5/2010
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5/2010
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P.b.b. • 04Z035830 M • Verlagspostamt: 9300 St. Veit/Glan • 19. Jahrgang<br />
Clopidogrel-Generika<br />
verlagdermediziner
Anzeige Plus<br />
50<br />
COVERSTORY<br />
6<br />
FORTBILDUNG<br />
Clopidogrel-Generika<br />
Dr. Christoph Baumgärtel<br />
Therapie der chronischen Hepatitis C – aktueller Standard<br />
und Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwantler, Dr. Emina Dulic-Lakovic, Dr. Melisa Dulic<br />
Ganzheitlicher Therapieansatz in der Behandlung von Schizophrenie . . . . . . . . . 16<br />
Dr. Hans Peter Bilek<br />
Nichtmotorische Symptome bei Morbus Parkinson – ein Überblick . . . . . . . . . . . 20<br />
OA Dr. Volker Tomantschger<br />
Morbus Parkinson – Diagnose und Behandlungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
Dr. Martin Sawires, Prim. Univ.-Doz. Dr. Klaus Berek<br />
BPH – bunter Pool der Heilmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Dr. Karl F. Diehl<br />
Die individuelle Entzugsbehandlung von Alkoholabhängigen<br />
nach der Lesch-Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
Dr. Dagmar Kogoj, Univ.-Prof. Dr. Otto Michael Lesch<br />
Diagnostik und Therapie der Komplikationen der Leberzirrhose . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />
Univ.-Doz. Dr. Peter Fickert, Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner<br />
Reisemedizin <strong>2010</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
Dr. Eva Jeschko, Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch<br />
FORUM MEDICUM<br />
Splitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
Hansaplast: Raus ins Leben ohne lästige Insekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
GlucoMen LX von A. Menarini:<br />
Höchste Sicherheit – mit GOD-Technologie falsche Ergebnisse ausschließen . 27<br />
Können Sie Ihren Harnteststreifen vertrauen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Combur ® -Harnteststreifen zeigen keine falsch negativen Glucose- und Blutergebnisse nach<br />
Vitamin C-Einnahmen<br />
Alcover ® -Sirup in der Therapie Alkoholabhängiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
Statement von Univ.-Prof. Dr. Otto Lesch<br />
Fachkurzinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 28, 32, 48<br />
DOKTOR PRIVAT<br />
Innergemeinschaftliche Lieferungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
MMag. Hafner<br />
Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Auf vielfachen Wunsch verzichten wir für eine bessere<br />
Lesbarkeit auf das Binnen-I und auf die gesonderte weibliche und männliche Form bei Begriffen<br />
wie Patient oder Arzt. Wir hoffen auf Ihr Verständnis und Ihre Zustimmung!<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
INHALT UND IMPRESSUM<br />
Impressum<br />
Verleger: Verlag der Mediziner gmbh. Herausgeber:<br />
Peter Hübler. Projektleitung: Peter Hübler.<br />
Redaktion: Dr. Csilla Putz-Bankuti, Jutta<br />
Gruber, Dr. Birgit Jeschek, Ewald Sternad.<br />
Anschrift von Verlag und Herausgeber: A-9375<br />
Hüttenberg, Steirer Straße 24, Telefon: 04263/<br />
200 34, Fax: 04263/200 74. Produktion: A-8020<br />
Graz, Payer-Weyprecht-Straße 33–35, Telefon:<br />
0316/26 29 88, Fax: 0316/26 29 93, Richard<br />
Schmidt. Druck: Druckzentrum St. Veit. E-Mail:<br />
office@mediziner.at. Homepage: www.mediziner.at.<br />
Einzelpreis: € 3,–. Erscheinungsweise:<br />
periodisch.<br />
Einladung in den<br />
Golden Club<br />
&<br />
und<br />
gratis für die<br />
Dauer des Abos<br />
Wer für ein<br />
Jahres-Abo € 39,–.<br />
investiert, wird mit<br />
„Goodies“ nahezu<br />
überschüttet.<br />
Siehe www.dinersclub.at<br />
Nähere Informationen auf<br />
Seite 50 und www.mediziner.at<br />
seite 3
FORUM MEDICUM<br />
Splitter<br />
Fake Drugs „Diyabet?“ Viel Fett . . .<br />
Medikamente sollen helfen – doch<br />
immer häufiger werden sie<br />
gefälscht. Im besten<br />
Fall sind sie dann<br />
unwirksam – im<br />
schlechtesten<br />
toxisch. Dabei<br />
sind ca. 10% der<br />
Medikamente<br />
Fälschungen. Den<br />
größten Anteil<br />
daran haben so<br />
genannte Lifestyle-Medikamente,<br />
also Potenzmittel, Schlankheitspräparate<br />
und Ähnliches. Aber<br />
auch im Doping-bereich finden sich<br />
viele Fälschungen. Dabei richten sich<br />
95% der Angebote gezielt an Hobbysportler.<br />
Umfragen haben gezeigt, dass<br />
gerade diese Zielgruppe sehr sorglos<br />
mit Medikamenten umgeht. Hier ist<br />
Aufklärung wichtig. Denn das Internet<br />
bietet die Möglichkeit einfach und ohne<br />
jede Kontrolle an Arzneimittel zu kommen.<br />
Vorsicht ist auch auf Reisen geboten.<br />
Gerade in Asien ist der Anteil an<br />
Fake-Drugs hoch. Arzneimittel sollten<br />
hier nicht gekauft werden.<br />
Liebe schützt auf Jahrzehnte<br />
Eltern haben einen weit höheren Einfluss<br />
auf die Gesundheit ihrer Kinder als<br />
bisher angenommen wurde, berichtet die<br />
Zeitschrift Molecular Psychiatry: Immer<br />
Migranten haben ein deutlich höheres<br />
Diabetesrisiko. Bei den über 55-Jährigen<br />
ist diese Gruppe doppelt so oft betroffen.<br />
Doch warum? Im Bereich der Prophylaxe<br />
hat sich in den letzten Jahren<br />
viel getan und es konnten beachtliche<br />
Erfolge erzielt werden. Dabei wird<br />
zumeist auf das Verstehen der Zusammenhänge<br />
gesetzt, um dann den Patienten<br />
zu erklären, wie ein gesunderer<br />
Lebensstil aussehen könnte.<br />
Zur Prävention werden die Menschen<br />
nicht nur durch ihre Tageszeitung, sondern<br />
vor allem durch ihre Ärzte animiert.<br />
Die unterschätzen jedoch nicht selten den<br />
passiven Wortschatz (in Deutsch) der<br />
Gastarbeiter und sparen sich die Zeit für<br />
ein ausführliches Gespräch. Dabei sind<br />
viele von ihnen einst deshalb nach Österreich<br />
gekommen, weil sie hier das beste<br />
Gesundheitssystem der Welt erwartet<br />
hatten. Solche Gespräche mögen umständlich<br />
sein, sie wirken aber in der Regel<br />
nachhaltig. Niemand hört seinem Hausarzt<br />
so aufmerksam, gebannt und gläubig<br />
zu wie das Gros der Immigranten.<br />
wieder zeigen Studien, dass die enge,<br />
sichere Bindung eines Kleinkindes zu<br />
einer fixen Bezugsperson der positiven<br />
Entwicklung dient. Sie kompensiert Probleme<br />
in der Schwangerschaft, schützt<br />
vor späteren Verhaltensauffälligkeiten<br />
und bestimmt die emotionelle Entwicklung.<br />
Belegt ist jetzt auch die Wirkung auf das<br />
Immunsystem. Während bei sozial<br />
schlechter gestellten Menschen exzessiver<br />
Stress häufiger zu chronischen Entzündungen<br />
und damit häufiger zu Herz-<br />
Kreislauferkrankungen, Diabetes, Depression<br />
und Krebs führt, ist das bei Personen<br />
mit einer im Kleinkindalter innigen<br />
Beziehung zur Mutter kaum der Fall. S.<br />
Cole resümiert: „Gute Elternschaft<br />
scheint durch schlechte soziale Umstände<br />
bedingte Gesundheitsrisiken oft außer<br />
Kraft zu setzen. Dieser Effekt dauert über<br />
Jahrzehnte an und zeigt sich sogar auf der<br />
Ebene der Gene.“ Zwar machen Gewalt<br />
in der Familie und Zurückweisungen nicht<br />
automatisch krank. Doch frühe Erfahrungen<br />
bestimmen in beträchtlichem Maße<br />
die Reaktion des Körpers auf Stress.<br />
Fette spielen eine wichtige Rolle bei<br />
der Entwicklung des Gehirns. Erstaunliches<br />
konnte bei ADS und Demenz festgestellt<br />
werden. So nehmen beide Erkrankungen<br />
einen positiveren Verlauf,<br />
wenn begleitend zur Therapie hochdosiert<br />
Omega-Fette gegeben werden. Sie<br />
fördern das Wachstum des Gehirns und<br />
haben eine antiinflammatorische Wirkung<br />
im Nervensystem. Dabei ist sowohl<br />
ein ausgewogenes Verhältnis zwischen<br />
Omega-3 und Omega-6 wichtig,<br />
als auch eine gute Verfügbarkeit der<br />
Fette. Auch mit anderen Erkrankungen<br />
besteht ein Zusammenhang. So können<br />
Störungen der frühkindlichen Sehentwicklung<br />
auftreten, Depressionen und<br />
andere psychische Erkrankungen können<br />
ausgelöst werden. Ein erhöhter Verbrauch<br />
durch Stress oder schlechte<br />
Ernährung und eine Verdrängung durch<br />
gesättigte Fette können zu einem Mangel<br />
führen. Natürlicherweise kommen<br />
diese Fette unter anderem in Fisch, Nüssen<br />
und Eiern vor. Allerdings ist die<br />
Konzentration hier viel zu gering um die<br />
Effekte zu beobachten. Und Kapseln<br />
schmecken auch nicht nach Lebertran…<br />
Pausen-loses<br />
Arbeiten<br />
Fast schon die Hälfte der Österreicher<br />
verzichtet auf die Mittagspause – zu<br />
diesem Ergebnis kam eine Umfrage<br />
des Karriereportals Monster. Damit<br />
liegt Österreich sogar knapp vor<br />
Deutschland und weit vor der Schweiz,<br />
wo aber immer noch 25% auf ihre<br />
Pause verzichten. Und das, obwohl<br />
Arbeitgeber verpflichtet sind auf die<br />
Einhaltung zu achten! Denn Pausen<br />
sind zur Regeneration wichtig.<br />
Und der Arbeitgeber hat selbst etwas<br />
davon. Denn Pausen erhöhen die Leistungsfähigkeit;<br />
durch die Gespräche<br />
mit den Kollegen wird das Arbeitsklima<br />
verbessert. So klagen viele<br />
Arbeitnehmer über eine zu große<br />
Arbeitsbelastung, schlechtes Betriebsklima<br />
und fehlende Wertschätzung.<br />
Wer einmal durcharbeitet, ist vielleicht<br />
noch nicht gefährdet. Kommt es jedoch<br />
häufiger vor, so kann es leicht (unbemerkt)<br />
zu einer chronischen Überlastung<br />
kommen und in Folge zum Burnout.<br />
DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
Schutz vor der Chagas-Krankheit<br />
Eine tropische parasitäre Krankheit<br />
wird immer häufiger zu einer Ursache<br />
für einen Schlaganfall. Chagas ist in<br />
Lateinamerika epidemisch. Durch die<br />
Immigration von Millionen Menschen<br />
nach Europa, Nordamerika, Japan und<br />
Australien ist diese Krankheit zu einem<br />
ernsten Gesundheitsproblem geworden.<br />
Vermutlich leben schon 300.000 kranke<br />
Immigranten in den USA; viele von<br />
ihnen dürften gar nicht wissen, dass sie<br />
betroffen sind.<br />
Weltweit leiden 18 Millionen Menschen<br />
an der Chagas-Krankheit, als Vektor<br />
dienen Raubwanzen in allen ihren<br />
Stadien. Schon die Larve saugt aus schlafenden<br />
Säugetieren unbemerkt Blut in<br />
Regionen mit dünnerer Haut wie am<br />
Auge oder an den Lippen. Währenddessen<br />
defäkiert das Insekt. Der Mensch<br />
kann den erregerhaltigen Kot in die frische<br />
Stichwunde selbst einreiben. Unbehandelt<br />
kann die Chagas-Krankheit in<br />
Schmerzen und kein Ende…<br />
Migräne oder Spannungskopfschmerz,<br />
Clusterkopfschmerz – es gibt viele Arten<br />
von Kopfschmerzen. Und meist greift der<br />
Patient und auch der Arzt in die Kiste mit<br />
den Schmerzmitteln. Acetylsalicylsäure,<br />
Paracetamol, Mefenaminsäure und wenn<br />
alles nicht mehr hilft gibt es noch Kombinationspräparate.<br />
Oft wird auf die<br />
Gefahr des medikamenteninduzierten<br />
Dauerkopfschmerzes vergessen. Denn<br />
Schmerzmittel sollten nicht öfter als 10mal<br />
im Monat und auch nicht länger, als<br />
maximal an grei aufeinander folgenden<br />
Tagen genommen werden. Sonst kann es<br />
zu ständigen Kopfschmerzen kommen,<br />
die nicht mehr mit Schmerzmitteln therapierbar<br />
sind.<br />
Häufig betroffen sind zum Beispiel<br />
Migränepatienten, die ihre Medikamente<br />
schon bei den ersten Anzeichen nehmen<br />
müssen. Aber auch viele andere Patien-<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
bis zu 10% der Fälle tödlich enden.<br />
Besonders gefährdet sind Säuglinge und<br />
Kleinkinder. Weil noch keine Impfung<br />
und keine gute Therapie zur Verfügung<br />
stehen, ist die Vorbeugung essentiell.<br />
Durchgehend geschlossene Moskitonetze<br />
mit dicht schließendem Reißverschluss<br />
bieten einen sehr guten Schutz.<br />
Die gefährdetsten Schlafplätze andererseits<br />
liegen in offenen einfachen Häusern,<br />
z.B. mit Wänden und Dächern aus<br />
Stroh und ähnlichem Flechtwerk. Unspezifische<br />
Insektizide sind gegen Raubwanzen<br />
meist unwirksam.<br />
Die Zahl der Neuinfektionen ist nach<br />
Daten der WHO durch die Bekämpfung<br />
der Raubwanzen zurückgegangen.<br />
Wegen unterschiedlicher Verbreitungskarten,<br />
die im Internet angeboten werden,<br />
sollte vorsichtshalber in allen Risikogebieten<br />
eine angemessene Prophylaxe<br />
getroffen werden, selbst in einigen Gebieten<br />
der USA.<br />
ten neigen zu einer zu regelmäßigen Einnahme…<br />
Hat sich ein Dauerkopfschmerz<br />
entwickelt, so hilft nur das<br />
Absetzen der Medikamente; nach ca.<br />
zwei Wochen ist die Nebenwirkung dann<br />
abgeklungen.<br />
Damit es gar nicht erst soweit kommt,<br />
gibt es einige alternative Behandlungsmethoden.<br />
So ist es wichtig, genug zu<br />
trinken und regelmäßig zu essen. Auch<br />
Ausdauersport hilft nachweislich bei<br />
Kopfschmerzen. Bei Clusterkopfschmerzen<br />
kann eine Sauerstofftherapie auch<br />
bei schweren Formen rasche Hilfe bringen.<br />
Und auch mit Akupunktur lassen<br />
sich gute Erfolge erzielen.<br />
Will der Arzt dem Patienten auf Dauer<br />
helfen, so muss er nach den Ursachen des<br />
Kopfschmerzes suchen. Häufig liegen sie<br />
in Belastungen und Stress. Verschiedene<br />
Techniken wie Progressive Muskelentspannung<br />
oder Biofeedback zeigen dem<br />
Patienten, mit Belastungen besser umzugehen<br />
und sich bewusst zu entspannen.<br />
Der Griff in den Arzneimittelschrank<br />
wird damit überflüssig.<br />
Ärzte und Zahnärzte<br />
haben häufig<br />
nicht viel miteinander<br />
zu tun.Vielleicht<br />
kennt man sich privat,<br />
aber eine beruflicheZusammenarbeit<br />
gibt es nur selten.<br />
Dabei wäre die für<br />
eine umfassende Beratung<br />
des Patienten<br />
oft unentbehrlich!<br />
FORUM MEDICUM<br />
Mut zur Reunion?<br />
Splitter<br />
Zwei Beispiele: Ein Drittel der Bevölkerung<br />
leidet unter Bruxismus. Nächtliches<br />
Zähneknirschen wird von den<br />
Betroffenen häufig nicht bemerkt. Das<br />
Problem wird nur erkannt, wenn der<br />
Partner von den Geräuschen geweckt<br />
wird, Schmerzen auftreten oder der<br />
Zahnarzt – sehr spät – die Folgen sieht.<br />
Die Ursachen sind nicht eindeutig<br />
geklärt, Stress dürfte jedoch eine entscheindende<br />
Rolle spielen. Hier wäre<br />
eine Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt<br />
und Hausarzt sinnvoll. Denn neben<br />
den Schäden an Zähnen und Kiefer treten<br />
oft auch Kopf- oder Nackenschmerzen<br />
auf. Dieser Beschwerden wegen<br />
kommen Patienten zum Hausarzt. Medikamente<br />
bieten hier nur eine kurzzeitige<br />
Linderung. Dann könnte eine vom<br />
Zahnarzt angepasste Schiene helfen, die<br />
Muskulatur zu entspannen und das<br />
Knirschen zu verhindern. Der (unbewusste)<br />
chronische Stress verschwindet<br />
dadurch jedoch noch nicht. Als Ärzte<br />
können wir anregen, dass der knirschende<br />
Patient seine Lebenssituation<br />
hinterfrägt, um das pathogene Agens<br />
„Stressbelastung“ abzubauen. Stichwort:<br />
Stressbewältigungstraining!<br />
Ein anderes Beispiel sind Mundhöhlenkarzinome,<br />
bei Männern eine der<br />
häufigsten Krebserkrankungen. Diagnostiziert<br />
werden sie meist erst, wenn<br />
Schmerzen auftreten – und dann ist es<br />
häufig schon zu spät. Dabei könnte der<br />
Zahnarzt schon früh Veränderungen an<br />
der Schleimhaut erkennen und bei Verdacht<br />
den Patienten zur Abklärung an<br />
einen kompetenten Kollegen überweisen.<br />
Eine funktionierende Zusammenarbeit<br />
kann hier sogar Leben retten.<br />
Gemeinsam, statt einsam – das<br />
wünscht sich Ihr Zahnarzt Dr. Andreas<br />
Werner. www.drwerner.at<br />
seite 5
CLOPIDOGREL-GENERIKA<br />
Coverstory<br />
Clopidogrel-Generika<br />
AGES PharmMed<br />
Schnirchgasse 9, A-1030 Wien<br />
Seit einiger Zeit sind in Österreich<br />
und der EU mehrere Generika mit dem<br />
Wirkstoff Clopidogrel zugelassen. Aufgrund<br />
des Vorliegens unterschiedlicher<br />
Wirkstoff-Salze und unterschiedlicher<br />
Indikationen wurden Zweifel an der<br />
Gleichwertigkeit dieser Präparate geäußert.<br />
Das Bundesamt für Sicherheit im<br />
Gesundheitswesen/AGES PharmMed<br />
musste sich daher mit dieser Thematik<br />
beschäftigen. Es kann davon ausgegangen<br />
werden, dass Clopidogrel-Generika<br />
prinzipiell mit dem Originator hinsichtlich<br />
Sicherheit und Wirksamkeit vergleichbar<br />
sind.<br />
Arzneimittel mit dem Wirkstoff Clopidogrel<br />
haben in der Vorbeugung atherothrombotischer<br />
Ereignisse einen<br />
bedeutenden Stellenwert. Seit kurzer<br />
Zeit sind nun in Ergänzung zum Originalprodukt<br />
Plavix® auch in Österreich<br />
Generika mit diesem Wirkstoff erhältlich.<br />
Einzelne Stellen, unter anderem die<br />
Österreichische Kardiologische Gesellschaft<br />
(ÖKG) haben die Wirksamkeit<br />
und Sicherheit der neu auf den Markt<br />
gekommenen Generika angezweifelt 1 .<br />
Es handelt sich bei den generischen<br />
Präparaten um Produkte mit teilweise<br />
unterschiedlichen Clopidogrel-Salzen.<br />
Während der Originator, aber auch<br />
einige der Generika, Clopidogrelhydrogensulfat<br />
als Wirkstoff enthalten, sind<br />
auch weitere Generika mit den Salzen<br />
Clopidogrelhydrochlorid, Clopidogrelbesilat<br />
sowie mit freier Clopidogrelbase<br />
zugelassen. Aufgrund dieser unterschiedlichen<br />
Salze wurde mitunter die<br />
Vermutung angestellt, dass verschiedene<br />
Clopidogrel-Salze unterschiedlich<br />
an ihrem Zielrezeptor wirken.<br />
seite 6<br />
Dr. Christoph Baumgärtel<br />
Unterschiedliche Salzformen von Clopidogrel<br />
haben auf die pharmakodynamische<br />
Wirkung jedoch keinen Einfluss.<br />
Dies ist dadurch bedingt, dass die Salze<br />
bereits im Magen-Darm-Trakt, also noch<br />
vor der Resorption des Wirkstoffes in<br />
den Blutkreislauf, dissoziieren. Grundsätzlich<br />
werden manche Wirkstoffe bei<br />
ihrer Herstellung vor allem deswegen als<br />
Salze gebildet, um ihre Löslichkeit in<br />
wässrigen Lösungen und somit im<br />
Magen-Darm-Trakt zu erhöhen. Die<br />
unterschiedlichen Salze können dadurch<br />
zwar zu einer theoretischen Änderung<br />
der Pharmakokinetik führen, da die<br />
Wirkmoleküle nach Resorption jedoch<br />
in identer Form vorliegen gibt es keinen<br />
Unterschied hinsichtlich ihrer Pharmakodynamik.<br />
Um das Vorhandensein<br />
relevanter pharmakokinetischer Änderungen<br />
der unterschiedlichen Clopidogrel-Salze<br />
auszuschließen, wurden bei<br />
allen Produkten entsprechende Bioäquivalenzstudien<br />
durchgeführt. Hier wird<br />
jeweils die AUC (Fläche unter der<br />
Kurve,Area under the Curve) und Cmax<br />
(maximale Plasmakonzentration) des im<br />
Blut vorhandenen Wirkstoffmoleküls<br />
gemessen, das – unabhängig aus welcher<br />
Salzform es freigesetzt wurde – wohlgemerkt<br />
natürlich ein und dasselbe war.<br />
Aus pharmakologischer Sicht besteht,<br />
sofern eine vergleichbare Pharmakokinetik<br />
der einzelnen, unterschiedlichen<br />
Clopidogrel-Salze durch adäquate Bioäquivalenzstudien<br />
nachgewiesen wurde,<br />
eine idente Wirkung und Sicherheit dieser<br />
Salze.<br />
Die im Zusammenhang mit der oben<br />
erwähnten Diskussion mancherorts<br />
geforderten, zusätzlichen klinischen Studien<br />
als Beleg für die Wirksamkeit und<br />
© AGES PharmMed<br />
Bedingung für eine Zulassung von Clopidogrel-Generika<br />
machen somit wenig<br />
Sinn und werden international in keinem<br />
Land als Zulassungsbedingung<br />
gefordert. Dennoch lassen sich auch<br />
diese Studien, also Studien mit einem<br />
pharmakodynamischen Ansatz zur<br />
Untermauerung des Bioäquivalenzkonzeptes<br />
finden 2,3 . Die darin enthaltenen<br />
Ergebnisse hinsichtlich der Vergleichbarkeit<br />
der Thrombozytenhemmung<br />
durch unterschiedliche Clopidogrel-<br />
Salze zeigen ebenfalls, dass bei einer<br />
vergleichbaren Pharmakokinetik von<br />
unterschiedlichen Salzen eine vergleichbare<br />
Pharmakodynamik gegeben ist.<br />
Die europäische Expertengruppe für<br />
Pharmakokinetik (PK-expert group)<br />
der Efficacy Working Party der europäischen<br />
Arzneimittelagentur (European<br />
Medicines Agency, EMA) hat sich ihrerseits<br />
eingehend mit diesem Thema<br />
befasst und dabei die Testbedingungen<br />
für clopidogrelhaltige Generika mit<br />
unterschiedlichen Salzen festgelegt.<br />
Sind diese Bedingungen, wie in den vorliegenden<br />
Fällen, wo eine Zulassung<br />
erteilt wurde, erfüllt, ist es auch aus Sicht<br />
der EMA gerechtfertigt von gleicher<br />
Wirksamkeit und Sicherheit der zugelassenen<br />
Generika wie bei dem Originalprodukt<br />
auszugehen.<br />
Geringe Abweichungen der Plasmaspiegel<br />
von Clopidogrel, wie sie in Bioäquivalenzstudien<br />
gemessen und für eine<br />
Zulassung akzeptiert werden, sind auch<br />
im Falle von Clopidogrel akzeptabel und<br />
vernachlässigbar, zumal man sich die<br />
beträchtliche Plasmaspiegel-Schwankungsbreite<br />
von Clopidogrel im Zusammenhang<br />
mit Nahrungsaufnahme ansieht.<br />
DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
Clopidogrel das über eine recht komplexe<br />
Pharmakokinetik und einen bemerkenswerten<br />
Metabolismus verfügt ist ein Pro-<br />
Drug, das erst durch Metabolisierungsschritte<br />
im Körper zum eigentlich aktiven<br />
Thiol-Metaboliten umgewandelt wird.<br />
Bevor es dazu kommt, wird jedoch bereits<br />
ein Großteil des Pro-Drugs im Magen in<br />
seinen inaktiven Carboxy-Metaboliten<br />
umgewandelt. Dadurch steht nach Magenpassage<br />
nur eine begrenzte Menge der<br />
Parent-Substanz zur Bildung des aktiven<br />
Metaboliten zur Verfügung.<br />
Wird jedoch durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme<br />
und dem verbundenen<br />
Anstieg des PH-Wertes im Magen die<br />
Freisetzung von Clopidogrel, das sich<br />
vor allem im sauren Milieu löst, verzögert,<br />
wird dadurch im Magen nun weniger<br />
des inaktiven Carboxy-Metabolit<br />
gebildet und es kommt im Gegenzug zu<br />
einer verstärkten Bildung des aktiven<br />
Thiol-Metaboliten. In diesbezüglichen<br />
Untersuchungen, die von der PK-Expert<br />
Group der EMA ausgewertet wurden,<br />
konnten dabei Schwankungen von 500<br />
bis 600% der AUC der Parent-Substanz<br />
nachgewiesen werden. Nachdem laut<br />
Fachinformation die Einnahme von Clopidogrel<br />
jedoch mit oder ohne Nahrungsaufnahme<br />
erfolgen darf, sind solche<br />
Schwankungen im klinischen Alltag<br />
Realität, trotzdem wurde in diesem<br />
Zusammenhang noch über keine Probleme<br />
berichtet.<br />
Auch ein weiterer Faktor für große<br />
Schwankungen ist bekannt, nämlich die<br />
genetischen Unterschiede der Enzy-<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
Idente Mengen an Wirkstoff<br />
werden aufgenommen.<br />
mausstattung von CYP2C19 die bei bis<br />
zu 20% der Patienten zu starken<br />
Schwankungen des aktiven Metaboliten<br />
führen können. Im Gegensatz dazu<br />
müssen Abweichung der AUC von nur<br />
einigen, wenigen Prozent, wie sie bei<br />
Generika vorkommen können, als<br />
untergeordnet und klinisch irrelevant<br />
bezeichnet werden.<br />
Auch im österreichischen Arzneimittelgesetz<br />
§10 Abs. 1 ist festgehalten, dass<br />
der Antragsteller nicht verpflichtet ist,<br />
die Ergebnisse von nichtklinischen Versuchen<br />
und klinischen Prüfungen vorzulegen,<br />
wenn er belegen kann, dass es sich<br />
bei dem Arzneimittel um ein Generikum<br />
handelt und wenn die Bioäquivalenz<br />
erfolgreich nachgewiesen wurde 4 .<br />
Weiters hält die europäische Richtlinie<br />
2001/83/EG sowie die EU- Guideline<br />
zur Untersuchung von Bioverfügbarkeit<br />
und Bioäquivalenz fest, dass unterschiedliche<br />
Salze als ein und derselbe<br />
Wirkstoff gelten 5,6 . Aus regulatorischer<br />
Sicht betrachtet heißt das, dass nur wenn<br />
die Bioäquivalenzuntersuchungen positiv<br />
abgeschlossen sind und dadurch ein<br />
unterschiedliches pharmakokinetisches<br />
Verhalten der einzelnen clopidogrelhaltigen<br />
Produkte bzw. deren Salze mit<br />
Sicherheit ausgeschlossen wurde, eine<br />
Zulassung im Hinblick auf gleiche Wirksamkeit<br />
und Sicherheit möglich ist 7 . Dies<br />
war bei allen in Österreich positiv zugelassenen<br />
Clopidogrel-Generika der Fall.<br />
Die mancherorts geäußerten Zweifel,<br />
ob unterschiedliche Clopidogrel-Salze<br />
eine unterschiedliche pharmakodynamische<br />
Wirkung hätten, halten daher<br />
CLOPIDOGREL-GENERIKA<br />
Coverstory<br />
weder einer pharmakologischen, noch<br />
einer regulatorischen Betrachtung<br />
Stand.<br />
Unterschiedliche Indikationen<br />
Einen weiteren Diskussionspunkt gab<br />
es mit Clopidogrel-Generika hinsichtlich<br />
der teilweise unterschiedlichen Indikationen<br />
zu klären: Aus patentrechtlichen<br />
Gründen ist in der EU die unglückliche<br />
Situation entstanden, dass es zwei offizielle<br />
Varianten der Fachinformation<br />
gibt. Es gibt eine Variante inklusive der<br />
Indikation akutes Koronarsyndrom und<br />
eine ohne. Aus Sicht des Bundesamtes<br />
für Sicherheit im Gesundheitswesen<br />
kann ein Off-Label Use der Generika<br />
natürlich nicht empfohlen werden. Die<br />
derzeit vorliegenden Textunterschiede<br />
sind jedoch nicht durch unterschiedliche<br />
Wirksamkeit oder Sicherheit bedingt 8 .<br />
Unterschiede in den Indikationen<br />
der Generika können auf<br />
zweierlei Weise auftreten<br />
Einerseits wie in der Mitteilung der<br />
Europäischen Kommission C98/2016<br />
erläutert, dadurch dass EU-Anträge auf<br />
gegenseitige generische Zulassung in<br />
Mitgliedstaaten durchgeführt werden, in<br />
denen die Indikationen des Originalarzneimittels<br />
nicht länderübergreifend harmonisiert<br />
sind. In diesem Fall müssen<br />
alle Indikationen des Generikums auch<br />
in der Fachinformation des Originalpräparates<br />
des zuständigen Referenzlandes<br />
enthalten sein, wobei die Fachinformation<br />
des Originalpräparates zumindest<br />
in einigen Mitgliedstaaten, also in Nicht-<br />
Referenzländern, auch weitere Indikationen<br />
enthalten kann.<br />
Andererseits müssen bzw. dürfen nach<br />
§15 Abs. 5 AMG jene Indikationen des<br />
Originators, die sich auf Anwendungsgebiete<br />
beziehen die zum Zeitpunkt des<br />
In-Verkehr-Bringens eines Generikums<br />
noch unter den Patentschutz fallen bei<br />
einem Generika nicht enthalten sein. Bei<br />
Clopidogrel Generika ist letzteres der<br />
Fall gewesen und erklärt die unterschiedlichen<br />
Indikationen.<br />
Dennoch kann im Umkehrschluss<br />
nicht automatisch von fehlender bzw.<br />
verminderter Sicherheit oder Wirksamkeit<br />
dieser besagten Indikation ausgegangen<br />
werden. Im Vergleich sehen die<br />
zwei Versionen der Fachinformation<br />
hinsichtlich ihrer Indikationen folgendermaßen<br />
aus:<br />
seite 7
CLOPIDOGREL-GENERIKA<br />
Coverstory<br />
Variante 1 (alle Indikationen eingeblendet):<br />
Clopidogrel ist bei Erwachsenen indiziert<br />
zur Prävention atherothrombotischer<br />
Ereignisse bei:<br />
• Patienten mit Herzinfarkt (wenige<br />
Tagen bis 35 Tage zurückliegend), mit<br />
ischämischem Schlaganfall (7 Tage bis<br />
6 Monate zurückliegend) oder mit<br />
nachgewiesener peripherer arterieller<br />
Verschlusskrankheit.<br />
• Patienten mit akutem Koronarsyndrom:<br />
– Akutes Koronarsyndrom ohne ST-<br />
Strecken-Hebung (instabile Angina<br />
pectoris oder<br />
– Non-Qwave Myokardinfarkt), einschließlich<br />
Patienten, denen bei einer<br />
perkutanen Koronarintervention ein<br />
Stent implantiert wurde, in Kombination<br />
mit Acetylsalicylsäure (ASS).<br />
– Myokardinfarkt mit ST-Strecken-<br />
Hebung, in Kombination mit ASS bei<br />
medizinisch behandelten Patienten,<br />
für die eine thrombolytische Therapie<br />
