung mit persönlichemTouch. Simon’s Flatträgt zwar den Titel „Restaurant“,doch die Atmosphäre hateher etwas vom gemütlichenAbendessen bei Freunden undbietet dadurch Abwechslungvon den üblichen Lokalen, vondenen das Burgviertel übersätist.Der Duft einer Wild-Suppeweht aus der kleinen Küche,die sich direkt neben der Eingangstürbefindet. Die Gästewerden in das geräumige undnur wenig möblierte Esszimmergeführt. Eine Reihe abstrakterGemälde des zeitgenössischenungarischen Künstlers TamásLukács schmücken hier derzeitdie Wände. Durch die Fenstereröffnet sich ein Blick auf denKapisztrán tér und den Turmder ehemaligen Maria MagdalenaKirche.Eine Flasche ungarischenWeins wird serviert – und dasFest beginnt. Die folgendenfünf Gänge, bestehend aus einerVorspeise oder einem Salat,Suppe, Hauptgang, Dessert undKäsegang (ganz zu schweigenvon der gesunden Menge Weininklusive) entlassen Gäste mithoher Wahrscheinlichkeit sattund zufrieden. Ein à la carte-Menügibt es hier zwar nicht,doch Vegetarier und Allergikerkönnen auch auf ihre Bedürfnissezugeschnittene Gerichteverlangen.Rezepteaus der FamilieSimons kulinarischer Fokusliegt auf der traditionellen ungarischenKüche, die jedochmit einer persönlichen Notezubereitet ist. „Ich habe Leutegetroffen, die ungarische Restaurantsmit einemschlechten Eindruckvon der Küche Ungarnsverließen. Alsowollte ich ihnen zeigen,wie gute Hausmannskostschmeckt“,erzählt sie der <strong>Budapester</strong><strong>Zeitung</strong>.Die Gerichte bestehenhauptsächlich ausEssen wie bei Freunden: Simon`s Flat ist ein wenig Zuhause auf Zeit.regionalen und saisonalen Zutaten,die bei ausgesuchten Verkäufernin der Großen Markthallehandverlesen gekauftwerden. So bietet sich ein fixesMenü, das je nach Saison undtäglicher Inspiration wechselt.Bei unserem Besuch servierteSimon eine vorzüglich gewürzte,aromatische Fasanensuppe..„Selbst gejagt“, gibt sie sich alsJägerin zu erkennen. DaraufInhaberin Gréta Simon zusammenmit Tochter Réka.folgt eine Schweinshaxe mitKartoffeln und einer seltsam-leckerenZucchini-Marmelade,die von Zitrone und Basilikumakzentuiert wird. Abschließendbilden Vanille-Pflaumen-Pfannkuchendas Dessert. „Ich habeviele meiner Rezepte von meinerGroßmutter und Muttergelernt, aber ich bin auch vielgereist und habe in verschiedenenLändern Köchen über dieSchulter geschaut“, berichtetSimon und deutet die internationalePerspektive ihres Projektesan. „Viele meiner Gäste sindTouristen aus dem Ausland, diesich für die ungarische Kücheinteressieren. Doch meine Türsteht allen offen.“Konversation, Essen,Wein und KunstDie Atmosphäre in Simon’sFlat mit ihren maximal zwölfSitzplätzen ist einladend. SeineGröße verleiht dem hausgeführtenRestaurant mit Galerie einengewissen intimen Charme.Die Hausherrin ist mehr alseine Köchin und eine Bedienung:Sie plaudert mit ihrenGästen und behandelt sie wieFreunde, die gerade bei ihr zuBesuch sind, statt mit ihneneinfach nur umzugehen wie mitzahlenden Restaurant-Kunden.Das Ambiente macht esauch möglich, die Konversationspielend zwischen Essen, Wein,Kunst und den Freuden des Lebenswechseln zu lassen. DasEssen ist gediegen und lässtviel von der Kochleidenschaftder Inhaberin durchblicken.▶▶Jennifer WalkerSimon’s FlatRestaurant und GalerieÖffnungszeiten:Öffnet für MittagundAbendessen. Datumund Uhrzeit müssenbei der Reservierungangegeben werden(das Restaurant öffnetnur bei Reservierungen)Tel. +36 70 / 391-4918Budapest I, Nándor utca 4Mittagstisch:Montag – Freitag12:00 bis 15:00 UhrPreise:Fixes Menü: 60 EUR (fünf Gänge inklusiveWein). Bezahlung in Forintoder US-Dollar. Rabatt für Kinder.V. Zoltán u. 16(am Szabadság tér)Reservierung:+36 1 331 4352Arany Kaviar RestaurantMittags traditionales Russisches Bistro:5.900 Ft (20 EUR) – 3-Gänge-Menü mit1 Glas (1dl) Wein, Mineralwasser und Kaffee!Jeden Tag von 12 bis 15 Uhr!...then call Rob on 06-30-552-0840or visit www.primecuts.hu1015 Budapest, Ostrom u. 19Jeden Tag geöffnet: 12-15 Uhr, 18-24 UhrTel.: (+36 1) 201 6737reservation@aranykaviar.huwww.aranykaviar.hu


