13.07.2015 Aufrufe

Skriptum - AWA

Skriptum - AWA

Skriptum - AWA

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

WBand 7 / Heft 4www.springer.at/wmw-skriptumISSN Print 0043-5341ISSN Electronic 1563-258XP. b. b. Verlagspostamt 1201 Wien03Z03523504/10skriptumKongressjournalwmw Wiener Medizinische Wochenschrift9. bis 10. April 2010, Wien12. Jahrestagungder Österreichischen gesellschaftfür Wundbehandlung<strong>AWA</strong> – Austrian Wound AssociationWissenschaftliche Leitung: Prim. Univ.-Doz. Dr. robert müllegger


inhalt04/10inhaltbrief des herausgebers4 editorialR. Müllegger, Wiener Neustadtbeiträge6 Autologes thrombozytenreiches Fibrin kombiniert mitvagaler StimulationT. Payrits, I. Viragos, A. Ernst und F. Längle, Wiener Neustadt12. Jahrestagung derÖsterreischischengesellschaft fürWundbehandlung(<strong>AWA</strong>)9.–10. April 2010, Wien8 Der Schmerz als (ein) Kardinalsymptom der chronischenWundeR. Strohal, Feldkirch11 infektionsmanagementF. Thalhammer, Wien13 Physikalische therapiemodalitätenS. Läuchli, Zürich15 Artificial woundsF. Breier, R. Feldmann und A. Steiner, Wien16 Kompressionstherapie beim venösen UlkusA. Ladwig, F. Haase, H. Haase, H. Riebe und M. Jünger, Greifswald18 medizinischer HonigB. Binder, Graz21 WundspülungW. Sellmer, Norderstedt21 Wunden autoimmunologischer geneseJ. Dissemond, Essen23 Wunden infektiöser geneseM. Glatz, K. Semmelweis und R. R. Müllegger, Zürich – Wiener Neustadt26 Pharma News17 Impressumwmw skriptum © Springer-Verlag4/2010 3


ief des herausgeberster betreut. Regelmäßiger elektronischer Bild- und Informationsaustausch mit konsekutiver Therapieadaptationsind mit allseits hoher Akzeptanz und einem signifikanten Rückgang der Visiten beim Hausarztverbunden. Neben all diesen Themen werden schließlich noch Wunden in einer speziellen Körperregion,dem Genitale, präsentiert. Sehr häufig sind hier „Sexually transmitted infections“ wie Syphilis oder Herpesgenitalis. Andere Möglichkeiten umfassen das in seiner Ätiologie bislang ungeklärte Ulcus vulvae acutum,Morbus Behcet, Lymphom oder Histiozytose. In einer erstmals bei einer <strong>AWA</strong>-Jahrestagung abgehaltenenDiaklinik werden diagnostisch oder therapeutisch ungewöhnliche Fallbeispiele von diversen österreichischerKliniken vorgestellt. Die acht Präsentationen umfassen u. a. eine pustulöse erosive Dermatose desSkalps, Pyoderma gangränosum und die Anwendung von Hyaluronsäure-Iod. Solche Fallpräsentationenwecken erfahrungsgemäß großes Interesse und haben einen hohen Erinnerungswert.In der Sitzung „Praxisorientierte Kurzmitteilungen“ werden etliche neue Behandlungsformen von Wundendemonstriert. Die Therapie mit autologem thrombozytenreichen Fibrin beruht auf dem Aufbringen vonmaschinell angereicherten autologen Thrombozyten auf gut konditionierte Wunden, die dort Wachstumsfaktorenwie PDGF und TGF-β freisetzen, was zur beschleunigten Wundheilung beiträgt. Erste Studienliegen hierzu vor. Bei der ultraschallassistierten Wundbehandlung werden mittels Sonotroden 25 kHz Wellenappliziert, die selektiv nekrotisches Gewebe abtragen, Biofilme auflösen und Bakterien abtöten. Postuliertwird auch eine Anregung von Fibroblasten und Mikrozirkulation. Zu wenig Beachtung findet oft derSchutz des Wundrandes. Nur von einem intakten Wundrand aus ist die Wundheilung möglich, daher ist dieProtektion vor Mazeration, Austrocknung, Irritation und Infektion sehr wichtig. Korrekterweise werden zunehmendweiche Zinkcremen, harnstoffhaltige Cremen und ein Acrylat-Terpolymer Barrierefilm eingesetzt.Im Vortrag über Wundspülung wird auch der kontroversiell diskutierte Einsatz von Leitungswasser behandelt.Durch die Verwendung von Bakterienfiltern in Brauseaufsätzen können heute die Vorteile des Leitungswassers(z. B. Druck, Temperierbarkeit) ohne wesentliche Infektionsgefahr genutzt werden.Chirurgisch dominierte Themen betreffen Wunddebridement und Nekrotomie sowie die Behandlung vonWunden bei freiliegenden Implantaten. Das chirurgische Management tiefer Verbrennungsverletzungenschlägt die Brücke zur operativen Korrektur von Narben. Letzteres Thema ist auch vor dem Hintergrundder immer besser etablierten silikonbasierten topischen Narbenbehandlungen von Interesse. Das Programmder Tagung wird durch sieben praxisorientierte Workshops und Lunchsymposien abgerundet, indenen Kardinalthemen der Wundbehandlung Raum gegeben wird: Kompressionstherapie, Wundantiseptika,V.A.C.-Therapie und Materialien und Anwendung verschiedener Wundauflagen. Letzteres Thema iststets wichtig, weil es selbst dem Versierten bei dem stets zunehmenden Angebot an Wundbehandlungsproduktenkaum möglich ist, einen vollständigen Überblick zu behalten und die Evidenzlage für alle dieseProdukte äußerst gering ist.Mit den besten Grüßen und der Hoffnung auf eine lehrreiche Jahrestagung in angenehmer kollegialer Atmosphärebin ich IhrPrim. Univ.-Doz. Dr. Robert MülleggerPräsident der <strong>AWA</strong>, Wiener Neustadtwmw skriptum © Springer-Verlag4/2010 5


awa-jahrestagung 2010Thomas Payrits, Istvan Viragos, Arnold Ernst und Friedrich Längle, Wiener NeustadtAutologes thrombozytenreiches Fibrin kombiniert mitvagaler StimulationPositive Erfahrungen mit DUCEST-TherapieZur Therapie chronischer Wunden gibtes viele Optionen. Eine noch wenig bekannteist die mit autologem thrombozytenreichemFibrin, in Verbindung mit vagalerStimulation mittels P-STIM.Thrombozyten enthalten verschiedeneWachstumsfaktoren und wurden schonfrüher in diversen Trägermedien zur Behandlungvon akuten und chronischenWunden verwendet. Andere Studien wiederumzeigten, dass Fibrin Wachstumsfaktorenbinden und vor Abbau durchProteasen schützen kann und somit derenbiologische Aktivitäten erhalten kann.Durch Einschluss von Thrombozyten inautologes Fibrin konnten die wachstumsförderndenEigenschaften von Fibroblastenweiter verstärkt werden.Verwendung des PRF ®Im PRF®(platelet-rich fibrin) der FirmaVivostat®findet man in 1 µl bis über1.000.000 Thrombozyten. 6 ml dieses Fibrin-Thrombozytengemischswerden automatisiertaus 120 ml Patientenblut gewonnenund danach auf die Wundflächegesprüht.Bis jetzt wurde in einigen Studien überden Einsatz von PRF®bei chronischen,therapieresistenten Wunden sowie beider Behandlung von Fisteln nach Operationenim oberen Gastrointestinaltrakt undnach adipositaschirurgischen Eingriffenberichtet. Therapieresistente Wunden, diemit PRF®behandelt worden waren, zeigtenwieder eine neu beginnende Granulation,welche zur Verkleinerung und Abheilungder Wunden führte. SomitZur Personkonnten Amputationen nachweislich verhindertwerden.Versorgung von Patienten mitPAVKIn unserem Krankengut finden sichviele Patienten mit einer PAVK im StadiumIV. Zur Verbesserung der Minderdurchblutungwird natürlich primär eine Revaskularisierungmittels Bypassoperationoder Angioplastie angestrebt. Wenn diesnicht möglich ist, werden Infusionen mitIloprost oder Aloprostadil verabreicht. Dielokale Wundtherapie erfolgt stadiengerechtnach den Prinzipien der modernenWundtherapie. Oberstes Ziel ist, durch Sanierungdieser Ulzera einen Extremitätenverlustzu verhindern.Vagus-StimulationAls Alternative zur konservativen Infusionstherapieverwendeten wir eine Stimulierungdes Nervus vagus im Bereichdes Ohres mit einem P-STIM®-Gerät. Dieseswird zur analgetischen Therapie verwendet,indem es durch mehrtägige Stimulierungdes N. vagus zur Freisetzungvon körpereigenen Endorphinen führt. ImRahmen dieser Therapie haben wir einedeutliche Erwärmung von Extremitätenmit multiplen Arterienverschlüssen aufgrundvermehrter Durchblutung beobachtet.In experimentellen Untersuchungenkonnte ferner eine immunmodulierendeFunktion durch Stimulation desN. vagus mittels Regulation der Zytokinproduktionnachgewiesen werden.Dr. Thomas PayritsAbteilung für ChirurgieLandesklinikum Wiener NeustadtCorvinusring 3-52700 Wiener NeustadtFax: ++43/2622/321-2676E-Mail: thomas.payrits@wienerneustadt.lknoe.atKombination der MethodenDiese Funktionen haben wir für einenneuen Weg in der Behandlung von therapieresistentenWunden genutzt. Wir habenin unserem Krankengut bei der Behandlungvon chronischen Ulzera an derunteren Extremität PRF®in Verbindungmit vagaler Stimulation via P-STIM® eingesetzt.Diese Kombination wird nun alsDUCEST-Therapie (dual cell stimulation)bezeichnet. Auf die saubere Wunde wirdnach sorgfältigem Debridement einedünne Schicht PRF®aufgesprüht. Diesewird mit einer nichtanhaftenden undnichtabsorbierenden Wundauflage bedeckt.Darüber wird absorbierendes Verbandmaterialaufgebracht, welches jeden2. Tag gewechselt wird. Parallel dazu wirdein P-STIM®für fünf Tage angelegt. DiesesGerät stimuliert in einem dreistündigenEin-Aus-Intervall mit einer Frequenz von1 Hz. Die Therapie wird im Abstand von 7Tagen wiederholt. Normalerweise zeigtsich schon nach der ersten Anwendungeine Veränderung in der Wunde, im Sinneeiner beginnenden Granulation. Vor dernächstfolgenden Therapie wird an derWunde der alte überstehende PRF® -Belagentfernt. Die Therapie wird 2- bis 8malwiederholt.Bisherige ErfahrungenWir haben bis jetzt 12 Patienten (9Männer und 3 Frauen) im Alter zwischen55 und 84 Jahren, mit Ulzera an den Beinenverschiedener Genese behandelt.Diese Läsionen bestanden seit mindestens6 Monaten und hatten schon multipleVortherapien an verschiedenen Institutionenhinter sich. 10 von diesen (83 %), zeigtenein gutes Ansprechen, mit Abheilungder Wunde, oder zeigten zumindest einedeutliche Größenreduktion der Wundfläche.Lediglich 2 Patienten (17 %) zeigtenkeine Verkleinerung der Wunde. Es handeltesich hierbei um 1 weibliche Patientinund 1 männlichen Patienten mit einemvenösen Ulcus cruris. Die Wunde warwährend der gesamten Therapiezeit infektfrei.Retrospektiv konnte ermittelt wer-6 4/2010 © Springer-Verlagwmw skriptum