in Frage kommt.<br />
Variante 2 (Indikationen aus Patentschutzgründen<br />
teilweise ausgeblendet):<br />
Clopidogrel ist bei Erwachsenen indiziert<br />
zur Prävention atherothrombotischer<br />
Ereignisse bei:<br />
• Patienten mit Herzinfarkt (wenige<br />
Tage bis 35 Tage zurückliegend), mit<br />
ischämischem<br />
• Schlaganfall (7 Tage bis 6 Monate<br />
zurückliegend) oder mit nachgewiesener<br />
peripherer arterieller<br />
• Verschlusskrankheit<br />
Referenzen<br />
1. Stellungnahme der Österr. Kardiologischen Gesellschaft<br />
(ÖKG) zu Clopidogrel-Generika, http://kardiologie-gefaessmedizin.universimed.com/artikel/stellungnahme-der-%C3%B6sterrkardiologischen-gesellschaft-%C3%B6kg-zu-clo<br />
2. Kim SD Kwang W, Lee HW, Park DJ et al., Bioequivalence<br />
and tolerability of two clopidogrel salt preparations, besylate<br />
and bisulfate: A randomized, open-label, crossover study in<br />
healthy Korean male subjects, Clin Ther 2009; 31(4), 798-803<br />
3. Neubauer H, Krüger JC, Lask S, Endres HG et al. Comparing<br />
the antiplatelet effect of clopidogrel hydrogensulfate and clopidogrel<br />
besylate: a crossover study. Clin Res Cardiol 2009;<br />
98(9):533-540.<br />
Qualität der Herstellung<br />
Auch hinsichtlich der Qualität der<br />
Herstellung von Clopidogrel Generika<br />
gelten dieselben strengen Regeln z.B.<br />
Gute Herstellungspraxis (Good Manufacturing<br />
Pratice, GMP) wie für alle<br />
anderen Arzneimittel. Dennoch kann es<br />
bei jedem Arzneimittel, egal ob Originalprodukt<br />
oder Generikum, vereinzelt<br />
zu Qualitätsmängeln einzelner Chargen<br />
kommen. Die Qualität aller am Markt<br />
befindlichen Arzneimittel wird vom<br />
Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen<br />
streng überwacht, wodurch<br />
sichergestellt ist, dass sich ausschließlich<br />
hochwertige Arzneimittel im Handel<br />
befinden.<br />
Die oft zitierte „Minderwertigkeit“<br />
von Generika gehört dabei sowohl aus<br />
Wirksamkeits- und Sicherheits- als auch<br />
Qualitätssicht zumeist in das Reich der<br />
nicht evidenz-basierten „Eminence<br />
Based Medicine“, die vorwiegend auf<br />
Einzelmeinungen und nicht überprüften<br />
Fallberichten beruht: Systematische<br />
Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen<br />
finden hingegen keine Evidenz, dass<br />
Originatoren überlegen sind 9 . Auch die<br />
einzuhaltenden Grenzwerte im Rahmen<br />
der Bioäquivalenzstudie führen dazu,<br />
dass Plasmaspiegel von Generika und<br />
Originatoren um durchschnittlich lediglich<br />
ca zwei bis vier Prozent abweichen,<br />
was klinisch gesehen vernachlässigbar<br />
ist 10, 11 .<br />
Das Bundesamt für Sicherheit im<br />
Gesundheitswesen/AGES PharmMed<br />
hält fest, dass Bioäquivalenzstudien eine<br />
weltweit anerkannte und von allen<br />
4. Österreichisches Arzneimittelgesetz (AMG), §10;<br />
http://www.basg.at/uploads/media/Arzneimittelgesetz_04.pdf<br />
5. EU-Richtlinie, dir.2001/83/EC, http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/pharmaceuticals/files/eudralex/vol-<br />
1/dir_2001_83_cons/dir2001_83_cons_20081230_de.pdf<br />
6. EMA: CPMP/EWP/QWP/1401/98, Note for Guidance on the<br />
Investigation on Bioavailibility and Bioequivalence,<br />
http://www.ema.europa.eu/pdfs/human/qwp/140198en.pdf<br />
7. Tschabitscher D, Platzer P, Baumgärtel C, Müllner M. Generika<br />
- Qualität, Wirksamkeit und Austauschbarkeit. Wien Klin<br />
Wochenschr 2008;120:63-69<br />
8. Stellungnahme des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen<br />
zu Clopidogrel Generika, 26.03.<strong>2010</strong>,<br />
Arzneimittel-Zulassungsbehörden wissenschaftlich<br />
akzeptierte Untersuchungsmethode<br />
zum Nachweis der<br />
Gleichwertigkeit zwischen Originatoren<br />
und Generika sind. Die wissenschaftlich-pharmakologische<br />
Grundannahme,<br />
dass im Wesentlichen gleichartige Verläufe<br />
der Blutplasmaspiegel gleiche<br />
Konzentrationen am Wirkort widerspiegeln<br />
und einen im Wesentlich gleichen<br />
Effekt von Wirksamkeit und Sicherheit<br />
gewährleisten, hat auch im Falle von<br />
Clopidogrel Generika – auch bei unterschiedlichen<br />
Salzen – Gültigkeit.<br />
Dr. Christoph Baumgärtel<br />
AGES PharmMed, Institut<br />
Zulassung & Lifecycle Management,<br />
Leiter Abteilung Medizinisch-Klinische<br />
Begutachtung. Experte in der<br />
Pharmacokinetic-Expert Group und<br />
Safety Working Party der EMEA.<br />
christoph.baumgaertel@ages.at<br />
Website: www.basg.at<br />
http://www.basg.at/uploads/media/100325_Stellungnahme__Clopidogrel_Generika_1.pdf,<br />
http://www.basg.at/<br />
uploads/media/100325_Stellungnahme_Clopidogrel_Generika__2.pdf<br />
9. Kesselheim AS, Misono AS, Lee JL, Stedman SR et al. Clinical<br />
Equivalence of Generic and Brand-Name Drugs Used in Cardiovascular<br />
Disease: A Systematic Review and Meta-analysis.<br />
JAMA 2008; 300;2514-2526<br />
10. American Medical Association, Featured Report: Generic<br />
Drugs (A-02), June 2002 AMA Annual Meeting,<br />
http://www.ama-assn.org/ama1/pub/upload/mm/443/ csaa-<br />
02.pdf<br />
11. Henney JE. Review of Generic Bioequivalence Studies From<br />
the Food and Drug Administration. JAMA 1999; 282:1995.<br />
seite 8 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />
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50
HEPATITIS C<br />
Fortbildung<br />
Therapie der chronischen Hepatitis C – aktueller<br />
Standard und Zukunftsperspektiven<br />
Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwantler, Dr. Emina Dulic-Lakovic, Dr. Melisa Dulic<br />
Mit weltweit etwa 200 Millionen<br />
Betroffenen stellt die chronische Hepatitis<br />
C ein bedeutendes medizinisches und<br />
sozioökonomisches Problem dar. Die<br />
Prävalenz chronischer Infektionen mit<br />
dem Hepatitis-C-Virus (HCV) variiert<br />
beträchtlich zwischen verschiedenen Ländern.Für<br />
Österreich fehlen exakte Daten.<br />
Man nimmt jedoch an, dass ca. 90.000<br />
Menschen (etwa 1% der Bevölkerung)<br />
infiziert sind. Hepatitis-C-induzierte<br />
Lebererkrankungen stellen in Österreich<br />
derzeit die wichtigste Indikation für eine<br />
Lebertransplantation dar. Eine frühe<br />
Diagnosestellung und Therapie ist entscheidend,<br />
um Spätkomplikationen wie<br />
Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom<br />
zu verhindern. Im vorliegenden<br />
Artikel wird zunächst die derzeitige Standardtherapie<br />
der chronischen Hepatitis C<br />
Tabelle 1<br />
Nebenwirkungen der antiviralen Therapie<br />
mit Peginterferon α und Ribavirin<br />
Nebenwirkungen von Interferon α<br />
• „grippeartige“ Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen<br />
und Übelkeit<br />
• Müdigkeit, Schlafstörungen, Depressionen<br />
• Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust<br />
• gastrointestinale Unverträglichkeit, Diarrhö<br />
• Laborveränderungen: Leukozytopenie,<br />
Thrombozytopenie,<br />
• Hypertriglyceridämie<br />
• Schilddrüsenfunktionsstörungen<br />
• Haarausfall<br />
• Exantheme<br />
• Induktion von Autoimmunerkrankungen<br />
• Nebenwirkungen von Ribavirin<br />
• Laborveränderungen: Hämolytische Anämie,<br />
Hyperuricämie<br />
• Teratogenität<br />
• Exantheme, Pruritus<br />
• Appetitlosigkeit<br />
• Husten<br />
• Schlafstörungen<br />
beschrieben. Anschließend wird über<br />
aktuelle Neuerungen berichtet.<br />
Was ist die aktuelle<br />
Standardtherapie der chronischen<br />
Hepatitis C?<br />
Der derzeitige Goldstandard in der<br />
Therapie der chronischen Hepatitis C ist<br />
die Kombination aus pegyliertem Interferon<br />
α plus Ribavirin. Moderne pegylierte<br />
Interferone haben im Vergleich zu den<br />
früher verwendeten Interferonen den<br />
Vorteil einer deutlich verlängerten<br />
Serumhalbwertszeit, sodass eine einzige<br />
subkutane Gabe pro Woche ausreichend<br />
ist. Derzeit stehen in Österreich zwei<br />
pegylierte Interferone zur Verfügung:<br />
Pegasys ® (pegyliertes Interferon α-2a)<br />
und PegIntron ® (pegyliertes Interferon α-<br />
2b). Die empfohlene Dosierung beträgt<br />
für Pegasys ® 180 mg s.c. einmal wöchentlich,<br />
PegIntron ® wird nach Körpergewicht<br />
dosiert (1,5 µg/kg KG/Woche).<br />
Die empfohlene Therapiedauer richtete<br />
sich bis vor kurzem ausschließlich<br />
nach dem Genotyp und betrug sechs<br />
Monate für die Genotypen 2 und 3 bzw.<br />
12 Monate für die Genotypen 1 und 4.<br />
Derzeit wird das Konzept der individualisierten<br />
Therapiedauer favorisiert<br />
(siehe unten). Der HCV-Genotyp<br />
beeinflusst auch die Dosierung von<br />
Ribavirin (Copegus ® , Rebetol ® ), welche<br />
bei Patienten, die mit einem Genotyp 1<br />
oder 4 infiziert sind, 1.000 mg täglich bei<br />
einem Körpergewicht unter 75 kg, bzw.<br />
1.200 mg täglich bei einem Körpergewicht<br />
über 75 kg beträgt. Bei den Genotypen<br />
2 und 3 ist eine Tagesdosis von 800<br />
mg Ribavirin ausreichend. Ribavirin<br />
wird in Form von 200 mg Tabletten oral<br />
verabreicht, wobei die Tagesdosis meist<br />
zur Hälfte in der Früh und zur Hälfte am<br />
Abend eingenommen wird.<br />
Wann sollte eine antivirale<br />
Therapie durchgeführt werden<br />
und welche Kontraindikationen<br />
sind zu beachten?<br />
Im Rahmen der derzeitigen Standardtherapie<br />
können eine Reihe von Nebenwirkungen<br />
auftreten (siehe Tabelle 1),<br />
aus welchen sich zahlreiche Kontraindikationen<br />
ableiten (siehe Tabelle 2). Aus<br />
diesem Grund muss für jeden Patienten<br />
die Indikation zur antiviralen Therapie<br />
nach sorgfältigem Abwägen des möglichen<br />
Benefits gegen das zu erwartende<br />
Risiko und nach genauester Aufklärung<br />
gestellt werden. Manchmal kann als<br />
Entscheidungshilfe – besonders bei<br />
Patienten, die mit einem Genotyp 1<br />
oder 4 infiziert sind – die Durchführung<br />
einer Leberbiopsie sinnvoll sein, um die<br />
Entzündungsaktivität und das Fibrosestadium<br />
zu bestimmen.<br />
Bei Patienten, die stabil auf eine Substitutionstherapie<br />
eingestellt sind, kann<br />
eine antivirale Therapie der chronischen<br />
Hepatitis C durchgeführt werden. In<br />
vielen Fällen ist jedoch eine intensive<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit (z.B.<br />
mit Psychiatern, Sozialarbeitern oder<br />
Drogentherapeuten) erforderlich.<br />
Was ist während der antiviralen<br />
Therapie zu beachten?<br />
Vor Therapiebeginn müssen mit dem<br />
Patienten mögliche Nebenwirkungen<br />
genau besprochen werden (siehe Tabelle<br />
1). Insbesondere muss der Patient darauf<br />
seite 10 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />
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50
Fachkurzinformation siehe Seite 14
HEPATITIS C<br />
Fortbildung<br />
aufmerksam gemacht werden, dass während<br />
der Therapie und innerhalb der ersten<br />
sechs Monate nach Therapieende auf<br />
eine strenge Kontrazeption zu achten ist,<br />
unabhängig davon, ob der Mann oder die<br />
Frau therapiert werden, da eine teratogene<br />
Wirkung von Ribavirin beim Menschen<br />
nicht ausgeschlossen werden kann.<br />
Prinzipiell sollten alle Patienten unter<br />
Therapie mit pegyliertem Interferon α<br />
und Ribavirin engmaschig (meist in<br />
vierwöchigen Intervallen) kontrolliert<br />
werden. Im Rahmen der Kontrollen<br />
sollte neben den Transaminasen auch<br />
das Blutbild bestimmt werden, um therapiebedingte<br />
Veränderungen (Anämie,<br />
Thrombozytopenie oder Leukozytopenie)<br />
zu erfassen und darauf reagieren zu<br />
können. Alle drei Monate sollten Kontrollen<br />
der Schilddrüsenhormone, der<br />
Triglyceride und der Harnsäure durchgeführt<br />
werden. Die zur Bestimmung<br />
des virologischen Ansprechens empfohlenen<br />
PCR-Kontrollen sind in den<br />
Abbildungen 1 und 2 zusammengefasst.<br />
Bei allen Genotypen sollte zu Woche 4<br />
eine qualitative PCR durchgeführt werden,<br />
da daraus – wie neueste Forschungsergebnisse<br />
zeigen konnten –<br />
eventuell eine Verkürzung der Therapiedauer<br />
resultieren kann (siehe unten).<br />
Welche Ansprechtypen auf<br />
die antivirale Therapie können<br />
unterschieden werden?<br />
Für die Beurteilung des Therapieerfolges<br />
ist es nötig, die unterschiedlichen<br />
Ansprechtypen auf die antivirale Therapie<br />
zu kennen:<br />
„Sustained response“: Das Erreichen<br />
einer „sustained response“ (SVR) stellt<br />
das Ziel der Therapie der chronischen<br />
Hepatitis C dar. In diesem Fall sinkt der<br />
Virustiter während der Therapie unter<br />
die Nachweisgrenze und auch nach Therapieende<br />
kann HCV-RNA nicht im<br />
Serum nachgewiesen werden. Von einer<br />
SVR spricht man per definitionem, wenn<br />
sechs Monate nach Therapieende keine<br />
HCV-RNA im Serum nachweisbar ist.<br />
Große Studien haben gezeigt, dass dies<br />
einer Heilung der Infektion entspricht<br />
und zu einem späteren Zeitpunkt mit<br />
keinen Rezidiven zu rechnen ist.<br />
„Relapse“: Leider kommt es bei<br />
einem Teil der Patienten, die primär gut<br />
auf die antivirale Therapie ansprechen<br />
und während der Therapie HCV-RNA<br />
negativ werden, innerhalb der ersten<br />
sechs Monate nach Therapieende zum<br />
Wiederauftreten von HCV-RNA im<br />
Serum.<br />
„Break-through“: Kommt es während<br />
der antiviralen Therapie zum Wiederauftreten<br />
des Virus im Serum, nachdem<br />
der Virustiter zuvor schon unter der<br />
Nachweisgrenze war, so spricht man von<br />
einem „break-through“. In diesem Fall<br />
sollte die Therapie abgebrochen werden,<br />
da eine Interferonresistenz des<br />
Virusstammes anzunehmen ist.<br />
„Non-response“: Eine „Non-response“<br />
liegt vor, wenn nach 12 Wochen Therapie<br />
die Viruskonzentration im Serum im Vergleich<br />
zum Ausgangswert nicht um mindestens<br />
zwei dekadische Logarithmen<br />
(d.h. > 99%) abgesunken ist oder wenn<br />
nach 24 Wochen Therapie immer noch<br />
HCV-RNA im Serum nachweisbar ist.<br />
Bei Vorliegen einer „Non-response“<br />
sollte die antivirale Therapie abgebrochen<br />
werden, da große Studien gezeigt<br />
haben, dass bei Fortführung der Therapie<br />
die Chance auf eine SVR so gering<br />
ist, dass die Erfolgsaussichten der Therapie<br />
in keinem vernünftigen Verhältnis<br />
zu Risiko und Kosten stehen.<br />
Was versteht man unter dem<br />
modernen Konzept der<br />
„individualisierten Therapiedauer“?<br />
Es hat sich gezeigt, dass der wichtigste<br />
Parameter zur Beurteilung der Chancen,<br />
eine SVR zu entwickeln, das virologische<br />
Ansprechen während der Frühphase der<br />
antiviralen Therapie ist: Je früher im<br />
Laufe der Therapie die HCV-RNA aus<br />
Individualisierte Therapiedauer bei Genotyp 1<br />
Abbildung 1<br />
dem Serum verschwindet, desto höher<br />
sind die Chancen, eine SVR zu erzielen<br />
und desto kürzer ist die Behandlungsdauer,<br />
die notwendig ist. Es wird deshalb<br />
empfohlen, die Therapiedauer individuell<br />
– abhängig vom virologischen Ansprechen<br />
des Patienten – zu wählen.<br />
Individualisierte Therapiedauer<br />
bei Genotyp 1<br />
Vier Wochen nach Therapiebeginn<br />
sollte erstmals eine PCR durchgeführt<br />
werden. Einige Studien zeigten, dass bei<br />
Patienten, die bereits zu Woche 4 PCRnegativ<br />
sind (man spricht in diesem<br />
Zusammenhang von einer „rapid virologic<br />
response“, RVR), auch bei einer Verkürzung<br />
der Therapiedauer auf 24<br />
Wochen sehr gute Heilungsraten (SVR<br />
77–90%) erzielt werden können. Dies gilt<br />
insbesondere für Patienten, die vor Therapiebeginn<br />
eine niedrige Viruslast aufweisen<br />
(je nach Studie < 600.000 IU/ml<br />
bzw. < 800.000 IU/ml). Trotz dieser<br />
Erfolge empfehlen wir speziell bei<br />
Patienten, die vor Therapiebeginn eine<br />
hohe Viruslast aufweisen, keine generelle<br />
Therapieverkürzung auf 24 Wochen, da<br />
es Hinweise gibt, dass auch bei Patienten<br />
mit RVR die SVR-Raten durch eine 48wöchige<br />
Therapie noch um einige Prozentpunkte<br />
gesteigert werden können.<br />
Besonders bei schlechter Verträglichkeit<br />
der antiviralen Therapie sollte jedoch die<br />
Möglichkeit einer Therapieverkürzung<br />
mit dem Patienten diskutiert werden.<br />
Nach 12 Wochen Therapie wird der<br />
Virustiter im Serum neuerlich bestimmt.<br />
Falls zu diesem Zeitpunkt die Viruskon-<br />
seite 12 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
Individualisierte Therapiedauer bei Genotyp 2/3<br />
zentration nicht um mindestens zwei<br />
dekadische Logarithmen (d.h. um mehr<br />
als 99%) im Vergleich zum Ausgangswert<br />
vor Therapiebeginn gesunken ist,<br />
sollte die Therapie abgebrochen werden,<br />
da eine Interferonresistenz anzunehmen<br />
ist.<br />
Bei Patienten, bei denen die Viruskonzentration<br />
zu Woche 12 um mehr als<br />
99% gesunken ist, wird die Therapie<br />
zunächst bis Woche 24 fortgesetzt (=<br />
Monat 6). Ist zu diesem Zeitpunkt das<br />
Virus im Serum mittels PCR noch nachweisbar,<br />
wird die Therapie abgebrochen.<br />
Tabelle 2<br />
Kontraindikationen gegen eine antivirale<br />
Therapie<br />
Kontraindikationen gegen Interferon α<br />
• Thrombozytopenie (< 50.000/μl), Leukozytopenie<br />
(< 2.000/μl)<br />
• schwere Allgemeinerkrankungen<br />
• Autoimmunerkrankungen<br />
• Schwangerschaft oder unzureichende<br />
Kontrazeption<br />
• endogene Depression, Schizophrenie,<br />
Epilepsie<br />
• aktiver Drogen- oder Alkoholabusus<br />
• Psoriasis und andere Hauterkrankungen<br />
• dekompensierte Leberzirrhose<br />
• hepatische Enzephalopathie, Aszites,<br />
Ösophagusvarizen<br />
Kontraindikationen gegen Ribavirin<br />
• Anämie<br />
• symptomatische koronare Herzkrankheit<br />
• Vorsicht bei Vorliegen von vaskulären Risikofaktoren<br />
(Diabetes mellitus, Hypertonie,<br />
Hyperlipidämie, Nikotinabusus, Adipositas)<br />
• Gicht<br />
• Alter über 65 Jahre (Indikation nur mit Vorsicht<br />
durch einen Spezialisten)<br />
Abbildung 2<br />
Bei negativer PCR zu Woche 24 wird<br />
die Therapie bis Woche 48 fortgesetzt,<br />
falls zu Woche 12 kein Virus mehr im<br />
Serum nachweisbar war. Falls der<br />
Patient zu Woche 12 noch PCR-positiv<br />
war, wird die Therapie bis Woche 72<br />
fortgesetzt. Den rationalen Hintergrund<br />
für diese Vorgangsweise lieferten mehrere<br />
Studien, die zeigten, dass bei<br />
Patienten, bei denen zu Woche 12 die<br />
Viruskonzentration zwar um mehr als<br />
99% gesunken ist, aber immer noch das<br />
Virus nachweisbar ist, die SVR-Raten<br />
durch eine Verlängerung der Therapie<br />
auf 72 Wochen (im Vergleich zu einer<br />
Therapie durch 48 Wochen) signifikant<br />
erhöht werden können. Die Wahl der<br />
Therapiedauer in Abhängigkeit von der<br />
Viruskinetik beim Genotyp 1 ist in<br />
Abbildung 1 zusammengefasst.<br />
Individualisierte Therapiedauer<br />
bei Genotyp 2 und 3<br />
Auch bei den Genotypen 2 und 3 sollte<br />
bereits nach vier Wochen Therapie die<br />
Virusmenge im Serum kontrolliert werden.<br />
Mehrere Studien zeigten, dass<br />
Patienten, die eine RVR aufweisen, d.h.<br />
bei denen bereits nach vier Wochen Therapie<br />
kein Virus mehr im Serum nachweisbar<br />
ist, auch im Falle einer Therapieverkürzung<br />
auf 12 bis 16 Wochen eine<br />
sehr hohe Chance auf eine SVR haben.<br />
Die größte bisher publizierte Studie<br />
ergab jedoch, dass bei Patienten mit<br />
RVR die SVR-Raten nach 24 Wochen<br />
Therapie signifikant höher sind als nach<br />
16 Wochen Therapie. Eine Verkürzung<br />
der Therapiedauer auf 12–16 Wochen ist<br />
daher auch bei Patienten mit RVR nur<br />
HEPATITIS C<br />
Fortbildung<br />
dann zu empfehlen, wenn die antivirale<br />
Therapie sehr schlecht vertragen wird<br />
oder der Patient dies ausdrücklich<br />
wünscht.<br />
Patienten, die zu Woche 4 noch PCR<br />
positiv sind, weisen in allen Studien nach<br />
einer 24-wöchigen Therapie relativ niedrige<br />
SVR-Raten auf. Es wird daher empfohlen,<br />
bei diesen Patienten die Therapiedauer<br />
auf 48 Wochen zu verlängern,<br />
obwohl es für diese Vorgangsweise bisher<br />
in der Literatur keine überzeugenden<br />
Belege gibt. Die Wahl der Therapiedauer<br />
in Abhängigkeit von der Viruskinetik bei<br />
den Genotypen 2 und 3 ist in Abbildung<br />
2 zusammengefasst.<br />
Wie hoch sind die<br />
Heilungschancen mit der<br />
derzeitigen Standardtherapie?<br />
Der wichtigste Faktor, der die Erfolgsaussichten<br />
einer antiviralen Therapie<br />
determiniert, ist der Genotyp: Die Heilungschancen<br />
bei Genotyp 1 betragen<br />
40–50%, bei den Genotypen 2 und 3<br />
hingegen trotz der kürzeren Therapiedauer<br />
und der niedrigeren Ribavirindosis<br />
80–90%. Weitere Faktoren, die in<br />
Studien als positive Prädiktoren hinsichtlich<br />
des Ansprechens auf die antivirale<br />
Therapie identifiziert wurden, sind:<br />
niedrige Viruslast vor Therapiebeginn,<br />
junges Alter, niedriger BMI, präzirrhotisches<br />
Stadium, Fehlen einer signifikanten<br />
Steatosis hepatis sowie Nichtvorhandensein<br />
eines Diabetes mellitus.<br />
Afroamerikaner hatten in klinischen<br />
Studien regelmäßig geringere SVR-<br />
Raten als Kaukasier.<br />
Was sind die wichtigsten<br />
Limitationen der derzeitigen<br />
Standardtherapie?<br />
Leider können mit der derzeitigen<br />
Standardtherapie nicht alle Patienten<br />
geheilt werden, sondern die Erfolgsaussichten<br />
sind „nur“ 40–50% für Infektionen<br />
mit dem Genotyp 1 und 80–90% für<br />
Infektionen mit den Genotypen 2 und 3.<br />
Es stellt sich daher die Frage, wie man<br />
jene Patienten behandeln soll, die auf die<br />
Standardtherapie nicht angesprochen<br />
haben. Dabei muss zwischen „Relapsern“<br />
und „Nonrespondern“ unterschieden<br />
werden: „Relapser“ haben eine<br />
akzeptable Heilungschance, wenn die<br />
Standardtherapie ein zweites Mal durchgeführt<br />
wird und die Therapiedauer<br />
dabei sechs Monate länger dauert als bei<br />
der Ersttherapie.<br />
seite 13
HEPATITIS C<br />
Fortbildung<br />
Patienten hingegen, die auf eine Ersttherapie<br />
mit pegyliertem Interferon plus<br />
Ribavirin eine „Nonresponse“ zeigten,<br />
haben auch im Falle einer Zweittherapie<br />
mit dem derzeitigen Standardregime<br />
sehr niedrige Erfolgsaussichten (etwa 6–<br />
10%).<br />
Ein weiteres großes Problem besteht<br />
darin, dass aufgrund von Kontraindikationen<br />
(siehe Tabelle 2) nur ein relativ<br />
geringer Anteil aller Patienten mit<br />
chronischer Hepatitis C für eine antivirale<br />
Therapie geeignet ist. Aus den<br />
genannten Gründen ist die Entwicklung<br />
effektiverer und nebenwirkungsärmerer<br />
Medikamente von größter Bedeutung.<br />
Welche aktuellen Neuerungen<br />
gibt es auf dem Gebiet<br />
der Therapie der<br />
chronischen Hepatitis C?<br />
In einer genomweiten Assoziationsstudie<br />
konnte vor kurzem gezeigt werden,<br />
dass ein Single-Nukleotid-Polymorphismus<br />
im Bereich rs12979860 am<br />
Chromosom 19 (19q13.13), nahe dem<br />
Gen für Interleukin 28B, hochsignifikant<br />
mit der Wahrscheinlichkeit, eine<br />
SVR zu erreichen, assoziiert ist. Der<br />
Genotyp mit günstiger Prognose ist bei<br />
Kaukasiern wesentlich häufiger zu finden<br />
als bei Afroamerikanern. Das unterschiedliche<br />
Ansprechen von Kaukasiern<br />
und Afroamerikanern auf die antivirale<br />
Therapie ist demnach zur Hälfte durch<br />
den genannten Polymorphismus erklärbar.<br />
Auch für einige andere Polymorphismen<br />
konnte ein Einfluss auf die<br />
Erfolgsaussichten der Therapie nachgewiesen<br />
werden. Es ist daher zu erwarten,<br />
dass die Bestimmung zumindest einiger<br />
dieser Polymorphismen in Zukunft klinischer<br />
Standard werden wird, um<br />
bereits vor Therapiebeginn die Erfolgsaussichten<br />
der Therapie genauer<br />
abschätzen zu können und vielleicht<br />
auch die genaue Therapiedauer auf individueller<br />
Basis besser planen zu können.<br />
Eine ganze Reihe von Substanzen, die<br />
spezifisch bestimmte Moleküle des<br />
HCV hemmen (darunter Protease-,<br />
Polymerase-, und Helicaseinhibitoren)<br />
oder das Immunsystem modulieren,<br />
befinden sich derzeit in klinischer Testung.<br />
Das Konzept, gezielt im Labor<br />
Substanzen zu synthetisieren, die<br />
bestimmte HCV-Enzyme hemmen, wird<br />
als STAT-C („specifically targeted antiviral<br />
therapy for HCV“) bezeichnet.<br />
Am weitesten fortgeschritten ist in<br />
diesem Zusammenhang die Entwicklung<br />
von sogenannten Proteasehemmern.<br />
Besonders zwei Proteasehemmer<br />
(Telaprevir und Boceprevir) zeigten in<br />
Phase-2-Studien sehr vielversprechende<br />
Ergebnisse und werden wohl in etwa<br />
zwei Jahren Marktreife erlangen. Diese<br />
Substanzen werden vorläufig nur in<br />
Kombination mit Interferon und Ribavirin<br />
angewandt. Die bisher vorliegenden<br />
Studienergebnisse lassen erwarten,<br />
dass mit Hilfe dieser Substanzen die<br />
SVR-Raten bei Genotyp 1 um etwa<br />
20% gehoben werden können (und das<br />
obwohl – zumindest bei Anwendung<br />
von Telaprevir – die Therapiedauer auf<br />
sechs Monate verkürzt werden kann).<br />
Auch für Genotyp-1-Patienten, die auf<br />
die Standardtherapie eine „Nonresponse“<br />
zeigten, bieten Proteasehemmer<br />
neue Chancen: In einer Phase-2<br />
Studie konnte durch die Gabe von<br />
Peginterferon plus Ribavirin plus Telaprevir<br />
durch 12 Wochen gefolgt von<br />
Peginterferon plus Ribavirin durch weitere<br />
12 Wochen bei 39% der Patienten<br />
eine SVR erzielt werden.<br />
Das Fernziel der Therapie der chronischen<br />
Hepatitis C besteht darin, durch<br />
eine Kombination aus Proteasehemmern<br />
und Polymerasehemmern (eventuell<br />
zusammen mit weiteren kleinen<br />
Molekülen, die gezielt die Replikation<br />
von HCV hemmen) eine SVR zu erreichen.<br />
In diesem Fall könnte man den<br />
Patienten die potentiellen Nebenwirkungen<br />
von Interferon und Ribavirin<br />
ersparen. Erste wissenschaftliche Studien<br />
vermitteln den Eindruck, dass dieses<br />
Ziel bereits in nicht allzu ferner<br />
Zukunft erreicht werden könnte und<br />
dass die Therapie der chronischen<br />
Hepatitis C daher vor einem Quantensprung<br />
steht.<br />
Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael<br />
Gschwantler, Dr. Emina Dulic-Lakovic,<br />
Dr. Melisa Dulic<br />
Wilhelminenspital der Stadt Wien<br />
4. Medizinische Abteilung<br />
Montleartstraße 37, A-1160 Wien<br />
Tel.: +43/1/49 150-24 01, Fax-Dw: -24 09<br />
michael.gschwantler@wienkav.at<br />
Pegasys® 135 bzw. 180 Mikrogramm Injektionslösung in einer Fertigspritze. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine Fertigspritze enthält Peginterferon alfa-2a* 135 bzw. 180 Mikrogramm. Jede Fertigspritze mit<br />
0,5 ml Lösung enthält 135 bzw. 180 Mikrogramm Peginterferon alfa-2a*. Die Stärke bezieht sich auf die Menge des Interferon alfa-2a Anteils von Peginterferon alfa-2a ohne Berücksichtigung der Pegylierung. *Der arzneilich wirksame<br />
Bestandteil, Peginterferon alfa-2a, ist ein kovalentes Konjugat des Proteins Interferon alfa-2a, das mittels rekombinanter DNA-Technologie in Escherichia coli mit bis-[Monomethoxy-Polyethylenglykol] hergestellt wird. Die Wirksamkeit<br />
dieses Arzneimittels sollte nicht mit der Wirksamkeit anderer pegylierter oder nicht pegylierter Proteine derselben therapeutischen Klasse verglichen werden. Für weitere Informationen siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt<br />
5.1 „Pharmakodynamische Eigenschaften“. Sonstiger Bestandteil: Benzylalkohol (10 mg/1 ml). Anwendungsgebiete: Chronische Hepatitis B: Pegasys ist indiziert zur Behandlung der HBeAg-positiven und HBeAg-negativen chronischen<br />
Hepatitis B bei erwachsenen Patienten mit kompensierter Lebererkrankung, mit Nachweis viraler Replikation, erhöhten GPT-Werten und histologisch verifizierter Leberentzündung und/oder -fibrose (siehe veröffentlichte Fachinformation<br />
