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AUS DER SZENE FÜR DIE SZENE - Club 100

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IN <strong>DER</strong> LETZTEN ZEIT WURDE IN DEN ME<strong>DIE</strong>N GEHÄUFT<br />

ÜBER <strong>AUS</strong>SERORDENTLICHE KÜNDIGUNGEN WEGEN <strong>DIE</strong>B-<br />

STAHLS O<strong>DER</strong> UNTERSCHLAGUNG GERINGWERTIGER SA-<br />

CHEN SOWIE ÜBER VERDACHTSKÜNDIGUNGEN BERICH-<br />

TET.<br />

Insbesondere der Fall „Emmely“ (in Anlehnung an den<br />

Namen der Klägerin) gab Anlass zu zahlreichen Diskussionen.<br />

Hierbei war einer Verkäuferin, die auch Kassiertätigkeiten<br />

ausübte, fristlos gekündigt worden. Grund: Sie<br />

habe zwei ihr nicht gehörende, zur Aufbewahrung anvertraute<br />

Leergutbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro<br />

bei einem Einkauf zum eigenen Vorteil eingelöst.<br />

VERTRAUENSVERHÄLTNIS GESTÖRT? Es wurde<br />

darüber diskutiert, ob ein Diebstahl oder eine Unterschlagung<br />

geringwertiger Sachen an sich geeignet ist, eine außerordentliche<br />

Kündigung zu rechtfertigen. Die Eignung<br />

von Bagatelldelikten als Kündigungsgrund wird vom Bundesarbeitsgericht<br />

seit der Entscheidung im sogenannten<br />

„Bienenstich-Fall“ aus dem Jahr 1984 bejaht. Hierbei<br />

hatte eine Bäckereifachverkäuferin abends einen nicht<br />

verkauften Bienenstich mitgenommen. Für die grundsätzliche<br />

Eignung als wichtiger Grund für eine fristlose<br />

Kündigung kommt es nach dem Bundesarbeitsgericht<br />

nicht auf die Höhe des Vermögensschadens an, sondern<br />

auf die Eignung, das Vertrauensverhältnis zwischen den<br />

Arbeitsvertragsparteien zu zerstören. Auf der zweiten<br />

Stufe der Prüfung, nämlich bei der notwendigen umfassenden<br />

Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller<br />

Umstände des Einzelfalls, kann nach der Rechtsprechung<br />

zugunsten des gekündigten Arbeitnehmers auch die geringe<br />

Höhe des Vermögensschadens Berücksichtigung<br />

fi nden. Dieser Rechtsprechung ist das Bundesarbeitsgericht<br />

auch in dem Fall eines ICE-Stewards gefolgt, dem<br />

außerordentlich gekündigt wurde, da in seiner Tasche<br />

bei einer internen Personalkontrolle drei Kaff eebecher,<br />

zwei Schinkenpackungen und eine Flasche Pfl anzenöl<br />

entdeckt wurden.<br />

BAGATELLGRENZE: Es wird allerdings immer wieder<br />

darüber diskutiert, ob wirklich jeder Pfl ichtverstoß, der<br />

einen noch so geringen Vermögensschaden herbeiführt,<br />

geeignet ist, Vertrauen zu zerstören. In diesem Zusammenhang<br />

wurde teilweise eine fi xe Bagatellgrenze für<br />

außerordentliche Kündigungen in Anlehnung an diejenige<br />

des Diebstahls und der Unterschlagung geringwertiger<br />

Sachen, die derzeit bei 50 Euro gesehen wird, gefordert.<br />

Allerdings berücksichtigt diese Ansicht nicht, dass sich<br />

die „Schwere“ der Tat gerade auch aus den besonderen<br />

Umständen des Einzelfalls ergeben kann, z.B. wenn der<br />

Arbeitnehmer den ihm gegenüber eröff neten Vertrauensspielraum<br />

besonders schamlos ausnutzt. In einem<br />

solchen Fall wäre der Arbeitgeber dann aber schutzlos.<br />

Er müsste den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der ordentlichen<br />