awa-jahrestagung 2010den, dass diese beiden Patienten die vorgeschriebeneKompressionstherapie nichteingehalten haben.Versorgung vonAmputationswundenWeiters zeigt sich ein gutes Ansprechenbei der Versorgung von Amputationswundenam Vorfuß mittels DUCEST-Therapie.Hier wurde PRF®sofort nach der Amputation(Transmetatarsal, Chopart oder Lisfranc)oder nach kurzer VAC® -Therapieangewandt.Die Wundflächen heilten rascher ab,und somit konnten auch die Liegezeitenim Krankenhaus nach einer Vorfußamputationdeutlich verkürzt werden.Wundtaschenverschluss mittelsDUCEST-TherapieAls Einzelfall wurde auch ein freiliegenderKunststoffbypass in der Leiste nachmehrmaligen gefäßchirurgischen Eingriffenbehandelt. Infolge einer tiefen Wundinfektionbildete sich eine etwa 5 x 5 x 3 cmgroße Wundtasche, an deren Rand derGore-Tex Bypass frei zu liegen kam. DieseWunde wurde 7 x mit der DUCEST-Therapiebehandelt. Bereits nach der 2. Therapiewar der Bypass mit einer Granulationsschichtüberwachsen, und nach der 7.Therapie war die Wunde verschlossen. Lediglicheine wenige Millimeter große Stellemit Caro luxurians blieb bis dato zurück.Somit konnte hier eine weitere sehr aufwändigegefäßchirurgische Operation verhindertwerden.ConclusioPRF®in Verbindung mit vagaler Stimulationmittels P-STIM®(DUCEST Therapie)scheint sehr gut zur Behandlung vonProblemwunden geeignet zu sein. Es wurdenkeine Nebenwirkungen beobachtet.Eine weiterführende Evaluierung in prospektivrandomisierten Studien ist geplant.•Robert Strohal, FeldkirchDer Schmerz als (ein) Kardinalsymptom der chronischenWundeVorgehen nach der ABCD-RegelDie derzeit anerkannteste Definitiondes Schmerzes lautet, dass dieser eine unangenehmesensorische und emotionaleErfahrung assoziiert mit aktuellen oderpotentiellen Gewebsschäden darstelltbzw. dass der Schmerz im Sinne einer solchenGewebsschädigung beschriebenwird. Diese Definition umfasst zwei wichtigeErkenntnisse, nämlich die Tatsache,dass Schmerz nicht nur als physische Reaktionzu sehen ist, sondern immer aucheine psychische, d. h. emotionale Komponenteaufweist. Aus diesem Grund giltheute als wesentliches Prinzip desSchmerzmanagements: Schmerz ist genaudas, was der Patient sagt!Zur PersonSchmerzqualitätenPrim. Univ.-Doz. Dr. Robert StrohalAbteilung für Dermatologie und VenerologieUniversitäres LehrkrankenhausLandeskrankenhaus FeldkirchCarinagasse 476800 FeldkirchFax: ++43/5522/303-7547E-Mail: robert.strohal@lkhf.atWas nun die Arten des Schmerzes anbelangt,so wird der nozizeptive Schmerzvom neuropathischen unterschieden.Während beim Ersteren es sich um eineangemessene nervale Reaktion auf einenReiz handelt, die auch Warncharakter vorpotentieller Schädigung besitzt und meistvon begrenzter Dauer ist, erklärt sich derneuropathische Schmerz als eine generelleDysfunktion oder Schädigung desNervensystems wie sie zum Beispiel beiKrebserkrankungen, Durchblutungsstörungenoder Infektionen zu finden ist. Geradeder Schmerz bei chronischen Wundenzeichnet sich meist dadurch aus, dasser beide Komponenten beinhaltet. Dementsprechend sollte bei solchen wundbezogenenSchmerzen eher der zeitweiseauftretende Schmerz vom Dauerschmerzunterschieden werden. Gerade beim zeitweiseauftretenden Schmerz ist die prozeduraleKomponente, also die Frage, obund bei welchen Maßnahmen der Schmerzbesonders auftritt (typischerweise beimVerbandswechsel), von hoher Bedeutung.Chronische Wunden sind so gutwie immer mit Schmerz gekoppeltBetrachtet man nun eine Metaanalyseaus insgesamt 12 Studien, dann zeigt sich,dass 48–100 % der PatientInnen mit chronischenWunden an Schmerzen leiden.Dominant treten Schmerzen dabei bei arteriellen,venösen und gemischten Ulzeraauf. Wie wohl in der Literatur, vor allemam Beginn des letzten Jahrzehnts die Betonungder Dominanz auf prozeduraleSchmerzen, besonders beim Verbandswechsel,gelegt wurde, zeigt sich publikatorischzunehmend, dass PatientInnenmit chronischen Wunden typischerweiseHintergrund-, also Dauerschmerzen mit8 4/2010 © Springer-Verlagwmw skriptum


awa-jahrestagung 2010Das Schmerzmanagement bei Patientenmit chronischen WundenDie A-B-C-D RegelAssess the pain – SchmerzanalyseBe aware of the cause – UrsachenabklärungConsider local – lokale SchmerztherapieDo we need systemics – Indikation SystemtherapiePrice et al., Int. Wound J., 4(Suppl.1):4, 2007Abb. 1: Die ABCD-Regel nach Price et al.entsprechend undulierenden Spitzen berichten.Wesentlich ist dabei die massiveAuswirkung auf die Lebensqualität, welchedem Problembereich Schmerz eineganz besondere Bedeutung speziell fürden/die PatientIn zuweist. Betrachten wirnun die Wunde als möglichen Ausgangspunktdes Schmerzes, dann zeigt sich,dass tatsächlich dieser bei chronischenWunden meist im Bereich der Wunde lokalisiertwird. Daneben finden sich aberimmer wieder PatientInnen, welche überSchmerzen im Wundumgebungsbereichklagen.Geringes SchmerzverständnisWas nun die Routine der Interventionanbelangt, so sind hier nur wenige Studienverfügbar. Diese jedoch deuten daraufhin,dass vor allem ein großer Nachholbedarfbei standardisierter Dokumentation desSchmerzes im Rahmen der Wundbetreuungzu beobachten ist. Fragen bei insgesamtfast 4000 Schwestern und Ärzten aus11 europäischen Ländern zum Stellenwertder einzelnen Maßnahmen der Schmerzvermeidungerbrachten ebenso überraschendewie teilweise problematische Ergebnisse.Vor allem in Österreich undDeutschland wird die Analgetika-Gabevor dem Verbandswechsel zur Vermeidungdes Schmerzes an den vorletztenPlatz möglicher Maßnahmen gereiht. DerSchmerzfaktor Wundumgebung wird insgesamtin Europa gar nicht gesehen, undauch die Zuwendung zum bzw. Einbeziehungdes/der PatientIn zur Schmerzvermeidunghat praktisch keine Bedeutung.Hier scheint tatsächlich ein Umdenkennotwendig zu sein, und dabei stellt sichnatürlich die Frage, wie ein adäquates Managementdes Schmerzes auszusehenhat.Erfassen des SchmerzesPrimär gilt es diesen zu analysieren, wobeisich heute der Visual Analog Score alsGoldener Standard durchgesetzt hat. Aufeiner Skala, welche entweder eine Reihe,startend mit einem lachenden hin zu einemweinenden Gesicht, oder eine Skalavon 0–10 aufweist, wird der/die PatientInaufgefordert, selbst die Intensität seinesSchmerzes einzuschätzen. Dabei gilt alsRegel, dass ein VAS-Score ≥ 4 als Schmerzmit Behandlungsnotwendigkeit zu sehenist (wobei natürlich die persönliche Konnotierungdurch den/die betroffene PatientInebenso mit einzubeziehen ist). Nebender Intensität gilt es des Weiteren auchdie Lokalisation des Schmerzes (Wunde,Wundrand, außerhalb der Wundumgebung),die Dauer des Schmerzes (akut-prozeduralversus Hintergrund- und Dauerschmerzoder Hintergrundschmerz mitSpitzen), die Art der Empfindung und dendirekten Einfluss auf die Lebensqualitätdes/der PatientIn festzuhalten. Es verstehtsich von selbst, dass diese Dokumentationein integraler Bestandteil der Krankenaktedes chronischen Wundpatienten seinsollte, wobei die Durchführung dieserSchmerzanalyse für mehrere Zeitpunkte(z. B. Nacht, Tag, beim Verbandswechsel)von Vorteil ist. Aus all den Daten gilt es danndie PatientInnenerwartung zur Behandlungzu erheben (z. B. den Grad der Schmerzreduktion,die Ausschaltung bestimmterSchmerzarten oder die Verbesserung speziellerAspekte der Lebensqualität). Diese PatientInnenerwartungstellt gleichzeitig auchdas Therapieziel der Schmerzen dar.Abklärung der Schmerzursache(n)Im nächsten Schritt wird es notwendigsein, die eigentlichen Schmerzursachenabzuklären. Als Ursachen kommen dabeijene Pathogenesen in Frage, welche zumUlkus des Patienten geführt haben, darunterchronische Inflammation, ein malignerProzess oder eine akut aufgetreteneInfektion. Gerade die Letztere, wie in einemKonsensuspapier von 54 Wundspezialistenfestgehalten, äußert sich häufigdurch plötzlich und unerwartet auftretendeSchmerzen oder eine ebenso unerwartetaufgetretene Intensitätsverstärkungder Schmerzen. Der Schmerz selbst kannnatürlich auch in seiner Ursache wundassoziiertsein, dabei kommen vor allem derWundbelag, vermehrtes Exsudat, eine Irritationder Wundumgebung, z. B. im Sinneeiner Allergie, oder verbands- bzw. verbandswechselbezogeneUrsachen inFrage. Gerade was den verbandswechselbezogenenSchmerz anbelangt, hat sich inmehreren Publikationen die Meinungdurchgesetzt, dass alle Maßnahmen, diezu einem Trauma führen, Stichwort: Klebebänderund trockene klebende Verbände,die Hauptursachen schmerzhafterVerbandswechsel bilden. Zur Abklärungder Schmerzursache, wie schon in der Definitiondes Schmerzes erwähnt, darf natürlichder starke Modulationsfaktor psychosozialeSituation des Patienten (Ängste,Dystonie, Schmerzerwartung, kulturellerHintergrund, etc.) nie übersehen werden.Behandlung des SchmerzesMit der Erhebung der meisten multimodalenUrsachen des Schmerzes wird esdann auch möglich sein diesen erfolgreichzu behandeln. Dabei stehen einerseitsmedikamentöse Behandlungen zur Verfügung,die sowohl kausal, als auch symptomatischeingesetzt werden können bzw.kann die medikamentöse Therapie lokaloder systemisch erfolgen. Als nichtmedikamentöseMaßnahmen gelten wundspezifische,verbands- bzw. verbandswechselspezifischeund psychosozialeInterventionen. Während bei den psychosozialenMaßnahmen Hypnose-, Elektroakupunktur-und Softlaserbehandlungenals äußerst umstritten gelten, konnte inStudien nachgewiesen werden, dass dievolle Einbeziehung des Patienten in allepflegerischen wie therapeutischen Maßnahmenim Sinne einer umfangreichenInformation, entsprechenden Pausenbeim Verbandswechsel und ein patientenadaptiertesEntspannungsmanagementgroße Hilfen bei der Reduktion desSchmerzes bieten. Zudem gilt es, den/diePatientIn zu unterstützen, seinen Tag, seies in der Klinik oder daheim, klar zu orga-10 4/2010 © Springer-Verlagwmw skriptum