Abschnitte 4.4 "Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung" und 5.1 "Pharmakodynamische Eigenschaften"). Chronische Hepatitis C: Pegasys ist indiziert zur Behandlung erwachsener Patienten mit chronischer<br />
Hepatitis C, deren Serum HCV-RNA-positiv ist, einschließlich Patienten mit kompensierter Zirrhose und/oder mit einer klinisch stabilen HIV-Begleitinfektion (siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt 4.4 "Besondere Warnhinweise<br />
und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung"). Pegasys wird bei Patienten mit chronischer Hepatitis C am besten in Kombination mit Ribavirin angewendet. Die Kombination von Pegasys und Ribavirin ist indiziert bei<br />
unvorbehandelten Patienten und bei Patienten, bei denen eine vorhergehende Therapie mit Interferon alfa (pegyliert oder nicht pegyliert) alleine oder in der Kombinationstherapie mit Ribavirin versagt hat. Die Monotherapie ist hauptsächlich<br />
bei einer Intoleranz oder Kontraindikationen gegen Ribavirin indiziert. Gegenanzeigen: - Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, alfa-Interferone oder einen der sonstigen Bestandteile. - Hepatitis als Autoimmunerkrankung.<br />
- Schwere Dysfunktion der Leber oder dekompensierte Leberzirrhose. - Neugeborene und Kleinkinder bis zu 3 Jahren, da das Arzneimittel Benzylalkohol enthält (siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt 4.4 „Besondere Warnhinweise<br />
und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung" zu Benzylalkohol). - Schwere vorbestehende Herzerkrankung in der Anamnese, einschließlich instabiler oder unkontrollierter Herzerkrankung in den vergangenen sechs Monaten<br />
(siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt 4.4 "Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung") - Die Anwendung von Pegasys ist bei HIV-HCV-Patienten mit Zirrhose und einem Child-Pugh-Wert > 6 kontraindiziert.<br />
Wenn Pegasys in Kombination mit Ribavirin angewendet werden soll, beachten Sie bezüglich der Kontraindikationen zu Ribavirin auch die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels (Fachinformation) von Ribavirin.<br />
Liste der sonstigen Bestandteile: Natriumchlorid, Polysorbat 80, Benzylalkohol (10 mg/1 ml), Natriumacetat, Essigsäure, Wasser für Injektionszwecke. Inhaber der Zulassung: Roche Registration Limited, 6 Falcon Way, Shire Park,<br />
Welwyn Garden City, AL7 1TW, Vereinigtes Königreich. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Immunstimulanz/Cytokin, ATC-<br />
Code: L03A B11. Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen sowie Informationen zu Schwangerschaft<br />
und Stillzeit und zu Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />
Seroquel XR 50 mg - Retardtabletten, Seroquel XR 200 mg - Retardtabletten, Seroquel XR 300 mg - Retardtabletten, Seroquel XR 400 mg - Retardtabletten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antipsychotika; Diazepine,<br />
Oxazepine und Thiazepine. ATC-Code: N05A H04. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Seroquel XR 50 mg enthält 50 mg Quetiapin (als Quetiapinfumarat). Sonstiger Bestandteil: 119 mg Lactose (Anhydrid) pro Retardtablette,<br />
Seroquel XR 200 mg enthält 200 mg Quetiapin (als Quetiapinfumarat). Sonstiger Bestandteil: 50 mg Lactose (Anhydrid) pro Retardtablette. Seroquel XR 300 mg enthält 300 mg Quetiapin (als Quetiapinfumarat). Sonstiger<br />
Bestandteil: 47 mg Lactose (Anhydrid) pro Retardtablette. Seroquel XR 400 mg enthält 400 mg Quetiapin (als Quetiapinfumarat). Sonstiger Bestandteil: 15 mg Lactose (Anhydrid) pro Retardtablette. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern<br />
Mikrokristalline Cellulose. Natriumcitrat, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, Hypromellose. Tablettenüberzug Hypromellose, Macrogol, Titandioxid (E171), Eisenoxid, Gelb (E172) (50 mg, 200 mg und 300 mg Retardtabletten)<br />
Eisenoxid, Rot (E172) (50 mg Retardtabletten). Anwendungsgebiete: • Seroquel XR wird verwendet zur Behandlung von Schizophrenie, einschließlich der Rückfallprävention bei mit Seroquel XR stabil eingestellten Patienten. • Seroquel<br />
XR wird verwendet zur Behandlung der bipolaren Erkrankung: zur Behandlung von mittelgradigen bis schweren manischen Episoden innerhalb der bipolaren Erkrankung; zur Behandlung von Episoden der Major Depression innerhalb<br />
der bipolaren Erkrankung; zur Rückfallprävention bei bipolaren Patienten, die in der manischen oder depressiven Episode auf die Quetiapin-Behandlung angesprochen haben. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegenüber dem<br />
Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels. Die gleichzeitige Verabreichung von Cytochrom-P-450-3A4-Inhibitoren wie HIV-Proteasehemmern, Antimykotika vom Azoltyp, Erythromycin, Clarithromycin und Nefazodon<br />
ist kontraindiziert. Inhaber der Zulassung: AstraZeneca Österreich GmbH, Schwarzenbergplatz 7, A-1037 Wien. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. STAND<br />
Oktober 2009. Informationen zu den Abschnitten „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit,<br />
Nebenwirkungen sowie den Gewöhnungseffekten sind der veröffentlichten Fachinformation (z.B. Austria Codex) zu entnehmen.<br />
seite 14 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />
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50
SCHIZOPHRENIE<br />
Fortbildung<br />
Ganzheitlicher Therapieansatz in der Behandlung<br />
von Schizophrenie<br />
Dr. Hans Peter Bilek<br />
Das Phänomen Wahnsinn hat Menschen<br />
natürlich schon immer auf das<br />
Heftigste beschäftigt. Sinngemäß bedeutet<br />
es sinnlose, unsteuerbare Zerstörung.<br />
„Das ist ein Wahnsinn.“ ist aus unserem<br />
Sprachgebrauch nicht wegzudenken und<br />
wird in allen Situationen des Alltags verwendet,<br />
in der der Betroffene sich überfordert<br />
fühlt und eben den Eindruck hat,<br />
dass etwas zerstört wird und er sich dagegen<br />
nicht wehren kann.<br />
Vom Wesen her ist der Wahnsinn im<br />
eigentlichen – dieser in einem psychiatrischen<br />
– Sinn das Gleiche: es kommt zu<br />
einer Entkoppelung von der Realität,<br />
die Kognition lässt aus, der Betroffene<br />
kommt in einen nicht mehr kontrollierbaren<br />
Zustand, weder von außen noch<br />
von innen. Moralische und ethische<br />
Grenzen, die uns z.B. davon abhalten,<br />
eine mörderische Wut, die wir auf jemanden<br />
haben, auch umzusetzen, gelten<br />
nicht mehr.<br />
Diese Entkoppelung gab auch der<br />
Krankheit ihren Namen „Schizophrenie“<br />
(wörtlich: abgespaltene Seele).<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich die<br />
Medizin der Krankheit angenommen<br />
und sich gleichsam dafür zuständig erklärt.<br />
Dabei hat die (Schul-)Medizin aus<br />
ihrem naturwissenschaftlichen Ansatz<br />
heraus auch folgerichtig den Wahn als<br />
unkorrigierbar und unverstehbar gesehen<br />
(Bleuler; auch Freud war noch der<br />
Meinung, dass Erkrankungen aus dem<br />
psychotischen Formenkreis unbehandelbar<br />
sind).<br />
Es bedurfte einiger Entwicklung, um<br />
diese Aussage zu korrigieren. Die „Er-<br />
findung“ der Psychotherapie, die Psychoneuroimmunologie,<br />
die – wie in der<br />
Psychosomatik schon lange bekannt –<br />
nachwies, dass es anatomisch fassbare<br />
körperlich/seelische Verbindungen gibt<br />
und – als zur Zeit der letzte Entwicklungsschritt<br />
– die Neurobiologie, die unter<br />
anderem dem Unbewussten einen<br />
topographisch definierten Ort zuweisen<br />
konnte (die rechte Hemisphäre).<br />
Der verhängnisvolle Denkfehler, der<br />
aus dem cartesianischen Denken erwuchs,<br />
die Trennung von Körper und<br />
Seele, wurde (und wird) im Sinne des<br />
von Kuhn (T.S. Kuhn: The Structure of<br />
Scientific Revolutions, 1962) angekündigten<br />
Paradigmenwechsels schrittweise<br />
ausgemerzt.<br />
In der Psychotherapie selbst hat es<br />
ebenfalls bedeutsame Entwicklungen<br />
gegeben. Unter anderem wurde dem ursprünglich<br />
von der Pathologie hergeleiteten<br />
Ansatz (Freud) durch Maslow eine<br />
„Gesundheitspsychologie“ gegenübergestellt<br />
und damit auch ein Grundstein<br />
für ein salutogenetisches Denken gelegt.<br />
Im Feld der Psychiatrie gab es zwei<br />
wesentliche Entwicklungen, erstens die<br />
Einführung der Neuroleptikums Mitte<br />
der 50er-Jahre, das stärkste Angst dämpfende<br />
Medikament, das wir kennen, das<br />
das „Handling“ des Patienten wesentlich<br />
erleichterte und eine „Gegenströmung“<br />
zur vorherrschenden Meinung<br />
der biologischen Psychiatrie, die der<br />
„Antipsychiatrie“ rund um den Englischen<br />
Psychiater Ronald Laing († 1989),<br />
einleitete. Sie versuchte die Pathologisierung<br />
der Patienten und die damit verbundene<br />
Stigmatisierung aufzuheben<br />
und sprach von „Verrücktsein“ im Sinne<br />
von: Etwas ist von einem zum anderen<br />
Standort verschoben worden.<br />
Bedeutsam waren auch die Erkenntnisse<br />
der italienischen Familientherapeuten<br />
Selvini/Palazoli, die erstmals<br />
sichtbar machten, dass es einen systemischen<br />
Aspekt in der Entstehung einer<br />
Geisteskrankheit gibt, d.h. dass Familienstrukturen<br />
pathogen sein können.<br />
All diese Erkenntnisse und Entwicklungen<br />
waren die Voraussetzung dafür,<br />
dass die Ansicht der Wahn wäre unverstehbar,<br />
unkorrigierbar und damit unbehandelbar<br />
verändert werden konnte und<br />
musste.Vor allem auch die Erkenntnisse<br />
– insbesondere der Psychoanalyse – zum<br />
Thema Narzissmus und Frühstörung waren<br />
ein weiterer Meilenstein.<br />
Im Zuge einer intensiven Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema unter dem<br />
Gesichtspunkt der Therapie stellt sich<br />
aber die Frage, was denn eine Psychose<br />
ist. Die Psychiatrie hat eine große Zahl<br />
beschreibender Aspekte (nosologische<br />
Einteilungen), der Frage aber, was denn<br />
das für ein Phänomen sei, eine psychotische<br />
Störung, wurde – so scheint es – bisher<br />
nicht nachgegangen.<br />
In zwei Publikationen (Bilek, Weidinger:<br />
Der gestalttherapeutische Ansatz in<br />
der Behandlung psychotischer Störungen;<br />
in Hutterer, Krisch: Psychotherapie<br />
mit psychotischen Menschen. 1994. Bilek:<br />
Die Psychose aus gestalttheoretischer<br />
Sicht; Psychotherapie Forum<br />
II/1995) habe ich zu dem Thema Arbeiten<br />
verfasst, die dieser Frage nachgegangen<br />
sind.<br />
seite 16 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
In der ersten Arbeit wurde postuliert,<br />
dass es sich um eine Wahrnehmungsstörung<br />
handelt und der Betroffene nicht<br />
mehr „gestalthaft“ (also sinnhaft**)<br />
wahrnehmen kann. Wir führten den Begriff<br />
des „Gestaltzerfalls“ ein.<br />
In der zweiten Arbeit schlug ich vor,<br />
die Psychose als „Orientierungsdekompensation“<br />
zu sehen. Um den Begriff zu<br />
verstehen ist es notwendig, einen weiteren<br />
von mir eingeführten Begriff zu erläutern,<br />
den der IV. Nahrungsqualität.<br />
Der Ausgangspunkt dafür: die Schulmedizin<br />
(die naturwissenschaftlich orientierte<br />
Medizin) geht davon aus, dass wir<br />
Sauerstoff, Wasser und feste Nahrung<br />
zum Überleben brauchen. Es lässt sich<br />
aber leicht nachweisen, dass diese Annahme<br />
(dieses Postulat) nicht stimmt<br />
(insbesondere die Arbeiten von Reneè<br />
Spitz* zeigen das), sondern dass es auch<br />
einer vierten Qualität bedarf, nämlich<br />
der des Kontaktes.<br />
Der Mangel an Kontakt ist also ebenfalls<br />
tödlich, so wie der Mangel an den<br />
drei anderen Nahrungsqualitäten. Dabei<br />
ist hervorzuheben, dass der psychotische<br />
Zustand letztlich als ein physiologisches<br />
Phänomen einzuschätzen ist, das immer<br />
in einer extremen Notsituation auftritt,<br />
also auch als Notmaßnahme einzuordnen<br />
ist (das „kleinere Übel“). Man<br />
denke an die „Fata Morgana“ ein<br />
Wahnphänomen, das im Zuge des Verdurstens<br />
entsteht,an die Auslösung einer<br />
Psychose durch eine extreme Deprivation,<br />
etwa bei Dunkelhaft, etc. Reinhold<br />
Messner beschrieb Wahnphänomene<br />
unter dem Einfluss des Sauerstoffmangels<br />
und der großen Erschöpfung beim<br />
Gipfelanstieg. Auch in Märchen findet<br />
sich oft das Phänomen „Psychose“ unter<br />
dem Gesichtspunkt extremer Notlagen<br />
wie z.B. bei Hans Christian Andersen:<br />
Das Mädchen mit den Schwefelhölzern.<br />
Noch ein wesentlicher Fehler ist im<br />
naturwissenschaftlichen Ansatz enthalten,<br />
nämlich der Umstand, dass dieser<br />
auf der Aristotelischen Logik beruht<br />
und diese wiederum aus vier Urgründen<br />
zusammengesetzt ist – Causae. Der<br />
vierte, die causa finalis, die Wozu-Frage,<br />
ist aber verloren gegangen. Erst die Psychotherapie<br />
brachte sie uns wieder zurück.<br />
So fragte Alfred Adler, der Begründer<br />
der Individualtherapie nach<br />
dem „teleologischen Aspekt“ einer<br />
Krankheit, eines Symptoms. Dies war<br />
wegbereitend dafür, in der Krankheit<br />
auch eine Sinnhaftigkeit zu erkennen.<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
Durch das Durchbrechen der – falschen<br />
– Grundannahmen (siehe Paradigmawechsel),<br />
die in der Schulmedizin<br />
enthalten sind, entsteht ein klareres<br />
Bild, wie der Mechanismus – die Psychodynamik<br />
– abläuft, der eine Person in<br />
eine Krise bringen kann, die eine psychotische<br />
Dimension annimmt.<br />
Orientierungsdekompensation bedeutet,<br />
dass das Individuum sich im Suchen<br />
nach einer – psychischen – Nahrungsquelle<br />
nicht mehr zu Recht findet.<br />
Sehr einfach lässt sich das in der Situation<br />
eines sexuellen Kindesmissbrauchs<br />
verstehen: Die Eltern sind für das Kind<br />
einerseits (über-)lebensnotwendig, andererseits<br />
sind sie die Quelle von Entwürdigung<br />
und Zerstörung. Diese Unvereinbarkeit<br />
(„Catch 22“) versucht nun<br />
das Kind so lange wie möglich (aus<br />
Überlebensgründen) aufrecht zu erhalten.<br />
Wenn im späteren Leben eine weitere<br />
Belastung hinzukommt – in klassischer<br />
Weise das Eintreten der Pubertät –<br />
kommt es zur Dekompensation.<br />
Der Umstand, dass diese Dekompensation<br />
oft ein Leben lang anhält (der sog.<br />
„schizophrene Defekt“) ist darin zu suchen,<br />
dass das Leben des Betroffenen<br />
immer mehr zwischen seinen inhärenten<br />
Wünschen und seiner – trostlosen – Realsituation<br />
auseinanderklafft. Wie im<br />
Anhang beschrieben, hat der Patient F.S.<br />
im Rahmen des aktuellen katamnestischen<br />
Gespräches klar gemacht, dass<br />
seine Außenwelt für ihn deprimierend<br />
ist, während seine Innenwelt (oder der<br />
persistierende Primärprozess) all das<br />
enthält, was er sich wünscht.<br />
Ich gehe davon aus, dass psychische<br />
Gesundheit einer „narzisstischen Kongruenz“<br />
bedarf,d.h.,das was in einem Individuum<br />
angelegt ist (das Potential, die<br />
Talente) muss im Außen eine Entsprechung<br />
finden. Ich erinnere das Schicksal<br />
eines etwa 20-jährigen Mädchens aus<br />
meiner psychiatrischen Ausbildungszeit:<br />
Sie kam hochpsychotisch nach einem<br />
(über-)ehrgeizigen Schulversuch zu uns<br />
an die Abteilung. Im Rahmen der Reintegration<br />
in den Arbeitsprozess erhielt<br />
sie einen Job als Stubenmädchen in einem<br />
Altersheim.Dort stürzte sie sich aus<br />
dem vierten Stock.<br />
Zusammenfassung<br />
Das bio-psycho-soziale Modell, die Erweiterung<br />
des psychosomatischen Ansatzes,<br />
ist die unmittelbare Folge des Para-<br />
SCHIZOPHRENIE<br />
Fortbildung<br />
digmenwechsels. Das Verlassen einer eindimensionalen,<br />
will heißen symptomatischen,<br />
Betrachtungsweise von Krankheit<br />
hat mehrschichtige Veränderungen zur<br />
Folge. Eine Bedeutsame ist, dass das<br />
schier unüberwindliche Dogma der Unheilbarkeit<br />
– eine zäh verteidigte Position<br />
der Schulmedizin – ins Wanken geriet.<br />
Diese beiden Aufsätze zum Thema sollten<br />
an Hand eines konkreten Fallbeispiels<br />
zeigen,dass das alte Selbstverständnis<br />
von Wahn und Psychose überholt ist.<br />
Ich habe die einzelnen historischen Entwicklungsschritte<br />
aufgezeigt,die zu dieser<br />
Entwicklung geführt haben.<br />
Mein eigener Beitrag war es, der Frage<br />
nachzugehen, was eigentlich eine Psychose<br />
ist, denn ich kann mich einer<br />
Krankheit nicht effizient therapeutisch<br />
nähern,wenn ich nicht um das Phänomen<br />
und seine tiefere Bedeutung weiß.<br />
Einen weiteren Entwicklungsschritt<br />
sehe ich im Verlassen des „pathologischen“<br />
Denkens, d.h. dass der Arzt oder<br />
der Therapeut sich nur in pathologischen<br />
Denkansätzen bewegt; der Ansatz<br />
von Maslow, die Psyche des Gesunden<br />
zu untersuchen und die Gedanken der<br />
Antipsychiatrie, haben dazu geführt, ein<br />
Lösungs- und Ressourcen orientiertes<br />
Arbeiten einzuleiten. Die „Wiederentdeckung“<br />
der „causa finalis“ – in der<br />
„Wozu-Frage“ verpackt – führt dazu, die<br />
Sinnhaftigkeit einer Erkrankung – und<br />
sei sie auch noch so schwer – zu erfassen,<br />
zu akzeptieren.<br />
Als ganz wesentlich erscheint mir<br />
noch, dass der Kontakt – von mir die<br />
vierte Nahrungsqualität benannt – für<br />
Menschen ebenso überlebenswichtig ist<br />
wie Sauerstoff,Wasser und Nahrung.Die<br />
Nichtbeachtung dessen erscheint mir<br />
sehr zeittypisch zu sein.<br />
Alle diese Elemente zusammen ergeben<br />
den ganzheitlichen Ansatz, der, wie<br />
die Fallgeschichte zeigen soll, durchaus<br />
dazu angetan ist, eine Heilung herbeizuführen.<br />
Anhang<br />
Katamnestisches Gespräch mit dem<br />
Patienten F.S. zwei Jahre nach Beendigung<br />
der Gruppentherapie:<br />
Status: bewusstseinsklar, geordnet, ruhig,<br />
im Denken kohärent, mit adäquater<br />
emotionaler Reaktion.<br />
seite 17
SCHIZOPHRENIE<br />
Fortbildung<br />
F.S. berichtet, dass er nun seit einigen<br />
Monaten bei seinem Vater mitarbeitet,<br />
der ein Transportunternehmen hat. Im<br />
letzten halben Jahr habe er sich „auf die<br />
Psychose voll eingelassen“, d.h. er wollte<br />
sich besser kennen lernen und dem Phänomen<br />
auf den Grund gehen. Er höre<br />
seine Stimmen, „zucke aber nicht aus“; es<br />
sei ihm gelungen, mit sich selbst „den<br />
Kampf aufzunehmen“. In dieser Zeit<br />
habe er auch keine Medikamente genommen.<br />
Z.Z nimmt er wieder ein Neuroleptikum.<br />
Momentan lebt er alleine, habe<br />
vor kurzem eine Beziehung zu einer Frau<br />
beendet, die ihm aber sehr abgehe.<br />
Zum „Stimmenhören“ meint er, diese<br />
bilden seine „eigene Welt“ ab. Dort sei er<br />
der Held und habe all das erreicht, was<br />
ihm in seinem derzeitigen Leben verwehrt<br />
ist, er sich aber schon als Kind erträumt<br />
habe (So wäre er gern „Master of<br />
disaster…“ und fügt hinzu „…auch wenn<br />
dies humoristisch ist“).<br />
Kommentar: Wie klar erkennbar, ist<br />
F.S. einerseits in seinem Auftreten unauffällig,<br />
andererseits existiert noch diese<br />
„zweite Welt“, hauptsächlich repräsentiert<br />
durch das Stimmenhören (vermutlich<br />
der persistierende Primärprozess).<br />
Seine Ich-Stärke ist jedoch so angewachsen,<br />
dass er – und das erscheint mir das<br />
Wichtigste – die Wahnbilder für sich<br />
selbst korrigieren kann. Schon der oben<br />
zitierte R. Laing wies darauf hin, dass das<br />
Phänomen des Stimmenhörens sehr<br />
lange fortbesteht, aber in dem Augenblick<br />
keinen Krankheitswert hat, in dem<br />
der Betroffene dazu eine kritische Haltung<br />
einnehmen kann.<br />
*Von ihm stammt u.a. auch der Begriff<br />
des Hospitalismus.<br />
**Der Begriff der „Gestalt“ kommt in<br />
diesem Zusammenhang aus der Gestaltpsychologie.<br />
Gestaltwahrnehmung ist<br />
die Grundvoraussetzung für die Orientierung<br />
in der Welt. Sie bedeutet, dass<br />
wir aus den auf uns einströmenden<br />
Wahrnehmungen Bilder (= Gestalten)<br />
formen und diese in Bezug auf unsere<br />
Bedürfnisse deuten können.<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Dr. Hans Peter Bilek<br />
FA für Psychiatrie/Neurologie,<br />
Psychotherapeut, Lehrtherapeut der<br />
Österr. Ärztekammer<br />
hpbilek@hp-bilek.at<br />
Hansaplast: Raus ins Leben<br />
ohne lästige Insekten<br />
Mit der warmen Jahreszeit erwacht<br />
auch die Insektenwelt zu neuem Leben<br />
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Wald und Flur zum Wermutstropfen am<br />
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für den unbekümmerten Aufenthalt in<br />
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Die Gartensaison<br />
mit all ihren Freuden<br />
hat wieder<br />
begonnen: ausgedehnteWanderungen,<br />
barfüßiges<br />
Spielen auf den<br />
Wiesen, Gartenarbeit, Sonnenbäder,<br />
Grillfeste und Heurigenbesuche laden<br />
dazu ein, viel Zeit in der Natur zu verbringen.<br />
Dort warten aber häufig lästige<br />
Insekten, deren Stiche oder Bisse dem<br />
Menschen gefährlich werden können.<br />
Gegen Gelsen, Zecken und Co kann<br />
man sich jedoch ganz leicht mit dem Hansaplast<br />
Insekten-Sortiment, dem Hansaplast<br />
Anti-Insekten Spray, der Hansaplast<br />
Anti-Insekten Lotion und dem Hansaplast<br />
Insektenstich Gel schützen. Während<br />
der Hansaplast Anti-Insekten Spray<br />
und die Hansaplast Anti-Insekten Lotion<br />
zur Vorbeugung gegen Stiche entwickelt<br />
wurden, gibt es das Hansaplast Insektenstich<br />
Gel zur Behandlung der oft<br />
heftig juckenden Stichwunden.<br />
Vorbeugen ist besser:<br />
Hansaplast Anti-Insekten<br />
Spray und Anti-Insekten Lotion<br />
Die Stich- und Bisswunden heimischer<br />
Insekten sollten nicht unterschätzt<br />
werden, können diese Tierchen<br />
doch mit ihren Stichen und<br />
Bissen so manche Krankheit übertra-<br />
gen. Borreliose oder<br />
eine Infektion mit<br />
der Frühsommer-<br />
Meningoenzephalitis<br />
können langwierige<br />
Folgeschäden<br />
nach sich ziehen.<br />
Um unnötigen<br />
Komplikationen aus dem Weg zu gehen,<br />
empfiehlt es sich, die Tiere bereits im Vorfeld<br />
abzuwehren. Dies gelingt besonders<br />
einfach durch die Anwendung des Hansaplast<br />
Anti-Insekten Sprays oder der Hansaplast<br />
Anti-Insekten Lotion. Beide sind<br />
besonders leicht aufzutragen und auf ihre<br />
Hautverträglichkeit mehrfach erfolgreich<br />
getestet. Der Hansaplast Anti-Insekten<br />
Spray beziehungsweise die hautfreundliche,<br />
fettfreie Hansaplast Anti-Insekten<br />
Lotion schützen bis zu sechs Stunden vor<br />
Gelsen und bis zu vier Stunden vor<br />
Zecken. Einfach aufzutragen, wurden sie<br />
für die Anwendung am Körper und im<br />
Gesicht entwickelt. Sie ziehen rasch ein<br />
und sind auch für Kinder ab zwei Jahren<br />
hervorragend geeignet.<br />
Hansaplast: Soforthilfe<br />
bei Insektenstichen<br />
Ist das Malheur jedoch bereits geschehen<br />
und Insektenstiche vorhanden, kann<br />
man mit dem Hansaplast Insektenstich<br />
Gel rasch den quälenden Juckreiz lindern.<br />
Besonders Kinder leiden unter den Stichen<br />
und neigen dazu, sie aufzukratzen.<br />
Durch Erreger, die häufig auf den Fingern<br />
oder unter den Nägeln zu finden<br />
sind, kann das Aufkratzen der Stiche zu<br />
bösen Entzündungen führen.<br />
Das Hansaplast Insektenstich Gel<br />
kühlt die betroffenen Stellen und mindert<br />
dadurch den Juckreiz.<br />
Darüber hinaus<br />
beruhigen die natürlichen<br />
Wirkstoffe Hamamelis<br />
und Panthenol die<br />
irritierte Haut. Dank seiner<br />
fettfreien Formel<br />
zieht das Hansaplast<br />
Insektenstich Gel rasch<br />
ein und überzeugt damit<br />
durch den hohen Komfort<br />
in der Anwendung.<br />
FB<br />
seite 18 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />
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50
Fachkurzinformation siehe Seite 32
MORBUS PARKINSON<br />
Fortbildung<br />
Nichtmotorische Symptome bei<br />
Morbus Parkinson – ein Überblick<br />
OA Dr. Volker Tomantschger<br />
Beim idiopathischen Parkinson-Syndrom<br />
handelt es sich nicht nur um eine<br />
klassische motorische Bewegungskrankheit,<br />
sondern gemeinsam mit Akinese,<br />
Rigor und Tremor treten bereits in der<br />
prämotorischen Phase eine Reihe von<br />
nicht-motorischen Symptomen auf. Betroffene<br />
leiden oft schon Jahre bevor die<br />
Parkinson-Krankheit diagnostiziert wird<br />
unter den nicht-motorischen Symptomen,<br />
die von Riech-, Schlafstörungen,<br />
Schmerzen und Beeinträchtigungen des<br />
autonomen Nervensystems über<br />
Depressionen und neuropsychiatrischen<br />
Einschränkungen bis zu Störungen des<br />
Magen-Darm- und Urogenitaltraktes<br />
reichen können (Tabelle 1). Im fortgeschrittenen<br />
Stadium treten die nichtmotorischen<br />
Probleme immer häufiger<br />
auf und stehen für Betroffene und Angehörige<br />
schlussendlich im Vordergrund.<br />
Sensorische Dysfunktionen<br />
Riechstörungen<br />
Riechstörungen werden in der Literatur<br />
mit einer Häufigkeit von bis zu 95%<br />
angegeben. Das Vorkommen ist unabhängig<br />
von Alter und Geschlecht.<br />
Patienten mit einer Multisystematrophie<br />
(MSA) weisen im Krankheitsverlauf<br />
nur eine leichte Hyposmie oder ein<br />
weitgehend unauffälliges Riechvermögen<br />
auf.<br />
Tabelle 1<br />
Nicht-Motorische Symptome<br />
• Sensorische Störungen<br />
• Neuropsychiatrische Einschränkungen<br />
• Schlafstörungen<br />
• Störungen autonomen Nervensystems<br />
Sehbeeinträchtigung<br />
Ein retinales dopaminerges Defizit<br />
zeigt sich in Form von Sehunschärfe,<br />
gestörtem Farbsehen und Problemen<br />
der Farbdiskrimination, wobei diesbezüglich,<br />
neben der Optimierung der Einstellung,<br />
keine gut wirksame medikamentöse<br />
Hilfe angeboten werden kann.<br />
In diesem Zusammenhang muss aber<br />
die bekannte Akkomodationsschwäche<br />
unter Dopaminagonisten bedacht werden.<br />
Schmerz und Sensibilitätsstörungen<br />
Störungen der zentralen sensiblen<br />
Wahrnehmung wie Taubheit und Gefühllosigkeit<br />
werden zunehmend im<br />
Patientengespräch erfragt, wobei auch<br />
hier die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt<br />
sind und kontrollierte Studien<br />
nicht vorliegen.<br />
Die Schmerzen bei Parkinson-Betroffenen<br />
können muskuloskeletalen, neuropathisch-radikulären,<br />
dystonen oder<br />
zentralen Ursprungs sein.<br />
Neuropsychiatrische<br />
Einschränkungen<br />
Depression<br />
Das Risiko einer späteren Parkinson’schen<br />
Erkrankung ist bei Patienten<br />
mit depressiven Erkrankungen im Vergleich<br />
zu der Normalbevölkerung um<br />
das Zwei- bis Dreifache erhöht (Schuurrman<br />
et al, 2002 1 ). Angst und Agoraphobie,<br />
Panikattacken und soziale<br />
Phobie werden bei 20–40% der Parkinson-Patienten<br />
beschrieben und treten<br />
häufig im Kontext mit Depressionen auf<br />
(Shulman et al, 2001 2 ). Depressive Episoden<br />
beeinflussen den Verlauf der Erkrankung<br />
negativ und reduzieren die<br />
Lebensqualität der Betroffenen. Das<br />
Bild einer Depression beim Parkinson<br />
ist nicht ident mit einer klassischen<br />
endogenen Depression.<br />
Bei Parkinson-Patienten sind vermehrt<br />
Dysphorie, Traurigkeit, Reizbarkeit<br />
und Pessimismus anzutreffen. Eine<br />
niedrigere Suizidrate ist bekannt.<br />
Patienten mit ausgeprägten motorischen<br />
Schwankungen beschreiben auch<br />
ausgeprägte Fluktuationen der Stimmungslage.<br />
In diesen Fällen ist eine Verbesserung<br />
mit der Optimierung der<br />
medikamentösen Therapie zu erzielen.<br />
Demenz<br />
Bei der Parkinson-Demenz stehen initial<br />
nicht die Gedächtnisstörungen im<br />
Vordergrund, sondern vielmehr die<br />
Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit,<br />
des Planens und Durchführens zielgerichteter<br />
Handlungen, der Wort-flüssigkeit<br />