14 B u d a p e s tKultur &BildungGoethe-InstitutIX. Ráday utca 58Tel.: +36 1 374 4070, Leiterin: Jutta GehrigE-Mail: info@budapest.goethe.orgwww.goethe.de/budapestNoch bis 30. Oktober: Das Goethe Institut präsentiertdie Ausstellung „Mein Grimm-Märchen“ zumlandesweiten Illustrationswettbewerb für Kinderzwischen 6 und 12 Jahren.Österreichisches KulturforumVI. Ben czúr utca 16,Tel.: +36 1 413 3590,E-Mail: budapest-kf@bmeia.gv.at,www.okfbudapest.hu,Leiterin: BACHFISCHER, Susanne Mag.Dr.iurKonrad-Adenauer-StiftungI. Batt hyány utca 49Tel: +36 1 487 5010E-Mail: info.budapest@kas.de,www.kas.de/ungarnLeiter: Frank Spengler17. Oktober, 10 Uhr (ganztägig): Deutsche undUngarn – Brückenbauer der Europäischen Einigung:Symposium in Szekszárd. Anmeldeschluss ist der10. Oktober: info.budapest@kas.deHaus der UngarndeutschenVI. Lendvay u. 22www.hdu.hu11. Oktober, 18 Uhr: Enkelgeneration: Dokumentarfilmüber deutsche Minderheiten in Ungarn.Die Interviewfilme richten sich an Angehörige derdeutschen Minderheit und an alle, die Interesse anMinderheitenfragen haben. Durch die Einbettung derBeiträge in das Projekt „Schaufenster Enkelgeneration“sind auch internationale Vergleiche möglich.Marianna Massage<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>Ein kurzer, unanständiger Leitfaden für MieterHilfe im AlltagDer <strong>Budapester</strong> Wohnungsdschungel birgt einige Risiken.Für einen Neuankömmling in Budapestist es eine echte Herausforderung, einApartment zum richtigen Preis und denrichtigen Konditionen zu finden, und vorallem mit einem Vermieter, der die Bedingungendes Mietvertrages, den Sieunterschreiben, auch einhält später.Es gibt viele Makler, Managementfirmenund sogar Immobilieninserateenglischsprachiger Besitzer fürExpats. Außerdem wächst die Anzahl vonFacebook-Gruppen für Budapest, in denenBesitzer und Unternehmen gleichermaßenihre Ware anbieten. Der Zugang zumMarkt ist also kein Problem.outcall and incallVerschiedene Quellen für die Suche desneuen Zuhauses zu verwenden kann denProzess verkomplizieren, aber gleichermaßenkann es auch nützlich sein, wenn manbereit ist, Preise zu vergleichen. Wer privatdirekt vom Besitzer mietet, schlägt oft dasMeiste aus seinem Budget heraus.Natürlich gibt es auch Fallen. Das Internetkann Ihnen zeigen, was ein fairerMarktpreis ist, aber es ist wichtig zu wissen,dass die meisten online genannten Monatsmietensich auf die Bezahlung in barbeziehen. Wenn Sie eine Quittung verlangen,oder sogar erklären, Ihren Mietvertragim Einwanderungsbüro für Ihre permanenteAufenthaltsgenehmigung vorzeigen11. – 17. Oktober 2013zu müssen, könnte es passieren, dass Sievon einer plötzlichen Preissteigerung vonbis zu 40 Prozent überrascht werden. Mieteinnahmensind in Ungarn steuerpflichtig,und wenn Ihr Vermieter eine Barzahlungwünscht, oder nicht allzu begeistert davonwirkt, dass Sie sich in seinem Haus registrierenlassen wollen, können Sie mit Sicherheitdavon ausgehen, dass er etwas vorseinem Steuerberater verheimlicht.Wenn Sie schließlich einen Deal zu einemfür Sie zufriedenstellenden Preis ausgehandelthaben, und der Vermieter ihrer Registrierungmit dieser Adresse zugestimmthat, dann gibt es immer noch einige wichtigeDinge bezüglich der Einwanderungzu erledigen. Ein klassisches Beispiel: DasEinwanderungsbüro könnte von Ihnenverlangen, anhand eines Dokumentes desKatasteramtes (tulajdonilap) zu beweisen,dass Ihr Vermieter tatsächlich der Besitzerist, und nicht vielleicht nur einer von