awa-jahrestagung 2010nisieren und auch auf eine umfangreicheMobilisierung zu achten.Verwendung des WHO-StufenschemasBei der medikamentösen Therapie desSchmerzes ist heute das WHO-Stufenschemader systemischen Interventionpraktisch vollständig umgesetzt. Dabeiwerden in der ersten Stufe NSAR oder Aspirin®bzw. Paracetamol eingesetzt. DieStufe 2 besteht aus leichten Opiaten (z. B.Codein), Stufe 3 aus starken Opiaten (z. B.Morphine oder transdermales Phentanyl).Es gilt es zu beachten, dass eine Kombinationder Stufe 1 mit 2 oder 3 jederzeit möglichist. Besonders wichtig ist es, vor allemin Anbetracht der unerwünschten Wirkungender Opiate wie Übelkeit, Obstipationund Schwindel, die Dosis der eingesetztenMedikation nach der Wirkunglangsam hinauf zu titrieren.Weniger bekannt ist die Möglichkeit imWHO-Stufenschema, trizyklische Antidepressivaoder Antikonvulsiva, vor allembei neuropathischen Schmerzen zusätzlichzu verabreichen. Die medikamentöseTherapie kann auch lokal erfolgen, vor allemdurch Xylocain®oder lokalanästhetischeKombinationspräparate. Dabei ist jedochauf die Gefahr der Irritation oderSensibilisierung zu achten. Für den Allergologenund Hautarzt gelten topischeNSAR wie z. B. Diclofenac oder Ibuprofenals kontraindiziert, da sie ein äußerst hohesAllergie- und Sensibilisierungspotentialaufweisen.Gutes Wundmanagement kannSchmerzen vermindernWas nun die lokale wundbezogeneSchmerztherapie anbelangt, so gilt es denWundrand vor Mazeration zu schützenbzw. im Bedarf im Bereich der umgebendenHaut phasengerechte Topika (bei Trockenheitund Schuppung Pflegesalben, beiInflammation topische Immunmodulatoren)einzusetzen. Im Bereich der Wundestellt sich heraus, dass zentrale Maßnahmendes Wundmanagements auch zur Verbesserungder Schmerzsituation beitragenkönnen. Stichwortartig genannt seien dieWundbettpräparation mit regelrechtemDebridemént, das Feuchtigkeitsmanagement,die Kompression beim Ulcus venosumwie auch die Wahl des richtigen Verbandsstoffes,besonders in Bezug auf einenproblemlosen Verbandswechsel. Interessanterweisehat eine große Umfrage beiSchwestern und Pflegern ergeben, dass inder überwiegenden Mehrzahl die wichtigsteMaßnahme zur Verhinderung vonSchmerzen beim Verbandswechsel das Anfeuchtendes Verbandes ist. Klebt jedochder Verband auf der Wunde, dann war esnach den Regeln der feuchten Wundbehandlungnicht der optimale Verband, weshalbdieses Ergebnis als verwunderlich einzustufenist.Schmerzhafte Schmerzreduktion?Insgesamt ist festzuhalten, dass dieselokalen wundbezogenen Maßnahmen zurSchmerztherapie gerade in Bezug auf denSchmerz eine Herausforderung darstellen.Betrachten wir die Wundbettpräparationbzw. das Debridemént so werden in der Literatursämtliche Maßnahmen (mechanisch,autolytisch, enzymatisch, Bio-Debridementund operativ) als potentiellschmerzhaft per se beschrieben. Als Auswegwird hier die Verwendung von lauwarmemWasser oder Salzlösungen angeboten.Ein synergistischer Blick auf dieLiteratur zeigt jedoch, dass der optimaleBehelf zum Debridemént heute noch fehlt.Einfacher ist die Situation des Feuchtigkeitsmanagementsund damit einhergehendauch die Wahl des richtigen Verbandsstoffs.In Bezug auf Schmerzreduktionwurden bis dato Daten zu Urgotul® ,Safetac® -Weichsilikonverbände, Biatain ® -Ibu und Suprasorb® X bzw. Suprasorb ® X +PHMB publiziert. Besonders was die dreiletzteren Verbände anbelangt, konntenStudien sehr eindrücklich zeigen, welchimmensen positiven Einfluss die Reduktiondes Schmerzes auf die Lebensqualitätder Patientinnen hat.Systematisches VorgehenZusammenfassend bildet die ABCD-Regel(Abb. 1), entwickelt von RG Sibbald etal., eine wichtige und hilfreiche Stütze fürdas regelrechte Schmerzmanagement beiPatientInnen mit chronischen Wunden. PrimärSchmerzanalyse, gefolgt von der Ursachenabklärungbzw. -behandlung und einerinitial lokalen wundzentrierten Schmerztherapie.Erst wenn diese lokale Interventionkeinen ausreichenden Erfolg bringt, ergibtsich die Indikation zur schmerzsymptomatischenSystemtherapie. •Florian Thalhammer, WienInfektionsmanagementDie Infektionen am Diabetischen Fuß als besondere HerausforderungAus der Sicht des Infektiologen kommenwesentliche Fragen im Managementdes Diabetischen Fußes auf. Die Frage, obder nachgewiesene Keim überhaupt denBösewicht darstellt, oder nur ein Kolonisationserregernachgewiesen wurde, istvon wesentlichem Interesse. Im Falle einerInfektion stellt sich oft die Frage, wiedie Gratwanderung zwischen Antibiogramm,Nierenfunktion und davon abhängigerAntibiotikadosierung sowie Patientencompliancebewältigt werden kann.DiagnostikMan muss sich bewusst sein, dass einWundabstrich – im Prinzip die schlechtesteVariante eines Erregernachweises –nur das widerspiegelt, was man abgestrichenhat, jedoch nicht unbedingt denBösewicht zutage bringt. Wie immer in derInfektiologie dürfen nicht der mikrobiologischeBefund, vor allem wenn er nichtzum Corpus delicti passt, sondern der Patientund dessen klinisches Befinden imBehandlungsfokus stehen. Im Idealfallwird ein bioptisch gewonnenes Materialwmw skriptum © Springer-Verlag4/2010 11


awa-jahrestagung 2010das Vorliegen einer floriden Infektion. ImIdealfall wird der Patient vor Beginn derantimikrobiellen Therapie einer (Knochen)Biospiezum Erregernachweis undeiner MRT zum Nachweis der Osteomyelitiszugeführt.TherapieoptionenAbb. 1: Wundabstrich lege artisAbb. 2: Keimverschiebung bei chronischen Wundenoder Aspirat eingeschickt, die nächstbesteLösung ist ein Wundabstrich nach Levine(Abb. 1).Bei intraoperativ gewonnenen Materialien(z. B. bei Protheseninfektionen) solltenan drei verschiedenen Stellen Probenabgenommen werden, um die Aussagekraftzu erhöhen. Bei Vorliegen einer Osteomyelitiszeigen rezente Studien, dasseine Knochenbiopsie dem oberflächigenWundabstrich signifikant überlegen ist.Spektrum der verdächtigen KeimeDas Erregerspektrum hängt nicht unwesentlichvon der Erkrankungsdauer ab(Abb. 2).Zur PersonZwei Drittel der Infektionen werdendurch Gram-positive Keime (Staphylokokken),ein Drittel durch Gram-negative Enterobakterien,wenige durch Anaerobierhervorgerufen. Bei ausgewiesenen Problemkeimenwie Koagulase-negativen Staphylokokken,Enterokokken, Corynebakterienbzw. Pseudomonas aeruginosa,Acinetobacter baumanii oder Stenotrophomonasmaltophilia muss immer dieMöglichkeit einer Kontamination/Kolonisationin Betracht gezogen werden. Beilangdauernden, chronischen (Knochen)Infektionen können die klassischen Infektionszeichenfehlen, und lediglich dieBildgebung (MRT) und die Schmerzen desPatienten geben einen Anhaltspunkt fürUniv.-Prof. Dr. Florian ThalhammerKlinische Abteilung für Infektionen und TropenmedizinUniv.-Klinik für Innere Medizin IMedizinische Universität WienWähringer Gürtel 18-201090 WienFax: ++43/1/25 33 0 33-2425E-Mail: florian.thalhammer@meduniwien.ac.atDas moderne Wundmanagement ermöglichtes heute, dass nicht jedes kleine,belegte Ulkus mit einer systemischen Antibiotikatherapiebehandelt werden muss.Eine lokale (topische) Antibiotikatherapieist obsolet, da beginnend mit durch Antibiotikahervorgerufenen Wundheilungsstörungendie Nachteile gegenüber fraglichenVorteilen überwiegen. Die eigentlicheAntibiotikatherapie des diabetischen Fußesmuss sich mit der Frage der Langzeittherapie,der Notwendigkeit einer Kombinationstherapie,der Antibiotikadosierung(hoch?) und ihrer Gewebepenetration alsauch Bioverfügbarkeit sowie der darausresultierenden Frage nach dem Nebenwirkungsspektrumauseinander setzen. Auchwenn es manche Geldgeber nicht gernehören, muss auch die Frage nach der Finanzierungeiner ambulanten parenteralenAntibiotikatherapie (APAT) gestelltwerden. Entsprechende Konzepte bestehenund bei chronischen Hämodialysepatientenwird dies schon seit Jahren erfolgreichumgesetzt.Vermeidung von ResistenzbildungPrinzipiell gilt, wenn keine Problemkeimewie MRSA (abnehmend) oderESBL-positive Enterobakterien (zunehmend)vorliegen, soll mit den „einfachsten“Antibiotika vorlieb genommen werden.Das Spektrum der antimikrobiellenTherapiemöglichkeiten hat sich in denletzten Jahren im Bereich der Therapie vonProblemkeimen etwas verbessert, nur derStatus quo soll uns erhalten bleiben undnicht durch falsch gemeinte „Best of“-Therapien durch aktive Resistenzbildungzunichte gemacht werden. Außerdemheißt neu nicht immer höhere antimikrobielleAktivität.Nierenfunktion beachtenViele der Patienten mit einem diabetischenFußproblem haben auch ein chronischesNierenproblem. Bei unklarer,schwankender Nierenfunktion könnenheute Antibiotika für die Therapie ausgewähltwerden, die primär hepatal metabolisiertwerden und deren Dosierung daher12 4/2010 © Springer-Verlagwmw skriptum