Kündigungsfrist dulden.<br />

Im Fall „Emmely“ wurde sowohl die Kündigungsschutzklage<br />

als auch die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.<br />

Das Bundesarbeitsgericht hat dann jedoch in seiner<br />

Entscheidung vom 10.06.2010 die Kündigung für unwirksam<br />

erklärt. Es wurde betont, dass zwar ein vorsätzlicher<br />

Verstoß des Arbeitnehmers eine fristlose Kündigung<br />

auch bei einem geringen wirtschaftlichen Schaden<br />

rechtfertigen könne. Es sei jedoch nicht jede unmittelbar<br />

gegen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers<br />

gerichtete Vertragspfl ichtverletzung ohne Weiteres ein<br />

Kündigungsgrund. Ob ein „wichtiger Grund“ (der Voraussetzung<br />

einer fristlosen Kündigung ist) vorliege,<br />

müsse vielmehr „unter Berücksichtigung aller Umstände<br />

des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider<br />

Vertragsteile“ beurteilt werden. Das Bundesarbeitsgericht<br />

kam bei dieser Abwägung zu dem Ergebnis, dass<br />

diese zugunsten der Arbeitnehmerin ausgehe, da diese<br />

über einen sehr langen Zeitraum beanstandungslos beschäftigt<br />

gewesen sei und sich damit ein so hohes Maß<br />

an Vertrauen erworben habe, dass dies durch diesen<br />

einmaligen Vorfall mit einem nur geringen wirtschaftlichen<br />

Schaden nicht zerstört sei. Aus diesem Grund sei<br />

die ausgesprochene Kündigung unwirksam.<br />

Ein anderer zuletzt in der Öff entlichkeit stehender Fall<br />

war der sogenannte „Frikadellenfall“. Bei diesem hatte<br />

sich eine Sekretärin bei der Vorbereitung eines Buff ets<br />

für Teilnehmer einer vom Arbeitgeber durchgeführten<br />

Schulung mit Brötchen und Frikadellen zur eigenen Sättigung<br />

bedient, und zwar in einem Umfang, dass später<br />

für die Schulungsteilnehmer zu wenig übrig blieb.<br />

Der Arbeitgeber sprach der seit 34 Jahren bei ihm beschäftigten<br />

Mitarbeiterin eine fristlose Kündigung aus.<br />

Er hatte nach seiner Ansicht im Vorfeld die klare Regelung<br />

kommuniziert, dass eine „Selbstbedienung“ an<br />

solchen Buff ets erst dann zulässig sei, wenn die Gäste<br />

sich bedient hatten und die Veranstaltung vorüber war.<br />

Die Mitarbeiterin hätte somit gewusst, dass ihr Handeln<br />

gegen diese Anweisung verstoße. Andererseits erklärte<br />

die Sekretärin, einige Mitarbeiterinnen hätten sich bereits<br />

seit Jahren immer wieder in gleicher Weise vorzeitig<br />

bedient. Off en blieb aber wohl die Frage, ob der<br />

Arbeitgeber dies wiederum wusste und ob die Mitarbeiterinnen<br />

davon ausgehen konnten, dass der Arbeitgeber<br />

dies wisse und gutgeheißen habe. Letztlich wurde<br />

der Streitfall vergleichsweise beigelegt.<br />

In solchen und vergleichbaren Fällen, in denen die Frage,<br />

was verboten und was erlaubt ist, nicht im Vorfeld klar<br />

geregelt ist, bietet sich eher eine Abmahnung als eine<br />

fristlose Kündigung an. Aber auch in Fällen, in denen<br />

man auf der zweiten Prüfungsstufe bei der Interessenabwägung<br />

zu dem Ergebnis kommt, dass diese sehr<br />

wahrscheinlich zugunsten des Arbeitnehmers ausfällt,<br />

ist eher an eine Abmahnung als an eine fristlose Kündigung<br />

zu denken. So hat auch das Bundesarbeitsgericht<br />

im oben schon erwähnten Fall „Emmely“ darauf<br />

hingewiesen, dass eine Abmahnung als milderes Mittel<br />

gegenüber der Kündigung angemessen und ausreichend<br />

gewesen wäre.<br />

In den Medien wurde oftmals der Verdacht geäußert,<br />

Arbeitgeber nutzten solche Vorkommnisse dazu, unliebsame<br />

Mitarbeiter auf einfache Art und Weise loszuwerden.<br />

Um dies zu beurteilen, bietet sich eine juristische<br />

Überprüfung des Sachverhalts bei einem Rechtsanwalt<br />

an. Eine Einzelfallbetrachtung unabhängig vom Wert<br />

des Gegenstands ist unerlässlich.

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