vielenBesitzern, von denen jeder das Recht habenkönnte, Sie auf die Straße zu setzen, weiler den Vertrag mit Ihnen nicht unterschriebenhat. Ein weiteres Beispiel ist, dass dasApartment noch nicht in der staatlichenGrundbesitz-Datenbank registriert wurde –eine gesetzliche Voraussetzung, damit einePerson an dieser Adresse gemeldet werdendarf. Das ist typisch für neu erbaute Immobilien.Ein einfacher Weg, dies zu testen,ist, den Vermieter zu fragen, ob jemandeine Adressenkarte (lakcímkártya) für diesesApartment hat, und wenn ja, ob Sie eineKopie sehen dürfen.In der nächsten Fortsetzung schauen wiruns die Schlüsselklauseln im Mietvertragan, auf die Sie stets achten sollten, und zeigenIhnen, welche Berechtigungen Sie haben,wenn der Vermieter nicht das tut, wasvereinbart wurde.▶▶Stuart McAlisterStuart McAlister ist Besitzer und Managervon Inter Relocation und kann unterdieser E-Mail-Adresse erreicht werden:info@interrelo.comInternational Womens’ Clubwww.iwcbudapest.hu15. Oktober, 11:30 bis 14 Uhr: Der IWC lädt zurKüchenparty mit dem Koch des Marriott Hotels:Gastro-Interessierte dürfen bei der Vorbereitungvon Vorspeise und Hauptgericht assistieren. Dieanschließende Verkostung findet bei einem Glas Sektstatt. 3.500 Forint für IWC-Mitglieder, 4.000 Forintfür Nicht-Mitglieder. Erfrischungsgetränke sind imPreis enthalten. Anmeldung bis zum 13. Oktoberunter iwchair@gmail.com Ort: Budapest MarriottHotel, V. Apaczai Csere Janos utca 4.Lions Club Thomas MannXII. Cinege út 8/CE-mail: lc.thomasmann.budapest@online.mswww.thomasmannlionsbudapest.comPräsident: Dieter Uesseler+36 30-862 8155(call for appointment)www.massage-marianna.comNeues Penthouse 4. 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11. – 17. Oktober 2013<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong>B u d a p e s t15Im Portrait: Bruce Anthony MarshallDie beste universelle Sprache, die es geben kannWer Bruce Anthony Marshall kennenlernt,für monotone Techno-Beats ist. Welche Musikdem wird schnell klar, dass er es nicht mitist es also, die den Musik Sommelier anzieht?einem gewöhnlichen Diskjockey zu tunBei der Antwort muss Marshall nicht langhat. Er ist Music Selector, Organic DJ und,überlegen: „Es ist ein Retro Cocktail. Alles,vor allen Dingen, Music Sommelier. Derwas in den späten fünziger und frühen sechzigerJahren los war, dieses Cocktail-FeelingSommelier – ein Weinkenner? Auch wennMarshalls Berufswege ihn oft in Restaurantsund Bars führen, so ist es nicht dieich denke, dass es die Art von Musik ist, dieaus der Serie Mad Men, das gefällt mir. UndWeinlese, sondern die musikalische Auslese,die er sich zum Beruf gemacht hat. DerIn diesem Bereich hat sich Marshall eine Ni-deine Nacht erst so richtig los gehen lässt.“aus Washington DC stammende Marshallsche geschaffen. Es ist die Tageszeit, wenn dieist momentan der Conceptual EntertainmentDirector, der Intendant für Konzepti-Zeit für die große Party gekommen ist. Es istSonne langsam untergeht, aber noch nicht dieonelles Entertainment, und Resident Musicdie Musik zum Abendessen, zum Aufwärmen.Sommelier in der Innio Wine Bar, dem Trafiq,der BOB Original Bacardi Bar und demwachsen ist. Manchmal ist es jedoch auch dasUnd es ist genau die Musik, mit der er aufge-Kempinski Hotel Corvinus.Visuelle an Musik, das Marshall anspricht:„Oft wähle ich Musik einfach nach ihrem Album-Coveraus. Ich scheine dafür ein Händchenzu haben, da ich ja sehr lang bei Filmund Fernsehen gearbeitet und mich auch mitBruce Marshall lebt für und durch Musik.Mode beschäftigt habe. Deshalb verstehe ichdie Bildsprache ganz gut. Wer aussieht, wieeine koreanische Britney Spears wird sichhöchstwahrscheinlich genau so anhören.