awa-jahrestagung 2010unabhängig von der Nierenfunktion erfolgenkann (Abb. 3).KombinationenAbb. 3: „Leberantiinfektiva“ – durch die Leber verstoffwechselte AntibiotikaAbb. 4: Therapieoptionen des DFS (Diabetisches Fußsyndrom)Mögliche Kombinationen bzw. Kombinationenohne Sinn sind in Abbildung 4zusammengefasst. Einer oralen Therapiesoll – außer bei chronischen Hämodialysepatienten– immer der Vorzug gegebenwerden, da hierdurch der Patient in seinerMobilität nicht eingeschränkt wird.Moderne Chinolone sind hierbei Eckpfeilerder Therapie, da sie eine ausgezeichneteBioverfügbarkeit aufweisen,auch bei Patienten mit Diabetes mellituseine ausgezeichnete Gewebepenetrationaufweisen und in Abhängigkeit von derNierenfunktion entsprechende Vertreterzur Verfügung stehen. Als mögliche idealeKombinationspartner stehen Clindamycinsowie Fusidinsäure zur Verfügung.Inwieweit heute noch Vancomycintrotz seines attraktiven Preises bei MRSA-Infektionen einen Stellenwert in dieser Indikationhat, ist zu hinterfragen, da fürdiese komplexen Gewebeinfektionen dieGewebe/Knochenpenetration im Vergleichzu den anderen MRSA-Antibiotikabeginnend mit dem „alten“ Teicoplaninüber die jüngeren Vertreter wie Linezolidbis zu den neuesten Vertretern Daptomycinoder Tigecyclin unzureichend ist. Letztereszeichnet sich noch durch den Vorteilaus, auch gegen ESBL-positive Keimewirksam zu sein. Für alle schweren Infektionenbietet sich im stationären SettingFosfomycin als exzellent gewebegängigerKombinationspartner an.•Severin Läuchli, ZürichPhysikalische TherapiemodalitätenEin Update der EvidenzDie meisten chronischen Wundenheilen unter adäquater Therapie derWundursache innert weniger Monate ab.Unterstützend werden die verschiedenenFaktoren, welche im lokalen Milieu einerWunde die Heilungsprozesse hemmen,durch eine gute Wundbettvorbereitungverbessert. Dazu dienen in erster Linieein konsequentes Debridement, um dieWunde von leblosen Zellen (Nekrosenund Belägen) zu befreien, die stadienadaptierteAuswahl der richtigen Wundauflagen,die ein feuchtes Wundmilieu aufrechterhalten, und Maßnahmen wieAntibiotika oder lokale Antiseptika, welcheeiner übermäßigen bakteriellen Kontaminationder Wunde entgegenwirken.Daneben existieren zahlreiche physikalischeVerfahren, welche für sich beanspruchen,die Wundheilung zu fördern.Viele dieser Verfahren sind jedoch aufwändigoder in ihrer Wirkung schlechtbelegt, weshalb es sich lohnt, sich kritischmit ihnen auseinanderzusetzen. Das Zielwmw skriptum © Springer-Verlag4/2010 13


awa-jahrestagung 2010dieser Verfahren ist es, die Sauerstoffspannungim heilenden Gewebe zu erhöhen,die Mikrozirkulation zu verbessernund die an der Wundheilung beteiligtenZellpopulationen und Zytokine zu stimulieren.Für solche Verfahren ist es besonderswichtig, dass ihre Effektivität in kontrolliertenStudien nachgewiesen werdenkann. Dies ist aber aufgrund manchmalkleiner Effekte auf die Wundheilung unddeshalb großen benötigten Studienpopulationenoft schwierig zu bewerkstelligen.Im Folgenden soll für eine Auswahl dieserVerfahren die gegenwärtig vorhandeneEvidenz kurz zusammengefasstwerden.Hyperbarer SauerstoffEin vor allem aus der Tauchmedizinbekanntes und schon seit vielen Jahrenfür die Wundbehandlung angewendetesVerfahren ist die hyperbare Sauerstofftherapie.Dabei wird der Patient mehrmalspro Woche in einer Kammer mitSauerstoffüberdruck behandelt. Die verbesserteOxygenierung bewirkt eine Beschleunigungder Wundheilung, was vorallem bei Patienten mit diabetischemFußsyndrom in zahlreichen Studiennachgewiesen werden konnte [1]. DieseMethode ist jedoch vom apparativen Bedarfher sehr aufwändig und nur an wenigenZentren verfügbar. Für lokale Sauerstoffanwendungenaußerhalb vonÜberdruckkammern konnte bisher keinüberzeugender Effekt auf die Wundheilunggezeigt werden.StoßwellentherapieFallserien konnten eindrückliche Erfolgein der Stimulation der Wundheilungmit Stoßwellentherapie zeigen. DiesesVerfahren ist vor allem aus der Urologiebekannt, wo es als extrakorporale Stoßwellenlithotripsieals nicht invasives Verfahrenmit geringen Nebenwirkungen zurZertrümmerung von Nierensteinen ein-gesetzt wird. Als Zufallsbefund wurdefestgestellt, dass solche hochfrequenteStoßwellen einen positiven Effekt auf dieKnochendichte haben. Davon ausgehendwurde das Verfahren auch zur Stimulationanderer Regenerationsprozesse wieder Wundheilung eingesetzt. Es konntegezeigt werden, dass die Stoßwellengünstige Effekte auf die Membranpermeabilitätvon Zellen und ihre Proliferationhaben, und verschiedene Wachstumsfaktorenwie TGF Beta und FEGF vermehrtausgeschüttet werden. Bei der Anwendungan chronischen Wunden konntein einem Pilotprojekt am UniversitätsSpitalZürich gezeigt werden, dass von 30nicht heilenden komplexen Wunden verschiedenerÄtiologie 81 % nach Stoßwellenbehandlungentweder abheilten(27 %) oder sich verbesserten (54 %) [2].Randomisierte kontrollierte Studien zudiesem Verfahren sind aber noch ausstehend.UltraschallDie therapeutische Ultraschallanwendungbei chronischen Wunden dient sowohlder Zellstimulation als auch demDebridement avitaler Zellen. Die Wirksamkeitdieses Verfahrens in Bezug aufWundheilung wurde in mehreren kleinenStudien untersucht. Eine gepoolte Analysedieser Studien konnte nachweisen,dass ein größerer Anteil von venösen Ulzera,die mit Ultraschall behandelt wurden,abheilten als die mit Plazebo behandeltenUlzera [3].ElektrostimulationEin weiteres Verfahren, welchesWundheilungsvorgänge triggert, ist dieElektrostimulation von Wunden. Dabeiwird ein niedrigfrequenter gepulsterStrom über Elektroden in die Wunde geleitet,die Behandlung wird alle 1 bis 2Tage durchgeführt. Die dadurch erreichteFibroblastenstimulation induziert wiederumdie Kollagensynthese, zudem werdenWachstumsfaktorenexpression, Fibroblastenmigrationund Angiogenesegefördert. Auch hier zeigen mehrere randomisiertekontrollierte Studien eineleicht erhörte Abheilungsrate bei venösenUlzera und Dekubitus und eine positiveBeeinflussung von Wundschmerzen[4].Unklar die Wirkung vonMagnetfeldern, Laser oder WärmeFür zahlreiche andere Verfahren istdie Studienlage weniger eindeutig oderes fehlen rationale Erklärungen für ihrenWirkungsmechanismus. Für die Therapiemit elektromagnetischen Feldern gibt esHinweise, dass die Mikrozirkulation positivbeeinflusst wird. Für low level Laserwird postuliert, dass die Fotoenergie dieProliferation von Zellen fördert, ein signifikanterBenefit für die Wundheilungkonnte jedoch in mehreren Studien nichtnachgewiesen werden. Wärmetherapiekann die Durchblutung und Zellproliferationfördern und hat einen nachweisbarenEffekt für Dekubitalulzera, kann aberfür viele andere Wundarten nicht generellempfohlen werden, da der lokale Sauerstoffbedarfteils erhöht wird und Wundenaustrocknen können.FazitZusammenfassend gibt es keine physikalischeTherapiemodalität, für die einpositiver Effekt auf die Wundheilung vonchronischen Wunden aller Arten nachgewiesenwurde. Für zahlreiche dieser Verfahrenliegen aber sehr vielversprechendeStudienresultate vor und sie könnendurchaus empfohlen werden für Wunden,bei denen die Wundheilungsvorgängetrotz adäquater Ursachenbehandlungund korrekter Lokaltherapie einezusätzliche Stimulation benötigen. •Zur PersonDr. Severin LäuchliPräsident der Swiss Association for Wound Care (SAfW)Dermatologische KlinkUniversitätsSpital Zürich8091 ZürichSchweizFax: ++44/1/255 44 03E-Mail: Severin.Laeuchli@usz.chLiteratur1 Kranke P et al (2009) Hyperbaric oxygen therapyfor chronic wounds. Cochrane collaboration2 Mündliche Mitteilung. Dr. med. Dieter Mayer,UniversitätsSpital Zürich3 Al-Kurdi et al (2008) Therapeutic ultrasoundfor venous leg ulcers. Cochrane collaboration4 Jünger et al (1997) Treatment of venous ulcerswith low-frequency pulsed current. Hautarzt199714 4/2010 © Springer-Verlagwmw skriptum