und der visuell-räumlichen<br />
Funktionen. Bereits im Frühstadium<br />
zeigen sich Veränderungen im Bereich<br />
der exekutiven (z.B. Planen und Problem<br />
lösen) und emotional-sozialen<br />
Funktionen (z.B. Schwierigkeiten Wünsche,<br />
Emotionen mitzuteilen).<br />
Risikofaktoren für die Entwicklung<br />
einer Demenz sind ein spätes Manifestationsalter<br />
von über 65 Jahren, Vorkommen<br />
von Halluzinationen, familiäre<br />
Demenz, schwerer Verlauf und frühe<br />
Entwicklung von Verwirrtheitszuständen<br />
unter L-Dopa.<br />
seite 20 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
Bei Parkinson-Patienten treten definitionsgemäß<br />
die motorischen Symptome<br />
ein Jahr vor den dementiellen Veränderungen<br />
auf, wobei bei der Demenz mit<br />
Lewy-Körperchen die Parkinson-Symptome<br />
sich gleichzeitig oder nach der<br />
Demenz entwickeln.<br />
Die Diagnostik umfasst die neuropsychologische<br />
Testung und Zusatzuntersuchungen<br />
mit SPECT/PET.<br />
Psychose und Halluzinationen<br />
Im Verlauf der Parkinson’schen Erkrankung<br />
wird der Prozentsatz der psychotischen<br />
Episoden zwischen 23% und<br />
40% angegeben. Psychotische Symptome<br />
treten meist erst zehn oder mehr<br />
Jahre nach Krankheitsbeginn auf.<br />
Neben den überwiegenden visuellen<br />
Halluzinationen kommen auch taktile,<br />
akustische, und olfaktorische/gustatorische<br />
Halluzinationen vor. Die Berichte<br />
über visuelle Halluzinationen schwanken<br />
zwischen 6% und 60% bei Parkinson<br />
Betroffenen. Sie beziehen sich häufig<br />
auf Tiere oder Objekte und sind von<br />
kurzer Dauer. Den endogenen Risikofaktor<br />
stellt das Vorliegen einer Demenz<br />
dar. Die wichtigsten äußeren Auslöser<br />
sind die Medikation, Infekte, Exsikkose,<br />
metabolische und endokrine Störungen,<br />
Schädel-Hirn-Traumen, akute zerebrale<br />
Erkrankungen.<br />
Verhaltensstörungen<br />
Verhaltensstörungen präsentieren<br />
sich als Impulskontrollstörung mit z.B.<br />
Hypersexualität, pathologischem Spielen,<br />
exzessivem Essen, zwanghaftem<br />
Einkaufen, als Dopamindysregulationssyndrom<br />
mit unkontrollierter eigenmächtiger<br />
dopaminerger Dosissteigerung<br />
und als Punding. Mit Punding wird<br />
ein stereotypes, nicht zielorientiertes<br />
Verhalten bezeichnet, wie z.B. stundenlanges<br />
Sortieren von Gegenständen,<br />
aber auch nächtliche Computerbeschäftigung<br />
verbunden mit einer subjektiv<br />
angenehmen, entspannenden Empfindung.<br />
Die Häufigkeit dieser drei Typen<br />
von Verhaltensstörungen wird mit 2–5%<br />
aller Parkinson-Betroffenen angegeben.<br />
Risikofaktoren für den Verlust der<br />
Impulskontrolle sind die Einnahme von<br />
Dopaminagonisten, möglicherweise auch<br />
hohe Dosen von L-Dopa. Prädisponierende<br />
Faktoren inkludieren weiters das<br />
jüngere Erkrankungsalter, Suchtverhalten<br />
und Persönlichkeitsmerkmale, z.B.<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
das Streben nach neuen Reizen und Risikobereitschaft.<br />
Schlafstörungen<br />
Bis zu 90% der Parkinson-Betroffenen<br />
leiden aus verschiedensten Gründen<br />
unter Schlafstörungen. Dabei dominieren<br />
nächtliche Hypo-/Akinesen und<br />
Schlafunterbrechungen, die zu einem<br />
fragmentierten Schlaf führen. Den<br />
nächtlichen Akinesen, Restless-legs-<br />
Symptomen und schmerzhaften frühmorgendlichen<br />
Dystonien wird mit<br />
einer Erhöhung der dopaminergen<br />
Medikation entgegen gewirkt.<br />
Die REM-Schlaf-Störung ist durch<br />
die fehlende völlige Entspannung der<br />
Muskulatur während der Traumphasen<br />
(überwiegend 2. Nachthälfte) gekennzeichnet,<br />
wodurch abrupte Bewegungen<br />
(z.B. Aufstehen) oft verbunden mit<br />
Rufen, Schreien oder auch Lachen die<br />
Schlafqualität des Bettnachbarn erheblich<br />
beeinträchtigen.<br />
Der Erholungseffekt der Betroffenen<br />
ist somit gestört und kann die von jedem<br />
zweiten Parkinson-Erkrankten berichtete<br />
Tagesmüdigkeit verstärken. Die<br />
Tagesmüdigkeit per se ist ein Teil des<br />
Krankheitsbildes, die aber auch durch<br />
Medikamente, besonders Dopaminagonisten,<br />
verstärkt werden kann. Die vielfältigen<br />
Ursachen der Insomnie schließen<br />
die Nykturie mit ein.<br />
Autonome Störungen<br />
Störungen des Verdauungstraktes<br />
Die Funktionsstörungen können den<br />
gesamten Gastrointestinaltrakt betreffen.<br />
Ursächlich für den vermehrten<br />
Speichel ist die Schluckstörung, die bei<br />
50–95% aller Parkinson Betroffenen<br />
gefunden werden kann.<br />
Die Schluckstörung nimmt ihren Ausgang<br />
bereits in einem unzureichenden<br />
Kauvorgang und verlangsamten Bolustransport.<br />
Der gesamte Schluckvorgang<br />
mit möglichen Komplikationen wie<br />
chronischer Laryngitis, Tracheobronchitis<br />
und Aspirationspneumonie ist<br />
betroffen. Eine gestörte Magenentleerung<br />
bis hin zur Gastroparese kann sich<br />
in subjektiven Beschwerden wie Sodbrennen,<br />
Übelkeit, Völlegefühl und<br />
Appetitlosigkeit zeigen und kommt in<br />
allen Stadien der Erkrankung vor.<br />
Dadurch kommt es zu einer gestörten<br />
MORBUS PARKINSON<br />
Fortbildung<br />
Resorption von Levodopa im Jejunum<br />
und zu Wirkungsfluktuationen.<br />
Eine rezente Studie aus Hawaii<br />
berichtet von einem erhöhten Risiko an<br />
idiopathischem Parkinson-Syndrom zu<br />
erkranken, falls der Stuhlgang weniger<br />
häufig als 1x/Tag im Vergleich zu Personen<br />
mit einer Stuhlgangfrequenz mehr<br />
als 1x/Tag vorkommt.<br />
Die Obstipation kann auf die verminderte<br />
körperliche Bewegung, den reduzierten<br />
Tonus von Zwerchfell und<br />
Bauchwandmuskulatur, die reduzierte<br />
Ballaststoff- und Wasserzufuhr und die<br />
Medikamenteneinnahme zurückgeführt<br />
werden. Degenerationsprodukte dopaminerger<br />
Neurone, die Lewy-Körperchen,<br />
sind auch im enterischen Nervenplexus<br />
vom Ösophagus bis zum<br />
Anorektum nachweisbar. Damit kommt<br />
es zu einer pathologisch verlängerten<br />
Kolontransitzeit, die weiters durch die<br />
gestörte Beckenbodenfunktion negativ<br />
beeinflusst werden kann.<br />
Störungen der Blasen und Sexualfunktion<br />
Die Prävalenz der Blasenstörungen<br />
schwankt zwischen 27% und 90%. Das<br />
Auftreten der symptomatischen Blasenfunktionsstörungen<br />
korreliert in erster<br />
Linie mit der Schwere der Erkrankung.<br />
Nicht nur zerebrale Ursachen inkl.<br />
Kognition, sondern auch andere lokale<br />
Ursachen (Harnwegsinfekte, infravesikale<br />
Obstruktionen durch Prostatavergrößerung,<br />
Östrogenmangel etc.) tragen<br />
zu einer Blasenschwäche bei.<br />
Bei MSA-Erkrankten sieht man häufig<br />
einen überaktiven, aber kontraktionsschwachen<br />
Detrusor in Verbindung<br />
mit einer Sphinkterschwäche, so dass<br />
Betroffene über eine überaktive Blase<br />
mit Inkontinenz, aber auch Restharn<br />
klagen. Die Diagnostik beinhaltet<br />
genaues Hinterfragen, Restharnbestimmung,<br />
Prostata- und urodynamische<br />
Untersuchung.<br />
Die Sexualfunktionsstörung ist wie die<br />
Blasenfunktionsstörung bei der MSA<br />
ein Frühsymptom. Beim idiopathischen<br />
Parkinson-Syndrom treten Libidoverlust<br />
und Impotentia coeundi sowie verringerte<br />
Lumbrifikation erst später auf.<br />
Probleme bereiten die erektile Dysfunktion,<br />
während gleichzeitig Dopaminagonisten<br />
oft die Libido steigern. So berichten<br />
in einer Studie von (Verbaan et al<br />
2007 3 ) 55% aller männlichen Patienten<br />
seite 21
MORBUS PARKINSON<br />
Fortbildung<br />
über Erektionsstörungen und 42% über<br />
Ejakulationsstörungen (im Vergleich zu<br />
27% bzw. 24% der altersentsprechenden<br />
Kontrollen). Weibliche Patienten berichteten<br />
über Anorgasmie (bis 75%) und<br />
Libidoverlust (47%). Die Indikation zur<br />
Therapie ergibt sich aus dem subjektiven<br />
symptombezogenen Leidensdruck der<br />
Betroffenen.<br />
Störung der Schweiß- und<br />
Thermoregulation<br />
Die Hyperhidrosis ist besonders mit<br />
OFF-Phasen gekoppelt, tritt aber auch<br />
an unbedeckten und bedeckten Stellen<br />
gleichermaßen unter Wärmebelastung<br />
auf. Ein episodenhaftes starkes Schwitzen<br />
ohne körperliche Belastung wird<br />
von bis zur Hälfte der Betroffenen<br />
beschrieben. Die Attacken treten vermehrt<br />
in den Nachtstunden auf. Gelegentlich<br />
kommt es auch zu Flush-Symptomatik<br />
mit profusem Schwitzen durch<br />
Weiterstellung der peripheren Gefäße.<br />
Erkrankte fühlen sich insbesondere<br />
bei hohen Temperaturen nicht wohl, da<br />
das thermoregulatorische Schwitzen<br />
vermutlich aufgrund einer hypothalamischen<br />
Störung vermindert ist.<br />
Verminderte Hitze- und Kältetoleranz,<br />
Hyperhidrosis bis zur Anhidrosis<br />
sind ursächlich vermutlich auf degenerative<br />
Veränderungen im Hypothalamus,Thalamus<br />
und Hirnstamm und Veränderungen<br />
im sympathischen System<br />
zurück zu führen.<br />
Photographer: Oliver Gast Digital Imaging:<br />
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Störung der kardiovaskulären Regulation<br />
(orthostatische Regulationsstörung)<br />
Im MIBG-SPECT zeigt sich ein Verlust<br />
der noradrenergen sympathischen<br />
Innervation des Herzens bereits in einer<br />
frühen Phase. Dieser Befund lässt sich<br />
konstant bei praktisch allen IPS-Patienten<br />
ab Höhn-und-Yahr Stadium-II<br />
nachweisen, unabhängig vom Vorliegen<br />
klinischer Zeichen für eine autonomen<br />
Funktionsstörung, von der Dauer der<br />
Erkrankung und von der jeweiligen<br />
Medikation.<br />
Anfangs imponiert das Beschwerdebild<br />
als ungerichteter Schwindel besonders<br />
bei raschem Lagewechsel, Benommenheit<br />
und Unscharfsehen. Aufgrund<br />
dieser Konstellation kann es nachfolgend<br />
zu rezidivierenden Stürzen und<br />
Synkopen kommen. Laut Untersuchung<br />
von (Martignoni et al. 2006 4 ) sind Stürze<br />
für mehr als 30% der Aufnahmen der<br />
Parkinson-Erkrankten an Notfallsambulanzen<br />
ursächlich verantwortlich.<br />
Die Medikamenteneinnahme z.B. von<br />
Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmern,<br />
aber auch zu Beginn der L-Dopa-<br />
Therapie, kann das klinische Bild verstärken.<br />
Rein sympathisch kann die<br />
körperliche Reaktion etwa 30–50 Minuten<br />
postprandial mit den gleichen Symp<br />
nächtliche Blutdruckanstiege bei Parkinson-Patienten<br />
zu beobachten, die<br />
wiederum medikamentös behandelt<br />
werden und das Blutdruckverhalten<br />
tagsüber damit negativ beeinflussen.<br />
Typisch für die neurogene orthostatische<br />
Hypotonie ist der fehlende Pulsanstieg<br />
trotz Blutdruckabfalls beim Schellong-Test<br />
(einfachste Form des Nach<br />
weises) oder beim Kipptisch-Test.<br />
Für Betroffene und deren Betreuer<br />
haben die nicht-motorischen Symptome<br />
eine enorme Bedeutung für die Lebensqualität.<br />
Diese Symptome müssen von<br />
den betreuenden Ärzten mit Sorgfalt in<br />
Gesprächen erfragt und beobachtet<br />
sowie die möglichen Behandlungsoptionen<br />
diskutiert werden.<br />
In einer der nächsten Ausgaben wird<br />
auf Möglichkeiten der medikamentösen<br />
Therapie bei nicht-motorischen Symptomen<br />
der Parkinson-Erkrankung eingegangen.<br />
Literatur<br />
1. Schuurman AG et al Increased risk of Parkinson's<br />
disease after depression.A retrospective cohort<br />
study.Neurology 2002, AAN Enterprises<br />
2. Shulman LM et al Comorbidity of the nonmotor symptoms<br />
of Parkinson's disease. Mov Disord 2001, 16 (3),<br />
507-510<br />
3. Verbaan D et al Patient-reported autonomic symptoms<br />
in Parkinson disease. Neurology 2007; 69 (4); 329-330<br />
4. Martignoni E et al Cardiovascular dysautonomia as a<br />
cause of falls in Parkinson's disease.Parkinsonism &<br />
Related Disorder, 12 (4); 195-204<br />
OA Dr. Volker Tomantschger<br />
Gailtalklinik Hermagor<br />
Radniger Straße 12<br />
A-9620 Hermagor<br />
volker.tomantschger@gailtal-klinik.at<br />
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seite 22 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />
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50
MORBUS PARKINSON<br />
Fortbildung<br />
Morbus Parkinson – Diagnose und<br />
Behandlungsstrategien<br />
Dr. Martin Sawires, Prim. Univ.-Doz. Dr. Klaus Berek<br />
Das idiopathische Parkinsonsyndrom<br />
ist eine der häufigsten sporadischen,<br />
neurodegenerativen Erkrankungen mit<br />
einer altersabhängigen zunehmenden<br />
Prävalenz von 60–180/100.000 Einwohnern,<br />
bei den über 65-Jährigen sogar bei<br />
1.800/100.000. Der Erkrankungsbeginn<br />
liegt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr,<br />
bei ca. 10% sogar vor dem 40. Lebensjahr.<br />
Männer und Frauen sind etwa<br />
gleich häufig betroffen.<br />
Ätiologisch kommt es zu einer neuronalen<br />
Degeneration mit Auftreten von intraneuronalen,<br />
eosinophilen Einschlusskörpern<br />
(Lewy-Körperchen) vorwiegend<br />
in der Substantia nigra, mit Verlust melaninhaltiger<br />
Dopamin bildender Neurone<br />
und daraus resultierender Dopaminverarmung<br />
im Corpus striatum.<br />
Die Parkinson-Syndrome werden in<br />
vier Kategorien eingeordnet zu denen neben<br />
dem 1) idiopathischen Parkinson-Syndrom<br />
auch 2) familiäre Formen und 3)<br />
symptomatische bzw. sekundäre Parkinsonsyndrome<br />
gehören wie medikamenteninduzierte<br />
(Neuroleptika, Kalziumantagonisten,<br />
Antiemetika, VPA), vaskuläre<br />
(SAE), entzündliche (AIDS), metabolische<br />
(M. Wilson, M. Fahr), posttraumatische<br />
oder solche, die durch einen Normaldruckhydrocephalus<br />
bedingt sind. Eine<br />
weitaus seltenere Gruppe sind die sogenannten<br />
4) atypische Parkinsonsyndrome<br />
(Multisystematrophie (MSA), progressive<br />
supranukleäre Blickparese (PSP),<br />
kortikobasale Degeneration (CBD),<br />
Lewy-Körper Demenz). Sie sind unter<br />
anderem gekennzeichnet durch einen<br />
rasch progredienten Verlauf mit zumeist<br />
fehlendem oder nur geringem Ansprechen<br />
auch auf sehr hohe L-Dopa-Dosen<br />
(Levodopa) und Auftreten von Zusatzsymptomen<br />
wie eine vertikale Blickparese,<br />
rez. Stürze, Dysphagie, Dysarthrie,<br />
Apraxie, zerebelläre Zeichen, ausgeprägter<br />
Antecollis und schwere autonome<br />
Symptome (orthostatische Hypotension,<br />
Synkopen, Impotenz, Inkontinenz) bereits<br />
in der Frühphase der Erkrankung.<br />
Die Lebenserwartung ist deutlich verkürzt.<br />
Klinik des<br />
Morbus Parkinson<br />
Das Parkinson-Syndrom ist charakterisiert<br />
durch die Kardinalsymptome Bradykinese<br />
sowie eines der Symptome Ruhetremor<br />
(4–6 Hz), Rigor oder posturale Instabilität.<br />
Unterstützende Kriterien für<br />
die Diagnose eines idiopathischen Parkinson-Syndroms<br />
sind der einseitige Beginn,<br />
das gute Ansprechen auf dopaminerge<br />
Therapien (guter L-Dopa-Effekt über<br />
Tabelle 1<br />
Durchführung des L-Dopa-Test<br />
1. Domperidon 3 x 20 mg über 24 Stunden vorher<br />
2. lösliches L-Dopa + Decarboxylase-Hemmer 100–200 mg nüchtern<br />
3. UPDRS 1/2 Stunde vor und eine Stunde nach dem Test<br />
Bewertung<br />
Positiver Test (Besserung > 30% des UPDRS-III-Wertes) stützt die Diagnose eine Parkinson-Syndroms<br />
das Symptom Tremor muss nicht ansprechen<br />
auch bei negativem Test kann ein L-Dopa-Therapie sich als effektiv erweisen<br />
fünf Jahre) sowie eine langsame progrediente<br />
Krankheitsentwicklung bei anhaltender<br />
asymmetrischer Ausprägung.<br />
Nichtmotorische Phänomene umfassen<br />
in ca. 40% somatosensorische Phänome<br />
(Dysästhesien,Schmerzen),kognitive bzw.<br />
psychische Symptome (Demenz, Halluzinationen)<br />
und vegetative Störungen (orthostatische<br />
Dysregulation, Impotenz,<br />
Obstipation, Blasenfunktionsstörungen).<br />
Diagnostik<br />
Neben den klinischen Kriterien eines<br />
Parkinson-Syndroms ist ein positives Ansprechen<br />
auf pharmakologische Funktionstests,<br />
wie den L-Dopa- oder auch den<br />
seltener verwendeten Apomorphin-Test,<br />
wegweisend (Tab. 1). Eine Besserung des<br />
UPDRS-III-Wertes (Unified Parkinson<br />
Disease Rating Scale) um mehr als 30%<br />
eine Stunde nach Medikamentenapplikation<br />
spricht für ein L-Dopa-sensitives<br />
Symptom.<br />
Bildgebende Untersuchungen umfassen<br />
neben dem CT und MRT auch nuklearmedizinische<br />
Verfahren (SPECT<br />
und PET-Techniken) mit Untersuchungen<br />
der dopaminergen Neurotransmission,<br />
wodurch eine ätiologische Zuordnung<br />
eines Parkinson-Syndroms, insbesondere<br />
im Frühstadium, erleichtert<br />
werden kann. Zudem müssen symptomatische<br />
Formen ausgeschlossen werden<br />
(medikamentös induzierte Formen,<br />
metabolische Ursachen, NPH etc.).<br />
Pharmakotherapie<br />
Ziel der pharmakologischen Therapie<br />
ist eine gute Kontrolle der motorischen<br />
Symptome bei möglichst niedrigem Ri-<br />
seite 24 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
siko vom Auftreten von Nebenwirkungen<br />
wie dopaminerg induzierten Halluzinationen<br />
oder auch L-Dopa-Langzeitsymptomen,<br />
wie Dyskinesien bzw. On/Off-Fluktuationen<br />
(Tab. 2). L-Dopa-Langzeitsymptome<br />
werden in Zusammenhang mit<br />
schwankenden Wirkspiegeln und dadurch<br />
bedingter pulsatiler Dopaminrezeptorstimulation,<br />
insbesondere unter steigender<br />
Dosierung, gebracht.<br />
Aktuelle Therapiestrategien sehen daher<br />
vor, einen kontinuierlichen Wirkspiegel<br />
aufrecht zu erhalten. Diesbezüglich<br />
muss man sich der Halbwertszeiten der<br />
entsprechenden Substanzen bewusst sein.<br />
Da das Auftreten entsprechender Nebenwirkungen<br />
mit Dauer der medikamentösen<br />
Therapie zunimmt, wird die Abwägung<br />
der initialen Therapie bei jüngeren<br />
berufstätigen Menschen erschwert. Hier<br />
sollte ein Kompromiss zwischen möglichst<br />
geringer Dosis und gerade noch tolerierbarer<br />
Symptomkontrolle getroffen werden.<br />
Entsprechenden Empfehlungen zufolge<br />
sollte ein Therapiebeginn mit L-<br />
Dopa erst nach dem 70. Lebensjahr<br />
erfolgen. Davor sind nach Möglichkeiten<br />
zuerst Dopaminagonisten alleine oder in<br />
Kombination mit L-Dopa einzusetzten<br />
bzw. kann bei gering ausgeprägter Symptomatik<br />
auch eine Monotherapie mit Amantadin<br />
oder einem MAO-B Hemmer begonnen<br />
werden.<br />
L-Dopa und Decarboxylasehemmer<br />
L-Dopa stellt nach wie vor einer der<br />
besten wirksamen Substanzen dar, da es<br />
den fehlenden Neurotransmitter direkt<br />
ersetzt. Es wird vor erreichen der Blut-<br />
Hirn-Schranke durch die periphere Aminosäuredecarboxylase<br />
(in Leber und GI-<br />
Trakt) in Dopamin umgewandelt, welches<br />
nicht liquorschrankengängig ist.<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
Daher ist die Gabe eines Hemmstoffes<br />
der peripher wirksamen Aminosäuredecarboxylase<br />
notwendig (Benserazid,<br />
Carbidopa). Die erhältlichen Präparate<br />
sind daher als entsprechende Kombinationen<br />
verfügbar (Madopar ® , Sinemet ® ).<br />
Die Dosierung hat einschleichend zu<br />
erfolgen unter Gabe eines Antiemetikums<br />
(z.B. Motilium ® 10 mg 3 x 1). Aufgrund<br />
der kurzen Halbwertszeit von zwei<br />
Stunden wird die Dosis initial auf drei<br />
Einnahmezeitpunkte verteilt (z.B. 3 x 100<br />
mg). Abhängig von Wirkung und Nebenwirkung<br />
können sich zum einem die Einnahmezeitpunkte<br />
verkürzen (dann 4–5<br />
tägliche Gaben wenn die L-Dopa-Wirkung<br />
vorzeitig nachlässt, wearing off),<br />
oder die Dosis muss erhöht werden, um<br />
eine bessere Symptomkontrolle zu erzielen.Es<br />
kann aber auch notwendig werden,<br />
die Einzeldosis zu verringern, wenn es<br />
zum Auftreten von störenden Peak-dose-<br />
Dyskinesien kommt.<br />
Retardiertes L-Dopa (Madopar CR ® )<br />
wird vor allem vor dem Schlafengehen zur<br />
Therapie der nächtlichen Akinese eingenommen.<br />
Daneben steht auch eine lösliche<br />
Form zur Verfügung (Madopar LT ® ),<br />
die zur Anwendung als „Rescue-Medikation“<br />
bei plötzlich eintretenden Off-Phasen<br />
aber auch zur Bewältigung der frühmorgendlichen<br />
Akinese dient.<br />
Um eine ausreichende intestinale Resorption<br />
zu gewährleisten, sollten die Einnahmezeitpunkte<br />
eine halbe Stunde vor<br />
bzw. eine Stunde nach dem Essen liegen.<br />
Zudem sind eiweißhältige Mahlzeiten<br />
(z.B. Milch, Joghurt) zu meiden.<br />
Als Nebenwirkungen einer L-Dopa-<br />
Therapie sind Übelkeit, Erbrechen,<br />
Schwindel und Hypotonie zu erwähnen.<br />
MORBUS PARKINSON<br />
Fortbildung<br />
Langzeitnebenwirkungen liegen wie bereits<br />
erwähnt im Auftreten vom sogenannten<br />
L-Dopa-Langzeitsyndrom, welches<br />
nach etwa fünf- bis sechsjähriger<br />
Monotherapie mehr als die Hälfte der<br />
Patienten betrifft. Neben L-Dopa-induzierten<br />
Dyskinesien, welche am häufigsten<br />
zu Zeiten des klinischen Wirkmaximums<br />
jeder Einzeldosis auftreten, entwickelt<br />
etwa ein Drittel der betroffenen<br />
Patienten schmerzhafte, dystone Verkrampfungen<br />
der distalen Extremitäten,<br />
insbesondere einseitige Zehen-, Fuß- und<br />
Wadenkrämpfe. Sie treten vor allem in<br />
der zweiten Nachthälfte bzw. in den frühen<br />
Morgenstunden nach dem einnahmefreien<br />
Intervall der Nacht auf. Eine<br />
nachlassende Wirkung der Einzeldosis<br />
wird als wearing off beschrieben und erfordert<br />
eine erneute Anpassung der dopaminergen<br />
Therapien (siehe Tab. 2).<br />
Eine innovative, hochpotente, jedoch<br />
invasive Behandlungsoption für das<br />
fortgeschrittene idiopathische Parkinsonsyndrom<br />
stellt die kontinuierliche<br />
intraduodenale Levodopa-Substitution<br />
über eine PEG-Sonde mittels Duodopa<br />
® -Pumpe dar. Indikationen für<br />
diese Therapieform sind belastende<br />
Wirkfluktuationen, die auf orale Medikation<br />
therapierefraktär sind oder auch<br />
Parkinsonpatienten mit Schluckstörungen.<br />
COMT-Hemmer<br />
Tabelle 2<br />
Wirkungsfluktuationen/ Manifestation Pathophysiologie medikamentöse Therapiestrategien<br />
Dyskinesien<br />
Wearing Off/ langsame Symptom- L-Dopa Halbwertszeit • zusätzlich Dopaminagonist<br />
End-of-Dose-Akinese Verschlechterung präsynapt. Speicherung • Erhöhung L-Dopa-Tagesdosen bei<br />
Reduktion der Einzeldosen oder Gabe von<br />
Retardpräperaten<br />
• zusätzl. Gabe eines COMT- oder MAO-B-Hemmers<br />
On-Off rascher Wirkungsverlust komplexe striatale Mechanismen • lösliches L-Dopa oder Apomorphin s.c.<br />
mit plötzlichem Off • Apomorphin-Pen<br />
Off-Dyskinesien schmerzhafte Dystonien niedrige dopaminerge Stimulation • lösliches L-Dopa oder Apomorphin s.c<br />
• retardiertes L-Dopa<br />
hpt. frühmorgendlich • Dopaminagonisten mit langer HWZ<br />
• COMT-Hemmer zum L-Dopa<br />
On Dyskinesien choreatische meist nicht diskontinuierliche • L-Dopa-Einzeldosis Reduktion und ggf.<br />
schmerzhafte synaptische Dopamin- Gabe eines Dopaminagonisten<br />
Dyskinesien freisetzung • Amantadin bis 3 x 100 mg<br />
Dopamin und L-Dopa wird über das<br />
Enzym Catechol-O-Methyltransferase<br />
(COMT) abgebaut. Das in der Leber vorkommende<br />
COMT wandelt L-Dopa in 3-<br />
O-Methyl-Dopa um, welches eine Halbwertszeit<br />
von ca. zwölf Stunden hat und<br />
den Übertritt von L-Dopa durch die Blut-<br />
Hirn-Schranke hemmt. Dementspre-<br />
seite 25
MORBUS PARKINSON<br />
Fortbildung<br />
chend führt eine COMT-Inhibition zu einer<br />
Potenzierung und Verlängerung der L-<br />
Dopa-Wirkung. Hierdurch entsteht nicht<br />
nur ein L-Dopa sparender Effekt durch<br />
eine Einzeldosisreduktion, es zeigt sich<br />
auch eine signifikante Verlängerung der<br />
On-Zeiten von ca. ein bis zwei Stunden.<br />
COMT-Hemmer sind nur bei Auftreten<br />
von Wirkungsfluktuationen vom Wearing-Off-Typ<br />
unter L-Dopa-Therapie zugelassen.<br />
Sie werden gleichzeitig mit L-<br />
Dopa eingenommen. An Präparaten stehen<br />
neben Entacapon (Comtan ® ) auch<br />
Tolcapon (Tasmar ® ) zur Vefügung. Tolcapon<br />
verfügt zwar über eine potentere<br />
COMT-Hemmung, ist aber Medikament<br />
zweiter Wahl aufgrund seiner möglichen<br />
hepatotoxischen Wirkung (drei tödlich<br />
verlaufende Hepatopathien) und des dadurch<br />
notwendig gewordenen Lebermonitorings.<br />
COMT-Hemmer können L-<br />
Dopa bedingte Nebenwirkungen wie<br />
Dyskinesien verstärken und führen mitunter<br />
auch zu einer Dunkelfärbung des<br />
Urins als auch zu Diarrhoen.Eine COMT<br />
Hemmer Monotherapie ist nicht zulässig.<br />
Zur einfacheren Anwendung bei motorischen<br />
Wirkungsfluktuationen ist die<br />
fixe Kombination aus L-Dopa, Carbidiopa<br />
und Entacapon (Stalevo ® ) am<br />
Markt erhältlich. Einen präventiven Effekt<br />
bezüglich des Auftretens von Dyskinesien<br />
unter der Annahme eines kontinuierlicheren<br />
Wirkspiegels konnte bislang<br />
nicht nachgewiesen werden. Zu<br />
beachten ist, dass dieses Kombinationspräparat<br />
nicht geteilt werden darf.<br />
Orale Dopaminagonisten<br />
Dopaminagonisten wirken direkt an<br />
striatalen Dopaminrezeptoren. Bei den<br />
oralen Dopaminagonisten stehen die Ergotderivate<br />
Bromocriptin (Umprel ® ), Lisurid<br />
(Dopergin ® ), Pergolid (Permax ® ),<br />
Cabergolin (Cabaseril ® ) und die Non-Ergotderivate<br />
Pramipexol (Sifrol ® ), Ropinirol<br />
(Requip ® , Requip modutab ® ) sowie<br />
das transdermal applizierbare Rotigotin<br />
(Neupro ® ) zur Verfügung. Vorteile einer<br />
transdermalen Applikation sind die einmal<br />
tägliche Gabe, eine dadurch erhöhte<br />
Compliance, fehlende gastrointestinale<br />
Interaktionen mit Nahrungsmitteln oder<br />
oralen Pharmaka, Medikamentengabe<br />
bei Patienten mit Schluckstörungen bzw.<br />
perioperative Therapie sowie Umgehung<br />
des First-pass-Effekts der Leber.<br />
Studien zur initialen Monotherapie mit<br />
Dopaminagonisten belegen ihre Wirk-<br />
samkeit. Zudem zeigt sich eine verminderte<br />
Inzidenz von motorischen Spätkomplikationen<br />
gegenüber L-Dopa. Die<br />
frühe Kombinationstherapie von Dopaminagonisten<br />
mit L-Dopa bei gleichzeitig<br />
L-Dopa sparendem Effekt führt ebenfalls<br />
zu einer geringeren Inzidenz von L-<br />
Dopa-Langzeitsymptomen. Hier sind die<br />
entsprechend unterschiedlichen Halbwertszeiten<br />
der Substanzen zu beachten<br />
und die empfohlenen Dosierungsrichtlinien<br />
einzuhalten, um einen entsprechenden<br />
kontinuierlichen Wirkspiegel aufrecht<br />
zu erhalten.<br />
Die periphere Nebenwirkungspotenz<br />
der Dopaminagonisten ist in Folge ihrer<br />
direkten Wirkung auf Dopaminrezeptoren<br />
größer als die von L-Dopa,weshalb die<br />
Aufdosierung behutsam erfolgen muss.<br />
Die Dopaminagonisten führen relativ<br />
häufig zu Nebenwirkungen, wie orthostatischer<br />
Hypotension, Psychosen, vermehrter<br />
Tagesmüdigkeit, Übelkeit und Erbrechen.<br />
Diese peripheren Nebenwirkungen<br />
lassen sich u.a. durch die Gabe des peripher<br />
wirksamen Dopaminantagonisten<br />
Domperidon (Motilium ® ) mildern oder<br />
vermeiden. Gelegentlich kann es auch zu<br />
ausgeprägten Beinödemen kommen.<br />
Zudem führen Impulskontrollstörungen<br />
(in 5–10%) wie pathologische Spieloder<br />
Kaufsucht aber auch gestörtes Essverhalten<br />
und Hypersexualität, zu einer<br />
massiven Beeinträchtigung des beruflichen<br />
und sozialen Umfelds. In diesen Fällen<br />
sollte der Dopaminagonist reduziert<br />
oder abgesetzt werden.<br />
Bei den Ergotderivaten sind außerdem<br />
Herzklappenfibrosen beobachtet worden,<br />
sodass vor Therapiebeginn die Durchführung<br />
einer Echokardiographie mit weiteren<br />
halbjährlichen Kontrollen unbedingt<br />
anzuraten ist. Da das Risiko unter Pergolid-<br />
und Cabergolin-Therapie am größten<br />
ist, gelten sie als Dopaminagonisten der<br />
zweiten Wahl. Zusätzliche Nebenwirkungen<br />