“Es war im Januar 2004, als Bruce AnthonyMarshall zum ersten Mal mit zweiFreunden nach Budapest kam. Währender von der Vergangenheit erzählt, lässter seinen Blick schweifen, kehrt jedoch bei jederKonklusion wieder zu seinem Gegenüberzurück, als wolle er mit seinen lebhaften, wachenAugen zur Sicherheit das Hier und Jetztmarkieren. „Ich lebte vorher in Los Angelesund arbeitete in der TV- und Filmindustrie.Aber manchmal will man eben einfach etwasändern“. Marshall war unter anderem schonin Rom, London und Bangkok beheimatet,doch er habe nach Europa zurückkommenund diesmal ganz im Zentrum sein wollen.„Und wenn man sich mal die Landkarte anschaut,ist Ungarn ja im Grunde mittendrinin Europa“, fügt er schmunzelnd hinzu. Besiegeltwurde der Entschluss von seinemGeldgewinn bei der US-amerikanischen Versionvon „Wer wird Millionär?“: „Ich wollte jaohnehin kommen, und mit dem Geldsegengab es dann kein Zurück mehr.“Im April 2004 stand Ungarns EU-Beitrittbevor. „Ich wollte weiterhin in der Film- undFernsehindustrie arbeiten“, erzählt Marshall,„und dachte, dass es zu dieser Zeit und aufgrundder Vergangenheit Budapests im Filmleichter möglich sein würde.“„Was zum Teufel ist einMusic Sommelier?“Dass der Plan nicht aufging, ist ihm im weiterenVerlauf zum erfreulichen Verhängnisgeworden. Durch neu geschlossene Freundschaftenverschlug es Marshall in die Gastro-Szene,wo man ihn immer häufiger bat,seinen erlesenen privaten Musikgeschmackmit der Öffentlichkeit zu teilen – etwas, woraner vorher noch nie gedacht hatte. „DieRückmeldungen waren positiv, doch leiderwaren die Leute damals noch nicht bereit, fürso einen Service auch zu zahlen. Das ganzeKonzept des Music Sommelier stieß auf Unverständnis.Da hieß es, ‚wir wissen, was einDJ ist, aber was zum Teufel ist ein MusicSommelier?‘“, erzählt Marshall, die damaligenSkeptiker nachahmend.Die Musik, die Marshall damals im ungarischenRadio hörte, empfand er als heillosesPRIVATEKrankenversicherung• für ständig in Ungarn lebende Ausländer• Eintrittsalter bis 65• abhängig von Alter und Leistungsumfang ab124 Euro pro Monatat & t Bt. Vermittlungvon KrankenversicherungenŐsi u. 19 , 8181 BerhidaTel./Fax (06-88) 454-167, Mobil (06-30) 378-0579Für Budapest: Gabriele Wesche(06-30) 912-0193E-Mail: antipi@enternet.huwww.versicherung-in-ungarn.comDurcheinander, als „Crazy Jukebox“: „Eswurde einfach alles gespielt, und nichts warnach Genre sortiert. Also begann ich, etwasOrdnung ins Chaos zu bringen und startetemeine eigene thematische Radiosendung aufRadio Q namens The Bitching Hour.“ Im Radiogab Marshall dem Ganzen eine klarereForm und sprach unter seinem PseudonymBudapestBrown über Genre wie Classic Soul,Neo Soul, Disco und Funk.Ähnlich kategorisch gedacht, zieht Marshallals Music Sommelier Inspiration ausdem Wetter, dem Raum, in dem er sich befindetund ist auch jederzeit auf Änderungengefasst: „Insbesondere im Fünften Bezirk, wosich viele Touristen rumtreiben, musst duauch wissen, was du spielst, wenn eine Busladungsechzigjähriger Damen hereinspaziert.Zum Beispiel etwas Klassisches, Nostalgisches.“Es gehe bei ihm ohnehin sehr um dasGefühl von Nostalgie und Erinnerung. Daskönne durchaus auch wehtun, wenn man sichbestimmte Musiken anhöre und sich danachsehnte, was früher war. „So geht es mir zumBeispiel mit Disco Musik aus den Siebzigern,mit Saturday Night Fever. Obwohl ich zu denZeiten von Studio 54 noch nicht alt genugwar, kann ich diese Gefühle von damals wiedereinfangen,wenn ich die Musik höre. Undich liebe es, das zu tun!“Musikalische KonzeptarbeitAls Music Sommelier geht es Marshallweniger um Nachtclubs, Diskotheken undPartys, sondern vielmehr darum, was auchein Sommelier mit Weinen tut: Er wählt aus,welcher Wein zu welchem Gericht und zuwelcher Gelegenheit passt. „Wenn man dasauch mit Musik macht, präpariert man nichtnur das Hintergründige, sondern die ganzeAtmosphäre“, meint Marshall. „Und nur sohört man der Musik wirklich zu.