awa-jahrestagung 2010Friedrich Breier, Robert Feldmann und Andreas Steiner, WienArtificial woundsArtifizielle Wunden und WundbeurteilungTabelle 1Beurteilung von chronischen Wunden anhand des NÜRBURG-SystemsKriterium Ausdehnung Kurvenkürzel BeurteilungNekroseÜbel riechendBelägeUmgebungsrötungGranulationZur Person0 %< 50 %50 %100 %Kein übler GeruchGeringgradig übler GeruchMäßggradig übler GeruchStark übler Geruch0 %< 50 %> 50 %100 %Keine UmgebungsrötungGeringgradige UmgebungsrötungMäßggradige UmgebungsrötungStarke Umgebungsrötung0 %< 50 %> 50 %100 %-++++++-++++++-++++++-++++++-++++++Seit dem 19. Jahrhundert wurden unterschiedlicheklinische und ätiologischeVarianten artifizieller Wunden in der medizinischenLiteratur diskutiert. Artefaktewerden mechanisch, thermisch oder chemischhervorgerufen, wobei unterschiedlicheMotive und Persönlichkeitsstörungenzugrunde liegen. Zu diesemErkrankungsspektrum zählen die Akne excoriee,das artifizielle Extremitätenödem,die Cheilitis crustosa factitia, der Dermatozoenwahn,die Dermatitis artefacta, diedermatologische Pathomimikrie, dasGardner-Diamond Syndrom, das Lesch-Univ.-Doz. Dr. Friedrich BreierWundheilungsambulanzAbteilung für Haut- und GeschlechtskrankheitenKrankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum RosenhügelWolkersbergenstraße 11130 WienFax: ++ 43/1/80110-2633E-Mail: friedrich.breier@wienkav.atAngabe der betroffenenWundgrundfläche in %Intensität des üblen GeruchesAngabe der betroffenenWundgrundfläche in %Intensität der Rötung imBereich der WundumgebungAngabe der betroffenenWundgrundfläche in %Nyhan-Syndrom, das Münchhausen-Syndrom,die artifizielle Paronychie, dasPseudo-Lesch-Nyhan Syndrom, die „Liebesbisse“am Unterarm, das sklerosierendeLipogranulom, die Trichotillomanieund Varianten der Prurigo nodularis.Umgang mit den PatientInnenDie Therapie der Artefakte wird nebeneiner okklusiven Lokalbehandlung nacheiner sehr vorsichtigen Exploration mitgesprächstherapeutischen, fallweise auchmit psychopharmakagestützten Therapiekonzeptendurchgeführt. Die Beratung derPatientInnen, den behandelnden Arztauch schon bei kleinsten Hautveränderungenaufsuchen zu können, kann nebenden oben genannten Therapiemethodenebenso wie das bewusste „Nichtnachfragen“wie einzelne Hautläsionen zustandegekommen sind, den Heilungserfolg günstigbeeinflussen.Bei neurologischen undpsychiatrischen ErkrankungenIn den letzten Jahrzehnten wurdenauch zunehmend pathologische Selbstverletzungenpubliziert, die somatischeSymptome psychiatrischer Erkrankungendarstellen [2]. Weiters wurden auch artifizielleHautveränderungen nach zerebralenInsulten und im Rahmen von schwerenpsychiatrischen Erkrankungen [3], wiebei paranoider Schizophrenie (Abb. 1),publiziert.Je nach Lokalisation des Insultes könnendie Artefakte im korresponierendenDermatom des Artefaktareales auftreten.Systematische WundbeschreibungUm die chronischen Wunden kriteriengerechtbeschreiben zu können, wurdedas NÜRBURG-System entwickelt. DasNÜRBURG-System [4] wurde zur klinischenBeurteilung von chronischen Wundenentwickelt, welches einfach anzuwendenist und auch bei regelmäßigenKontrollen praktisch angewandt werdenkann. Es handelt sich um ein zeitsparen-wmw skriptum © Springer-Verlag4/2010 15


awa-jahrestagung 2010Abb. 1: Bullöse Dermatitis artefacta alsSelbstverletzung mit Zigaretten bei einem33-jährigen Patienten mit paranoider Schizophreniedes Verfahren, welches sich bei knapperwerdenden Ressourcen bewährt. Einechronische Wunde wird dabei nach folgendenKriterien beurteilt (Tab. 1):Verwendung des NÜRBURG-SystemsN: Nekrose, ÜR: übelriechend, B: Beläge,UR: Umgebungsrötung G: Granulation.Jedes dieser Kriterien wird mit 0, +plus, ++ plus oder +++ plus klassifiziert. 0bedeutet somit keine Umgebungsrötung,+ plus geringgradige Umgebungsrötung,++ plus mäßiggradige Rötung und +++sehr starke Rötung.Auch im Hinblick auf die Beläge könnendiese Kriterien angewandt werden, 0:keine Beläge, + plus Beläge unter 50 % derWundfläche, ++ plus über 50 % der Wund-fläche und +++ plus gesamte Wundflächemit Belägen. Wenn Nekrose und übler Geruchnicht mehr bestehen, kann mit denKriterien B (Beläge) UR (Umgebungsrötung)und G (Granulation) das Auslangengefunden werden.•Literatur1 Wilson E (1875) Lectures on Dermatology.London: J & A Churchill Ltd.2 Baguelin-Pinaud A, Seguy C, Thibaut F(2009) Self-mutilating behaviour: a study on 30inpatients. Encephale 35: 538-543.3 Azurdia RM, Guerin DM, Sharpe GR(2000) Recurrent bullous dermatitis artefacta mimickingimmunobullous disease. Br J Dermatol143: 229-230.4 Breier F, Walland T, Zikeli M (2008) Wundheilungsambulanz– eine Perspektive? Wundmanagementund Pflegedokumentationen. In: KozonV, Fortner N (eds). ÖGVP Verlag, Wien, pp15-20.Andrea Ladwig, Franziska Haase, Hermann Haase, H. Riebe und Michael Jünger, GreifswaldKompressionstherapie beim venösen UlkusDifferenzierte individuelle AnwendungZur PersonUniv.-Prof. Dr. Michael JüngerKlinik und Poliklinik für HautkrankheitenUniversität GreifswaldFleischmannstraße 42-4417487 GreifswaldDeutschlandFax: ++49/3834/86-6772E-Mail: juenger@uni-greifswald.deVenöse Beinerkrankungen sind in derBevölkerung von industrialisierten Staatensehr häufig. Schätzungsweise 1 % dererwachsenen Bevölkerung leidet an demKrankheitsbild. Ab dem 40. Lebensjahrsteigt die Prävalenz kontinuierlich an. Besondersfür die medizinische Kompressionstherapieist die Evidenz der klinischenWirksamkeit und der hämodynamischenVerbesserung gut dokumentiert. Sie verringertden venösen Reflux, verhindert venöseHypertonie und konsekutive Stauungder distalen Gliedmaßenabschnitte.Das Ulcus cruris ist der schlimmste Statusbei venöser Insuffizienz. Es ist ein Substanzdefektim pathologisch verändertenGewebe des Unterschenkels. Auf pathophysiologischerEbene entsteht ein erhöhtervenöser Druck durch Reflux, der durchvenöse Venenklappeninsuffizienz bedingtist. Darüber hinaus ist das Venensystemnicht mehr in der Lage, trotz Aktivierungder Muskel-Gelenk-Pumpen, einen ausreichendenvenösen Rückstrom aufrechtzu halten und den Druck zu reduzieren.Entstehung des Ulcus crurisVeränderungen der Mikrozirkulationund der über den Tag zusätzlich konstanterhöhte venöse Druck führen zu einemAnstieg des Kapillarfiltrates, welchesdurch den Austritt u. a. von Eiweißmolekülenbis hin zu zellulären Bestandteilenin einer chronischen Entzündungen imumgebenden Bindegewebe gipfelt. DasUlcus cruris venosum stellt die Endstufedieser Prozesse dar.TherapiezieleDas bedeutendste Therapieziel in derBehandlung des Ulcus cruris stellt die Reduktiondes venösen Drucks und Unterbrechungvenöser Refluxe dar. Neben denbekannten chirurgischen und endvenö-16 4/2010 © Springer-Verlagwmw skriptum


awa-jahrestagung 2010sen Verfahren stellt die Kompressionstherapiedie konservative grundlegende therapeutischeMaßnahme dar. Ihre Wirkungberuht auf einer effektiven Verkleinerungder Venenlumina sowohl in Ruhe als auchin Mobilität bei Aktivierung der Wadenmuskelpumpe.Daher wirkt die Kompressionstherapieam effektivsten, wenn Mobilitätgegeben ist. Nach der maximalenmöglichen Längendehnung erfolgt dieEinteilung der Verbände in Ultrakurz,Kurzzug, Mittelzug und Langzug. Untergleichem Anpressdruck angelegt, sind unelastischeKurzzugverbände wirkungsvollerals Langzugverbände und Kompressionsstrümpfe.Mehrlagenverbände erreichenannähernd die Wirkung von Kurzzugverbänden,obwohl einzelne MateriallagenLangzugeigenschaften aufweisen.Kurzzugmaterialien bieten nach Studienlagedie besten Voraussetzungen für einenhohen Arbeitsdruck. Ihre Hauptwirkungwird aufgrund der Steifheit des Materialsbei Aktivierung der Muskel-Gelenk-Pumpenentfaltet. Die klinische Wirksamkeitdurch Verwendung von Kurzzug- undLangzugbinden oder der Mehrlagenverbändenist mehrfach in der Literatur belegt.Der Anpressdruck am distalen Unterschenkeldieser verschiedenen Systemevariiert von 18 mm Hg bis 80 mm Hg. Imklinischen Alltag zeigte sich, dass Kompressionsverbändez. B. durch die erzeugteÖdemreduktion unter Kompressionoder Mobilisation bereits nachwenigen Stunden verrutschen können, sodass insbesondere die kurzzugigen Bandagenden gewünschten Anpressdrucknicht mehr ausüben. Die richtige Anlageeines Kompressionsverbandes ist für dieTherapie entscheidend, um neben derWirksamkeit auch einen guten Tragekomfortzu erzielen. Optimale Effektivität entstehtdurch eine Kompressionsdruckgraduierung,die durch höheren Druck amdistalen und geringerem Druck als amproximalen Unterschenkel sichergestelltwird.Anpressdruckabfall durchÖdemrückbildungDer Anpressdruckabfall nach Anlageeines Verbandes durch geschultes Personalist größer als der des unerfahrenenBandagierers, wobei höhere Anpressdruckwerteund die richtige Verbandsanlageeine bessere entstauende Wirkung erzielt.Es hat sich aber gezeigt, dass sowohlder vom unerfahrenen als auch der vomerfahrenen Bandagier angelegte Verbandnach 3 Stunden einen signifikant geringerenAnpressdruckabfall aufzeigt, wasdurch die Verringerung des Gewebsödemsbedingt ist.Auch Kompressionsstrümpfe verbessernnachweislich die Abheilungsraten venöserUlzera. Ein Therapievorteil derStrümpfe besteht in der Konstanz des Anpressdruckes.Ausschluss einer PAVKVor Beginn jeder Kompressionstherapiesollte eine arterielle Verschlusskrankheitausgeschlossen werden. Mittels crurobrachialemDruck-Index kann diesesschnell erfolgen. Ist der Knöchel-Arm Index< 0,9 sollten hier zur Ödemreduktionnur kurzzugige Materialien zur Anwendungkommen und mit einem niedrigenAnpressdruck < 30 mm Hg angelegt werden.Regelmäßige tägliche Kontrollen derVerbände sind obligat.Zwei-Komponenten-KompressionsstrumpfsystemDas Zwei-Komponenten-Kompressionsstrumpfsystemübertrifft in einer kontrolliertenStudie die Abheilungsrate desKurzzugverbandes. Es wird eine deutlicheReduktion der Schmerzen herbeigeführt,zusätzlich vermitteln Kompressionsstrümpfeeinen höheren Komfort, nichtzuletzt durch die Selbstanlage des Patienten.Diese Vorteile kommen insbesonderezum Tragen, wenn Patienten, die im Anlegeneines Kompressionsverbandes ungeübtsind, eine Kompressionstherapie benötigen.Im Vergleich zu einem Kompressionsstrumpfsystemkann der Kompressionsexpertebeim Anlegen eines Kompressionsverbandesauf die Beinanatomieund Patientenerwartungen besser eingehen,insbesondere auch durch die Auswahlunterschiedlicher Polster- und Kompressionsmaterialien.Der aus unterschiedlichen Materialienerstellte Verband entwickelt physikalischeEigenschaften, die sich von den Einzelmaterialienunterscheiden: so entwickelt derim angelsächsischen Raum weit verbreiteteVierlagenkompressionsverband letztendlicheher Kurzzugeigenschaften, obwohldie elastische Komponente desVierlagenverbandes langzugige Materialeigenschaftenaufweist (Dehnbarkeit >100 %). Weiterhin verhindert die Kompressionstherapiedurch einen Strumpfnachweislich die stauungsbedingten Folgender Thrombose tiefer Bein- und Beckenvenen(postthrombotisches Syndrom).FazitZusammenfassend lässt sich sagen,dass bei einer suffizienten und täglichenKompressionstherapie eine Ulkusabheilungsratevon mindestens 70 % innerhalbvon 12 Wochen erzielt werden kann. Beigrößeren Ulzera kommen vorrangig klassischeKompressionsverbände zur Anwendung,die je nach Verbandsmaterialienbis zu einer Woche am Bein belassenwerden können.Die Therapie mittels Kompressionsstrumpfsystemenist, besonders bei kleinerenvenösen Ulzera, den klassischenKompressionsverbänden hinsichtlich Abheilungsrate,gefordertem Anpressdruck,Handhabung und Komfort überlegen. •IMPRESSUMHerausgeber und Verleger: Springer-Verlag GmbH, Professional Media, Sachsenplatz 4-6, 1201 Wien, Austria, Tel.: 01/ 330 24 15-0, Fax: 01/330 24 26-260; Internet: www.springer.at/wmwskriptum,www.SpringerMedizin.at; Geschäftsführer: Mag. Katharina Oppitz; Leitung Professional Media: Mag. Margarete Zupan; Redaktion: Prim. Dr. Herbert Kurz; Redaktionelle Koordination:Gabriele Hollinek; Redaktionssekretariat: Mag. (FH) Dorothea Wolinski; Produktion und Layout: Katharina Bruckner; Anzeigen: Antje Fresdorf, Dipl.Tzt. Elise Haidenthaller, GabrielePopernitsch . Es gilt die aktuelle Preis liste 2010; Erscheinungsweise: 10x jährlich; Abonnement: WMW-<strong>Skriptum</strong> ist eine Beilage zur Wiener Medizinischen Wochenschrift (WMW). Bezugspreis:1 Jahr EUR 452,–; Verlagsort: Wien; Herstellungsort: Wien; Erscheinungsort: Wien; P.b.b./Verlagspostamt ISSN: 1613-3803; Band 7, Heft 4/2010; Design: Wojtek Grzymala; Druck: HolzhausenDruck & Medien GmbH, 1140 Wien-Auhof, Holzhausenplatz 1. Alle namentlich gekennzeichneten Beiträge spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Diese Beiträgefallen somit in den persönlichen Verantwortungsbereich des Verfassers. Die Redaktion übernimmt keine Haftung für unaufgefordert eingesandte Manuskripte. Mit „Advertorial“ gekennzeichneteBeiträge sind bezahlte Einschaltungen nach §26 Mediengesetz. Urheberrecht: Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffentlichung erwirbt der Verlag vom Autor alle Rechte, insbesondere dasRecht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken mit Hilfe fotomechanischer oder anderer Verfahren. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungensind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesonderefür Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Auch die Rechte der Wiedergabe durchVortrag, Funk- und Fernsehsendungen, im Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungenusw. in dieser Zeitschrift berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zubetrachten wären und daher von jedermann benützt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden.Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eigentümer und Copyright-Inhaber: © 2010 Springer-Verlag/Wien. SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. Beilage zur Wiener Medizinischen Wochenschrift 7–8/2010.wmw skriptum © Springer-Verlag4/2010 17