der transdermalen Applikationsform<br />
stellen Hautrötungen dar. Ihre Lagerung<br />
muss im Kühlschrank erfolgen.<br />
MAO-B-Hemmer<br />
Selegelin (Jumex ® ) ist ein irreversibler<br />
und selektiver Hemmer der Monoaminooxydase<br />
vom B-Typ.Durch Hemmung<br />
der Monoaminooxydase-B wird der endogene<br />
zerebrale Dopaminabbau vermindert<br />
und die striatale Dopaminkonzentration<br />
erhöht. Die Monotherapie<br />
führt nur zu einer geringen symptomati-<br />
schen Kontrolle und wird daher im Frühstadium<br />
der Erkrankung bevorzugt eingesetzt.<br />
In der Kombinationsbehandlung<br />
mit L-Dopa wird der L-Dopa-Effekt potenziert.<br />
Rasagilin (Azilect ® ) ist ein neuer irreversibler<br />
MAO-B-Hemmer und ist in seiner<br />
Wirkung deutlich potenter als Selegelin<br />
(5–10-fach). Zugelassen ist es als Monotherapie<br />
und auch als Add-on-Therapie<br />
bei Auftreten von Wirkungsfluktuationen.<br />
Für beide Substanzen zeigten pharmakologische<br />
Studien erstmals Hinweise<br />
auf einen neuroprotektiven Effekt – sichere<br />
Hinweise auf eine Verlangsamung<br />
der Krankheitsprogression konnten bisher<br />
nicht nachgewiesen werden.<br />
Apomorphin – ein parenteraler<br />
Dopaminagonist<br />
Apomorphin (Apo-Go ® ) ist ein nichtergoliner,<br />
gemischter D1- und D2-Agonist.<br />
Von allen Dopaminagonisten kommt er in<br />
seiner klinischen Wirkung derjenigen von<br />
L-Dopa am nächsten. Aufgrund seines<br />
schnellen Wirkeintrittes ist es als „Rescue-<br />
Medikation“ bei Patienten mit rasch auftretenden<br />
Off-Phasen gut einsetzbar und<br />
wird bei ansonsten medikamentös nicht zu<br />
beeinflussenden Dyskinesien und Wirkungsfluktuationen<br />
angewendet. Neben<br />
der subcutanen Applikation mit Hilfe eines<br />
Pens ist auch eine kontinuierliche Verabreichung<br />
über eine Pumpe möglich. Die<br />
Indikationsstellung ist spezialisierten Zentren<br />
vorbehalten.<br />
Amantadine<br />
Die Wirksamkeit des NMDA-Antagonisten<br />
Amantadin (PK-Merz ® , Hofcomant<br />
® ) zeigt sich sowohl in der Monotherapie,<br />
insbesondere in der frühen<br />
Krankheitsphase, als auch in der Kombinationstherapie<br />
mit anderen dopaminergen<br />
Substanzen. Amantadin beeinflusst<br />
zudem störende Dyskinesien günstig.<br />
Da es auch als Infusionslösung zur<br />
Verfügung steht kann es zur Behandlung<br />
akinetischer Krisen oder in Situationen<br />
eingeschränkter enteraler Behandlungsmöglichkeiten<br />
z.B. perioperativ eingesetzt<br />
werden. Nebenwirkungen sind in<br />
erster Linie Übelkeit und Erbrechen, gelegentlich<br />
auch die Entwicklung einer<br />
Livedo reticularis. Zu den zentralen Nebenwirkungen<br />
zählen innere Unruhe,<br />
Verwirrtheit, Halluzinosen und Schlafstörungen<br />
– daher sollte keine Einnahme<br />
nach 16 Uhr erfolgen. Da Amantadin<br />
hauptsächlich über die Nieren eli-<br />
seite 26 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
miniert wird, ist eine Anwendung bei<br />
Patienten mit klinisch relevanter Niereninsuffizienz<br />
kontraindiziert.<br />
Anticholinergika<br />
Historisch waren anticholinerg wirkende<br />
Stoffe die ersten effektiven Parkinsonmittel.<br />
Anticholinergika wirken an<br />
cholinergen striatalen Interneuronen, die<br />
physiologischerweise unter einem inhibitorischen<br />
Dopamineinfluss stehen.Die am<br />
häufigsten verwendeten Präparate sind<br />
Biperiden (Akineton ® ), Bornaprin (Sormodren<br />
® ) und Trihexyphenidyl (Artane ® ).<br />
Indiziert ist die Behandlung mit Anticholinergika<br />
nur beim Ruhetremor, wenn dieser<br />
durch dopaminerge Substanzen nicht<br />
ausreichend zu beeinflussen ist. Die Anwendung<br />
ist aber insbesondere beim älteren<br />
Patienten aufgrund der zentralen und<br />
peripheren anticholinergen Nebenwirkungen<br />
kritisch zu sehen.<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
Schlusswort<br />
Zielsetzung in der Therapie soll die<br />
Aufrechterhaltung der Selbständigkeit<br />
der Patienten und der damit verbunden<br />
sozialen Integration sowie die Vermeidung<br />
der Pflegebedürftigkeit sein. Neben<br />
den pharmakologischen Therapien zeigt<br />
sich bei fortgeschrittener Erkrankung die<br />
tiefe Hirnstimulation als sehr effektiv, da<br />
Komplikationen der medikamentösen<br />
Therapie wie das L-Dopa-Langzeitsyndrom<br />
gut behandelt werden können. Die<br />
Indikationsstellung ist allerdings durch<br />
strenge Auswahlkriterien stark limitiert.<br />
Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie<br />
stellen eine weitere unverzichtbare<br />
Stütze in der Therapie des Parkinson-Syndroms<br />
dar, insbesondere in fortgeschrittenen<br />
Krankheitsstadien, wenn<br />
Schluckstörungen zu einer Aspirationspneumonie<br />
führen können. Um eine optimale<br />
Therapie gewährleisten zu kön-<br />
GlucoMen LX von A. Menarini:<br />
Höchste Sicherheit – mit GOD-Technologie falsche<br />
Ergebnisse ausschließen<br />
Eine vor einigen Monaten veröffentlichte<br />
Sicherheitswarnung der amerikanischen<br />
Zulassungsbehörde FDA (Food<br />
and Drug Administration) verweist auf<br />
die hohen Risiken, die eine Blutzuckermessung<br />
mit bestimmten Messsystemen<br />
bergen kann. Laut FDA kam es dabei in<br />
den USA zu mehreren Fällen, in denen<br />
nachweislich der angezeigte falsch-hohe<br />
Blutglukosewert zu falscher Medikation<br />
und damit zu fatalen Folgen für die<br />
Patienten geführt hatte.<br />
Problematisch:<br />
Die GDH-PQQ-Technologie<br />
Arbeitet ein Blutzuckermesssystem<br />
mit der genannten Technologie, kann es<br />
zu falsch-erhöhten Glukosewerten kommen.<br />
Die Gefahr liegt in der enzymatischen<br />
Analyse, genauer gesagt in der<br />
Enzym-Co-Enzym-Kombination: Reagiert<br />
sie nicht nur auf Glukose, sondern<br />
auch auf verwandte Kohlenhydrate wie<br />
zum Beispiel Maltose, Xylose oder<br />
Galaktose, besteht die Gefahr falscher<br />
(in manchen Fällen bis zu 15 mal<br />
höherer!) Messwerte.<br />
Risiko nicht komplett<br />
einschätzbar<br />
Zwar verweisen die Hersteller der<br />
betroffenen Messgeräte darauf, dass nur<br />
eine bestimmte Patientengruppe ein<br />
erhöhtes Risiko für eine Falschmessung<br />
mit der GDH-PQQ-Technologie trägt.<br />
Dazu gehören beispielsweise Peritonealdialyse-Patienten<br />
oder Patienten, die<br />
Interferenz-Produkte mit Fremdzuckern<br />
oder Immunoglobuline erhalten. Tatsächlich<br />
aber kann z.B. auch ein erblich<br />
bedingter Mangel des Enzyms GALT<br />
(Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase)<br />
dazu führen, dass es zu einer Anreicherung<br />
von Galaktose im Blut kommt.<br />
MORBUS PARKINSON<br />
Fortbildung<br />
nen, werden regelmäßige Kontrollen an<br />
spezialisierten Zentren empfohlen.<br />
Hierdurch konnte gezeigt werden, dass<br />
die Mortalität von Parkinson-Patienten<br />
in den ersten zehn Jahren der Erkrankung<br />
im Vergleich zu einer gesunden<br />
Kontrollpopulation nicht erhöht ist und<br />
danach auch nur diskret ansteigt.<br />
Dr. Martin Sawires<br />
Prim. Univ.-Doz. Dr. Klaus Berek<br />
A.ö. Bezirkskrankenhaus Kufstein<br />
Abteilung für Neurologie<br />
Endach 27, A-6330 Kufstein<br />
Tel.: +43/5372/69 66-44 05<br />
Fax-Dw: -19 40<br />
msawires@web.de<br />
klaus.berek@bkh-kufstein.at<br />
Komplett ausschließen lässt sich das<br />
Risiko eines falschen Blutzuckermessergebnisses<br />
mit der GDH-PQQ-Technologie<br />
also nie.<br />
Auf Nummer sicher mit<br />
GlucoMen LX<br />
Größtmögliche Sicherheit – nicht nur in<br />
der Risikogruppe, sondern bei jedem<br />
Patienten – bietet die Messung mit der<br />
Methode GOD (Glukose-Oxidase), die<br />
das Blutzuckermesssystem GlucoMen LX<br />
von A. Menarini für die Bestimmung des<br />
Blutzuckergehaltes nutzt. Damit ist ausgeschlossen,<br />
dass das Messergebnis durch<br />
Maltose,Xylose oder Galaktose verfälscht<br />
wird – nur einer von vielen unschätzbaren<br />
Vorteilen, den das modernste Blutzuckermessgerät<br />
im Markt bietet!<br />
FB<br />
Mehr Information unter:<br />
A. Menarini GmbH,<br />
Pottendorfer Str. 25–27/ 3/1, A-1120 Wien<br />
Service-Telefon 01/804 15 76<br />
diabetes@menarini-diagnostics.at<br />
seite 27
BPH<br />
Fortbildung<br />
BPH – bunter Pool der Heilmethoden<br />
Dr. Karl F. Diehl<br />
30 Millionen europäische Männer mit<br />
vergrößerter Prostata sind keine Kleinigkeit.<br />
Nehmen wir an, dass jeder zweite<br />
europäische Urologe zum EAU-Kongress<br />
fährt. Bei 15.000 Teilnehmern heißt<br />
das, dass auf jede/n von uns 1.000 Patienten<br />
mit dieser Entität kommen. Das ist<br />
natürlich nur eine Zahlenspielerei. Sie<br />
führt uns aber die enorme Relevanz der<br />
BPH vor Augen.<br />
Die BPH betrifft altersabhängig 60%<br />
der Männer in der sechsten Lebensdekade<br />
als histologisch nachweisbare Veränderung.<br />
Davon hat etwa die Hälfte<br />
eine vergrößerte Prostata (über 30 ml:<br />
BPE = benign prostatic enlargement)<br />
und von diesen wird wiederum etwa jeder<br />
Zweite mit LUTS (lower urinary<br />
tract symptoms) symptomatisch. Die<br />
urodynamische Evaluation kann dann<br />
eine BPO (benigne prostatische Obstruktion)<br />
ergeben.<br />
Wie so oft in unserem Beruf führen<br />
viele Wege nach Rom, wenn es um den<br />
Umgang mit der BPH geht. Vom watchful<br />
waiting über Phytotherapien bis zu<br />
verschiedenen semiinvasiven und operativen<br />
Behandlungsmethoden spannt sich<br />
ein breiter Bogen. Da die Frage, welche<br />
Methode wo zum Einsatz kommen soll,<br />
oft kontroversiell beurteilt werden kann,<br />
wird sicher auch die Sicht des Autors subjektiv<br />
beeinflusst sein. Dennoch soll versucht<br />
werden, einen kompakten Über-<br />
blick über die derzeitigen therapeutischen<br />
Werkzeuge zu geben.<br />
Ende der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts<br />
war die Sachlage recht einfach:<br />
Phytotherapie oder Operation, das war<br />
es auch schon. Bei letzterer war immerhin<br />
noch die Entscheidung zwischen<br />
TUR/P und suprapubischer Adenomektomie<br />
zu treffen. Wen wundert es daher,<br />
dass in jenen Tagen oft sogar mehr transurethrale<br />
Prostataresektionen als Circumcisionen<br />
durchgeführt wurden.<br />
Zwanzig Jahre zuvor gab es noch namhafte<br />
Klinikchefs, welche die TUR für einen<br />
Irrweg hielten und meinten, diese sei<br />
etwas für Leute, welche die suprapubische<br />
Methode nicht beherrschen. Dennoch,<br />
der Siegeszug der TUR schien unaufhaltsam,<br />
und bis heute wird der Begriff<br />
„Goldstandard“ an dem sich alles<br />
andere zu messen hat, mit ihr in einem<br />
Atemzug genannt. Allerdings gibt es da<br />
durchaus einiges an Konkurrenz und das<br />
mag der Grund sein, warum zumindest<br />
im Patientenkollektiv des Autors die<br />
TUR heute schon einigermaßen in den<br />
Hintergrund getreten ist.<br />
Zunächst haben die Alphablocker und<br />
die 5-α-Reduktaseinhibitoren (5-ARI)<br />
die medikamentöse Therapie revolutioniert.<br />
Mit ihnen war es plötzlich möglich,<br />
sowohl symptomatisch als auch ursächlich<br />
nichtoperativ wirkungsvoll zu behandeln<br />
und die Effektivität auch noch<br />
durch valide Studienergebnisse zu untermauern.<br />
Obwohl durch die beiden verschiedenen<br />
therapeutischen Ansatzpunkte der<br />
Blasenhalsrelaxation durch den Alphablocker<br />
und die Prostataverkleinerung<br />
durch die 5-ARI eine Wirkungssynergie<br />
auf der Hand liegt, sollte nicht jeder Patient<br />
gleich mit einer Kombinationsbehandlung<br />
therapiert werden.<br />
Eine initiale alleinige (symptomatische)<br />
Alphablockertherapie empfiehlt<br />
sich beim Patienten mit niedrigem Progressionsrisiko<br />
– also jenem mit nicht<br />
allzu großer Prostata, niederem PSA,<br />
wenig Restharn und einem Uroflow von<br />
noch nicht nennenswert unter 10 ml/sec.<br />
Wie so oft ist die richtige Patientenauswahl<br />
der Schlüssel zum Erfolg. Bei korrekter<br />
Indikation sind jedoch Verbesserungen<br />
der objektiven und subjektiven<br />
Parameter um 50% absolut realistisch.<br />
Auch nach einer Harnverhaltung ist mittels<br />
Beginn einer Alphablockerbehandlung<br />
ein Katheterauslassversuch und das<br />
in Gang kommen einer suffizienten<br />
Spontanmiktion durchaus im Bereich<br />
des Möglichen – das Dogma einer unbedingten<br />
Operationsnotwendigkeit konnte<br />
in diesem Fall relativiert werden.<br />
Grundsätzlich kann man zum Wirkungs-<br />
und Nebenwirkungsprofil der Alphablocker<br />
sagen, dass sie einander stark<br />
Aglandin. Anwendungsgebiete: Behandlung von Symptomen des unteren Harntraktes (LUTS) bei der benignen Prostatahyperplasie (BPH). Zusammensetzung: 1 Kapsel enthält 0,4 mg Tamsulosin hydrochlorid. Sonstige Bestandteile:<br />
Kapselinhalt: Mikrokristalline Cellulose; Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer; Polysorbat 80; Natriumdodecylsulfat; Triethylcitrat; Talkum. Kapselhülle: Gelatine; Indigotin (E 132); Titandioxid (E 171); Gelbes Eisenoxid (E 172);<br />
Rotes Eisenoxid (E 172); Schwarzes Eisenoxid (E 172). Drucktinte: Schellack; Schwarzes Eisenoxid (E 172); Propylenglycol. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Tamsulosin, einschließlich Arzneimittel-induziertes Angioödem oder<br />
einen der sonstigen Bestandteile; Anamnestisch bekannte orthostatische Hypotonie; Schwere Leberinsuffizienz. Wirkstoffe: Pharmakotherapeutische Gruppe: Tamsulosin ist ein Alpha1A-Adrenorezeptorantagonist und wird nur zur<br />
Behandlung von Prostatabeschwerden angewendet. ATC-Code: G04CA02 Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig. Packungsgrößen: 10 und 30 Stück. Pharmazeutischer Unternehmer: LANNACHER HEILMITTEL Ges.m.b.H., 8502<br />
Lannach. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie Angaben<br />
über Gewöhnungseffekte entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation!<br />
seite 28 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />
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50
Fachkurzinformation siehe Seite 28
BPH<br />
Fortbildung<br />
ähneln. Im Hinblick auf die Kreislaufverträglichkeit<br />
scheint die Retardformulierung<br />
des Tamsulosin voran zu liegen. Betreffend<br />
das Auftreten keiner retrograden<br />
Ejakulation gibt es vorteilhafte<br />
Berichte für Alfuzosin. Eine ernsthafte<br />
Problematik im Zusammenhang mit der<br />
parallelen Einnahme von PDE-5-Hemmern<br />
ist dem Autor noch nie bekannt geworden;<br />
es ist aber bestimmt nicht von<br />
Nachteil, wenn die Einnahme nicht ganz<br />
zeitgleich erfolgt.<br />
Interessanterweise gibt es neuerdings<br />
auch Beobachtungen, die bestätigen,<br />
dass LUTS-Patienten, die PDE-5-Hemmer<br />
einnehmen, damit ihre Miktionssymptomatik<br />
verbessern. Entsprechende<br />
Rezeptoren sind auch am Blasenhals zu<br />
finden und das macht diese Beobachtungen<br />
plausibel. Dennoch ist leider nicht<br />
anzunehmen, dass letztere Präparate<br />
demnächst als BPH-Therapeutika von<br />
der Krankenkasse bezahlt werden.<br />
Einen anderen Therapieansatz stellen<br />
die 5-α-Reduktaseinhibitoren dar. Unter<br />
Einnahme einer der beiden bei uns verfügbaren<br />
Substanzen Finasterid oder<br />
Dutasterid kommt es über mehrere Monate<br />
zu einer deutlichen Volumsverringerung<br />
der Prostata um bis zu 25%. Das<br />
Wirkungsmaximum erreicht man nach<br />
etwa einem Jahr. Diese Präparate eignen<br />
sich vor allem für größere, drüsige Adenome<br />
bei Patienten mit höherem Progressionsrisiko.<br />
Bei diesen macht dann<br />
auch eine Kombinationstherapie Sinn,<br />
wobei im Falle einer solchen natürlich<br />
auch die Frage berechtigt ist, ob der Patient<br />
nach einer 6- bis 12-monatigen<br />
Kombinationstherapie weiter beide Medikamente<br />
benötigt werden oder beispielsweise<br />
der Alphablocker einmal<br />
probeweise weggelassen werden kann.<br />
Da es immer klug ist, nur so viele Medikamente<br />
einzunehmen wie nötig, sollten<br />
wir immer wieder den „Speisezettel“ unserer<br />
Patienten durchforsten und nachsehen,<br />
ob nicht einmal auch wieder das<br />
eine oder andere weggelassen werden<br />
kann.<br />
Die Nebenwirkungen der 5-ARI sind<br />
meist tolerabel, aber vorhanden. Man<br />
muss den Patienten über die bekannte<br />
mögliche Libidoreduktion aufklären,<br />
sollte aber dabei auch erwähnen, dass<br />
diese in weniger als 10% der Fälle auftritt<br />
und gegebenenfalls reversibel ist. Naturgemäß<br />
wird es dann allerdings auch Patienten<br />
geben, die ihre ohnehin bestehende<br />
und mit der Zeit schlechter wer-<br />
dende erektile Dysfunktion auf den 5-<br />
ARI schieben, obwohl sie diese ohne<br />
Prostatatherapie genauso hätten. Diese<br />
Fragen muss man dann im individuellen<br />
Patientengespräch klären.<br />
Zwei nicht zu unterschätzende weitere<br />
Wirkungen der 5-ARI dürfen nicht unerwähnt<br />
bleiben: Zum einen die Reduktion<br />
der Vaskularisation am Blasenhals, welche<br />
die die Inzidenz von unliebsamen<br />
BPH-bedingten Hämaturieepisoden verringert.<br />
Das zweite große Thema ist die mögliche<br />
präventive Wirkung gegen ein eventuelles<br />
späteres Prostatakarzinom. Hier<br />
ist die Datenlage besonders für das Dutasterid<br />
aufgrund der REDUCE-Studie<br />
an 8.000 Männern besonders gut. Das<br />
mag mit der Tatsache zusammenhängen,<br />
dass mit Dutasterid beide Isoenzyme des<br />
Dihydrotestosteron gehemmt werden:<br />
Typ I, welches in stärkerem Maß von<br />
PCA-Gewebe exprimiert wird und Typ<br />
II, welches mehr der BPH zuzuordnen<br />
ist. Finasterid hemmt hauptsächlich das<br />
Isoenzym II.<br />
Da allerdings das Thema Chemoprävention<br />
des Prostatakarzinoms mit 5-<br />
ARI noch nicht vollständig ausdiskutiert<br />
ist, muss man hier noch vieles im Konjunktiv<br />
sagen. Der Autor selbst setzt das<br />
wesentlich teurere Dutasterid daher derzeit<br />
selektiv für Patienten bei Zustand<br />
nach negativer Biopsie mit höherem<br />
PSA ein. Die „unverdächtigen“ Patienten<br />
mit BPH und Indikation für einen 5-<br />
ARI erhalten weiterhin Finasterid. Vor<br />
einer schlüssigen Beurteilung sind hier<br />
sicher noch die Ergebnisse weiterer Untersuchungen<br />
abzuwarten. Insbesondere<br />
wissen wir noch nicht genau, ob mit einer<br />
„Chemoprävention“ dieser Art wirklich<br />
Karzinome verhindert oder nur klinisch<br />
inapparente Tumoren in Schach gehalten<br />
(oder gar behandelt?) werden.<br />
Ein interessanter Aspekt im Hinblick<br />
auf die Lebensqualität des Patienten ist<br />
auch der früher wegen des Risikos erhöhter<br />
Restharnmengen streng verpönte<br />
Einsatz von Anticholinergika bei der<br />
BPH. Bei starker OAB-Symptomatik<br />
(overactive bladder) ist unter sorgfältiger<br />
Überwachung des Patienten und häufiger<br />
sonografischer Restharnkontrolle ein<br />
wohldosierter Einsatz, meist in Kombination<br />
mit Alphablockern oft hilfreich.<br />
Phytotherapeutika sind im Allgemeinen<br />
auch heute noch Glaubenssache.<br />
Nach wie vor gibt es kaum valide Studien,<br />
dennoch haben sie weiter ihren<br />
Platz in der BPH-Therapie.Warum auch<br />
nicht? Wenn es dem Patienten subjektiv<br />
besser geht und sich seitens des Urologen<br />
keine objektive Notwendigkeit einer<br />
intensiveren Behandlung aufdrängt,<br />
dann ist es letztlich nicht so wichtig, wie<br />
viel Placeboeffekt am Behandlungserfolg<br />
beteiligt ist. Man darf auch die günstigen<br />
Therapiekosten nicht übersehen<br />
und deshalb sollten auch in Zukunft einige<br />
dieser Therapeutika weiter kassenfrei<br />
verschreibbar bleiben.<br />
Wenn allerdings klinische Symptomatik<br />
und/oder Restharnmengen das tolerable<br />
Maß überschreiten, dann ist die<br />
Zeit für eine chirurgische Intervention<br />
gekommen. Dabei ist auch immer eine<br />
gewisse Antizipationsfähigkeit des behandelnden<br />
Urologen gefragt, da unsere<br />
Patienten durch die Jahre nicht jünger<br />
werden. Das heißt: Bei einer eventuell<br />
trotz umfassender konservativer Therapie<br />
festzustellenden Progredienz einer<br />
symptomatischen BPH sollte ein „Aussitzen“<br />
nicht versucht werden. Das führt<br />
dazu, dass der Patient dann eines Tages<br />
weder urinieren kann noch eine Operationsfreigabe<br />
bekommt und schließlich<br />
seinen Lebensabend mit einer Harnableitung<br />
zubringen muss, weil seine mittlerweile<br />
eingetretene Multimorbidität<br />
jede invasivere Maßnahme verunmöglicht.<br />
Die transurethrale Prostataresektion<br />
(TUR/P) und, bei entsprechender<br />
Größe die suprapubische Adenomektomie<br />
(SPE) sind nach wie vor die Urmeter<br />
der operativen Therapie. Dennoch<br />
hat sich in den letzten Jahren sehr deutlich<br />
gezeigt, in welche Richtung der Zug<br />
innovativer Operationstechniken nun<br />
fährt.<br />
Nach vielen, teilweise sogar noch existierenden<br />
minimal invasiven Behandlungsformen<br />
wie der transurethralen Mikrowellentherapie<br />
der Prostata (TUMT)<br />
– vom Autor selbst seit 15 Jahren durchgeführt<br />
– haben manche Methoden, wie<br />
die genannte, als Nischenprodukt überlebt<br />
und können bei sorgfältiger Indikationsstellung<br />
auch gute Erfolge bringen.<br />
Für einen Patienten mit einem BPH-Stadium<br />
I oder II, der nicht gerne (noch<br />
mehr) Medikamente nimmt, ist die<br />
TUMT sicher eine sinnvolle Alternative.<br />
Von anderen, wie beispielsweise der Ballondilatation<br />
der Prostata, hört man gar<br />
nichts mehr.<br />
seite 30 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />
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50
Können Sie Ihren Harnteststreifen vertrauen?<br />
Combur ® -Harnteststreifen zeigen keine falsch negativen Glucose- und Blutergebnisse nach<br />
Vitamin C-Einnahmen<br />
Schnupfenzeit<br />
Schwankende Temperaturen, überfüllte<br />
öffentliche Verkehrsmittel und zunehmender<br />
Stress setzen unserem Immunsystem<br />
zu.Vorbeugend greifen wir in<br />
der kalten Jahreszeit zu Vitamin C, um<br />
nahenden Erkältungen keine Chance zu<br />
geben. Sei es der Frucht- oder Gemüsesaft,<br />
oder das lösliche Vitamin C-Pulver,<br />
das als Limonade getrunken wird. Zusätzlich<br />
findet man Ascorbinsäure in vielen<br />
Lebensmitteln, wo man sie nicht vermuten<br />
würde – z.B. Mehl, Wurst, Bier,<br />
Wein sowie Champagner haben Ascorbinsäure<br />
als Antioxidans oder Konservierungsmittel<br />
zugesetzt.<br />
Ascorbinsäure im Harn<br />
In einer Studie von Brigden et al. wurden<br />
die Ascorbinsäure-Konzentrationen<br />
im Harn von 557 Patienten gemessen.<br />
Ein hoher Prozentsatz der untersuchten<br />
Harne wies Konzentrationen auf, die bereits<br />
Störungen bei der Harndiagnostik<br />
verursachen können.<br />
Wieviel Vitamin C kann ein Mensch zu<br />
sich nehmen, ohne Interferenzen durch<br />
Ascorbinsäure im Harn zu bekommen? In<br />
der Studie von Nagel et al. wurden Harn-<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
proben mit Glukose,Hämoglobin und Ascorbinsäure<br />
versetzt und mit den gängigsten<br />
fünf Harnteststreifen getestet. Schon<br />
10 mg/dl Ascorbinsäure reichten aus, um<br />
falsch negative Ergebnisse bei Glukose<br />
und Hämoglobin anzuzeigen.<br />
Combur ® -Harnteststreifen<br />
zeigen keine<br />
Ascorbinsäure-Interferenzen<br />
Bei Konzentrationen von 50 mg/dl Glukose<br />
und 20 mg/dl Ascorbinsäure konnte<br />
nur noch der Combur ® -Harnteststreifen<br />
richtige Ergebnisse anzeigen,alle anderen<br />
Teststreifen zeigten falsch negative Resultate.<br />
Ebenso konnte bei Konzentrationen<br />
von 10 Ery/µl Glukose und 20 mg/dl Ascorbinsäure<br />
nur noch der Combur ® -Harnteststreifen<br />
richtige Ergebnisse wiedergeben.<br />
Wiederum zeigten alle anderen Teststreifen<br />
falsch negative Resultate. Man<br />
bedenke,dass durch die Konsumation von<br />
einem Glas Fruchtsaft schon 20 bis 40<br />
mg/dl Ascorbinsäure im Harn wiederzufinden<br />
sind.<br />
Die Vorteile der<br />
Combur ® -Harnteststreifen<br />
Die Combur ® -Harnteststreifen von<br />
Roche Diagnostics sind nach der einzig-<br />
FORUM MEDICUM<br />
Fortbildung<br />
artigen Netzeinsiegelungsmethode hergestellt.<br />
Diese Netzeinsiegelung ermöglicht<br />
• gleichmäßiges Eindringen des Urins<br />
und homogene Farbentwicklung,<br />
• schützt vor Verunreinigung (Schweiß,<br />
Hautcreme etc),<br />
• verhindert das Übertreten von Reagenzien<br />
aus benachbarten Testfeldern,<br />
• keine Beeinflussung von Ergebnissen<br />
durch Kleberkomponenten.<br />
Durch die Konfektionierung von mehreren<br />
Reagenzplättchen – wie ein zusätzliches<br />
Jodat-Reagenzpapier – zu einem<br />
Testfeld wurde es möglich, die Ascorbinsäure-Störung<br />
auszuschließen.<br />
Die standardisierte Auswertung der<br />
Harnteststreifen mit einem Harnanalysengerät<br />
wie Urisys 1100 ® oder cobas u 411<br />
bringt nicht nur mehr Qualitätssicherung<br />
in der Diagnostik, sondern kann<br />
auch durch einen direkten Datentransfer<br />
in die Labor-EDV die Harnanalyse<br />
in den Gesamtbefund integrieren. Dies<br />
spart jedenfalls Zeit und Arbeit.<br />
FB<br />
Literatur<br />
1. Brigden et al.; Clin. Chem. 38 (1992), 3, 426–31<br />
2. Nagel et al.; Clin. Lab. 52 (2006), 149–53<br />
seite 31
BPH<br />
Fortbildung<br />
Es sieht aber ganz sicher so aus, als<br />
würden die nächsten Jahre im Hinblick<br />
auf neue OP-Techniken der BPH in erster<br />
Linie den Lasermethoden gehören.<br />
Eine umfassende Darstellung der zur<br />
Zeit in Verwendung befindlichen Methoden<br />
gab es auf der heurigen bayrisch-österreichischen<br />
Urologentagung im Juni<br />
in Salzburg.<br />
Zu unterscheiden sind hier Methoden<br />
mit und ohne Gewebsgewinnung. Es<br />
wurde schon öfters kritisiert, dass im Gegensatz<br />
zur TUR/P bei der Laservaporisation<br />
, beispielsweise mit dem KTP-Laser<br />
(„Green Light“) kein Gewebe gewonnen<br />
wird. Nun, das geschieht auch<br />
bei der medikamentösen Behandlung<br />
oder der TUMT nicht. Und wenn man<br />
Grund hat, Verdacht in Richtung eines<br />
PCA zu schöpfen, muss ohnehin biopsiert<br />
werden.Augenscheinlich ist das also<br />
kein Grund,der Methode allzu reserviert<br />
gegenüber zu stehen.<br />
Des weiteren gibt es mehrere OP-Techniken,<br />
die mit einem Diodenlaser auch<br />
eine resezierende Vorgangsweise mit histologischem<br />
Befund zulassen, gleichzeitig<br />
aber von der beeindruckenden Blutungsarmut<br />
des Lasers profitieren, die vor allem<br />
dem älteren, multimorbiden Patienten<br />
zugute kommt.<br />
Eine interessante Option für größere<br />
Adenome stellt die HoLEP (Holmium-<br />
Laser-Enukleation der Prostata) dar. Bei<br />
dieser wird die Prostata ähnlich der SPE<br />
endoskopisch buchstäblich aus der chirurgischen<br />
Kapsel enukleiert und die<br />
Lappen dann in der Blase morcelliert und<br />
abgesaugt.<br />
Vieles ist hier von Kosten,Machbarkeit<br />
in der Infrastruktur und schließlich auch<br />
von persönlicher Erfahrung abhängig.<br />
Der Trend für die nächste Zukunft<br />
scheint jedoch klar:<br />
Viele Patienten, die früher operiert<br />
wurden, finden heute mit einer passenden<br />
medikamentösen Therapie das Auslangen.<br />
Manch einer, für den die alleinige<br />
Pharmakotherapie nicht den gewünschten<br />
Behandlungserfolg garantieren kann,<br />
hat die Möglichkeit der Wahl zwischen alten<br />
und neuen Operationsmethoden.<br />
Und last but not least werden vor allem<br />
minimalinvasive Lasermethoden zunehmend<br />
an Bedeutung gewinnen.<br />
Dr. Karl F. Diehl<br />
Staasdorfer Straße 15, A-3430 Tulln<br />
Tel.: +43/2272/65 1 44, Fax-Dw: -4<br />
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Bonviva ® 3 mg Injektionslösung. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine Fertigspritze mit 3 ml Lösung enthält 3 mg Ibandronsäure (entsprechend 3,375 mg Mononatriumibandronat 1 H2O).Die Konzentration<br />
