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Das Adult Attachment Interview und psychoanalytisches Verstehen

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Auswertung insofern, als die verstrickten Haßgefühle des Patienten auf denVater sowohl im AAI als auch in der Behandlung im Sinne einer robustenOrganisation seiner Bindungserfahrungen („Vater-Schema„) erkennbar werden.Der analytische Eindruck seiner mangelnden Autonomie <strong>und</strong>Distanzierungsfähigkeit <strong>und</strong> gewissen Maniriertheit der Sprache paßt ebensomit der AAI-Sicht zusammen. In der therapeutischen Arbeit verschiebt sichdann jedoch recht schnell die Vater-Thematik auf eher schambesetzte, rigideIdentifizierungen des Patienten mit seiner streng-bigotten Mutter, die mit demAAI- wie diskutiert – nicht erfaßt werden konnten, sondern sich allenfalls inseinem widersprüchlich, idealisierten Bild von der Mutter niederschlagen.Daraus kann gefolgert werden, daß komplexere Abwehrmanifestationen, dieÜber-Ich-Problematik, Scham oder Ödipalität betreffen, nicht Gegenstand desuns vorliegenden AAI-Schemas sind. Hier würde die zukünftige Anwendungdes AAI in klinischen Gruppen eine Erweiterung im Hinblick auf anderewichtige psychische Lebensbereiche betreffen, um ein klinisch vollständigeresBild zu erreichen. Problematisch dabei wäre wahrscheinlich, daß eineleichtfertige Erweiterung der klassischen Bindungstrilogie (Bindung, Trennung,Verlust) auf Kosten der eingangs erwähnten, bislang zuverlässigen <strong>und</strong> präzisenOperationalisierung des Bindungskonstrukts gingen; die Frage also was messenwir dann, wenn wir nach der psychoanalytischen Trias „Liebe, Genuß <strong>und</strong>Arbeit„ fragen?Im unserem zweiten Fall der ängstlich-depressiven Patientin verschätzte sichder Therapeut beträchtlich mit der im Auftakt illustrierten Behauptung, „allesim Leben der Patientin ist verwickelt„. Hier schnitt die Patientin aus AAI-Perspektive deutlich besser ab. Mit ihrer im AAI präsentierten Fähigkeit,verschiedene Perspektiven einzugehen, wertschätzend zu sein, zu verzeihen,offen negative Gefühle auszusprechen, „verdient„ sie sich eine sichereBindungsrepräsentation. Problematisch dabei ist, <strong>und</strong> das lernen wir von derpsychoanalytischen Perspektive, daß die Autonomie der Patientin im AAI impsychischen Funktionieren einen Abwehrcharakter haben kann. Hätte sie imAAI einmal auf ihre alkoholabhängige, vernachlässigende Mutter oder ihrenabwesenden, gewalttätigen Vater geschimpft, wäre dem Analytiker wohlergewesen. Andererseits bildet sich genau das im AAI ab, was sich auch in dertherapeutischen Beziehung widerspiegelt: Die Patientin will den Analytikernicht belasten <strong>und</strong> deponiert all die negativen Affekte in ihm. Diese komplexeForm der Abwehr, die einen interaktionellen Charakter in sich birgt, ist im AAInicht zu identifizieren. Ein „drittes Ohr„ bleibt dem Analytiker vorbehalten.Die Eindeutigkeit, mit der eine traumatische Genese ihrer Störung plausibelgemacht werden konnte, dürfte in diesem Fall das stärkste Argument für die28

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