awa-jahrestagung 2010Barbara Binder, GrazMedizinischer HonigWiederentdeckung des Honigs in der WundbehandlungVor mehr als 4000 Jahren wurde Honigbereits zur Behandlung von infiziertenWunden verwendet; sowohl in Schriftender Weltreligionen als auch in schriftlichenZeugnissen der alten Kulturen –Ägypter, Chinesen, Griechen und Römer –gibt es Hinweise auf Honiganwendungenin der Medizin. Die Verwendung von Honigin der Wundbehandlung der russischenSoldaten im ersten Weltkrieg wirdebenso in der medizinischen Literatur erwähnt.Mit der Entdeckung der Antibiotikawurde der Honig im Einsatz bei infizierenWunden zurückgedrängt. Imklinischen Alltag kam es in jüngerer Zeitzu vermehrtem Auftreten von Antibiotikaresistenzen,sodass die Honigtherapie inder Wundbehandlung wieder mehr in denMittelpunkt der Untersuchungen gerücktwurde und eine gewisse Renaissance erlebt.Wirkmechanismen von Honig inder WundbehandlungEs konnte in zahlreichen Studien in vitround in vivo gezeigt werden, dass medizinischerHonig sowohl gegen aerobe undanaerobe, grampositive als auch gramnegativeBakterien, inklusive gegen MRSA,VRE, ESBL und Pseudomonas aeruginosa,aber auch gegen Pilze und Viren keimreduzierendwirkt. Bisher wurde über keineResistenzentwicklungen berichtet. Abgesehenvon dieser Wirkung werden nochandere wundheilungsfördernde Wirkmechanismenbeschrieben. Die osmotischeAktivität des hohen Zuckergehaltes im Honigverhindert das Bakterienwachstum,indem den Keimen Wasser entzogen wird.Zur PersonDurch Entzug von Lymphe und Blutplasmaaus dem Wundgebiet entsteht einführenstetiger Flüssigkeitsstrom mit Reinigungder Wunde und Aufrechterhaltung einesfeuchten Wundmilieus. Der Honig wirddurch das Wundsekret verdünnt, und esentstehen niedrige Konzentrationen vonWasserstoffperoxid, welche das Bakterienwachstumhemmen, aber keine toxischeWirkung auf die Wundheilung ausüben.Die in Wundsekreten enthaltenen proteolytischenEnzyme werden ebenso durchdas Wasserstoffperoxid aktiviert, und derSpüleffekt (osmotische Aktivität) führtzum Ersetzen der verbrauchten Enzyme.Zusätzliche antibakterielle Komponentenim Honig wie z. B. die phytochemischeKomponente im neuseeländischen ManukahonigUMF®(Unique Manuka Factor)PD Dr. Barbara BinderUniversitätsklinik für Dermatologie und VenerologieMedizinische Universität, GrazAuenbruggerplatz 88036 GrazFax: ++43/316/385-2466E-Mail: barbara.binder@klinikum-graz.atAbb. 1: Schmierig belegtes, übel riechendes Ulcus cruris venosumzur wasserstoffperoxidunabhängigenantibakteriellen Wirkung.Immunmodulierende WirkungWeiters kommt es zu einer immunmodulierendenWirkung: T- und B-Lymphozytenwerden zur Proliferation angeregt,Zytokine, TNF-α, Interleukin 1 und -6 werdenvermehrt ausgeschüttet. Die antiinflammatorischeWirkung des Honigs bestehtdarin, dass im Honig Antioxidantienenthalten sind, die die freien Sauerstoffradikaleneutralisieren. Durch Anregungvon Kollagensynthese als auch Angiogenesekommt es zusätzlich zur Förderungder Wundheilung. Der üble Geruch vonchronischen Wunden weist auf eine bakterielleBesiedelung hin. Honig wirkt geruchsmindernd,einerseits durch die Reduktionder Bakterien, andrerseits durchUmstellung des Bakterienstoffwechsels.Die Umstellung des Bakterienstoffwechselsauf Glykolyse verhindert die Entstehungvon Stoffwechselprodukten aus Proteinen,die den üblen Geruch bewirken.Medizinischer HonigMedizinischer Honig in der Wundbehandlungangewandt, bewirkt eine Reduktionvon Entzündung, Ödem, Schmer-18 4/2010 © Springer-Verlagwmw skriptum


awa-jahrestagung 2010Die Indikationen für medizinischenHonig sind Wundhöhlen und Fisteln, nekrotische,belegte oder infizierte Wunden,ebenso Ulcera crures, Dekubitalulzera,Verbrennungen oder auch Spalthautentnahme-und -transplantationsstellen. BestimmteHonigarten sind sicherlich geeignet,in der Wundtherapie v. a. auch beichronischen Wunden eingesetzt zu werden.Nur sollte man wie bei allen derzeitangebotenen Wundauflagen die Anwendungsindikationüberlegt stellen. Die klinischeErfahrung zeigt, dass die Verabreichungvon Honig auf chronische Wundenvom Patienten gut angenommen wird. Eskann zwar nach Applikation desselben zuvorübergehend stechenden Schmerzenkommen (bedingt durch den osmotischenEffekt und durch die Verschiebung despH-Wertes in den sauren Bereich), dieseSchmerzen lassen aber bald nach. Wichtigfür den Alltag in der Anwendung ist einausreichendes Sekretmanagment, d. h.entsprechend der Exsudatmenge sind sowohlSekundärverband als auch die Verbandswechselintervalleanzupassen.Grundsätzlich kann medizinischer Honigbis zu sieben Tagen belassen werden.ZusammenfassungAbb.2: Ulcus cruris venosum nach Anwendung von Medihoney ® für 2 Wochen(Kompressionstherapie wurde durchgeführt)zen und üblem Geruch, sowie Steigerungder antibakteriellen Aktivität, Verstärkungdes autolytischen Debridements, der Granulationund Epithelialisierung. Es sollteberücksichtigt werden, dass speziell fürdie Wundbehandlung zugelassene Honigprodukteverwendet werden, da natürlicheHonige eine unterschiedliche Zusammensetzungund damit Wirkpotentialhaben, Rückstände von Pestiziden oderAntibiotika enthalten können, wie auchvermehrt Pollenrückstände. Kommerziellhergestellter medizinischer Honig hat einedefinierte Zusammensetzung und istdurch Gammabestrahlung sterilisiert –unter Erhaltung der Enzymaktivitäten undZerstörung von Sporenbildnern; außerdemhaben diese Produkte die CE-Zertifizierungals Medizinprodukt.Geringe NebenwirkungenDas Nebenwirkungspotential von Honigist an sich sehr gering. Bisher sind allergischeReaktionen auf topisch appliziertenHonig nicht beschrieben. Eineallergische Reaktion auf spezifische in Honigenthaltene Pollen oder auf Bienenproteineist selten möglich. MedizinischerHonig in reiner Qualität wird hingegendurch feine Filter gepresst, um den Großteilder Pollen zu eliminieren. Ein Diabetesmellitus ist keine Kontraindikation fürdie Anwendung von medizinischem Honig,da bisher keine nennenswerten Blutzuckererhöhungenbeschrieben wurden.Bei großflächigen Wunden sind dennochregelmäßige Blutzuckerkontrollen zuempfehlen.Indikationen von medizinischemHonigUnsere Erfahrung hat gezeigt, dass dieAnwendung von medizinischem Honigeine gute Alternative zu bisher bekanntenund verwendeten Wundbehandlungendarstellt. Dass diese Form des Wundmanagementsin allen Wundstadien (Abb.1und 2) angewandt werden kann, stellt unteranderem eine Erleichterung in derForm dar, dass kurzfristige, regelmäßigeArzt- bzw. Ambulanzbesuche reduziertwerden können. Die gute Wirkung bei belegtenund/oder infizierten Wunden ist sicherlichvon nicht zu unterschätzenderBedeutung.•Literatur1 Dunford CE, Hanano R (2004) Acceptabilityto patients of a honey dressing for non-healingvenous leg ulcers. J Wound Care 13: 193-197.2 Molan PC (2006) The evidence supporting theuse of honey as a wound dressing. Int J Low ExtrmWonds 5: 40-54.3 Gethin G, Cowmann S (2009) Manuka honeyvs hydrogel – a prospective, open leabel, multicentre,randomised controlled trial to comparedesloughing efficacy and healing outcomes invenous ulcers. J Clin Nurs 18: 466-474.4 Robson V, Dodd S, Thomas S. (2009) Standarizedantibacterial honey (MedihoneyTM) withstandard therapy in wound care: randomized clinicaltrial. J Adv Nurs 65: 565-575.5 Sharp A (2009) Beneficial effects of honeydressings in wound management. Nurs Stand24: 66-68, 70, 72 passim.Unsere neue Website ist onlinewww.SpringerMedizin.atInternet Anzeige _ 210 x 140 quer abf..indd 1 06.10.2009 16:28:39wmw skriptum © Springer-Verlag4/2010 19