an Ibandronsäure in der Injektionslösung beträgt 1 mg pro ml. Anwendungsgebiete: Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt<br />
5.1 "Pharmakodynamische Eigenschaften"). Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden. Gegenanzeigen: -<br />
Hypokalzämie (siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt 4.4 "Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung"). • Überempfindlichkeit gegen Ibandronsäure oder einen der sonstigen Bestandteile.<br />
Liste der sonstigen Bestandteile: Natriumchlorid, Eisessig, Natriumacetat 3 H2O, Wasser für Injektionszwecke. Inhaber der Zulassung: Roche Registration Limited, 6 Falcon Way, Shire Park, Welwyn Garden<br />
City, AL7 1TW, Vereinigtes Königreich. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Bisphosphonate, ATC-Code:<br />
M05B A06. Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen sowie Informationen zu Schwangerschaft und Stillzeit<br />
und Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />
Clopidogrel Genericon 75 mg Filmtabletten. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Filmtablette enthält 75 mg Clopidogrel (als Clopidogrel-Besilat). Sonstiger Bestandteil: Jede Tablette enthält 2,80 mg Lactose-Monohydrat.<br />
Die vollständige Auflistung der sonstigen Bestandteile siehe Abschnitt 6.1. Anwendungsgebiete: Clopidogrel ist bei Erwachsenen indiziert zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei: Patienten mit Herzinfarkt (wenige<br />
Tage bis 35 Tage zurückliegend), mit ischämischem Schlaganfall (7 Tage bis 6 Monate zurückliegend) oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Weitere Informationen sind im Abschnitt 5.1 enthalten. Gegenanzeigen:<br />
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile, schwere Leberfunktionsstörungen und akute pathologische Blutung, wie bei Magen-Darm-Geschwüren oder intrakraniellen Blutungen. Schwangerschaft<br />
und Stillzeit: Da keine klinischen Daten über die Einnahme von Clopidogrel während der Schwangerschaft vorliegen, ist es als Vorsichtsmaßnahme vorzuziehen, Clopidogrel während der Schwangerschaft nicht anzuwenden. Tierexperimentelle<br />
Studien lassen nicht auf direkte oder indirekte schädliche Auswirkungen auf Schwangerschaft, embryonale/fetale Entwicklung, Geburt oder postnatale Entwicklung schließen (siehe Abschnitt 5.3). Es ist nicht bekannt, ob Clopidogrel<br />
in die menschliche Muttermilch übergeht. Tierexperimentelle Studien haben einen Übergang von Clopidogrel in die Muttermilch gezeigt. Als Vorsichtsmaßnahme sollte während der Clopidogrel-Therapie abgestillt werden.<br />
Clopidogrel Genericon 75 mg Filmtabletten., OP zu 20, 30 und 90 Stück, Rezept- und apothekenpflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Genericon Pharma Gesellschaft m.b.H., A-8054 Graz, genericon@genericon.at. Weitere<br />
Angaben zu Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Gewöhnungseffekten und zu den besonderen Warnhinweisen zur sicheren Anwendung sind der „Austria Codex-Fachinformation“ zu entnehmen.<br />
Inkontan Filmtabletten: Zulassungsinhaber: Pharm. Fabrik Montavit Ges.m.b.H., 6060 Absam/Tirol, Zusammensetzung: 1 Filmtablette enthält 15 mg Trospiumchlorid, (1 Filmtablette enthält 30 mg Trospiumchlorid). Hilfsstoffe:<br />
Titandioxid, mikrokristalline Zellulose, Methylhydroxypropylcellulose, Lactose, Maisstärke, Natrium-Stärkeglykolat, Polyvidon K25, hochdisperses Siliziumdioxid, Stearinsäure. Anwendungsgebiete: Zur Behandlung der Detrusorinstabilität<br />
oder Detrusorhyperreflexie mit den Symptomen häufiges Harnlassen, Harndrang und unfreiwilliger Harnabgang mit oder ohne Harndrang. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen einen Bestandteil des Präparates, Harnverhaltung,<br />
Engwinkelglaukom, Tachyarrhythmien, Myasthenia gravis, schwere Colitis ulcerosa, toxisches Megacolon, dialysepflichtige Niereninsuffizienz (Kreatininclearance unter 10 ml/min/1,73 m 2 ), Kinder unter 12 Jahre Abgabe:<br />
Rezept- und apothekenpflichtig. ATC-Code: G04BD Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />
Quetialan ® 25 mg Filmtabletten, Quetialan ® 100 mg Filmtabletten, Quetialan ® 200 mg Filmtabletten, Quetialan ® 300 mg Filmtabletten, Quetialan ® 4-Tage Startpackung. Wirkstoffgruppe: Pharmakotherapeutische Gruppe:<br />
Antipsychotika, Diazepine, Oxazepine und Thiazepine. ATC-Code: N05A H04. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine Quetialan ® Filmtablette enthält Quetiapinfumarat entsprechend 25/100/200/300 mg Quetiapin. Die Quetialan<br />
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nicht gezeigt, dass Quetialan ® das wiederholte Auftreten manischer oder depressiver Episoden verhindern kann. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels. Die<br />
gleichzeitige Anwendung von Cytochrom P450 3A4-Inhibitoren wie HIV-Proteaseinhibitoren, Azol-Antimykotika, Erythromycin, Clarithromycin und Nefazodon ist kontraindiziert. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern 25/100/200/300<br />
mg/Startpackung: Calciumhydrogenphosphat wasser-frei, Lactose Monohydrat, mikrokristalline Cellulose, Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A), Povidon, Magnesiumstearat. Tablettenüberzug: 25 mg: Hypromellose, Titandioxid (E171),<br />
Macrogol 400, Eisenoxid gelb (E172), Eisenoxid rot (E172). 100 mg: Hypromellose, Titandioxid (E171), Macrogol 400, Eisenoxid gelb (E172). 200 mg/300 mg: Hypromellose, Titandioxid (E171), Macrogol 400. Inhaber der Zulassung: Gerot<br />
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25 mg: 6, 60 Stück, 100 mg: 30, 60, 90 Stück, 200 mg: 30, 60 Stück, 300 mg: 30, 60 Stück, Startpackung: 6 x 25 mg, 5 x100 mg. 02/2009.<br />
Offenlegung nach § 25 Mediengesetz<br />
Medieninhaber: Verlag der Mediziner gmbh. Richtung der Zeitschrift: Medizinisch-pharmazeutisches Informationsjournal für österreichische Ärztinnen und<br />
Ärzte. Soweit in diesem Journal eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag<br />
große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Ausgabe dem Wissenstand bei Fertigstellung des Journals entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen<br />
und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der<br />
Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebenen Empfehlungen für<br />
Dosierung oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Heft abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten<br />
verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers.<br />
Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen)<br />
werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien<br />
Warennamen handelt. Die mit FB (Firmenbeitrag) gekennzeichneten bzw. als Produktbeschreibung erkenntlichen Beiträge sind entgeltliche Einschaltungen und<br />
geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Es handelt sich somit um „entgeltliche Einschaltungen“ im Sinne § 26 Mediengesetz.<br />
seite 32 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />
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50
ALKOHOLENTZUG<br />
Fortbildung<br />
Die individuelle Entzugsbehandlung von<br />
Alkoholabhängigen nach der Lesch-Typologie<br />
Dr. Dagmar Kogoj, Univ.-Prof. Dr. Otto Michael Lesch<br />
Die Therapie alkoholabhängiger Menschen<br />
sollte der Tatsache, dass es sich<br />
hierbei um ein heterogenes Patientenkollektiv<br />
handelt, gerecht werden. Einen<br />
solchen individuellen Zugang ermöglicht<br />
die Typologisierung von alkoholabhängigen<br />
Patienten nach Lesch. Dabei<br />
werden Menschen mit vermehrtem<br />
regelmäßigem Alkoholkonsum in vier<br />
Typen untergliedert, die sich sowohl in<br />
ihrer Persönlichkeitsstruktur, ihren biologischen<br />
Vorschädigungen als auch in<br />
den vielfältigen unbewussten Mechanismen,<br />
welcher Wirkung wegen Alkohol<br />
konsumiert wird, unterscheiden.<br />
Alkoholabhängige Menschen werden<br />
nach wie vor zu mehr als 90% von Medizinern<br />
behandelt, die nicht aus dem<br />
Fachgebiet der Psychiatrie bzw. der<br />
Suchtmedizin stammen. Die Symptome,<br />
die die Patienten schließlich zu Ärzten<br />
führen, sind äußerst vielfältig und werden<br />
zumeist nicht in Zusammenhang mit<br />
Tabelle 1<br />
Häufige Einzelsymptome oder<br />
Symptomkonstellationen<br />
• Kreislaufregulationsstörungen, Hinweis auf<br />
alkoholische Kardiomyopathie;<br />
• Häufige und protrahierte Gastroenteritiden;<br />
• Fettstoffwechselstörungen;<br />
• Pathologische Leberbefunde;<br />
• Pankreaserkrankung;<br />
• Unklare stärkere Blutzuckerschwankungen;<br />
• Zunehmende vegetative Störungen;<br />
• Zunehmende Reizbarkeit, Dysphorie, Neurasthenie;<br />
• Ungeklärte Gewichtszunahme;<br />
• Potenzstörungen;<br />
• Erhöhtes Unfallrisiko;<br />
• Ungeklärte Verletzungen.<br />
Lesch etal., 1994<br />
einer bestehenden Alkoholabhängigkeit<br />
gebracht (Tab. 1).<br />
Der Tätigkeitsbereich von Medizinern<br />
– gleich, ob es sich dabei um Allgemeinmediziner,<br />
Internisten oder Ärzte anderer<br />
Fachbereiche handelt – sollte dabei<br />
das Erkennen einer eventuell vorliegenden<br />
Alkoholabhängigkeit und einer Entzugssymptomatik<br />
umfassen. Nach einer<br />
entsprechenden Diagnose sollte die spezifische<br />
Entzugstherapie nach der Typologie<br />
nach Lesch durchgeführt werden. Im<br />
ärztlichen Gespräch sollte vor allem der<br />
Zusammenhang zwischen der individuellen<br />
Wirkung von Alkohol und den gebotenen<br />
Beschwerden aufgedeckt werden.<br />
Ist dieser Zusammenhang zu erheben,<br />
kann der Alkoholmissbrauch objektiviert<br />
werden. Die Frage „Trinken Sie Alkohol?“<br />
sollte dabei vermieden werden, die<br />
Patienten sollten bereits durch die Fragestellung<br />
wahrnehmen, dass ein Zusammenhang<br />
zwischen ihrem Trinkverhalten<br />
und den Beschwerden bestehen könnte.<br />
Zielführende Fragen zur Erkennung<br />
der Alkoholabhängigkeit:<br />
• Schmeckt Ihnen Alkohol oder trinken<br />
Sie Alkohol, um eine Wirkung zu<br />
erzielen? Wenn ja, welche Wirkung<br />
des Alkohols wünschen Sie (betrunken<br />
werden, Stimmungsveränderung,<br />
Angstlösung, usw.)?<br />
• Treten Beschwerden auf, wenn Sie<br />
Alkohol trinken oder Sie eine Trinkpause<br />
einlegen?<br />
• Was hilft Ihnen gegen Ihre Beschwerden?<br />
• Hilft auch Alkohol? Wenn ja, welche<br />
Mengen benötigen Sie, um Ihre Beschwerden<br />
zu lindern?<br />
• Wenn Sie bei einem Fest etwas vermehrt<br />
Alkohol konsumieren, haben<br />
Sie am nächsten Tag Beschwerden<br />
(Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme,<br />
Unruhe, Reizbarkeit)? Verwenden<br />
Sie dann Alkohol um diese Beschwerden<br />
zu lindern?<br />
• Wenn Sie Medikamente gegen Ihre<br />
Beschwerden verordnet bekamen,<br />
konnten Sie dann in dieser Zeit ihren<br />
Alkoholkonsum reduzieren oder ganz<br />
einstellen?<br />
Eine Objektivierung des Trinkverhaltens<br />
geschieht durch folgende biologische<br />
Marker (Tab. 2).<br />
Das Vorliegen einer chronischen<br />
Alkoholabhängigkeit wird also am<br />
sichersten mit den Cut-Off-Punkten<br />
objektiviert. Dennoch: 20% der erhöhten<br />
Werte, vor allem jene der Leber, sind<br />
nicht bedingt durch erhöhten Alkoholkonsum,<br />
sondern durch andere Lebererkrankungen<br />
wie zum Beispiel Hepatitis.<br />
Wird eine Medikation für somatische<br />
Beschwerden, die die Patienten ursprünglich<br />
ärztlichen Rat suchen ließen, notwendig,<br />
müssen sie darüber aufgeklärt werden,<br />
dass Alkohol die Wirkung von einem<br />
Großteil der Medikamente verändert und<br />
aus diesem Grund eine Abstinenzphase<br />
eingehalten werden sollte. Wird seitens<br />
der Patienten jedoch angeben, dass eine<br />
Abstinenz nur schwer oder nicht erreicht<br />
werden kann, ist die Behandlung der<br />
Alkoholabhängigkeit mit einem therapeutischen<br />
Gesamtkonzept zu beginnen.<br />
Das therapeutische Setting, ambulant<br />
oder stationär, wird entsprechend den<br />
seite 34 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
vorherrschenden Symptomen und einer<br />
eventuell vorliegenden psychiatrischen<br />
Komorbidität angepasst. Die Behandlung<br />
kann in den meisten Fällen ambulant<br />
durchgeführt werden. Der Erstkontakt<br />
sollte hierbei den Kriterien der<br />
Krisenintervention folgen (Erstellung<br />
einer stabilen, verlässlichen Therapiekette).<br />
Ist der Patient bereits an einer<br />
somatischen Station aufgenommen,<br />
sollte die Therapie an dieser Station mittels<br />
eines Liaisonangebots durchgeführt<br />
werden. Eine stationäre Aufnahme ist<br />
nur in 15–20% der Fälle indiziert (wie<br />
z.B. schwere psychiatrische Komorbidität<br />
oder suizidale Einengung, schwere<br />
Folgeerkrankungen usw.).<br />
Die typologische Zuordnung kann<br />
mittels Entscheidungsbaum (siehe<br />
Tabelle 3), oder aber unter Zuhilfenahme<br />
eines Computerprogramms<br />
getroffen werden. Letzteres führt den<br />
Entscheidungsbaum autonom durch und<br />
empfiehlt sowohl die passende Entzugsmedikation<br />
als auch die geeignete Entwöhnungsbehandlung<br />
und Rückfallsprophylaxe.<br />
(Das Programm kann unter<br />
otto.lesch@meduniwien.ac.at. angefordert<br />
bzw. unter www.lat-online.at bestellt<br />
werden).<br />
Therapie des<br />
Alkoholentzugssyndroms nach<br />
der Typologie nach Lesch<br />
Typ I – „Allergiemodell“<br />
Symptome: Alkohol wird von dieser<br />
Gruppe als Mittel gegen Entzugssymptome<br />
eingesetzt, angenommen wird eine<br />
biologische Vulnerabilität (Acetaldehydspiegelerhöhung<br />
auch in der Abstinenz).<br />
Der Entzug ist folglich als eine<br />
Art Rebound-Phänomen (GABA-<br />
Überempfindlichkeit, GLUTAMAT-<br />
GABA-Ungleichgewicht) zu verstehen.<br />
Typ-I-Patienten entwickeln häufig<br />
bereits bei geringen Trinkmengenänderungen<br />
eine schwere Entzugssymptomatik,<br />
oft auch Entzugskrampfanfälle<br />
(Typ Grand Mal am ersten oder zweiten<br />
Tag nach Trinkmengenänderungen oder<br />
Abstinenz). Die Entzugssymptomatik<br />
entwickelt sich rasch (oft binnen Stunden)<br />
und klingt auch rasch wieder ab<br />
(innerhalb weniger Tage). Es bestehen<br />
ein grober, dreidimensionaler Tremor,<br />
starkes Schwitzen, Unruhe („nasser<br />
Entzug“), in vielen Fällen kommt es zu<br />
epileptischen Entzugsanfällen. In dieser<br />
Gruppe entwickelt sich der Entzug ohne<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
Biologische Marker zur Erkennung von Alkoholmissbrauch<br />
Therapie manchmal bis zum lebensbedrohlichen<br />
Delirium tremens.<br />
Therapie:<br />
1. Benzodiazepine, z.B. Lorazepam<br />
(vorrangig Benzodiazepine, die nicht<br />
in lang wirksame Metabolite abgebaut<br />
werden) Dosierung 150–600 mg<br />
(je nach der Alkoholmenge, die die<br />
Patienten als wirksam gegen die Entzugsbeschwerden<br />
angeben),<br />
ALKOHOLENTZUG<br />
Fortbildung<br />
Tabelle 2<br />
Sensitivität Spezifität Normalisierung<br />
in der Abstinenz<br />
Atem-Alkohol 100% 100% Stunden<br />
Ethylglucuronid 100% 100% Tage<br />
MCV und γ-GT 63% 80% 1–10 Wochen<br />
%CDT 65% 96% 2–4 Wochen<br />
Cut-Off Punkte:<br />
GOT > GPT : Schädigung durch Alkohol höchstwahrscheinlich<br />
GPT > GOT : Lebererkrankung unterschiedlicher Genese<br />
γ-GT: eine Erhöhung auf das 1,3-Fache des oberen Normwertes spricht ebenfalls<br />
für eine Schädigung der Leberzellen durch Alkohol<br />
MCV: > 95 fl: Verdacht auf Alkoholmissbrauch<br />
> 98 fl: Alkoholmissbrauch<br />
%CDT > 2,6 % (neuer Cut off; cave: ausgenommen: Trisialo-Transferrin)<br />
Entscheidungsbaum zur Typologie nach Lesch<br />
• nach dem Grad der Alkoholisierung,<br />
• nach dem jeweiligen Schweregrad des<br />
Entzugssyndroms,<br />
• nach dem Schweregrad von früheren<br />
Entzugssyndromen.<br />
2. Caroverin 20 mg Dragee 3 x 1 täglich;<br />
bei starker Alkoholgier 3 x 2 täglich.<br />
3. Acamprosat 3-0-3 Kapseln täglich bei<br />
Patienten über 60 kg und 2-0-2 bei<br />
Patienten unter 60 kg. Da die volle<br />
Wirkungsentfaltung von Acamprosat<br />
Symptome vor dem 14. Lebensjahr die zu einer Entwicklungsstörung führten<br />
• Perinatalschaden oder<br />
• Contusio cerebri oder<br />
• Andere schwere Hirnerkrankungen oder Typ IV<br />
• Schwere Polyneuropathie mit neurologischen Ausfällen oder<br />
• Epilepsie oder<br />
• Nägelbeißen und Stottern (beides über Monate):<br />
• Nächtliches Bettnässen nach dem 3. Lebensjahr: (Längere Zeit und sozial störend)<br />
Typ IV oder Typ III<br />
Wenn nächtliches Bettnässen ja:<br />
• Keine Periodik des Trinkverhaltens oder<br />
• Keine Durchschlafstörungen oder<br />
• Keine schwere depressive Episode (ICD-10) oder<br />
• Keine schweren SM Tendenzen ohne Alkoholeinfluß<br />
Wenn nächtliches Bettnässen nein:<br />
• Periodik des Trinkverhaltens oder<br />
• Durchschlafstörungen oder<br />
• Schwere depressive Episode (ICD-10) oder<br />
• Schwere SM-Tendenzen ohne Alkoholeinfluß<br />
Typ IV<br />
Typ III<br />
• Schweres körperliches Entzugssyndrom mit starker<br />
Typ I<br />
vegetativer Entzugssymtomatik und dreidimentsionalem Tremor oder<br />
• Entzugsanfällen (Grand Mal)<br />
Typ II<br />
Alkohol als Bewältigungsstrategie bzw. abhängige Persönlichkeitsstörung nach ICD-10<br />
Tabelle 3<br />
Lesch etal. 1990<br />
seite 35
ALKOHOLENTZUG<br />
Fortbildung<br />
länger andauert, ist eine überlappende<br />
Therapie mit Caroverin für die<br />
ersten drei Wochen von Vorteil.<br />
4. Neuroleptika wie Delpral ® (Tiaprid)<br />
sind kontraindiziert (positiv chronotop,<br />
Senkung der Krampfschwelle,<br />
Förderung der Alkoholgier und<br />
damit Steigerung der Rückfälligkeit).<br />
5. Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr<br />
achten!<br />
6. Im Entzug ist der Kreislauf oft instabil,<br />
zumeist erfordert dies keine symptomatische<br />
medikamentöse Therapie.<br />
Typ II – „Konfliktlösungsmodell“<br />
Symptome: Typ-II-Patienten setzen<br />
Alkohol seiner anxiolytischen Wirkung<br />
wegen als Selbstmedikation und Konfliktlösungsstrategie<br />
ein. Patienten dieser<br />
Gruppe zeigen in abstinenten Phasen<br />
oft Merkmale einer „Ich-Schwäche“,<br />
einer passiv-vermeidenden Persönlichkeitsstrukur<br />
oder befinden sich in Beziehungen<br />
mit dominanten Partnern. Der<br />
Umstieg von einem Suchtmittel auf ein<br />
anderes (sog. Suchtverlagerung) ist in<br />
dieser Gruppe häufig.<br />
Typ-II-Patienten zeigen im Entzug<br />
einen zweidimensionalen, feinschlägigen<br />
Tremor, bieten oft ein leichtes<br />
Schwitzen und zeigen einen stabilen,<br />
angespannten Kreislauf (Blutdruckund<br />
Herzfrequenz erhöht). Epileptische<br />
Anfälle in der Vorgeschichte kommen<br />
nicht vor. Die Entzugssymptomatik<br />
kann zwei bis drei Wochen zu beobachten<br />
sein (Mischung aus Entzug und<br />
ängstlicher Basisstörung).<br />
Therapie: Zum Entzug eignen sich<br />
anxiolytische Substanzen, die nicht zur<br />
Gruppe der Benzodiazepine gehören.<br />
Wir empfehlen Tiaprid (Delpral ® ). Die<br />
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Zeit.<br />
Verbesserung des Klimas zwischen<br />
Arzt und Patient<br />
Dosis richtet sich nach dem Schweregrad<br />
der ängstlichen Symptomatik und der<br />
Einschlafstörung, zumeist ist eine Dosierung<br />
von 150–300 mg/die Tiaprid ausreichend.<br />
Eine antiepileptische Abschirmung<br />
ist für gewöhnlich nicht notwendig.<br />
Cave: Benzodiazepine oder GHB sind<br />
in dieser Gruppe kontraindiziert! Besteht<br />
bereits ein Abusus von Tranquilizern,<br />
richtet sich die Entzugsbehandlung<br />
jedoch in erster Linie nach der Einnahme<br />
und dem Missbrauch dieser<br />
Beruhigungsmedikamente.<br />
TYP III – „Alkohol als Antidepressivum“<br />
Symptome: Alkohol wird von dieser<br />
Gruppe aufgrund einer Stimmung aufhellenden<br />
und Schlaf anstoßenden Wirkung<br />
missbraucht. Alkohol wirkt zwar<br />
Schlaf fördernd, zerstört in weiterer<br />
Folge jedoch die Schlafarchitektur.<br />
Ähnlich wie Typ-II-Patienten zeigen<br />
Patienten dieser Gruppe im Entzug<br />
einen zweidimensionalen, feinschlägigen<br />
Tremor (oft nur im Vorhalteversuch<br />
erkennbar), leichtes Schwitzen (vorwiegend<br />
an den Händen, weniger am<br />
Stamm) und einen stabilen, angespannten<br />
Kreislauf (Blutdruck und Herzfrequenz<br />
erhöht). Epileptische Krampfanfälle<br />
in der Vorgeschichte kommen selten<br />
vor. Typ-III-Patienten zeigen im Entzug<br />
ein ängstlich-depressives Zustandsbild<br />
mit Schuldgefühlen, Versagensängsten<br />
sowie Suizidgedanken. Familiäre Häufungen<br />
von affektiven Störungen finden<br />
sich ebenfalls. Oft haben die Patienten zu<br />
Beginn ihrer Trinkkarriere den Eindruck,<br />
Alkohol wäre ihr „richtiges“ Medikament.<br />
Nach längerer Abstinenz bessert<br />
sich fast immer auch die chronobiologische<br />
Störung. Nachdem diese Basisstörungen<br />
jedoch typischerweise phasenhaft<br />
auftreten, kommt es ohne pharmakologische<br />
Hilfe immer wieder zu Rückfällen<br />
(episodischer Verlauf). Suizidgedanken<br />
und Suizidtendenzen sind in dieser Phase<br />
sehr häufig (Unterbrechungen der Therapiekette<br />
sind als Behandlungsfehler zu<br />
werten, ambulante – stationäre – ambulante<br />
Behandlungen sollten so miteinander<br />
vernetzt werden, dass die Kontinuität<br />
in der Therapie gewährleistet ist! – siehe<br />
Regeln der Krisenintervention nach G.<br />
Sonneck)<br />
Therapie: Typ-III-Patienten werden<br />
vorzugsweise mit Alcover ® (GHB) 4 x 7,5<br />
ml bis 4 x 10 ml entzogen. Bei ungenügender<br />
Wirkung ist keine Dosissteigerung<br />
angezeigt. Bereits nach der ersten<br />
Gabe kann meist beurteilt werden, ob<br />
diese Therapie ausreicht. Wird die gewünschte<br />
Wirkung nicht erreicht, ist zu<br />
hinterfragen, ob im Hintergrund eine<br />
regelmäßige Benzodiazepineinnahme<br />
vorliegt. In diesem Falle wäre eine Behandlung<br />
mit GHB gänzlich ungeeignet,<br />
die medikamentöse Therapie wird dementsprechend<br />
mit Benzodiazepinen<br />
weitergeführt. Die Dosis wird bis zur<br />
Symptomfreiheit des Entzugssyndroms<br />
gesteigert und anschließend über Wochen<br />
langsam reduziert. Gleichzeitig<br />
sollte die Umstellung auf eine suffiziente<br />
antidepressive Medikation erfolgen (Es<br />
empfehlen sich zusätzlich regelmäßige<br />
Harnkontrollen, um eine Reduktion der<br />
Benzodiazepineinnahme nachzuweisen).<br />
Auch in dieser Gruppe sind Neuroleptika<br />
gänzlich kontraindiziert, da sie die<br />
Rückfallsrate insgesamt erhöhen! Naltrexon<br />
sollte bereits während der Entzugsbehandlung<br />
als Rückfallsprophylaxe<br />
etabliert werden.<br />
In dieser Gruppe sind manchmal stationäre<br />
Aufnahmen notwendig, wobei<br />
sich diese Notwendigkeit aber vor allem<br />
nach dem Schweregrad des psychopathologischen<br />
Zustandsbildes richtet, z.B.<br />
suizidale Einengung oder schwere chronobiologische<br />
Störung.<br />
TYP-IV – „Alkohol als Gewöhnung“<br />
Symptome: Vor dem 14. Lebensjahr, in<br />
der Phase der Gehirnentwicklung, also<br />
lang vor Beginn der Trinkkarriere, bestehen<br />
bereits deutliche Auffälligkeiten.<br />
Zerebrale Vorschäden und sehr schwierige<br />
familiäre Verhältnisse führen zu<br />
kindlichen Verhaltensauffälligkeiten (wie<br />
z.B.: längerfristiges Stottern, Nägelbeißen<br />
und/oder nächtliches Einnässen nach<br />
dem 3. Lebensjahr, Entwicklung eines<br />
Cyclothymen Temperaments). Zwanghafte<br />
Verhaltensweisen und eine Kritiklosigkeit<br />
dem Trinken von Alkohol gegenüber<br />
bewirken, dass dem Trinkdruck<br />
der Gesellschaft oder dem „aktuellen<br />
Trinkdruck“ der jeweiligen Situation<br />
nicht Widerstand geleistet werden kann.<br />
Dieser chronische Alkoholmissbrauch<br />
mit der bereits bestehenden Vorschädigung,<br />
führt bei dieser Untergruppe zu<br />
schweren körperlichen Symptomen (z.B.<br />
Polyneuropathie, Epilepsie, usw.).<br />
Schwere kognitive Störungen mit entsprechenden<br />
Durchgangssyndromen stehen<br />
bei langen Verläufen oft im Vordergrund.<br />
In Spätstadien sind auch<br />
dementielle Bilder zu beobachten.<br />
seite 36 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />
Anzeige Plus<br />
50
ALKOHOLENTZUG<br />
Fortbildung<br />
Im Entzug findet sich ein nur leichter,<br />
oft cerebellärer Tremor, ein stabiler<br />
Kreislauf, fast kein Schwitzen (sog. „trockener<br />
Entzug“. Oft sind bereits epileptische<br />
Anfälle unabhängig von der<br />
Alkoholwirkung oder vom Alkoholentzug<br />
aufgetreten. Häufig findet man auch<br />
schwere Gangstörungen (Polyneuropathien).<br />
Merklich sind deutliche Beeinträchtigungen<br />
der intellektuellen Leistung und<br />
des Gedächtnisses, in der Exploration<br />
wahrnehmbar als Konfabulationen und/<br />
oder Perseverationen. Oft interpretieren<br />
Typ-IV-Patienten normale Wahrnehmungen<br />
wahnhaft, manchmal finden sich<br />
auch illusionäre Verkennungen oder<br />
sogar Halluzinationen (paranoid halluzinatorische<br />
Durchgangssyndrome). Diese<br />
Symptome bestehen oft über Monate,<br />
wobei Tranquilizer die Symptomatik erfahrungsgemäß<br />
verschlechtern. Die Ursache<br />
der Symptomatik ist primär nicht<br />
der Toxizität des Alkohols zuzuschreiben,<br />
sondern der ursprünglich bestehenden<br />
hirnorganischen Veränderung, dem<br />
Alkohol fällt in diesem Fall eine Trigger-<br />
Wirkung zu und ist als komplizierender<br />
Faktor zu werten. Besonders wichtig ist<br />
bei Typ-IV-Patienten die genaue differentialdiagnostische<br />
Abklärung anderer<br />
Ursachen von organischen Psychosen<br />
(Insultgeschehen, Tumoren, Hypoglykämien,<br />
Entzündungen usw.).<br />
Therapie: Im Vordergrund der Entzugsbehandlung<br />
stehen die pflegerische<br />
Betreuung, eine geschützte Atmosphäre<br />
in einem abstinenten Milieu (Familie<br />
oder Spital) mit stützenden Maßnahmen<br />
und adäquater Aktivierung. Somatische<br />
Grunderkrankungen – auch Schmerzen!<br />
– müssen dabei entsprechend behandelt<br />
werden.<br />
Abbildung 4<br />
Zusammenfassung der medikamentösen Therapie nach der Typologie nach Lesch<br />
Entzugsbehandlung Rückfallsprophylaxe<br />
Typ I Benzodiazepine und Caroverin Acamprosat oder Disulfiram<br />
Thiamin 100–300 mg i.v.<br />
über 10 Tage<br />
kontraindiziert: D1-Antagonisten,<br />
Typ II Tiaprid Acamprosat<br />
cave: Benzodiazepine, GHB kontraindiziert: Benzodiazepine, GHB<br />
Typ III GHB Naltrexon, Antidepressiva (z.B.: Trazodon,<br />
Mirtazapin), Carbamazepin, Topiramat,<br />
Valpornisäure<br />
GHB im Rückfall<br />
Typ IV GHB, Carbamazepine, Neuroleptika GHB (als Substitution), Naltrexon<br />
bei produktiven Symptomen atypische Neuroleptika (z.B.: Olanzapin),<br />
Memantin oder Piracetam Nootropika<br />
Als Entzugsmedikation und als Anfallsprophylaxe<br />
haben sich Carbamazepin<br />
300–900 mg täglich und 3 x 7,5 ml Alcover<br />
® (GHB) bewährt.Nootropika,wie z.B.<br />
Memantine oder Piracetam, verbessern<br />
die kognitiven Leistungen und wirken<br />
auch als Anticraving-Substanz. Die pharmakologische<br />
Aktivierung durch eine<br />
Lichttherapie mit mindestens 10.000 Lux<br />
über eine Stunde zweimal täglich zeigt<br />
positive Wirkung. Dimmlicht zwischen<br />
500–800 Lux fördert die Symptomatik,aus<br />
diesem Grund soll pflegerischerseits versucht<br />
werden, Typ-IV-Patienten im Entzug<br />
nachts in einem völlig abgedunkelten<br />
Raum schlafen zu lassen. Eine 1:1-Betreuung<br />
spart darüber hinaus Medikation. Da<br />
diese Patientengruppe üblicherweise<br />
ebenfalls an chronobiologischen Störungen<br />
leiden, ist auf die Wiederherstellung<br />
eines physiologischen Wach-Schlaf-<br />
Rhythmus besonders zu achten.<br />
Bei produktiven Durchgangssyndromen<br />
sind atypische Neuroleptika indiziert<br />