“Im Kempinski Hotel Corvinus erhielt Marshalldie Möglichkeit, das ganze Hotel mithilfeseines musikalisch-konzeptionellen Vorstellungsvermögensauszustatten. Anhand dervon Marshall ausgewählten Musik erhaltenRestaurant, Wohnzimmer, Bar, Fahrstuhlund Spa so jeweils ein anderes atmosphärischesGefühl. „Das ist wirklich ein toller Gig,denn ich kann das Konzept alle drei Monateändern. Man hat im Kempinski Hotel Corvinuswirklich verstanden, wie sehr Musik denganzen Eindruck verändert. Und da ich mitdiesem Kempinski Hotel zusammenarbeite,kann ich quasi auch auf Kempinski-Tour gehenund diese Klanglandschaften auch in anderenHotels schaffen, sodass mir das geliebteReisen immer noch erhalten bleibt.“Neben den Restaurants, Bars und Hotelsist Marshall jedoch auch für Privatpersonentätig: „Gerade am vergangenen Wochenendehatte ich einen Auftritt bei einem ungarischenPaar, das mich über das Kempinski entdeckthatte. Die beiden haben auf Bali geheiratet,dies ihren Freunden jedoch nicht erzählt.Ich sollte dann auf ihrer Geburtstagspartydraußen auf dem Land auflegen, in einemWeinanbaugebiet, und wurde also Zeuge voneiner Geburtstagsparty, die plötzlich – nachder großen Verkündung – zur Hochzeitspartyumschwenkte. Das war großartig! Auch dieZusammenarbeit mit den beiden klappte sehrgut. Sie schickten mir im Vorhinein eine kleineListe mit zehn ungarischen Liedern zu, diesie unbedingt hören wollten, den Rest erledigteich. Ich mag diese Art von Austausch.“Durch seine Reisen hat Marshall in den vergangenenJahren auch viele exotische Liederangesammelt und sich somit quasi ein interkulturellesMusik-Archiv aufgebaut: „Wennich beispielsweise meinen Freunden in NewYork ungarische Lieder zeige, finden sie esimmer toll. Sie wissen zwar nicht, was gesungenwird, aber sie nehmen trotzdem das Gefühlvon diesem fremden Ort auf. Und genaudas ist Musik für mich: Die beste universelleSprache, die es geben kann.“Bei so viel Gefühl und musikalischer Bedachtheitist schnell klar, dass Bruce AnthonyMarshall nicht der richtige AnsprechpartnerDie Zuhörer auf eineReise mitnehmenWelche Musik Marshall auch wählt, umeinen Abend zu gestalten, so ist doch einessicher: Beim Music Sommelier ist kein Abendwie der andere. Marshall beobachtet die Menschenund sieht sich sein Publikum genau an.Was an einem Abend eine Busladung Sechzigjährigerist, kann am nächsten eine großeGruppe Franzosen sein, die er dann mit einemfranzösischen Set überrascht. „Ich sehees als meine Aufgabe, meine Zuhörer mitzunehmenauf eine Reise, sie durch die Musikan verschiedene Orte zu bringen. Auf die Artgleichen sich meine Sets nie und weder meinPublikum noch ich fühlen sich gelangweilt.“Langeweile kann auch deshalb nicht aufkommen,weil Marshalls Auftritte auchperformativ ein Erlebnis sind. So kann esvorkommen, dass der Musik Sommelier beieinem Country-orientierten Set seinen Cowboy-Hutaufsetzt oder die Mitarbeiter einerBar zur lateinamerikanischen Nacht darumbittet, statt Erdnüssen frittierte Kochbananenals Snack anzubieten: „Ich finde, es sollteduften, aussehen und sich anhören, wie esdas Thema des Abends es empfiehlt. Nur sokann man das Publikum wirklich für einenMoment mit an einen anderen Ort nehmen.“Bei Marshalls ganzheitlicher und konzeptuellerArbeitsweise ist es nicht verwunderlich,dass er sich für die Zukunft wünscht,sein eigenes Restaurant zu eröffnen und darinGaumenschmauß und Ohrenfreuden zuverbinden. Ein American Soulfood-Restaurantsoll es werden. Und wir freuen uns drauf.▶▶Lisa WeilBruce Anthony Marshall – The Music SommelierKontakt und Buchung überwww.themusicselector.com

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