awa-jahrestagung 2010Werner Sellmer, HamburgWundspülungUpdate 2010Über den Nutzen und die Unverzichtbarkeitvon Wundreinigung und Wundspülungbesteht in Fachkreisen eine einheitlicheMeinung. Bezüglich „womit“ und„wie“ gehen die Meinungen jedoch auseinander.Da nur saubere Wunden heilen könnenund die Wundreinigung unter anderemvor Anfertigung aussagekräftiger Fotos undvor Entnahme eines Wundabstricheswichtig ist, kommt der Auswahl der dafürverwendeten Flüssigkeiten eine immergrößere Bedeutung zu.Zur Person2010 zur Wundspülung abzulehnensind unter anderem Ethanol (Schmerz),Wasserstoffperoxydlösung (aggressiv),Ethacridinlactatlösung (Verfärbung) undGlukoselösung (Resorption).Der Vortrag stellt die verschiedenen geeignetenWundspüllösungen unter fachlichenAspekten wie Physiologie, Verträglichkeit,Temperatur, mikrobiologischeEignung und der Verbrauchsfristen nachAnbruch vor und vergleicht sie z. B. unterwirtschaftlichen Aspekten. So sollten zurReinigung und Spülung von Wundengrundsätzlich möglichst physiologischeWerner SellmerFachapotheker für klinische PharmazieVorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e.V.Wilstedter Weg 22a22851 NorderstedtDeutschlandFax: ++49/40/529 010 89E-Mail: werner.sellmer@werner-sellmer.deSterillösungen zum Einsatz kommen. NebenNaCl 0,9% und Ringerlösung bietet derMarkt hier etliche „konservierte“ Produktewie Prontosan®Lavanid® -Wundspüllösung,-Lösung 1 oder 2 und Lavasorb ® -Lösung sowie neu Octenilin® -Spüllösung.Das Thema Leitungswasser zur Wundspülungwird kontrovers diskutiert. Da dieTrinkwasserverordnung (TWV) zwar wederEscherichia coli noch Enterokokkenoder Pseudomonas aeruginosa erlaubt,ansonsten aber mit zugelassenen bis zu 10 2KBE/Keimen pro ml (bei 22 °C) alles andereals steril ist, kommt nur mit geeignetenMethoden der Sterilfiltration die nötigeKeimfreiheit zustande, die zur Anwendungin Wunden gefordert wird. Aktuell stehenstationär und ambulant bezahlbare Sterilfilter(0,2 µm) von verschiedenen Firmenzur Verfügung (z. B. Aquafree, Pall).Jüngste Gerichtsentscheidungen inDeutschland haben deutlich gezeigt, dassunzeitgemäße Methoden/Produkte in derWunde und ungenügende Aufklärung desPatienten juristisch geahndet werdenkönnen.•Joachim Dissemond, EssenWunden autoimmunologischer GeneseHeterogene KrankheitsbilderIn den westlichen Industrienationensollen etwa 1 bis 2 % der Bevölkerung unterchronischen Wunden unterschiedlicherGenese leiden. Die Inzidenz steigt jedocherheblich mit zunehmendemLebensalter an. So wird für die Inzidenzjenseits des 80. Lebensjahres bereits mit 4bis 5 % angegeben. Die am häufigsten auftretendenchronischen Wunden sind dasUlcus cruris venosum, Dekubitus und diabetischesFußsyndrom. Darüber hinauskönnen zahlreiche weitere Faktoren wiebeispielsweise eine periphere arterielleVerschlusskrankheit, arterieller Hypertonus,Malnutrition oder Medikamente einechronische Wunde verursachen oder derenAbheilung zumindest wesentlich behindern.Eine weitere wichtige, jedoch oftnicht diagnostizierte Ursache chronischerWunden können autoimmunologische Erkrankungensein. Es sollen daher im Folgendenexemplarisch anhand von zweiKrankheitsgruppen diese sehr heterogenenKrankheitsbilder vorgestellt werden.VaskulitisDer Begriff Vaskulitis beschreibt eineGruppe von Krankheiten, die zu einer Entzündungeiner Gefäßwand sowie derennachfolgende Schädigung führen. Die Einteilungder primären systemischen Vaskulitidenerfolgt heute meist entsprechendder Klassifikation der Chapel Hill Konsensuskonferenzund orientiert sich an demanatomischen Durchmesser der betroffenenGefäße. So ergibt sich eine Untertei-wmw skriptum © Springer-Verlag4/2010 21


awa-jahrestagung 2010Abb. 1: Exulzerierte Vasculitis allergicalung der Vaskulitiden entsprechend derBeteiligung der großen, mittelgroßen undkleinen Gefäße. Als sekundär werden Vaskulitidenbezeichnet, die im Rahmen vonanderen Grunderkrankungen auftreten.Hier findet sich oft eine Assoziation zuKrankheitsbildern wie beispielsweise Kollagenosenoder Neoplasien. Zudem könnenArzneimittel oder Infektionen der Anlassfür eine akute Vaskulitis sein. Inaktuellen Untersuchungen konnte gezeigtwerden, dass zumindest in spezialisiertenWundambulanzen bis zu 11 % der zuvortherapierefraktären Patienten mit einemchronischen Ulcus cruris eine zugrundeliegendeVaskulitis hatten.Trotz großer Unterschiede der verschiedenenArten einer Vaskulitis gibt inHinblick auf die klinische Manifestationeinige typischen Gemeinsamkeiten. Sokommt es durch die Einblutung in dieHaut oft zu dem Auftreten einer Purpura,die mit einem Glasspatel (Diaskopie) nichtZur Personwegdrückbar ist. Wenn Ulzerationen auftreten,sind diese oft multiple und häufigersymmetrisch an den unteren Extremitätenlokalisiert und von lividen Erythemen umgeben.Diese Ulzerationen zeigen oft einrasches Fortschreiten, so dass auf derWundoberfläche Nekrosen gefunden werdenkönnen (Abb. 1). Typisch ist zudem istausgeprägte Schmerzhaftigkeit.Die zu bestimmenden serologischenEntzündungsparameter BSG, CRP, LeukoundThrombozytose gehen mit der Akuitäteiner Vaskulitis oft einher und sollten wiederholtim Verlauf bestimmt werden. Nebendem Ausschluss einer viszeralen Manifestationsind es insbesondere serologischeParameter wie beispielsweisespezifische Autoantikörper, die in der Diagnostikrichtungweisend sind. Zudemsollten immer auch Biopsien entnommenwerden, die sowohl konventionell als auchim Rahmen einer direkten Immunfluoreszenzdiagnostik(DIF) beurteilt werden.Der sehr einfach durchzuführende Rumpel-Leede-Testist als Ausdruck der vermindertenKapillarresistenz und Verlängerungder Blutungszeit bei einer Vaskulitisoft positiv und kann dann auch als Verlaufsparameterfür die Überprüfung desTherapieerfolges genutzt werden.Bei ausgeprägteren Verlaufsformen einerVaskulitis kommen für die symptomatischeBehandlung eine Reihe verschiedener,meist immunsuppremierenderMedikamente wie beispielsweise Glukokortikoideoder Cyclophosphamid inFrage. Neuere Alternativen, die insbesonderebei Kontraindikationen oder einemVersagen der konventionellen Therapieversucht werden können sind beispielsweiseMycophenolat-Mofetil, Rituximab,Cacineurin-Inhibitoren oder Tumornekrosefaktor(TNF-)-α-Inhibitoren. Als adjuvanteBehandlung wird auch oft symptomatischeine Kompressionstherapie zurSteigerung der Fibrinolyse und Verringerungweiter Extravasate von Erythrozytengenutzt.Priv.-Doz. Dr. Joachim DissemondKlinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologieund AllergologieUniversitätsklinikum EssenHufelandstraße 5545122 EssenDeutschlandFax: ++49/201/7235935E-Mail: joachim.dissemond@uk-essen.dePyoderma gangraenosumAls Pyoderma gangraenosum wird eineGruppe von Krankheitsbildern beschrieben,die gemeinsam mit Erkrankungenwie beispielsweise dem Sweet-Syndromoder dem Morbus Behçet heute zu denneutrophilen Dermatosen gerechnet wird.Das Maximum der Prävalenz dieser destruktiv-ulzerierendenErkrankung wird fürein Alter zwischen dem 25. und 50. Lebensjahrbeschrieben. Die Inzidenz solletwa 0,3–1,0/100.000 Einwohner betragen.In den meisten Studien wird eine vergleichbareVerteilung zwischen den Geschlechternoder ein etwas häufigeres Vorkommenbei Frauen propagiert.Das Pyoderma gangraenosum tritt gehäuftassoziiert mit chronischen Erkrankungenwie beispielsweise Colitis ulcerosa,Morbus Crohn, Hepatitis, rheumatoideArthritis, myeloproliferative Erkrankungenoder monoklonale Gammopathieauf. Bei 30–50 % der Patienten findet sichjedoch keine Grundkrankheit. Aktuellwerden sowohl humorale als auch zelluläreImmundefekte als wesentliche Aspektein der Ätiologie des Pyodermagangraenosum diskutiert. So wurden beispielsweiseT-Zell-Defekte mit einer anergenReaktionslage der Dermis im MultitestMerieux und eingeschränkter Produktionvon Makrophagen-inhibitierendem Faktordurch Lymphozyten beschrieben. Aberauch B-Zell-Defekte konnten in dem Zusammenhangmit dem Auftreten einesPyoderma gangraenosum gefunden werden.Die Diagnose eines Pyoderma gangraenosumwird aufgrund fehlender eindeutigerserologischer oder histologischer Kriterienanhand der spezifische Morphe desklinischen Bildes gestellt. Der histologischeBefund dient in erster Linie dem Ausschlussanderer Differentialdiagnosen. Beietwa 30 % der Patienten ist der Pathergie-Test positiv. Hierbei ist jedoch zu beachten,dass die Patienten in der Zeit der Testungnicht systemisch immunsupprimierendbehandelt werden dürfen.Anamnestisch wird das Auftreten dieserUlzerationen oft nach teilweise minimalenVerletzungen, wie Insektenstichen,Exkoriationen oder operativen Eingriffenbeschrieben. Dieser Pathomechanismuswird auch als Pathergie-Phänomen bezeichnet.Klinische Charakteristika einesPyoderma gangraenosum sind initialdruckdolente erythematöse Noduli, dieexulzerieren und von hämorrhagischenPusteln umgeben sind. Der bakteriologischeAbstrich solcher Pusteln zeigt sich ty-22 4/2010 © Springer-Verlagwmw skriptum