(z.B. Quetiapin 50–200 mg). Tranquilizer<br />
verstärken die Symptomatik und<br />
sollten in dieser Gruppe nur in Notfällen<br />
verabreicht werden (z.B. bei gehäuften<br />
epileptischen Anfällen).<br />
• Die Entzugstherapie sollte auch<br />
nach dem Schweregrad der Alkoholisierung<br />
modifiziert werden. Bei Alkoholspiegel<br />
oft weit über 2,5 Promille sind zu<br />
Beginn der Therapie für sämtliche vier<br />
Gruppen Benzodiazepine nicht verzichtbar.<br />
Dennoch sollte so rasch wie<br />
möglich eine typenspezifische Medikation<br />
angestrebt werden.<br />
• Die medikamentöse Rückfallsprophylaxe<br />
sollte bereits am ersten Tag der<br />
Entzugsbehandlung geplant werden<br />
(siehe Tabelle 4).<br />
Typ-II- und Typ-III-Patienten nach<br />
Lesch sollten überdies einer suffizienten<br />
Psychotherapie zugeführt werden. Bei<br />
Typ-I- und Typ-IV-Patienten sind oft<br />
regelmäßige medizinische Kontrollen,<br />
die sich vor allem lerntheoritscher<br />
Aspekte bedienen, ausreichend, letztere<br />
profitieren dabei vor allem durch Schaffung<br />
eines sicheren sozialen Umfeldes<br />
bzw. Netzwerkes.<br />
Literatur<br />
Lesch, Otto Michael / Walter, Henriette / Wetschka,<br />
Christian: Alkohol und Tabak. Medizinische und soziologische<br />
Aspkete von Gebrauch, Missbrauch und Abhängigkeit.<br />
SpringerWienNewYork 2009.<br />
Dr. Dagmar Kogoj,<br />
Univ.-Prof. Dr. Otto Michael Lesch,<br />
Univ.-Klinik für Psychiatrie<br />
und Psychotherapie<br />
Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien<br />
dagmar.kogoj@meduniwien.ac.at<br />
seite 38 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
Alcover ® -Sirup in der Therapie Alkoholabhängiger<br />
Statement von Univ.-Prof. Dr. Otto Lesch<br />
Alcover ® -Sirup (Wirkstoff Gamma-<br />
Hydroxybuttersäure Natriumsalz, GHB)<br />
ist in Flaschen zu 140 ml erhältlich.<br />
Die Wirksubstanz wird seit mehr als<br />
45 Jahren in verschiedenen Ländern in<br />
der Anästhesie und zur Therapie von<br />
Alkoholabhängigen verwendet. 1963<br />
wurde diese Substanz als Somsanit in<br />
Deutschland eingeführt und seit vielen<br />
Jahren ist sie als Alcover ® zuerst in Italien<br />
und später auch in anderen Ländern<br />
wie auch Österreich zugelassen. In<br />
manchen Ländern aus Osteuropa wird<br />
der Wirkstoff bei allen Alkoholentzügen<br />
in parenteraler Form verwendet.<br />
Da vor etwa zehn Jahren in den USA<br />
nachgewiesen wurde, dass der Wirkstoff<br />
auch bei Kokain-Abhängigen im Entzug<br />
wirksam ist, haben Polytoxikomane (vor<br />
allem Anabolika- und Kokainmissbrauchende)<br />
begonnen, GHB zur Sedierung<br />
dazuzunehmen und haben es aber wie<br />
alle anderen Substanzen auch missbraucht.<br />
Dieser Missbrauch wurde dann<br />
auch in Europa beobachtet und im Narkotik-Board<br />
der UNO diskutiert. Es<br />
wurde im Bezug auf Missbrauch deutlich<br />
geringer eingeschätzt als Benzodiazepine<br />
und Hypnotika.<br />
Cochrane Review<br />
In einer Cochrane Analyse publizierten<br />
<strong>2010</strong> Leone M.A. et al. die Rolle von<br />
GHB in der Entzugsbehandlung wie<br />
auch in der Rückfallprophylaxe. 50 mg<br />
GHB/kg KG aufgeteilt auf drei Tagesdosen<br />
sind in der Entzugsbehandlung<br />
wirksam. GHB ist in der Rückfallprophylaxe<br />
besser wirksam als Naltrexon<br />
und Disulfiram, es gibt in dieser Dosierung<br />
keine wesentlichen Nebenwirkungen.<br />
Die Abgabe muss jedoch in einem<br />
strikten medizinischen Setting erfolgen,<br />
weil sonst die Entwicklung einer Abhängigkeit<br />
droht.<br />
Situation in Österreich<br />
2002 publizierte Nimmerrichter eine<br />
Studie zum Thema GHB im Entzug von<br />
Alkoholkranken, wobei diese Studie im<br />
Anton Proksch Institut durchgeführt<br />
wurde. GHB hat sich im Entzug gut<br />
bewährt und für die Leber aber auch für<br />
die kognitiven Leistungen als deutlich<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
besser als die normale Entzugsmedikation<br />
dargestellt. Korninger publizierte<br />
2003 eine Anwendungsstudie von GHB<br />
in einem Unfallspital und beschrieb<br />
deutlich bessere Verläufe des Entzuges.<br />
Erfahrungsbericht<br />
In unserer Ambulanz für Alkoholgefährdete<br />
verwenden wir seit 2002 an<br />
mehr als 1500 Alkoholabhängigen Alcover<br />
® sowohl zu Entzugsbehandlung als<br />
auch zur Rückfallprophylaxe.<br />
Im Typ-III- und -IV nach Lesch hat<br />
sich GHB bewährt.<br />
Bei Typ-I-Patienten nach Lesch ist<br />
Alcover ® zu wenig wirksam und deshalb<br />
setzen wir Benzodiazepine ein. Auch für<br />
die Rückfallprophylaxe ist es in dieser<br />
Gruppe nicht geeignet.<br />
Typ-II-Patienten nach Lesch missbrauchen<br />
alle Substanzen mit Suchtpotential<br />
wie auch Benzodiazepine, Hypnotika<br />
aber auch GHB. Diese Patienten<br />
glauben, dass ihnen ein Medikament<br />
mehr Selbstsicherheit geben kann, und<br />
dass es ihnen hilft, mit ihren psychosozialen<br />
Schwierigkeiten besser zu Rande<br />
zu kommen. Da dies natürlich nicht<br />
funktionieren kann, dürfen in dieser<br />
Gruppe keine Medikamente mit Suchtpotential<br />
verwendet werden.<br />
Typ-III- und Typ-IV-Patienten nach<br />
Lesch sollten mit GHB entzogen werden,<br />
wobei in Typ IV eine Kombination mit<br />
Carbamazepin zu empfehlen ist. Da diese<br />
Gruppen von Alkoholkranken auch oft<br />
Benzodiazepine missbrauchen, ist für den<br />
Benzodiazepinentzug GHB viel zu wenig<br />
wirksam. Wir haben gelernt, dass nach<br />
einer Dosierung von 10 ml Alcover ® der<br />
Patient bereits nach 20 Minuten eine<br />
wesentliche Besserung seines Alkoholentzuges<br />
beschreibt. Spürt er keine positive<br />
Wirkung, soll man GHB nicht in<br />
der Dosis erhöhen, sondern durch Benzodiazepine<br />
ersetzen. Mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
liegt ein zusätzlicher Missbrauch<br />
von Benzodiazepinen vor.<br />
Im Typ III nach Lesch kann mit GHB<br />
der Schweregrad und die Dauer eines<br />
Rückfalles deutlich reduziert werden.<br />
Der Patient wird angewiesen, bei einem<br />
Rückfall drei Tage Alcover ® 4 mal täglich<br />
ALKOHOLENTZUG<br />
Fortbildung<br />
7,5 ml einzunehmen und es dann wieder<br />
abzusetzen.<br />
Bei Typ-IV-Patienten verwenden wir<br />
GHB als Substitution für Alkohol und<br />
unter kontrollierten Bedingungen kommt<br />
es ganz selten zu Dosissteigerungen. Die<br />
Nebenwirkungen von GHB sind deutlich<br />
geringer als die Nebenwirkungen von großen<br />
Dosen Alkohol.<br />
Zusammenfassung<br />
Wie in dem Cochrane Review ausgeführt<br />
und durch eigene Studien wie auch<br />
durch die Praxis belegt, ist Alcover ®<br />
(GHB) ein gut steuerbares Entzugsmedikament<br />
für die Typen III und IV nach<br />
Lesch und in diesen Untergruppen stellt<br />
Alcover ® auch eine deutliche Bereicherung<br />
in der Rückfallprophylaxe dar. Bei<br />
richtigem Einsatz und unter kontrollieren<br />
Bedingungen ist das Suchtpotential<br />
niederer einzuschätzen als das Suchtpotential<br />
von Benzodiazepinen.<br />
Eine slow-release Tablette mit GHB<br />
wird zurzeit in einem weltweiten Forschungsprogramm<br />
in den Indikationen<br />
Entzug und Rückfallprophylaxe untersucht.<br />
FB<br />
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Arzt und Patient<br />
Univ.-Prof. Dr. Otto Lesch<br />
Präsident der Österreichischen<br />
Gesellschaft für Suchtmedizin<br />
MedUni Wien<br />
Universitätsklinik für Psychiatrie und<br />
Psychotherapie<br />
Währingergürtel 18–20, 1090 Wien<br />
seite 39
LEBERZIRRHOSE<br />
Fortbildung<br />
Diagnostik und Therapie der Komplikationen<br />
der Leberzirrhose<br />
Univ.-Doz. Dr. Peter Fickert, Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner<br />
Im Krankheitsverlauf der Leberzirrhose<br />
unterscheiden wir eine asymptomatische<br />
Phase (kompensierte Leberzirrhose)<br />
von einer dekompensierten<br />
Phase, die durch die klinischen Manifestationen<br />
des portalen Hypertonus (bei<br />
einem Lebervenendruckgradienten > 10<br />
mmHg) mit Aszites, Blutung, Enzephalopathie<br />
und Infektionen charakterisiert<br />
ist. Die jährliche Dekompensationsrate<br />
bei Leberzirrhose beträgt 5% pro Jahr.<br />
Während sich die Zweijahreslebenserwartung<br />
in der kompensierten Phase<br />
(90–95%) kaum von Lebergesunden<br />
unterscheidet, nimmt diese in der<br />
dekompensierten Phase auf 40% ab.<br />
Rechtzeitiges Erkennen und eine<br />
gezielte Therapie der Komplikationen<br />
der Leberzirrhose können das Überleben<br />
unserer Patienten signifikant verbessern.<br />
Akute Varizenblutung<br />
Trotz signifikanter Verbesserung und<br />
Weiterentwicklung der Therapiemöglichkeiten<br />
bei Varizenblutung stellt diese<br />
weiterhin eine lebensgefährliche Komplikation<br />
der Leberzirrhose dar (6-Wochen-<br />
Mortalität 15–20%). Die Therapieziele<br />
bei Varizenblutung setzten sich aus (1)<br />
Blutungskontrolle, (2) Vermeidung einer<br />
Reblutung und (3) Vermeidung sekundärer<br />
Komplikationen (z.B. spontanbakterielle<br />
Peritonitis (SBP), Nierenversagen)<br />
zusammen. Bei Verdacht auf Varizenblutung<br />
mit Hämatemisis oder Melaena bei<br />
Patienten mit entsprechenden klinischen<br />
Zeichen (Aszites, Spider naevi, Ikterus)<br />
sollte sofort nach Einhaltung allgemein<br />
gültiger notfallmedizinischer Regeln und<br />
Maßnahmen (z.B. Sicherung der Atemwege,<br />
Legen großlumiger venöser<br />
Abbildung 1<br />
Allgorithmus und Therapieplan bei Verdacht auf akute Varizenblutung<br />
Zugänge und Kreislauftherapie) Terlipressin<br />
(2 mg/4 Stunden über die ersten<br />
48–72 Stunden) als bevorzugte pharmakologische<br />
Therapie und ein Antibiotikum<br />
(vorzugsweise Ceftriaxon) zur Vermeidung<br />
häufig in der Folge auftretender<br />
Infekte verabreicht werden. Die Volumengabe<br />
sollte in dieser speziellen Situation<br />
vorsichtig erfolgen um ein „Überfüllen“<br />
des Patienten zu vermeiden. Überschießende<br />
Volumengabe würde das Reblutungsrisiko<br />
signifikant erhöhen. Der Patient<br />
sollte sofort an eine klinische<br />
Abteilung mit entsprechend geschultem<br />
intensivmedizinischem Personal transferiert<br />
werden.<br />
Idealerweise sollte das Management<br />
für Varzienblutung in Form eines schriftlichen<br />
Protokolls (standard operating<br />
procedure, SOP) vorliegen (siehe Abb.:<br />
Algorithmus und Therapieplan bei akuter<br />
Varizenblutung). Die Gabe von Erytrocytenkonzentraten<br />
sollte bei Fehlen<br />
von kardialen Begleiterkrankungen ab<br />
einem Hämoglobingehalt < 7 g/dl erfolgen.<br />
Die Ösophagogastroduodenoskopie<br />
zur Sicherung der Diagnose und<br />
weiteren endoskopischen Behandlung<br />
sollte innerhalb der ersten 12 Stunden<br />
nach stationärer Aufnahme erfolgen.<br />
Bei starker Hämatemisis sollte vor der<br />
Endoskopie, die meist unter sedierenden<br />
Medikamenten durchgeführt wird,<br />
eine Schutzintubation und Beatmung<br />
zur Vermeidung einer Aspiration erfolgen.<br />
Endoskopisch gesichert wird die Verdachtsdiagnose<br />
bei Vorliegen einer aktiven<br />
Blutung aus Varizen oder dem Vorliegen<br />
eines weißen Fibrinklots auf<br />
einem Varizenstrang („white nipple“)<br />
(Abb. 2). Nach vorheriger Gabe von Ter-<br />
seite 40 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
lipressin steht die Blutung oft bereits<br />
zum Zeitpunkt der Endoskopie (80%),<br />
und die Größe der Varizen kann durch<br />
die starke vasokonstriktorische Wirkung<br />
dieser Substanz gelegentlich unterschätzt<br />
werden! Als endoskopische Therapie<br />
ist der Gummibandligatur aufgrund<br />
der geringeren Komplikationsrate und<br />
einfacheren Handhabung gegenüber der<br />
Sklerosierung der Vorzug zu geben. Die<br />
Gabe von Terlipression sollte über die<br />
nächsten zwei bis fünf Tage und die Antibiose<br />
über sieben Tage fortgesetzt werden,<br />
wobei diesbezüglich keine präzisen<br />
Empfehlungen der Fachschaften vorliegen.<br />
Die Gummibandligatur sollte bis<br />
zur Eradikation in zweiwöchigen Abständen<br />
durchgeführt werden, wobei<br />
dazu meist zwei bis vier Sitzungen nötig<br />
sind.<br />
Aufgrund einer Rezidivrate der Varizen<br />
bis zu 75% nach einem Jahr nach<br />
dem initialen Ereignis sollte unbedingt<br />
eine jährliche endoskopische Verlaufskontrolle<br />
durchgeführt werden und bei<br />
Rezidiv der Varizen neuerlich die Gummibandligatur<br />
zur Anwendung kommen.<br />
In bis zu 20% der Patienten kommt die<br />
initiale Blutung trotz vasokonstriktorischer<br />
und endoskopischer Therapie<br />
nicht zum Stillstand oder es kommt zur<br />
frühen Rezidivblutung. In diesem Fall<br />
hängt das weitere Management (z.B.<br />
transjugulärer intrahepatischer portosystemischer<br />
Shunt, chirurgischer Shunt,<br />
Ballontamponade, beschichteter Ösophagusstent)<br />
von der lokalen Expertise<br />
und Verfügbarkeit der Methoden ab.<br />
Sowohl TIPS als auch chirurgischer<br />
Shunt sind in der Blutungskontrolle<br />
sehr effektiv (95%) aber durch mögliche<br />
Verschlechterung der Leberfunktionsleistung<br />
und Enzephalopathie kompliziert<br />
(insbesondere bei Patienten mit<br />
Child`s-C-Zirrhose, Alter > 60 a und<br />
Serumbilirubin > 3 mg/dl).<br />
Eine Sondersituation besteht bei blutenden<br />
Magenvarizen, die nach ihrer<br />
Lokalisation (Abb. 3) in vier verschiedene<br />
Typen unterteilt werden. Das<br />
größte Blutungs- und Reblutungsrisko<br />
haben dabei Varizen, die zur großen<br />
Kurvatur führen oder isoliert im Magen<br />
vorliegen. Über die mögliche Wirksamkeit<br />
von Terlipressin zur Blutungskontrolle<br />
bei gastrischen Varizen liegen nur<br />
unzureichend Daten vor, die Substanz<br />
kommt aber aufgrund der positiven<br />
Erfahrungen bei Ösophagusvarizen<br />
regelmäßig zum Einsatz.<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
Aufgrund einer hohen Reblutungsfrequenz<br />
nach Banding bei Magenvarizenblutungen<br />
kann diese Methode nicht zur<br />
endoskopischen Therapie dieser Varizenformen<br />
empfohlen werden und es<br />
sollte der Injektion von Histoacryl hier<br />
der Vorzug gegeben werden. Bei unkontrollierbarer<br />
Blutung aus Magenvarizen<br />
kann auch hier wieder der TIPS erfolgreich<br />
eingesetzt werden.<br />
In seltenen Fällen kann eine portal<br />
hypertensive Gastropathie oder gastrische,<br />
antrale, vaskuläre Ektasien<br />
(GAVE, „Wassermelonenmagen“) als<br />
Ursache einer oberen GI-Blutung bei<br />
Zirrhotikern identifiziert werden (etwa<br />
3% der Blutungen bei Zirrhotikern).<br />
Neben der Gabe von nichtkardioselektiven<br />
Betablockern (Propranolol)<br />
gibt es hier anekdotische Berichte über<br />
erfolgreiche endoskopische Therapie<br />
mittels Banding oder Argonplasmakoagulation.<br />
Aufgrund der limitierten<br />
publizierten Evidenz kann hier keine<br />
allgemeine Empfehlung gegeben werden<br />
und das Vorgehen hängt wiederum<br />
nicht zuletzt von der Verfügbarkeit der<br />
Methoden und der lokalen Expertise ab.<br />
Endoskopische Bilder bei Varizenblutung<br />
LEBERZIRRHOSE<br />
Fortbildung<br />
Abbildung 2<br />
Endoskopische Bilder Varizenblutung. (A) Spritzende Varizenblutung, (B) Clot auf Varizenstrang<br />
(„white nipple“), (C) Sickerblutung bei Varizenblutung, (D) Zustand nach Gummibandligaturen bei<br />
akuter Varizenblutung.<br />
Aszites – spontan bakterielle<br />
Peritonitis – hepatorenales<br />
Syndrom<br />
Die Entwicklung von Aszites stellt ein<br />
Menetekel in der Krankengeschichte<br />
eines Patienten mit Leberzirrhose dar.<br />
Das mittlere Überleben nach Erstmanifestation<br />
von Aszites hat sich von zwei<br />
Jahren in den 80er-Jahren auf vier Jahre<br />
im neuen Jahrtausend verbessert, stellt<br />
aber immer noch die häufigste Todesursache<br />
aufgrund der assoziierten Probleme<br />
dar (Abb. 4: Allgemeine Therapierichtlinien<br />
bei Aszites). Bei 10% der<br />
Patienten liegt bei Einhaltung der diätetischen<br />
Kochsalzrestriktion und Ausschöpfung<br />
der diuretischen Therapie ein<br />
refraktärer Aszites vor.Vor Stellung dieser<br />
Diagnose sollte durch Bestimmung<br />
der Harnelektrolyte im Spontanharn<br />
zwei bis vier Stunden nach Einnahme<br />
der Diuretika die Differentialdiagnose<br />
gesichert, eventuelle Diätfehler ausgeschlossen<br />
und eine gegebenenfalls<br />
nötige Adaptation der Diuretikatherapie<br />
vorgenommen werden.<br />
Bei Patienten mit unzureichendem<br />
Therapieansprechen aber normaler<br />
seite 41
LEBERZIRRHOSE<br />
Fortbildung<br />
Lokalisation und Blutungsinzidenz bei Magenvarizen<br />
oder nur gering eingeschränkter Nierenfunktion<br />
liegen meist Diätfehler oder<br />
eine unzureichende Diuretikadosierung<br />
vor! Die Diuretika sollten aufgrund der<br />
besseren Bioverfügbarket bevorzugt zu<br />
den Mahlzeiten eingenommen werden.<br />
Bei unzureichendem Ansprechen sollte<br />
vor allem die morgendliche Furosemiddosis<br />
erhöht werden, da meist nicht die<br />
kritisch wirksame therapeutische Dosierung<br />
im Nierentubulus erreicht wurde.<br />
Durch dieses Vorgehen wird eine<br />
höhere Effektivität als durch die Aufteilung<br />
der Dosen über den Tag erreicht.<br />
Eine „Sonderform des Aszites“ stellt<br />
der hepatische Hydrothorax dar, wobei<br />
diese Patienten meist weniger ausgeprägten<br />
Aszites zeigen (geringerer<br />
Bauchumfang), da die Aszitesflüssigkeit<br />
durch präexistente Zwerchfelllücken in<br />
den Thorax (meist rechte Pleurahöhle)<br />
gelangt. Die Therapie des hepatischen<br />
Hydrothorax entspricht daher den Aszitesrichtlinien.<br />
Drainagen des Thorax<br />
sollten wenn möglich vermieden werden<br />
(hohes Infektions-, und Fistelrisiko!).<br />
Als Therapiealternative bei therapierefraktärem<br />
Aszites bzw. Hydrothorax<br />
steht auch hier der TIPS zur Verfügung,<br />
der das Überleben bei ausgewählten<br />
Patienten (Serumbilirubin < 3 mg/dl,<br />
Serumnatrium > 130 mmol/dl,Alter < 60<br />
Abbildung 3<br />
Lokalisation und Blutungsinzidenz bei Magenvarizen. Gastroösophageale Varizen (GOV), Intragastrale<br />
Varizen (IGV). Modifiziert nach Sarin SK, AASLD Postgraduiertenkurs 2009<br />
a) verbessern kann. Ansonsten stellt die<br />
Lebertransplantation die einzige Therapiealternative<br />
dar.<br />
Patienten mit niedrigem Aszitesproteingehalt<br />
(< 1,0 g/dl) neigen besonders<br />
stark zur SBP (absolute Neutrophilenzahl<br />
Therapiestrategie bei Aszites<br />
von > 250/mm 3 ). Diese Verdachtsdiagnose<br />
sollte bei jedem Patienten mit klinischer<br />
Verschlechterung (z.B. AZ-Minderung,<br />
Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus<br />
als Ausdruck der HE, sich verschlechternde<br />
Nierenfunktion, Fieber, Bauchschmerz)<br />
vermutet, diagnostiziert oder<br />
ausgeschlossen werden! In diesem Fall<br />
sollte unbedingt eine diagnostische Aszitespunktion<br />
durchgeführt werden. Als<br />
Schnelltest können Urinsticks zur Bestimmung<br />
der Leukozytenzahl im Aszites<br />
praktisch sein. Ein negativer „Schnelltest“<br />
schließt aber aufgrund der geringen<br />
Sensitivität im niedrigen Leukozytenbereich<br />
eine SBP nicht aus! Eine rezente<br />
Studie konnte eine hohe diagnostische<br />
Treffsicherheit durch die Bestimmung<br />
von Laktoferrin in der Aszitesflüssigkeit<br />
zeigen (Grenzwert 242 ng/ml, Sensitivität<br />
96%, Spezifität 97%). Die antibiotische<br />
Behandlung erfolgt bevorzugt mit<br />
Cephalosporinen höherer Generation<br />
(z.B. Ceftriaxon, Cefotaxim). Die überlebte<br />
SBP gilt als Indikation zur Lebertransplantation<br />
und diese Patienten sollten<br />
bis dahin eine Dauerprophylaxe<br />
mittels Norfloxacin erhalten.<br />
Bei erhöhten Nierenretentionsparametern<br />
bzw. einem akutem Nierenversagen<br />
im Rahmen einer Leberzirrhose ist<br />
an ein hepatorenales Syndrom (HRS) (<<br />
20% der akuten Nierenversagen bei<br />
Leberzirrhose) zu denken (Abb. 5: Diagnostische<br />
Kriterien und Therapie des<br />
hepatorenalen Syndroms), das differenti-<br />
Abbildung 4<br />
seite 42 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
aldiagnostisch von anderen Formen des<br />
prärenalen Nierenversagens abgegrenzt<br />
werden muss (z.B. Hypovolämie durch<br />
gastrointestinalen Blutverlust, überdosierte<br />
Diuretikatherapie, Infektionen,<br />
medikamentös-toxische Tubulopathie).<br />
Zentraler Bedeutung kommt dabei der<br />
Harnanalyse zu (HRS: Harn Na < 20<br />
mmol/l, Osmo > 500 mOsm/l; akute Tubulusnekrose:<br />
Harn Na > 40 mmol/l, Osmo<br />
< 350 mOsm/l) Das HRS ist als praerenales<br />
Nierenveragen zu verstehen, das nicht<br />
auf Volumengabe anspricht. Das Vorliegen<br />
eines meist therapeirefraktären Aszites<br />
ist bei Patienten mit HRS quasi obligat.<br />
HRS-Patienten leiden meist an einer<br />
fortgeschrittenen Zirrhose (medianer<br />
Child`s-Score 11,2, medianes Serum-Na<br />
127 mmol/l). Bei Fehlen dieser klinischen<br />
Zeichen ist das Vorliegen eines HRS sehr<br />
unwahrscheinlich.<br />
Therapeutisch sollten beim HRS vor<br />
allem Terlipressin oder Norepinephrin<br />
zum Einsatz kommen und möglichst<br />
frühzeitig eine Lebertransplantation in<br />
Erwägung gezogen werden. Während<br />
die Mortalität des HRS vor Einführung<br />
der Terlipressintherapie bei 78% lag,<br />
konnte diese dadurch auf 57% reduziert<br />
werden. Neben der Gabe von Vasokonstriktoren<br />
kommt der Albuminsubstitution<br />
eine große Bedeutung zu, wobei<br />
derzeit eine Tagesdosis von 20–40 g bis<br />
zum Erreichen einer Serumalbuminkonzentration<br />
> 4,5 mg/dl empfohlen<br />
wird.<br />
Hepatozelluläres Karzinom (HCC)<br />
Das HCC ist der zweithäufigste<br />
Tumor weltweit und führende Todesursache<br />
bei Patienten mit Leberzirrhose,<br />
wobei mit einer Verdoppelung der Inzidenz<br />
des HCC in der entwickelten<br />
(westlichen) Welt innerhalb der nächsten<br />
20 Jahre gerechnet werden muss (in<br />
erster Linie durch Zunahme der chronischen<br />
Hepatitis C und des metabolischen<br />
Syndroms). Die Bestimmung des<br />
Serum-Alphafetoproteinspiegels in<br />
Kombination mit Lebersonographie<br />
wird zur Surveillanceuntersuchung bei<br />
Leberzirrhose empfohlen, wobei die<br />
Ergebnisse bezüglich Senkung der Mortalität<br />
(mit Ausnahme von Patienten mit<br />
CHB) ernüchternd sind.<br />
Aufgrund höherer Sensitivität und<br />
Spezifität scheint die jährliche Durchführung<br />
einer MR-Untersuchung der Leber<br />
bei Hochrisikopatienten Erfolg versprechend<br />
und aufgrund der fehlenden Strah-<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
LEBERZIRRHOSE<br />
Fortbildung<br />
Abbildung 5<br />
Diagnostische Kriterien und Therapie des hepatorenalen Syndroms<br />
lenbelastung gegenüber einer Mehrphasencomputertomographie<br />
zu bevorzugen.<br />
Diagnostik und Therapieplanung<br />
sollten nach den EASL-Kriterien sowie<br />
der Barcelona-Stadieneinteilung und<br />
Therapieklassifizierung durchgeführt<br />
werden und verlangen einen interdisziplinären<br />
Zugang (Tumorboard bestehend<br />
aus Hepatologen, Radiologen, Pathologen,<br />
Leber- und Transplanationschirurgen).<br />
Lebertransplantation<br />
Die Lebertransplantation stellt für<br />
Patienten mit fortgeschrittener/dekompensierter<br />
Leberzirrhose weiterhin das<br />
einzige Therapieverfahren mit zufriedenstellenden<br />
Langzeitergebnissen dar.<br />
Die Indikation zur Lebertransplantation<br />
sollte, wann immer der Patient von der<br />
kompensierten in die dekompensierte<br />
Phase seiner Erkrankung übertritt, überlegt<br />
werden. In diesem Fall ist eine frühe<br />
Kontaktaufnahme mit einem spezialisierten<br />
Zentrum indiziert. Letztendlich<br />
kann die Entscheidung zur Lebertransplantation<br />
nur in einem indisziplinär<br />
interagierenden Team (bestehend aus<br />
Transplantationschirurgen, Transplantationsinternisten,<br />
Anästhesisten) unter<br />
Einbeziehung wichtiger psychosozialer<br />
Aspekte getroffen werden.<br />
Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose<br />
haben aufgrund der assoziierten<br />
Komplikationen eine schlechte Prognose<br />
und benötigen daher eine regelmäßige<br />
ärztliche Observanz und Betreuung<br />
die idealerweise in vielen Aspekten (z.B.<br />
Varizenblutung, SBP-Management) in<br />
standardisierter Form (SOP) durchgeführt<br />
werden sollte. Eine Verbesserung<br />
der Prognose kann nur über gesteigertes<br />
Bewusstsein der betreuenden Personen,<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit und<br />
verbesserte Interaktion zwischen stationären<br />
und ambulanten Gesundheitseinrichtungen<br />
erreicht werden. Aufgrund<br />
der steigenden Komplexität dieser Fragestellungen<br />
und Probleme sollten<br />
Management und Therapieentscheidungen<br />
bei HCC, LTX-Indikation und TIPS-<br />
Indikation in spezialisierten Zentren<br />
getroffen werden.<br />
Literatur bei den Verfassern<br />
Univ.-Doz. Dr. Peter Fickert,<br />
Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner<br />
Univ.-Klinik für Innere Medizin<br />
Klinische Abteilung für<br />
Gastroenterolgie und Hepatologie<br />
Auenbruggerplatz 15, A-8010 Graz<br />
peter.fickert@klinikum-graz.at<br />
seite 43
REISEMEDIZIN<br />
Fortbildung<br />
Reisemedizin <strong>2010</strong><br />
Dr. Eva Jeschko, Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch<br />
Jährlich reisen mehr als 100 Millionen<br />
Menschen aus industrialisierten Gegenden<br />
in Hochrisikogebiete der tropischen<br />
und subtropischen Welt, in denen die<br />
Gesundheitsrisiken größer sind. Die<br />
daraus resultierenden medizinischen<br />
Beeinträchtigungen können durchaus<br />
sehr schwerwiegend sein (Travel Medicine<br />
And Principles Of Safe Travel, Herbert<br />
L. Dupont, M.D. Transactions Of<br />
The American Clinical And Climatological<br />
Association, Vol. 119, 2008). Diese<br />
Zahlen unterstreichen die zunehmende<br />
Bedeutung der Reisemedizin, deren<br />
Aufgaben in einer individuellen Beratung<br />
des Reisenden zum Schutz vor<br />
unangenehmen, möglicherweise sogar<br />
Tabelle 1<br />
Kriterien zur Erstellung individueller<br />
Impf- und Prophylaxeempfehlungen<br />
Epidemiologie von Infektionskrankheiten<br />
im Zielland<br />
Reise- und Aufenthaltsbedingungen<br />
touristische Aufenthalte<br />
Individualreisen<br />
berufliche Tätigkeit<br />
VFR = visiting friends and relatives<br />
Aufenthaltsdauer<br />
Beurteilung individueller Risikosituationen<br />
Rad- und Motorradfahrer<br />
Extremsportler<br />
Entwicklungshelfer<br />
Baustellenarbeiter<br />
diplomatischer Dienst,…<br />
Kosten/Nutzen- und Nutzen/Risiko-Abwägung<br />
der vorgeschlagenen Maßnahmen<br />
Berücksichtigung individueller Gegebenheiten<br />
Alter<br />
Kontraindikationen<br />
Unverträglichkeiten, Allergien<br />
Grundkrankheiten<br />
Dauertherapien (Cave: Interaktionen)<br />
Gravidität,...<br />
Impfvorschriften<br />
bedrohlichen Gesundheitsstörungen im<br />
Zusammenhang mit der Reisetätigkeit<br />
zu sehen sind. Bei den Reisenden handelt<br />
es sich nicht um ein einheitliches<br />
Kollektiv, sondern es ist sehr wohl erforderlich,<br />
individuellen Gegebenheiten<br />
Rechnung zu tragen. Tabelle 1 soll wichtige<br />
Faktoren, die für die Erstellung<br />
individueller Impf- und Prophylaxeempfehlungen<br />
erforderlich sind,<br />
zusammenfassen:<br />
Impfungen stellen die wirksamsten<br />
und wichtigsten präventiven<br />
Maßnahmen dar, die<br />
in der Medizin zur Verfügung<br />
stehen. Durch moderne, ausgezeichnet<br />
verträgliche und<br />
immunogene Impfstoffe sind<br />
zahlreiche Infektionskrankheiten<br />
vermeidbar. Nur durch konsequente<br />
Durchimpfung konnte<br />
beispielsweise die Ausrottung<br />
der Pocken erzielt werden.<br />
Das Ziel der globalen Ausrottung<br />