awa-jahrestagung 2010pischerweise steril. Die sehr schmerzhaftenUlzera sind meist polyzyklisch begrenztund weisen einen düster-lividen teils unterminiertenRandsaum auf (Abb. 2). AlsPrädilektionsstellen werden die Unterschenkelbeschrieben, jedoch kann esauch an allen anderen Körperarealen zueinem Pyoderma gangraenosum kommen.Das Wachstum der Ulzerationenwird oft als serpiginös zentrifugal beschrieben.Auch wenn der Krankheitsverlaufbei vielen Patienten nach mehrerenWochen bis Monaten selbstlimitierendsein soll, finden sich immer wieder Patientenmit chronisch rezidivierenden Verläufen.Nach Abheilung finden sich atrophepolyzyklisch begrenzte Narben.Die Behandlung des Pyoderma gangraenosumbasiert wesentlich auf einer immunsupprimierendenTherapie, die meistsystemisch erfolgen sollte. Als Therapieder ersten Wahl werden oft Glukokortikoideund Cicosporin gesehen. Alternativensind Medikamente wie Azathioprin, Dapson,Colchicin, Cyclophosphamid, Chlorambuciloder Clofazimine. Neuere therapeutischeAnsätze basieren beispielsweiseauf der systemischen Gabe von Immunglobulinenoder TNF-α-Inhibitoren.Weitere KrankheitsbilderAuch bei vielen weiteren Krankheitsbildernwie beispielsweise der Thromboangiitisobliterans, Lichen ruber erosivus,Livedo-Vaskulopathie, Graft-versus-Host Disease oder der Necrobiosislipoidica kann es aufgrund von autoimmunologischenPhänomenen zu dem Auftretenvon chronischen Wunden kommen.FazitAbb. 2: Abdominelles Pyoderma gangraenosum nach operativem EingriffNeben der häufiger auftretenden Genesechronischer Wunden im Rahmenvon beispielsweise chronisch venöser Insuffizienz,peripherer arterieller Verschlusskrankheitoder Polyneuropathie istes interdisziplinär zunehmend relevantgeworden auch Wunden autoimmunologischerGenese diagnostizieren und gegebenenfallstherapieren zu können. •Martin Glatz, Zürich; Kristina Semmelweis und Robert R. Müllegger, Wiener NeustadtWunden infektiöser GeneseDifferentialdiagnosen und BeispieleWunden zählen zu den häufigstenKrankheitsbildern, mit denen Ärzte im klinischenAlltag konfrontiert werden. Aneine infektiöse Genese einer Wunde sollteunter anderem gedacht werden, wenn sieZur PersonDr. Martin GlatzDermatologische KlinikUniversitätsSpital ZürichGloriastraße 318091ZürichSchweizFax: ++41/44/255 4549E-Mail: martin.glatz@usz.chakut aufgetreten ist, a priori von einerdeutlichen Entzündung begleitet war oderaus einem Knoten hervorgegangen ist,anamnestische Verdachtsmomente bestehen(z. B. extrakutane Symptome wie Fieber,Auslandsaufenthalt, Tierkontakt, Arthropodenstichetc.), die Wundumgebungkeinen Hinweis für eine vaskuläre Geneseerkennen lässt und konventionelle Wundtherapienerfolglos bleiben. Eine Vielzahlvon Krankheitserregern kann zu Wundender Haut führen (Tab. 1). Bakterielle Infektionenmit Streptokokken und/oder Staphylokokkensind in gemäßigten Klimazonendie wichtigste Ursache für infektiöseWunden. Seltener, aber mit Regelmäßigkeitim dermatologischen Krankengut vertretensind atypische Mykobakteriosenwie das Schwimmbadgranulom, besonderstypisch nach dem Reinigen einesAquariums, wo eine Infektion mit Mycobacteriummarinum akquiriert werdenkann. Die an Häufigkeit zunehmenden ge-wmw skriptum © Springer-Verlag4/2010 23


awa-jahrestagung 2010Tabelle 1Synopsis infektiöser Wunden und deren ErregerErregerBakterienActinomyces spp.Bacillus anthracisBartonella henselae, Bartonella quintanaFrancisella tularensisHaemophilus ducreyiMycobacterium spp.Pseudomonas spp.Streptococcus spp., Staphylococcus spp.Treponema pallidumVirenCytomegalie VirusHerpes simplex VirusOrthopoxvirenParapoxvirenVaricella zoster VirusParasitenDracunculus medinensisEntamoeba histolyticaLeishmania spp.PilzeBlastomyces dermatitidisCladosporium carrionii (und andere)Sporothrix schenckiiErkrankungAktinomykoseHautmilzbrandBazilläre AngiomatoseUlzeroglanduläre TularämieUlcus molleBuruli Ulkus (Ulcus tropicum), Lepra, Hauttuberkulose,SchwimmbadgranulomEcthyma gangraenosum, Erysipel, Malleus (Rotz)Erysipel, Ecthyma, Impetigo contagiosaSyphilis (Ulcus durum)Zytomegalie Ulkus (bei HIV-Infektion)Nekrotisierender Herpes simplex, Herpes genitalisKuhpockenEcthyma contagiosum (Orf)Nekrotisierender Herpes zosterDrakunkuloseKutane AmöbiasisKutane und mukokutane LeishmanioseNordamerikanische BlastomykoseChromoblastomykoseSporotrichosenitalen Ulzera sind meist durch Herpesviren,Treponema pallidum (Syphilis) oderHaemophilus ducreyi (Ulcus molle, weicherSchanker) bedingt. Generell gilt fürdas Spektrum viraler Erreger, dass HerpesundPoxviren am häufigsten Wunden verursachenkönnen. Mykosen wie die Sporotrichoseoder Parasitosen wie vor allemdie Leishmaniose können ebenfalls zu infektiösenWunden führen [1]. Sie kommenzwar vornehmlich in tropischen und subtropischenKlimazonen vor, sollten jedochauch bei uns differentialdiagnostisch inBetracht gezogen werden (Auslandsreise).In der Diagnosefindung ist die ausführlicheund gezielte Anamnese unerlässlich,die unbedingt die Frage nach Auslandsaufenthaltenund Kontakt mit Tieren (Zoonosen)umfassen muss. Für eine gezielteTherapie ist die Identifikation des Erregerswünschenswert. Meist werden direkteNachweismethoden von einem Wundabstrichoder einer Hautbiopsie in Form vonFärbung, PCR, direkter Immunfluoreszenzoder Kultivierung angewandt. SuboptimaleSensitivität, Arbeitsaufwand, Zeitverzögerungund eingeschränkte Verfügbarkeitkönnen zu erheblichen Problemenführen. Indirekte, serologische Nachweismethodenspielen meist eine untergeordneteRolle. Die Therapie erfolgt erregerspezifisch,was vor allem bei bakteriellen,mykotischen und Herpesvireninfektionenmöglich ist. Im Folgenden sollen beispielhafteinige infektiöse Wunden genauer betrachtetwerden.Nekrotisierendes ErysipelDas Erysipel ist eine bakterielle Infektionder Dermis, die meist durchβ-hämolysierende Streptokokken derGruppe A, seltener durch Staphylokokken,Pseudomonas spp. oder Enterobakterienhervorgerufen wird. Die Erreger dringendurch meist kleine Barrieredefekte in dieHaut ein, wo sie sich zentrifugal ausbreitenund Rötung, Schwellung und Überwärmungauslösen. Neben lokalenSchmerzen und Spannungsgefühl kommtes fast regelhaft zu (hohem) Fieber undSchüttelfrost, oft auch reduziertem Allgemeinzustand.Meist ist der klinische Verlaufdurch eine intravenöse oder perioraleantibiotische Therapie mit Penicillin gutbeherrschbar und komplikationslos [2].Etwa 2,5 % aller Patienten entwickeln bullöse,livide bis schwarze Verfärbungen innerhalbdes Erysipels mit nachfolgenderAusbildung von Nekrosen und Ulzerationen.Diese nekrotisierenden Erysipele tretenin 75 % der Fälle am Bein auf. Risikofaktorensind höheres Lebensalter,periphere arterielle Verschlusskrankheitsowie Hyperurikämie und Nierenerkrankungen[3]. Die Diagnose basiert auf demklinischen Bild, der Nachweis des Erregersgelingt nur sehr selten und wird in der klinischenRoutine auch meist nicht durchgeführt.Leukozytose und CRP-Erhöhungsind ergänzend wegweisend. Differentialdiagnostischsollte eine nekrotisierendeFasziitis (Streptokokkengangrän) mit Bedrohungsubkutaner Strukturen wie Sehnenund Muskeln ausgeschlossen werden(MRT). Das nekrotisierende Erysipel wirdin jedem Fall im stationären Rahmen mittelsintravenöser Antibiotikatherapie(β-Laktam Antibiotika mit Betalaktamasehemmerplus eventuell Clindamycin, gegebenenfallsPiperacillin / Tazobactam)behandelt. In schweren Fällen kann nachWunddebridement eine plastische Defektdeckungnötig sein.EcthymataEcthymata sind ulzerierende Pyodermien,die meist durch eine Infektion mitβ-hämolysierenden Streptokokken und/oder Staphylokokken verursacht werden.Sie kommen gehäuft in feuchtwarmemKlima vor und werden durch schlechte hygienischeVerhältnisse, Malnutrition mitProteinmangel, höheres Lebensalter undImmunsuppression gefördert [4]. Übereine Eintrittspforte, häufig ein Arthropodenstichoder andere Bagatelltraumen,dringen die Erreger in die Haut ein undführen, meist an den Unterschenkeln zunächstzu (multiplen) Pusteln oder Blasen,aus denen sich dann typische scharfrandige,wie ausgestanzt wirkenden Ulzeraentwickeln. Die Ulzera reichen oft bis indie Subkutis. Oft findet sich eine regionaleLymphadenopathie. Bis zur Kenntnis des24 4/2010 © Springer-Verlagwmw skriptum


http://www.springer.com/journal/12545

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!