der Polio ist noch nicht<br />
erreicht, allerdings sind weite<br />
Teile der Welt mittlerweile<br />
poliofrei. Als Polio-Risikogebiete<br />
zählen jedoch nach wie<br />
vor Teile Asiens und Afrikas<br />
(Abb. 1). Daraus ergibt sich<br />
auch die Begründung für die<br />
Änderung des österreichischen<br />
Impfplanes, der eine Fortführung<br />
der Auffrischung der<br />
Polioimpfung bei Erwachsenen<br />
nur mehr bei Reisen in gefährdete<br />
Gebiete empfiehlt.<br />
Die Maserneradikation<br />
(Masernerkrankungen weltweit<br />
siehe Abb. 2) ist nur durch<br />
Erreichen von Durchimpfungsraten von<br />
95% zu erzielen. Bisher haben jedoch<br />
nur 58% der Länder, in denen die<br />
Masernimpfung in nationale Impfprogramme<br />
implementiert ist, eine Durchimpfungsrate<br />
von ≥ 90% erreicht, die<br />
geschätze generelle Abdeckung mit der<br />
Masernimpfung liegt bei 83%. Auch in<br />
Österreich sind Anstrengungen erforderlich,<br />
um das Masernrisiko (vgl.<br />
Polio-Verbreitungskarte (WHO)<br />
Masernerkrankungen weltweit (WHO)<br />
Abbildung 1<br />
Abbildung 2<br />
seite 44 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
Masernausbruch 2008 in Salzburg mit<br />
mehr als 400 Erkrankungsfällen) anzustreben.<br />
Jeder Reisende sollte daher<br />
unbedingt entweder zwei Masernimpfungen<br />
nachweisbar erhalten haben oder<br />
durch ein serologische Testung zweifelsfrei<br />
seiner Immunität gewiss sein.<br />
Vorrangiges Ziel der reisemedizinischen<br />
Beratung ist der Schutz vor Infektionskrankheiten,<br />
die ein veritables<br />
Gesundheitsrisiko für den Reisenden<br />
darstellen können. An erster Stelle sind<br />
selbstverständlich die impfpräventablen<br />
Erkrankungen zu nennen.<br />
Bei der Erstellung der individuellen<br />
Impfpläne ist auf die Aktualisierung der<br />
im österreichischen Impfplan empfohlenen<br />
(download www.bmgfj.gv.at) und<br />
die Reiseziel spezifischen Impfungen zu<br />
achten. Bezüglich der Gelbfieberimpfung<br />
sind allfällige Impfvorschriften<br />
jedoch auch die Kontraindikationen zu<br />
beachten. Tabelle 2 soll einen Überblick<br />
über die generell empfohlenen Impfungen<br />
und die Reiseimpfungen geben.<br />
Da jedoch nicht für alle reisemedizinisch<br />
relevanten Erkrankungen Impfstoffe<br />
verfügbar sind, kommt neben den<br />
Immunisierungen der Erklärung spezieller<br />
Verhaltensmuster und der Verschreibung<br />
entsprechender Medikamente<br />
ein hoher Stellenwert zu.<br />
Beispiele für wichtige Verhaltensmuster<br />
sind in der nachstehenden Tabelle dargestellt<br />
(Tab. 3).<br />
Reisediarrhö<br />
Ist mit Abstand die häufigste reiseassoziierte<br />
Erkrankung. Reisediarrhö ist<br />
erfahrungsgemäß fast immer harmlos<br />
und selbstlimitierend. Üblicherweise<br />
wird sie definiert als das Absetzen von<br />
drei oder mehr flüssigen Stühlen innerhalb<br />
eines Tages. Oftmals kommen<br />
Bauchkrämpfe, Übelkeit oder Erbrechen<br />
hinzu. Zumeist treten die Symptome<br />
innerhalb der ersten beiden Reisewochen<br />
auf und halten für rund vier<br />
Tage an. Von andauernden Diarrhöen<br />
sind weniger als 1% der Reisenden betroffen.<br />
Die Inzidenz ist stark von der Reisedestination<br />
und den persönlichen Reiseumständen<br />
abhängig; durchschnittlich leiden<br />
bis zu 55% aller Reisenden an Durchfall.<br />
Weltweit spricht man von unterschiedlichen<br />
Risikozonen für Durchfallerkrankungen.<br />
Im Europa, Australien und den<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
Generell empfohlene Impfungen Reiseimpfungen<br />
(unter Berücksichtigung<br />
alterspezifischenr Gegebenheiten)<br />
Rotavirus (Hepatitis A/B)<br />
Diphtherie-Tetanus-Pertussis*-Polio Typhus<br />
HIB Gelbfieber<br />
Hepatitis B Japan-Encepahlitis<br />
Hepatitis A Meningokokken (A, C, W135, Y)<br />
MMR* Tollwut<br />
Varicellen Cholera<br />
Meningokokken (C)<br />
Pneumokokken<br />
Influenza*<br />
FSME<br />
HPV<br />
Herpes zoster<br />
USA herrscht ein geringes Infektionsrisiko.<br />
Südafrika, Chile, Argentinien und<br />
die nördlichen Teile Asiens werden mit<br />
einem mittleren Risiko für Infektionen<br />
mit Durchfallerregern eingestuft. Ein<br />
sehr hohes Risiko an Reisediarrhö zu<br />
erkranken besteht in großen Teilen Afrikas,<br />
Süd- und Mittelamerikas sowie in<br />
einigen Teilen Südostasiens.<br />
Schätzungsweise werden bis zu 90%<br />
aller Fälle von Reisediarrhö durch Bakterien<br />
verursacht, rund 5% können auf<br />
Parasiten zurückgeführt und nur zirka<br />
5% sind viralen Ursprungs.<br />
Durch sorgfältige Hygiene und vernünftige<br />
Ernährung („cook it, peel it, or<br />
forget it!“) können demnach zahlreiche<br />
Infektionen vermieden werden. In vielen<br />
Ländern sollte kein Leitungswasser<br />
getrunken werden. Lebensmittel wie<br />
REISEMEDIZIN<br />
Fortbildung<br />
Tabelle 2<br />
* Eine Verbesserung der Durchimpfungsraten bei Masern, Pertussis und Influenza ist in Österreich<br />
dringend anzustreben.<br />
rohes Fleisch, Fisch und Eier, Eiscremes,<br />
Saucen und Salate sind der ideale Nährboden<br />
für Durchfallerreger. Die größte<br />
Rolle in der Pathogenese der Reisediarrhö<br />
spielen humanpathogene Eschericia<br />
coli, wobei hier die bedeutendsten Pathovare<br />
Enterotoxigene E. coli (ETEC) und<br />
Enteroaggregative E. coli (EAEC) sind.<br />
Weitere wichtige Durchfallserrreger sind<br />
Campylobacter, Acromobacter, Salmonellen,<br />
Shigellen und Bacteroides.<br />
Da die überwiegende Zahl (über<br />
90%) der Reisediarrhöen ausgeprägt<br />
wässrig und nicht fieberhaft ist, kommt<br />
symptomatischen Behandlungsmethoden<br />
(Rehydrierung) die größte Bedeutung<br />
zu, wobei insbesondere der angepasste<br />
Umgang mit Peristaltikhemmer<br />
aber eindrücklich angemahnt werden<br />
sollte. Nur in wenigen, durch fieberhafte<br />
Verläufe als möglicherweise invasiv<br />
Tabelle 3<br />
Expositionsprophylaxe<br />
• Tragen entsprechender Bekleidung • Minimierung des Infektionsrisikos von durch Stech-<br />
• Verwendung von Repellentien mücken übertragenen Erkrankungen<br />
• Imprägnierung der Bekleidung • Dengue<br />
• Chikungunya<br />
• Tragen entsprechender Bekleidung Malaria (plus medikamentöse Maßnahmen)<br />
• Verwendung von Repellentien<br />
• Imprägnierung der Bekleidung<br />
• Aufenthalt in klimatisierten Räumen<br />
• Verwendung von imprägnierten<br />
Moskitonetzen<br />
Lebensmittelhygiene<br />
Vermeidung von Minimierung des Reisedurchfallsrisikos,<br />
• Leitungswasser einer der häufigsten reiseassoziierten<br />
• Eis, Eswürfeln Gesundheitsstörungen<br />
• Salaten<br />
• ungekochten Fleisch-, Fischund<br />
Gemüseprodukten<br />
seite 45
REISEMEDIZIN<br />
Fortbildung<br />
Tabelle 4<br />
Definitionen Erforderliche Patienteninformation<br />
Notfallselbstmedikation<br />
Notfall Symptomatik einer Malariaerkrankung<br />
Vermutung einer schweren, eventuell Fieber (jedoch kein bestimmter Fiebertyp),<br />
lebensgefährlichen Krankheit, die frühzeitiges unspezifische Symptome wie allgemeines<br />
Handeln erfordert Krankheitsgefühl, Übelkeit, evtl. Erbrechen,<br />
Kopf- und Gliederschmerzen, Durchfälle<br />
Selbst Gefahr eines verzögerten<br />
eigenständige Durchführung der therapeutischen Handelns<br />
erforderlichen Erstmaßnahmen durch<br />
den medizinischen Laien OHNE definitive<br />
Diagnose zur Verhinderung komplizierter<br />
oder lebensbedrohender Verläufe,<br />
wenn die Inanspruchnahme professioneller Hilfe<br />
nur mit größerer zeitlicher Verzögerung<br />
(Plasmodium-falciparum-Infektionen ≥ 48 Stunden!)<br />
anzunehmen ist.<br />
Medikation Dosierung des Notfallmedikamentes<br />
Einnahme von Medikamenten zum richtigen genauen Einnahmemodalitäten des<br />
Zeitpunkt, in der richtigen Dosierung, unter Notfallmedikamentes (z. B. mit fettreicher<br />
den richtigen Bedingungen und unter Nahrung)<br />
Berücksichtigung möglicher Nebenwirkungen Allfällige Nebenwirkungen<br />
Notwendigkeit auch nach erfolgter Selbstmedikation<br />
unbedingt ehebaldigst ärztliche<br />
Hilfe in Anspruch zu nehmen<br />
gekennzeichneten Fällen von akuten<br />
Diarrhoen sollte der Einsatz eines Breitspektrumanitbiotikum<br />
erwogen werden,<br />
hier in Abhängigkeit von der lokalen<br />
Resistenzlage am ehesten Ciprofloxacin,<br />
Azithomycin oder – als neueres Konzept<br />
– Rifaximin, ein nicht resorbierbarer<br />
Abkömmling des Rifampicin.Aktivkohle<br />
und Probiotika sind im Einsatz bei Reisediarrhö<br />
kaum bzw. nicht wirksam.<br />
Malaria<br />
Da Malaria zu den wichtigsten reiseassoziierten<br />
Infektionskrankheiten zählt,<br />
ist Priorität auf die Malariaberatung zu<br />
legen. Neben der bereits angesprochenen<br />
Expositionsprophylaxe sind auch<br />
medikamentöse Maßnahmen (permanente<br />
Prophylaxe oder Notfallselbstmedikation)<br />
erforderlich. Die genaue Wahl<br />
der Vorgangsweise ist von der regionalen<br />
Malariaepidemiologie und auch individuellen<br />
Gegebenheiten abhängig.<br />
Eine permanente Malariaprophylaxe<br />
(regelmäßige Einnahme eines blutschizontociden<br />
Medikamentes über einen<br />
medikamentenspezifischen Zeitraum vor,<br />
während und nach der Reise) ist in Regionen<br />
mit hohem Malariarisiko und überwiegendem<br />
Vorkommen von Plasmodium<br />
falciparum als Erreger der potentiell<br />
akut lebensbedrohlichen Malaria tropica<br />
indiziert, was für das tropische Afrika,<br />
Teile Südamerikas (regional Amazonien)<br />
und Südostasiens zu trifft. Die<br />
Wahl des Medikamentes ist von der<br />
Resistenzsituation von Pl. falciparum<br />
abhängig. Als Malariaprophylaktika stehen<br />
Mefloquin (Lariam ® ), Atovaquon-<br />
Proguanil (Malarone ® ) oder Doxycyclin<br />
(Vibramycin ® ) zur Verfügung.<br />
Als weitere Option ist die Notfallselbstmedikation<br />
(Stand-by-Medikation)<br />
anzusehen, die jedoch nur in Regionen<br />
mit niedrigem, z.T. regional und/oder saisonal<br />
unterschiedlichem Malariarisiko<br />
und Pf. falciparum als nicht dominierender<br />
Spezies zum Einsatz kommt.<br />
Unter Notfallselbstmedikation versteht<br />
man die therapeutische Einnahme<br />
eines Malariamedikamentes durch den<br />
Patienten bei Auftreten einer malariaverdächtigen<br />
Symptomatik und fehlender<br />
Möglichkeit einer sofortigen Diagnosestellung.<br />
Eine genaue Definition<br />
und Information des Reisenden<br />
(Tab. 4) über die Vorgangsweise<br />
ist eine unabdingbare Voraussetzung<br />
dafür, wird doch die<br />
Verantwortung in die Hand des<br />
Laien übergeben. Als Notfallmedikamente<br />
stehen Chloroquin<br />
(Resochin ® , wegen Resistenzsituation<br />
sehr limitierter<br />
Einsatz), Atovaquon/Proguanil<br />
(Malarone ® ) und mittlerweile<br />
auch Artemether/Lumefantrin<br />
(Riamet ® ), das in der Folge kurz<br />
charakterisiert werden soll, zur<br />
Verfügung.<br />
Bei Riamet ® handelt sich um eine<br />
fixe, synergistisch wirkende Kombination<br />
aus Artemether (wirksamer Metabolit:<br />
Dihydroartemisinin) und Lumefantrin.<br />
Das Präparat ist seit Jahren<br />
weltweit als Therapeutikum im Einsatz<br />
und wird auch in Deutschland und der<br />
Schweiz zur Notfallselbstmedikation<br />
empfohlen. Es entspricht auch den<br />
WHO-Empfehlungen der Artemisinin-<br />
Kombinationstherapie (ACT).<br />
Die Wirksamkeit (rasche Abfieberung<br />
und Parasitenclearance, Heilungsraten<br />
Tag 28 bis 98%) und Verträglichkeit des<br />
Sechs-Dosen-Schemas (Dosierung gewichtsabhängig<br />
Stunde 0–8–24–36–48–<br />
60) ist durch zahlreiche Studien in der<br />
Therapie der unkomplizierten Malaria<br />
tropica untersucht, zuletzt auch bei<br />
nichtimmunen Reisenden (Hatz C,Am.J<br />
Trop Med Hyg 2008). Das Medikament<br />
zeichnet sich durch ein gutes Nebenwirkungsprofil<br />
und durch fehlende Kardiotoxizität<br />
aus. Auch der Einsatz bei Kindern<br />
ist ausreichend dokumentiert. Da<br />
die Metabolisierung über das Cytochromsystem<br />
läuft, ist auf Arzneimittelinteraktionen<br />
zu achten. Bekannte Interaktionen<br />
betreffen Medikamente, die<br />
ebenfalls über CYP2D6 metabolisiert<br />
werden wie z.B. Flecainid, Metoprolol,<br />
Imipramin, Amitriptylin, Clomipramin<br />
sind zu beachten. Eine gleichzeitige<br />
Gabe mit Medikamenten, die das QTc-<br />
Intervall verlängern (Antiarrhythmika,<br />
Neuroleptika, Antidepressiva, Makrolide,<br />
Fluorochinolone etc.), ist nicht<br />
erlaubt. Artemether/Lumefantrin ist<br />
ausschließlich als Therapeutikum indiziert,<br />
eine prophylaktische Einnahme ist<br />
nicht möglich.<br />
Seit ca. einem Jahr ist ein neuer, EUregistrierter<br />
Japan-Encephalitis-Impfstoff<br />
(Ixiaro ® ) verfügbar, sodass es sinnvoll ist,<br />
einige Aspekte der Japan-Encephalitis zu<br />
Abbildung 3<br />
Japan-Encephalitis-Verbreitungskarte WHO-ITH <strong>2010</strong><br />
seite 46 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
eleuchten und den Impfstoff kurz zu<br />
charakterisieren.<br />
Bei der Japan-Encephalitis (Verbreitungskarte<br />
Abb. 3) handelt es sich um<br />
eine durch Stechmücken der Gattung<br />
Culex übertragene Flavi-Virusinfektion.<br />
Sie stellt die führende Ursache der viralen<br />
Encephalitis in Asien und im Westpazifik<br />
dar.<br />
Beim Japan-Encephalitis-Virus (JEV)<br />
unterscheidet man mindestens vier<br />
Genotypen, wobei Genotyp III am weitesten<br />
verbreitet ist. Virusreservoir sind<br />
wild lebende Wasservögel, Schweine<br />
stellen den amplyfing host dar. Der<br />
Mensch ist das „tote Ende“ im Transmissionszyklus.<br />
Die Übertragung erfolgt überwiegend<br />
im ländlichen Raum mit Reisanbau, eine<br />
periurbane Übertragung ist jedoch möglich.<br />
In gemäßigten Zonen ist die Übertragung<br />
saisonal, in subtropisch/tropischen<br />
Regionen abhängig von der Monsunzeit,<br />
regional auch ganzjährig.<br />
Jährlich werden ca. 40.000 Fälle<br />
gemeldet, die Dunkelziffer ist jedoch<br />
hoch. Die Japan-Encephalitis birgt ein<br />
Potential für epidemische Ausbrüche,<br />
wie beispielsweise jährlich in Indien.<br />
Die Seroprävalenz bei Schulkindern<br />
beträgt bis über 20%. 1/25 bis 1/250 der<br />
Infizierten erkranken manifest. Symptomatische<br />
Erkrankungen sind im höheren<br />
Alter häufiger und verlaufen schwerer.<br />
Rund ein Drittel der klinischen<br />
Erkrankungen ist letal, bei einem Drittel<br />
bleiben permanente neurologische<br />
Folgeschäden, bei einem weiteren Drittel<br />
kommt es zur völligen Heilung.<br />
Das klinische Erscheinungsbild entspricht<br />
einer viralen Meninogoencephalitis<br />
oder Meningoencephalomyelitis, ist<br />
also unserer FSME vergleichbar. Eine<br />
kausale Therapie ist nicht verfügbar, die<br />
Behandlung ausschließlich symptomatisch.<br />
Bei dem nunmehr EU-registrierten<br />
Japan-Encephalitis-Impfstoff (Ixiaro)<br />
handelt es sich um einen adjuvierten<br />
Totimpfstoff mit verozellgezüchtetem<br />
SA14-14-2-Impfvirus. Tab. 5 bringt eine<br />
Gegenüberstellung des bisher verwendeten<br />
Impfstoffes (JE-VAX) mit Ixiaro.<br />
In verschiedenen Studien wurde die<br />
Verträglichkeit und Immunogenität des<br />
neuen Impfstoffes im Vergleich mit Je-<br />
Vax evaluiert. Nach zwei Impfungen<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
konnten bei bis zu 98% der Probanden<br />
schützende Antikörper (PRNT = Plaquereduktions-NeutralisationstestAntikörpertiter<br />
≥ 1:10) nachgewiesen werden,<br />
die Seroprotektion nach zwölf<br />
Monaten liegt bei 83%. Mittlerweile<br />
sind auch Langzeitdaten publiziert, die<br />
dokumentieren, dass bei weiter bestehendem<br />
Expositionsrisikos eine Auffrischungsimpfung<br />
nach 12–24 Monaten<br />
erfolgen sollte. Das lokale Verträglichkeitsprofil<br />
von Ixiaro war gegenüber<br />
dem von Je-Vax signifikant überlegen.<br />
Auch das Risiko systemischer Nebenwirkungen<br />
ist gering.<br />
Derzeit besteht keine Freigabe für<br />
Kinder und Jugendliche bis zum 18.<br />
Lebensjahr, entsprechende Studien laufen<br />
jedoch. Zusätzlich sind auch Studien<br />
zum Einsatz des Impfstoffes im höheren<br />
Lebensalter (60+) geplant. Der Impfstoff<br />
ist für den Einsatz in der Schwangerschaft<br />
nicht freigegeben.<br />
Daten zur Boosterfähigkeit einer<br />
Grundimmunisierung mit Je-Vax mit<br />
dem neuen Impfstoff sind nicht verfügbar.<br />
Die Impfindikation für die Japan-<br />
Encephalitis ist immer unter Berücksichtigung<br />
der genauen Reiseumstände<br />
und Risikosituationen zu treffen. Eine<br />
exakte individuelle Risikobeurteilung<br />
ist schwer möglich, zumal bei der Japan-<br />
Encephalitis regionale und saisonale<br />
Schwankungen bestehen. Es handelt<br />
sich prinzipiell um eine Erkrankung, die<br />
aufgrund der Verbreitung im asiatischen<br />
Raum ein hohes potentielles Risiko hat,<br />
das aktuelle Risiko ist jedoch klein.<br />
Erkrankungen bei Reisenden sind selten<br />
(Inzidenz 1/1,000.000, Risikovarianz<br />
zwischen 1/5.000 bis 1/20.000 in Reisfeldanbaugebieten).<br />
Zu berücksichtigen<br />
sind jedoch der schwere Erkrankungsverlauf<br />
und die fehlende kausale Therapie.<br />
Vergleich JE-Impfstoffe (beides Totimpfstoffe)<br />
Je-Vax ® Ixiaro ®<br />
Virussaat virulent attenuiert<br />
(Beijing, Nakajama) (SA14–14–2)<br />
Viruswachstum Maushirn Verozellen<br />
Stabilisator Schweinegelatine keiner<br />
Adjuvans keines Aluminiumhydroxid<br />
Konservierung Thiomersal kein<br />
Formulierung lyophilisiert flüssig<br />
Abgabe Fläschchen Fertigspritze<br />
Impfschema Drei Dosen: 0–7–28 Zwei Dosen: 0–28<br />
REISEMEDIZIN<br />
Fortbildung<br />
Ein aktueller Tollwutausbruch auf der<br />
Urlauberinsel Bali, der seit Beginn des<br />
Ausbruches im Jahr 2008 bereits 47<br />
Menschenleben gefordert hat, macht<br />
deutlich, dass auch eine exakte Beratung<br />
zur Tollwutproblematik unerlässlich<br />
ist.<br />
Tollwut<br />
Tabelle 5<br />
Tollwut (Verbreitung Abb. 4) stellt ein<br />
– annähernd – weltweites Problem dar.<br />
Jährlich sterben mindestens 55.000<br />
Menschen an Tollwut. Sind im europäischen<br />
Raum Füchse die klassischen<br />
Überträger, zählen im asiatischen, aber<br />
auch im afrikanischen Raum Hunde die<br />
Hauptüberträger dar. Der Tod einer 34jährigen<br />
holländischen Touristin, die in<br />
Kenia von einer herumfliegenden Fledermaus<br />
im Gesicht gekratzt wurde, an<br />
Tollwut (Tollwutvirus Duvenhage)<br />
unterstreicht die Problematik der Fledermaustollwut,<br />
einer sicher unterschätzten<br />
Erkrankung.<br />
Bei Tollwut (Rhabdovirus) handelt es<br />
sich um eine absolut unbehandelbare,<br />
tödliche verlaufende Erkrankung. Nach<br />
initialer Virusvermehrung an der Eintrittsstelle<br />
wird das Virus in die nichtmyelinisierten<br />
Nervenzellen aufgenommen<br />
und verbreitet sich dann zentripetal<br />
ins ZNS, um dann die klinische Symptomatik<br />
(Schlundkrämpfe, Schluckunfähigkeit,<br />
Hydrophobie, Aerophobie,<br />
Rastlosigkeit, Halluzinationen, Desorientiertheit,<br />
Koma,Tod nach ein b is zwei<br />
Wochen) auszulösen.<br />
Bei der Tollwutimpfung stehen zwei<br />
unterschiedliche Vorgangsweisen zur<br />
Verfügung: die präexpositionelle Impfung<br />
und die postexpositionelle Tollwutprophylaxe<br />
(PEP).<br />
Bei der präexpositionellen Tollwutimpfung<br />
erfolgen primär drei Impfungen<br />
(Tag 0–7–28 [21]). Für einen Lang-<br />
seite 47
REISEMEDIZIN<br />
Fortbildung<br />
zeitschutz ist eine weitere Impfung bei<br />
fortgesetztem Expositionsrisiko nach<br />
12–24 Monaten empfehlenswert. Auch<br />
nach präexpositioneller Impfung sollte<br />
im Kontaktfall aufgefrischt werden, die<br />
Hyperimmunglobulingabe ist jedoch<br />
nicht erforderlich.<br />
Die postexpositionelle Tollwutprophylaxe<br />
ist im Falle eines Tierkontaktes<br />
– abgesehen von einer adäquaten<br />
Wunddesinfektion und Tetanusprophylaxe<br />
– eine unbedingt erforderliche<br />
Maßnahme. Es handelt sich um eine<br />
aktiv/passive Immunisierung (Analogie<br />
zu Tetanus):<br />
• Gabe von humanem Tollwuthyperimmunglobulin<br />
(20 IE/kg KG, zur<br />
Tollwutverbreitungskarte WHO ITH <strong>2010</strong><br />
Hälfte um die Wunde, zur Hälfte<br />
intramuskulär);<br />
• gleichzeitiger Beginn der aktiven<br />
Immunisierung (Vodopija-Schema:<br />
Tag 0–7–21 mit zwei Dosen am Tag 0,<br />
Essen-Schema: 0–3–7–14–28).<br />
Eine exakte individuelle Risikobeurteilung,<br />
im Zuge einer Reise einen<br />
unliebsamen Tierkontakt zu erleben, der<br />
eine sofortige postexpositionelle Tollwutprophylaxe<br />
erforderlich macht, ist nicht<br />
möglich. Somit ist die Impfindikation<br />
immer in einem persönlichen Beratungsgespräch,<br />
vor allem unter Berücksichtigung<br />
spezieller Risikosituationen (pet<br />
addicts, Kinder, Outdoor-Aktivitäten,<br />
Rad- oder Motorradfahren, Entwicklungshilfeeinsätze<br />
etc.) zu stellen. Die<br />
Abbildung 4<br />
Verfügbarkeit einer<br />
vernünftigen PEP<br />
vor Ort kann nie<br />
sicher gestellt sein.<br />
Moderne Tollwutimpfstoffe<br />
sind<br />
ausgezeichnet verträglich<br />
und wirksam,<br />
leider jedoch<br />
teuer. Ängste<br />
bezüglich unerwünschterNebenwirkungen,<br />
wie sie<br />
von den vor Jahrzehntenverwende-<br />
ten Impfstoffen beschrieben sind, sind<br />
bei den im Handel befindlichen Tollwutimpfstoffen<br />
unbegründet.<br />
Die Verfügbarkeit neuer Impfstoffe<br />
und Medikamente, die Dynamik von<br />
Infektionskrankheiten sowie aktuelle epidemiologische<br />
Gegebenheiten machen<br />
regelmäßige Updates reisemedizinischer<br />
Empfehlungen erforderlich. Die wichtigsten<br />
Aktualitäten sind immer auf den einschlägigen<br />
webpages (z. B. www.who.int<br />
oder www.cdc.gov ) abrufbar.<br />
Dr. Eva Jeschko<br />
Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch<br />
Institut für Spez. Prophylaxe und<br />
Tropenmedizin am Zentrum für<br />
Pathophysiologie, Infektiologie und<br />
Immunologie der Med Uni Wien<br />
Kinderspitalgasse 15, A-1090 Wien<br />
eva.jeschko@meduniwien.ac.at<br />
herwig.kollaritsch@meduniwien.ac.at<br />
Gruppenpraxis der FÄ f. spez.<br />
Prophylaxe und Tropenmedizin OEG<br />
em. o. Univ.-Prof. Dr. G. Wiedermann,<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. H. Kollaritsch,<br />
Univ.-Prof. Dr. U. Wiedermann-Schmidt<br />
Zimmermanngasse 1A, A-1090 Wien<br />
eva.jeschko@reisemed.at<br />
herwig.kollaritsch@reisemed.at<br />
seite 48 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>
Innergemeinschaftliche Lieferungen<br />
Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen<br />
Union sind sämtliche Zollgrenzen<br />
gegenüber den anderen Mitgliedstaaten<br />
weggefallen. Hat eine Ware den<br />
zollrechtlichen Status einer Gemeinschaftsware,<br />
kann sie ohne zollrechtliche<br />
Beschränkungen innerhalb der Gemeinschaft<br />
zirkulieren. Gemeinschaftswaren<br />
sind Waren, die in der Gemeinschaft<br />
vollständig gewonnen, hergestellt oder in<br />
die Gemeinschaft eingeführt und in den<br />
zollrechtlich freien Verkehr überführt<br />
wurden.<br />
Steuerfrei Verrechnung<br />
zwischen Unternehmen<br />
Ein innergemeinschaftlicher Erwerb<br />
liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen<br />
erfüllt sind:<br />
• Die Ware gelangt von einem Mitgliedstaat<br />
in einen anderen.<br />
• Der Erwerber ist entweder ein Unternehmer,<br />
der den Gegenstand für sein<br />
Unternehmen erwirbt oder eine juristische<br />
Person.<br />
• Der Lieferant ist ebenfalls Unternehmer.<br />
Er liefert gegen Entgelt im<br />
Rahmen seines Unternehmens. Der<br />
Unternehmer darf jedoch kein Kleinunternehmer<br />
sein, da diese umsatzsteuerbefreit<br />
sind.<br />
Der Erwerber kann die Erwerbsteuer<br />
als Vorsteuer abziehen, wenn er den<br />
Gegenstand für sein Unternehmen<br />
erworben hat und die übrigen Voraussetzungen<br />
für den Vorsteuerabzug gegeben<br />
sind. Eine Rechnung ist für den Vorsteuerabzug<br />
nicht erforderlich. Das<br />
Recht zum Vorsteuerabzug ist bereits in<br />
dem Zeitpunkt gegeben, in dem die<br />
Erwerbsteuerschuld entsteht. Der<br />
Unternehmer kann somit den Vorsteuerabzug<br />
in derselben Umsatzsteuervoranmeldung<br />
geltend machen, in der er<br />
den innergemeinschaftlichen Erwerb<br />
besteuert.<br />
Kein innergemeinschaftlicher Erwerb<br />
liegt vor, wenn der Erwerb durch so<br />
genannte „Schwellenwerber“ erfolgt.<br />
Zu diesen „Schwellenwerbern“ zählen:<br />
• Unternehmer, die nur steuerfreie<br />
Umsätze ausführen, die zum Ausschluss<br />
vom Vorsteuerabzug führen<br />
(z.B. Ärzte, Kleinunternehmer, Banken).<br />
• pauschalierte Landwirte;<br />
5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />
• juristische Personen, die Nichtunternehmer<br />
sind oder die den Gegenstand<br />
nicht für ihr Unternehmen erwerben<br />
(z.B. Vereine, Gemeinden, Kammern).<br />
Für diese Gruppe wurden Grenzwerte<br />
eingeführt. Erst wenn der Gesamtbetrag<br />
der Entgelte für Erwerbe die sie aus dem<br />
übrigen Gemeinschaftsgebiet im Kalenderjahr<br />
eingenommen haben, diese<br />
Grenzwerte überschreiten, gilt der<br />
Erwerb als innergemeinschaftlich.<br />
Nachweispflichten<br />
Des Weiteren sei hier noch erwähnt,<br />
dass wegen der in letzter Zeit gehäuft<br />
vorkommenden Umsatzsteuerbetrügereien<br />
das Finanzministerium die Nachweispflichten<br />
verschärft hat. Bei sogenannten<br />
„Abholfällen“ ist künftig eine<br />
Vollmacht erforderlich. Innergemeinschaftliche<br />
Lieferungen sind wie oben<br />
schon erwähnt umsatzsteuerfrei, wenn<br />
zwei Voraussetzungen erfüllt sind:<br />
Der Abnehmer ist ein Unternehmer<br />
aus einem anderen Mitgliedsstaat der<br />
EU und die Ware wird im Zuge der Lieferung<br />
von Österreich in den anderen<br />
EU-Mitgliedsstaat befördert oder versendet.<br />
Beide Voraussetzungen muss der<br />
Lieferant nun nachweisen können.<br />
Die verschärften Nachweispflichten<br />
gelten bei Abholfällen. Abholfälle sind<br />
solche, bei denen der Kunde selbst oder<br />
ein von ihm beauftragter unselbständiger<br />
Erfüllungsgehilfe (z.B. Familienangehöriger)<br />
die Ware abholt.<br />
Tipp<br />
Wird die Ware mit Bahn oder Post,<br />
mit einer Spedition, einem Frachtführer<br />
oder einem Paketdienst ins EU-<br />
Ausland befördert gilt diese Verschärfung<br />
nicht. Die entsprechenden<br />
Aufgabescheine sind jedoch als buchmäßiger<br />
Nachweis aufzubewahren.<br />
Als Ausfuhrnachweis bei Abholfällen<br />
gilt die Erklärung des Abholenden, die<br />
Ware in ein anderes EU-Land zu befördern.<br />
Diese Erklärung muss vom Abholenden<br />
unterschrieben sein, außerdem<br />
muss der Lieferant die Identität des<br />
Abholenden nachweisen (z.B. durch<br />
DOKTOR PRIVAT<br />
MMag. Dieter Hafner<br />
Kopie eines Führerscheines). Schickt<br />
der Abnehmer einen Mitarbeiter oder<br />
einen sonstigen unselbständigen Erfüllungsgehilfen,<br />
muss nun auch durch<br />
geeignete Unterlagen nachgewiesen<br />
werden, dass diese Person berechtigt ist,<br />
die Ware für den Abnehmer abzuholen.<br />
Dies kann etwa durch eine Spezialvollmacht<br />
erfolgen.<br />
Ist der Abnehmer eine Gesellschaft,<br />
genügt in der Regel ein Firmenbuchauszug,<br />
aus dem sich ergibt, dass die abholende<br />
Person zur Vertretung der Gesellschaft<br />
befugt ist.<br />
Die Abholbefugnis muss spätestens<br />
nachweislich bei Aushändigung der<br />
Ware vorliegen. Werden die Nachweispflichten<br />
nicht vollständig erfüllt, riskiert<br />
man Steuernachzahlungen.<br />
Für nähere Auskünfte stehe ich Ihnen<br />
gerne zur Verfügung.<br />
MMag. Dieter Hafner, Steuerberater<br />
Am Leonhardbach 10b, A-8010 Graz<br />
Telefon: 0316/32 51 37-0, Fax: 32 51 70<br />
hafner@dh-treuhand.at<br />
seite 49
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Fachkurzinformation siehe Seite 48